L 6 R 3053/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 3327/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 R 3053/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zeiten der Zugehörigkeit zu einer rumänischen LPG stellen jedenfalls im Zeitraum von 1966 bis 1977 auch dann im Sinne des Fremdrentenrechts Beitragszeiten dar, wenn der Beitragszahlung wegen Schwangerschaft und Kindererziehung keine Arbeitsleistung für die LPG zugrunde lag.

Es handelt sich bei diesen Zeiten um nachgewiesene Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 15 Abs. 1 FRG, die zu 6/6 der Rentenberechnung zugrunde zu legen sind. § 28 b FRG hat insoweit keine verdrängende Wirkung.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 30. Mai 2005 aufgehoben und der Bescheid vom 10. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. November 2003 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 18. Juli 1996 teilweise zurückzunehmen und der Klägerin höhere Altersrente ab 1. Januar 1998 unter Berücksichtigung der Zeit vom 1. Januar 1966 bis 31. Dezember 1977 als nachgewiesener Beitragszeit zu gewähren.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten aus beiden Rechtzügen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht die Berücksichtigung der Zeit vom 1. Januar 1966 bis 31. Dezember 1977 als nachgewiesene Zeit nach § 15 Fremdrentengesetz (FRG).

Die 1932 in R. geborene Klägerin ist am 14. Mai 1990 in die Bundesrepublik Deutschland ausgesiedelt und Inhaberin des Vertriebenenausweises A. In R. war sie von 1956 bis zu ihrer Aussiedlung Mitglied der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) "Romgera" Santana, was in dem von ihr vorgelegten Arbeitsbuch bescheinigt ist. Im Arbeitsbuch sind in Spalte 5 das maßgebliche Jahr, in Spalte 6 das Soll-Arbeitsvolumen, in Spalte 7 das erzielte Arbeitsvolumen und in Spalte 8 die gearbeiteten Kalendertage eingetragen. Für die Jahre 1966 bis einschließlich 1971, 1974 bis 1981 und 1989 sind im Arbeitsbuch weder Angaben zum Soll-Arbeitsvolumen, zu dem erzielten Arbeitsvolumen noch zu den tatsächlich gearbeiteten Arbeitstagen enthalten. In dieser Zeit hat die Klägerin wegen Schwangerschaft bzw. Erziehung und Versorgung ihrer Kinder K. (geb. 1957), J. (geb. 1959), F. (geb. 1966), M.-B. (geb. 1968) und W. (geb. 1974) keine Arbeitsleistung für die LPG erbracht.

Seit 1. September 1996 bezieht die Klägerin Altersrente (Antrag vom 4. März 1996, Bescheid vom 18. Juli 1996). Bei der Rentenberechnung war die strittige Zeit vom 1. Januar 1966 bis 31. Dezember 1977 weder als nachgewiesene noch als (nur) glaubhaft gemachte Beitragszeit nach dem FRG berücksichtigt. Angerechnet wurden in diesem Zeitraum ausschließlich Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten für die Kinder K., J., F. und M.-B. gem. § 28b FRG entsprechend dem im Sechsten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) vorgesehenen Umfang.

Im Dezember 2002 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und machte im Rahmen eines Überprüfungsantrags nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) geltend, ihre Rente sei neu zu berechnen, da als Mitglied der LPG die Zeit der Zugehörigkeit zur LPG in vollem Umfang als Beschäftigungszeit nach dem FRG anzuerkennen sei. Von 1966 bis 1977 seien die vollen Tabellenwerte mit 6/6 anzuerkennen, da ab diesem Zeitpunkt Versicherungspflicht in der allgemeinen Rentenversicherung bestanden habe, schon aufgrund der Mitgliedschaft zur C.A.P.

Mit Bescheid vom 10. März 2003 stellte die Beklagte die Rente der Klägerin ab 1. September 1996 unter teilweiser Rücknahme des Bescheids vom 18. Juli 1996 neu fest, da sich die rentenrechtlichen Zeiten geändert hätten. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass bei der Berechnung der Rente die Zeiten als Mitglied der LPG gemäß den Entscheidungen des Bundessozialgerichts durchgehend zu 5/6 zu berücksichtigen seien, wenn dies für sie günstiger gewesen sei. Dies sei der Fall für Zeiten, in denen laut dem Arbeitsbuch weniger als 300 Arbeitstage pro Jahr bescheinigt seien. Die Zeiten, in denen mehr als 300 Arbeitstage bescheinigt seien, seien jetzt mit 6/6 bewertet worden.

