L 11 KR 3455/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 1266/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3455/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Krankenkasse hat kein Recht zur Einsichtnahme in die Patientenunterlagen. Sie ist jedoch im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft befugt, vom Leistungserbringer die Herausgabe und Einsichtnahme von Krankenhausunterlagen an den MDK zu verlangen.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. Juli 2005 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg die Krankenhausunterlagen über den stationären Aufenthalt der G. S. vom 19. Oktober 1999 bis 10. Juli 2000 herauszugeben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, die Klägerin die der ersten Instanz. Streitwert: 5.000,- EUR.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe medizinischer Unterlagen an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg streitig.

Die 1930 geborene, bei der B. P. mit Sitz in S., Rechtsvorgängerin der Klägerin, krankenversicherte G. S. (S.) befand sich wegen des bei ihr bestehenden idiopathischen Parkinson-Syndroms vom Äquivalenztyp bei der Beklagten vom 19.10.1999 bis 10.07.2000 und vom 12.07. bis 08.08.2000 in vollstationärer Behandlung.

Nachdem die Klägerin nach Beiziehung von Berichten der Beklagten und Einschaltung des MDK zunächst eine Kostenübernahme über den 18.11.1999 hinaus ablehnte, forderte sie nach weiterem Schriftwechsel im November 2000 weitere Dokumente aus der Krankenakte zwecks nochmaliger Beurteilung an. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 16.11.2000 u. a. darauf hin, dass es alleine Aufgabe des MDK sei, die für seine Gutachtenerstellung erforderlichen Daten anzufordern. Es bedürfe der Konkretisierung der die Überprüfung rechtfertigenden Verdachtsmomente. Unabhängig vom Ausgang des Prüfungsverfahrens würde die Regulierung der beigefügten Rechnungen eingefordert.

Die Klägerin zahlte aufgrund der von der Beklagten übersandten "Vereinbarung über Modellvorhaben gemäß § 26 BPflV für den Pflegesatzzeitraum 2000 den ihr für die stationäre Behandlung der S. mit Rechnungen vom 16.11.2000 in Rechnung gestellten Betrag in Höhe von insgesamt DM 188.054,28 unter Vorbehalt einer endgültigen Prüfung der medizinischen Notwendigkeit und Dauer des Krankenhausaufenthaltes sowie des Vorliegens eines Behandlungsfehlers. Es wurde gebeten, einen Entlassbericht vorzulegen. Die Beklagte teilte hierauf mit, dass dieses Dokument nur dem MDK zur Verfügung gestellt werde.

Mit Schreiben vom 12.02.2001 beauftragte die Klägerin den MDK in S. mit der Überprüfung der Frage eines Behandlungsfehlers und der medizinischen Notwendigkeit der Dauer des stationären Aufenthaltes bis 10.07.2000, wobei die Unterlagen direkt bei der Beklagten anzufordern seien. Der MDK bat wiederum zunächst die Beklagte, die Unterlagen zu besorgen, verneinte in einem sozialmedizinischen Gutachten vom Juni 2001 einen Behandlungsfehler und forderte mit Schreiben vom 27.09.2001 die Beklagte auf, ihm die komplette Klinikdokumentation einschließlich OP-Aufklärungsbogen in Kopie zur Verfügung zu stellen.

Nachdem Dr. L.-M. vom MDK der Klägerin am 24.10.2001 mitteilte, dass die angeforderten Krankenunterlagen trotz zweimaliger Anforderung nicht übersandt worden seien, wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 05.11.2001 mit der Bitte an die Beklagte, ihrer Verpflichtung aus dem Vertrag nach § 112 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) nachzukommen und die vom MDK angeforderten Unterlagen an diesen zu übersenden, andernfalls würde gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen. Trotz mehrfacher Telefongespräche ging die Klinikdokumentation dem MDK nicht zu, was dieser am 07.01.2002 der Klägerin mitteilte.

Am 04.02.2002 erhob die Klägerin mit dem Begehren, die Beklagte zu verurteilen, für den Krankenhausaufenthalt der Versicherten S. vom 19.10.1999 bis 10.07.2000 die Krankenunterlagen an den MDK zur Prüfung der medizinischen Notwendigkeit der Dauer der stationären Krankenhausbehandlung herauszugeben, Klage zum Sozialgericht W., welches sich mit Beschluss vom 03.03.2003 für örtlich unzuständig erklärte und den Rechtsstreit an das Sozialgericht S. (SG) verwies. Zur Begründung trug die Klägerin im wesentlichen vor, ihre Aktivlegitimation ergebe sich unmittelbar aus dem Gesetz. Ihr stehe gegen die Beklagte ein Herausgabeanspruch aus §§ 275 Abs. 4, 276 SGB V und ein Recht zur Überprüfung durch den MDK zu. Sie mache kein Recht auf eigene Einsichtnahme und Begutachtung geltend und sehe sich durch das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.07.2002 - B 3 KR 64/01 R - bestätigt. Wenn die Herausgabe der Behandlungsunterlagen an den MDK, wie von der Beklagten geschehen, in rechtswidriger Weise verweigert werde, könne sie diesen Anspruch gerichtlich geltend machen. Ihrem Recht und der Pflicht zur Rechnungsprüfung könne sie nur nachkommen, wenn der MDK die Möglichkeit habe, ein Gutachten über den Behandlungsfall zu erstellen und die Klägerin zu beraten. Durch die rechtswidrige Weigerung der Beklagten sei dies nicht möglich. Da der MDK nur beratend tätig werde und kein eigenes Interesse an der Begutachtung habe, könne nicht ernsthaft davon ausgegangen werden, dass im Falle einer Weigerung der Aktenübersendung der MDK selber gerichtlich dagegen vorgehe. Das Anforderungsschreiben des MDK genüge entgegen der Ansicht der Beklagten den gesetzlichen Anforderungen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Der Klägerin fehle es für ihr Begehren an der erforderlichen Aktivlegitimation. Nach § 2 des Vertrages zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung sowie nach § 276 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz SGB V sei eindeutig, dass Krankenunterlagen im Rahmen der von Krankenkassen veranlassten Überprüfung von den Leistungserbringern auf Anforderung des Medizinischen Dienstes unmittelbar an diesen zu übermitteln seien. Die Klägerin könne diese Übermittlung an den MDK zwar anregen, aber nicht aus eigenem Recht verlangen bzw. gerichtlich durchsetzen. Selbst wenn die Aktivlegitimation unterstellt würde, sei der Klageantrag nicht entscheidungsreif. Weder im Klageantrag noch im Anforderungsschreiben des MDK vom 27.09.2001 werde erläutert, aus welchen Gründen die geforderten Unterlagen zur Erstellung des Gutachtens erforderlich seien. Die Überprüfung der Erforderlichkeit der Datenübermittlung sei daher gar nicht möglich. Der MDK Baden-Württemberg sei zwischenzeitlich aufgefordert worden, gegenüber der Beklagten über die bisher gegebene