Dagegen erhob die Klägerin mit der Begründung Widerspruch, auch die Jahre, in denen sie nicht gearbeitet habe (1966-1971, 1974-1981 und 1989), seien als FRG-Zeiten zu 6/6 anzuerkennen, da in diesen Zeiten Beiträge bezahlt worden seien.

Mit Bescheid vom 16. Juni 2003 stellte die Beklagte die Rente der Klägerin nochmals neu fest und legte die Zeit vom 16. Februar bis 31. Dezember 1972 zu 6/6 ihrer Rentenberechnung zugrunde. Für das Jahr 1973 verbleibe es entsprechend der BSG-Rechtsprechung bei einer 5/6 Berechnung, da weniger als 300 Arbeitstage pro Jahr im Arbeitsbuch bescheinigt seien.

Die Klägerin hielt an ihrem Widerspruch fest. Sie führte ergänzend aus, bis 1965 seien Mitglieder der LPG in R. als Selbständige behandelt worden, vom 1. Januar 1966 bis 31. Dezember 1977 sei dann aber für jedes Jahr ein Beitrag zu entrichten gewesen, auch wenn tatsächlich nicht gearbeitet worden sei. Daher müssten diese Zeiten bei der Rentenberechnung mit 6/6 berücksichtigt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. November 2003 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass über die bereits anerkannten Zeiträume hinaus die Zeiten von 1966 bis 1971 und von 1974 bis 1977 bzw. 1981 nicht anerkannt werden könnten, da sie im Sozial- und Rentenbuch nicht bestätigt seien. Weder seien vorgegebene Arbeitsvolumen noch dementsprechend geleistete Arbeitstage bescheinigt worden. Eine ununterbrochene Beitragszahlung sei daher nicht nachgewiesen. Das Urteil des BSG vom 30. Oktober 1997 (13 RJ 19/97) sei bei Kolchosemitarbeitern dann von einer durchgehenden Beitragszeit ausgegangen, wenn nur kurzfristige oder nur vorübergehende Unterbrechungen vorgelegen hätten. Bei der Klägerin sei die tatsächliche Tätigkeit aber durch Jahre fehlender Arbeitsleistung unterbrochen.

Dagegen erhob die Klägerin am 1. Dezember 2003 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG), mit der sie geltend machte, die Zeit vom 1. Januar 1966 bis 31. Dezember 1977 müsse als volle Zeit mit 6/6 ihrer Rentenberechnung zugrunde gelegt werden.

Mit Urteil vom 30. Mai 2005 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, neben der Zahlung von Beiträgen, wovon hinsichtlich der Jahre 1966 bis 1977 ausgegangen werde, sei für die Anerkennung der fraglichen Zeit zu 6/6 erforderlich, dass ein ganzjähriges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe. Ausweislich des vorgelegten Arbeitsbuchs habe die Klägerin in den fraglichen Zeiten aber überhaupt nicht gearbeitet, so dass eine Anerkennung als Beitragszeit ausscheide. Eine Übertragung der Rechtsprechung des BSG zu sog. Kolchosemitgliedern könne nicht erfolgen, da im Gegensatz zu Kolchosemitgliedern in der Zeit der Nicht-Beschäftigung nicht von einem Fortbestehen der für ein Beschäftigungsverhältnis typischen Weisungsgebundenheit ausgegangen werden könne und im übrigen kein Anhaltspunkt dafür bestehe, dass auch ohne Arbeitsleistung Entgelt bezahlt worden sei. Solch eine Regelung sei erst ab dem Jahr 1983 in R. eingeführt worden. Der Entscheidung des Bayerischen LSG vom 21. Juli 1999 (L 20 RJ 620/93), das Beitragszeiten nach § 15 FRG aufgrund der bloßen LPG-Mitgliedschaft anerkannt habe, schließe sich das Gericht nicht an.

Gegen das am 1. Juli 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25. Juli 2005 Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft zur Begründung ihr bisheriges Vorbringen.

Die Klägerin beantragt, teilweise sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 30. Mai 2005 aufzuheben, die Bescheide vom 10. März 2003 und 16. Juni 2003, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. November 2003 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 18. Juli 1996 teilweise zurückzunehmen und ihr höhere Altersrente zu gewähren unter Berücksichtigung der Zeit vom 1. Januar 1966 bis 31. Dezember 1977 als nachgewiesener Beitragszeit.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise,die Revision zuzulassen.

Sie stützt sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.

Das Gericht hat den Beteiligten die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 8. September 2005 (B 13 RJ 44/04 R) übersandt. Die Beklagte hat dazu ausgeführt, die Beitrags- und Rentendezernenten der Südwestdeutschen Regionalträger, der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland und der Deutschen Rentenversicherung Bund seien übereingekommen, dem Urteil nicht zu folgen, da es nicht zu überzeugen vermöge. Es sei nicht nachvollziehbar, warum im Rahmen des § 15 FRG nur auf die Beitragsleistung, nicht aber auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses im sozialversicherungsrechtlichen Sinn abgestellt werde. Diese Auffassung stehe im Widerspruch zu § 15 Abs. 1 Satz 2 FRG, der eine abhängige Beschäftigung als Voraussetzung für die Anerkennung einer Zeit als Beitragszeit im Sinne des § 15 FRG normiere. Da die Tabellenentgelte in Anlage 14 zum SGB VI bzw. FRG auf die geleisteten Vollarbeitstage abstellten bzw. einzelne Tage, an denen nicht oder nicht in Vollzeit gearbeitet worden seien, abweichend zu bewerten seien, sei nach wie vor erheblich, in welchem Umfang die fraglichen Zeiten anerkannt würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Die Zeit vom 1. Januar 1966 bis 31. Dezember 1977 ist als nachgewiesene Beitragszeit zu 6/6 der Rentenberechnung der Klägerin zugrunde zu legen.

Verfahrensrechtlich beurteilt sich der geltend gemachte Anspruch der Klägerin nach § 44 SGB X. Danach ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Beklagte hat im Bescheid vom 18. Juli 1996 zu Unrecht die Zeit vom 1. Januar 1966 bis 31. Dezember 1977 nicht als Beitragszeit nach § 15 FRG berücksichtigt und deshalb die Rente in zu niedriger Höhe gezahlt.

Als anerkannte Vertriebene im Sinne des § 1 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) gehört die Klägerin gem. § 1 Buchst. a FRG zum berechtigten Personenkreis nach dem FRG. Nach § 15 Abs. 1 FRG stehen Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Sind Beiträge auf Grund einer abhängigen Beschäftigung oder einer selbständigen Tätigkeit entrichtet, so steht die ihnen zu Grunde liegende Beschäftigung oder Tätigkeit einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich (§ 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 FRG). Nach Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift ist als gesetzliche Rentenversicherung im Sinne des Abs. 1 jedes System der sozialen Sicherheit anzusehen, in das in abhängiger Beschäftigung stehende Personen durch öffentlich-rechtlichen Zwang einbezogen sind, um sie und ihre Hinterbliebenen für den Fall der Minderung der Erwerbsfähigkeit, des Alters und des Todes für einen oder mehrere dieser Fälle durch die Gewährung regelmäßig wiederkehrender Geldleistungen (Renten) zu sichern. In R. ist für die Mitglieder der LPG – nach dem Muster der staatlichen Sozialversicherung – durch Dekret Nr. 535/1966 eine gesetzliche Sozialversicherung als Pflichtversicherung eingeführt worden (Dekret Nr. 535 vom 24. Juni 1966 über das Recht auf Rente und andere Sozialrechte der Mitglieder der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften). Bei diesem mit Wirkung vom 1. Januar 1967 eingeführten Sicherungssystem handelt es sich um ein System der gesetzlichen Rentenversicherung (BSG, Urteil vom 27. Februar 1986 - 1 RA 57/84). Obwohl gesetzliche Rentenansprüche für LPG-Mitglieder erst ab 1. Januar 1967 bestanden, wurde die Beitragspflicht zum Rentenversicherungssystem für LPG-Mitglieder bereits ab 1. Januar 1966 eingeführt. Insoweit können Beitragszeiten für LPG-Mitglieder frühestens ab 1. Januar 1966 vorliegen. Die Arbeitnehmer der LPG gehörten hingegen schon auf Grund der Bestimmungen des Arbeitsgesetzbuches aus dem Jahr 1950 der Sozialversicherung als Pflichtmitglieder an (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 8. September 2004 - L 2 RJ 1664/02 unter Hinweis auf Artikel 104 ArbGB von 1950, VDR-Kommentar § 15 FRG Anm. 7.31 ). Eine Beschäftigung von Arbeitnehmern gegen Lohnzahlung war allerdings bei den LPG die Ausnahme und kam in der Regel nur bei anderen als landwirtschaftlichen Arbeiten (z. B. technische Arbeiten oder Büroarbeiten) in Betracht (vgl. Rechtsgutachten des Instituts für Ostrecht München e.V. vom 15. Dezember 1999, S. 106, 107).

Der Senat geht mit der Beklagten und dem SG davon aus, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum von 1. Januar 1966 bis 31. Dezember 1977 Mitglied der LPG Santana war. Aufgrund dieser auch von der Beklagten nicht bestrittenen Zugehörigkeit zur LPG im fraglichen Zeitraum sind entsprechend dem Dekret Nr. 535 für die Klägerin Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 1. Januar 1966 bis 31. Dezember 1977 entrichtet worden, die auch als Beiträge im Sinne des FRG anzusehen sind. Davon ist auch unter Berücksichtigung der Tatsache auszugehen, dass die Sozialversicherungsbeiträge der LPG nicht für einzelne Mitglieder nach den von ihnen erzielten Entgelten, sondern nach Maßgabe der von der LPG erzielten Jahresproduktion abgeführt worden sind (vgl. LSG Baden-Württemberg a.a.O. unter Verweis auf das Gutachten des Instituts für Ostrecht München e.V. vom 15. Dezember 1999). Diese Beitragsleistungen und deren Höhe haben keinen Einfluss auf die Rentenansprüche der LPG-Mitglieder gehabt. Vielmehr war die Höhe der Ansprüche abhängig von den jeweils zurückgelegten Beschäftigungszeiten und der Erfüllung der festgelegten Tagwerke bzw. Arbeitsnormen.

Da somit bereits von einer Einbeziehung in das System der gesetzlichen Rentenversicherung in R. schon allein aufgrund der Mitgliedschaft in einer LPG auszugehen ist, eventuelle Unterbrechungen der tatsächlichen Beschäftigung schon aufgrund der Finanzierungsstruktur der Versicherung weder Einfluss auf die Einbeziehung noch auf die individuelle Beitragsentrichtung, sondern auf die Höhe der späteren Rentenansprüche besessen haben, ist allein aufgrund der Zugehörigkeit der Klägerin zur LPG von einer ununterbrochenen Beitragszahlung für den gesamten Zeitraum auszugehen.

Der Rechtsauffassung der Beklagten, wonach dennoch nicht von einer Beitragszeit im Sinne des § 15 FRG auszugehen sei, weil die Klägerin im streitigen Zeitraum keine Beschäftigung verrichtet hat, tritt der Senat schon deshalb nicht bei.

Soweit die Beklagte damit argumentiert, § 15 Abs. 1 Satz 2 FRG normiere über § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG hinausgehende Voraussetzungen zur Anerkennung einer Beitragszeit, konnte dies den Senat nicht überzeugen.

§ 15 Abs. 1 Satz 1 FRG bestimmt, dass Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt worden sind, nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten entsprechen, setzt also Beitragszeiten außerhalb des Bundesgebiets solchen unter Geltung des SGB VI oder der Reichsversicherungsordnung gleich. Satz 2 trifft eine darüber hinaus gehende Regelung, in welcher aufgrund einer Beitragszahlung aus einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis dieses Beschäftigungsverhältnis mit einem Beschäftigungsverhältnis unter Geltung des Bundesrechts gleichgestellt wird. Die Gleichstellung erfasst in Satz 1 also Beitragszeiten, in Satz 2 das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses (vgl. auch VDR-Kommentar § 15 FRG Anm. 10). Ein Schluss dahingehend, dass zur Annahme einer Beitragszeit zugleich auch ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorzuliegen habe, ist daher nicht zulässig. Auch das BSG hat in seiner Entscheidung BSGE 6, 263 schon ausgeführt, dass für die Annahme einer Beitragszeit insoweit ausreichend ist, dass sie durch ein irgendwie geartetes Beitragssystem finanziert wird. Auf die Frage, ob der Beitragszahlung eine abhängige Beschäftigung zugrunde lag oder - wie im vorliegenden Fall - eine bloße Mitgliedschaft in einer der Beitragspflicht unterworfenen Institution, kommt es daher nicht an.

Soweit weiter vorgetragen wird, die Tabellenentgelte für die Bewertung der LPG-Zeiten nach Anlage 14 zum SGB VI bzw. FRG stellten auf tatsächlich geleistete Vollarbeitstage bzw. bei Teilzeitarbeit auf anteilige Tage ab, so dass erforderlich sei, für jeden Tag der Zugehörigkeit zu einer LPG auch Tabellenentgelte nach Maßgabe tatsächlicher Arbeitsleistung festzustellen, vermochte auch dies den Senat nicht zu überzeugen.

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 und 2 FRG werden u.a. für Zeiten der in § 15 genannten Art Entgeltpunkte in Anwendung von § 256 b Absatz 1 Satz 1 erster Halbsatz, Satz 2 und 9 SGB VI (Ermittlung von Entgeltpunkten für glaubhaft gemachte Beitragszeiten) ermittelt. Hierzu werden für Zeiten nach dem 31. Dezember 1949 die in Anlage 14 des SGB VI genannten oder nach § 256 b Abs. 1 Satz 2 SGB VI festgestellten Durchschnittsjahresverdienste um ein Fünftel erhöht. Werden Beitrags- und Beschäftigungszeiten nur für einen Teil eines Kalenderjahres angerechnet, werden bei Anwendung des § 22 Abs. 1 FRG die Entgeltpunkte nur anteilmäßig berücksichtigt (§ 26 Abs. 1 Satz 1 FRG).

Nach Maßgabe dieser Vorschriften wird für die Ermittlung von Entgeltpunkten ohnehin nur auf standardisierte Durchschnittsentgelte abgestellt, die nach Jahren, Wirtschaftsbereichen und Qualifikationsgruppen gegliedert sind, nicht aber auf das vom Versicherten tatsächlich erzielte Entgelt abstellen. Soweit die Beklagte die Regelung in § 26 FRG aufgreift, ist diese Regelung nach den genannten Grundsätzen schon deshalb auf die Mitglieder einer rumänischen LPG nicht anwendbar, weil ja - anders als § 26 FRG voraussetzt - für solche Mitglieder Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften gerade von Beitragszeiten für ein ganzes Kalenderjahr auszugehen ist und nicht nur von solchen für Teile des Kalenderjahres.

Was die Unterbrechung der tatsächlichen Arbeitsleistung der Klägerin durch Zeiten des Mutterschutzes und der Kindererziehung anbelangt, verweist der Senat auf die den Beteiligten zur Kenntnis gebrachten Auszüge aus dem Gutachten des Instituts für Ostrecht e.V. München aus dem Jahr 1999, S. 116 f. Danach nahm u.a. die hier maßgebliche Satzung aus dem Jahr 1966 Bezug auf das Dekret Nr. 535. Diesbezüglich sind zwar Regelungen zur Frage bekannt, ob und wie lange Mutterschaftsurlaub gewährt worden ist und ob in dieser Zeit auch eine finanzielle Unterstützung an die Mutter geleistet worden ist. Regelungen darüber, inwieweit die Sozialversicherungsbeiträge (nach der Systematik der Beitragsentrichtung - ausnahmsweise) in dieser Zeit an die tatsächliche Erbringung von Arbeitsleistungen geknüpft waren oder ob darüber hinaus auch über den bezahlten Mutterschaftsurlaub hinausgehende unbezahlte Freistellungen von der Arbeit möglich waren, sind aus dem Schrifttum nicht bekannt (vgl. S. 118 des Gutachtens).

Angesichts der Tatsache, dass sich im Arbeitsbuch der Klägerin auch in der Zeit, in der sie wegen Kindererziehung tatsächlich keine Arbeitsleistung für die LPG erbrachte, Bestätigungen über ihre Zugehörigkeit zur LPG finden und keine Hinweise darauf bestehen, dass diese Zeiten für die Sozialversicherung, die sich ohnehin nur nach dem Umfang der Jahresproduktion richtete, von Bedeutung gewesen wären, spielt auch die Dauer der Unterbrechung der tatsächlichen Arbeitsleistung für die Beurteilung des Vorliegens einer Beitragszeit keine Rolle.

Der Senat sieht auch aus übergeordneten Gesichtspunkten, insbesondere aus Gründen der Systemgerechtigkeit bzw. Systemwidrigkeit keinen Anlass, anders zu entscheiden.

Der Große Senat des BSG hat in seiner Entscheidung vom 4. Juni 1986 - GS 1/85 (BSGE 60, 100 ff.) ausgeführt, dass der Entschädigung von im Herkunftsland erworbenen Rentenansprüchen und Rentenanwartschaften nach § 15 FRG eine rechtliche Grenze dort gesetzt ist, wo deren Anrechnung mit der Struktur des innerstaatlichen Rentenrechts schlechthin und offenkundig unvereinbar wäre. Eine schrankenlose Entschädigung jeder im fremden Herkunftsgebiet entstandenen Rentenberechtigung oder Rentenanwartschaft würde z.B. denjenigen Versicherten aus solchen fremden Rentenrechtssystemen im Vergleich zu den auf dem Gebiet der Bundesrepublik tätig gewesenen Versicherten bevorzugen, die anders als die Bundesrepublik Zeiten unterschiedlicher rechtlicher Qualifikation nicht kennen. § 15 FRG müsste in diesen Fällen konsequenterweise zu einer unterschiedslosen Anerkennung aller Zeiten und damit, gemessen am Rentenrecht der Bundesrepublik, zu einer systemfremden, nicht hinnehmbaren Begünstigung führen. Zugleich bedeutet dies aber auch, dass das die Anwendungsbreite des § 15 FRG eingrenzende fremdrentenrechtliche Prinzip der Eingliederung einer Entschädigung von im Herkunftsland erworbenen Rentenrechten und Rentenanwartschaften sicher dort keine Schranke setzt, wo derselbe oder doch ein vergleichbarer Tatbestand sowohl nach dem Recht der Bundesrepublik wie nach dem fremden Recht als Beitragszeit ausgestaltet ist.

Eine solche, dem Entschädigungs- bzw. Eingliederungsgedanken widersprechende Sachlage kann der Senat hier nicht erkennen. Im Gegensatz zu dem der Entscheidung des Großen Senats zugrunde liegenden Sachverhalt wurden für die Klägerin als Mitglied der LPG - sogar - Beiträge entrichtet, was auch durch die Beklagte nicht in Frage gestellt wird. Zugleich hat die Klägerin Kinder geboren und erzogen. Nach den Vorschriften des SGB VI liegen damit gleichzeitig Beitragszeiten im Sinne der §§ 54 I Nr. 1a, 55 SGB VI als auch Kindererziehungszeiten im Sinne des § 56 i.V.m. § 249 SGB VI bzw. Berücksichtigungszeiten nach § 57 SGB VI vor, die sich nicht wechselseitig ausschließen, sondern gem. § 70 Abs. 2 SGB VII bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen sind.

Es ist also dem deutschen Rentenversicherungssystem nicht wesensfremd, Beitragszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung zeitgleich vorzumerken und bei der Berechung der Rente jeweils zu berücksichtigen.

Die Entscheidung des BSG vom 8. August 1990 - 1 RA 81/88 (SGb 1991 S. 29 ff.) verlangt keine andere Beurteilung, da zum einen eine Zeit betroffen war, für die keine Beiträge geleistet worden sind. Zum anderen ist nach der heutigen Rechtslage nicht (mehr) von einer verdrängenden Wirkung des § 28b FRG auszugehen.

Dem Senat liegen darüber hinaus keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin z.B. nur wegen der Einbringung von Grundstücken in die LPG beitragspflichtiges Mitglied gewesen war, was sicherlich noch einer näheren Untersuchung der Systemgerechtigkeit bedurft hätte.

Da nach alldem die Zeit vom 1. Januar 1966 bis 31. Dezember 1977 als nachgewiesene Beitragszeit anzuerkennen ist, war das angefochtene Urteil aufzuheben und wie geschehen zu entscheiden.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Buchst. a SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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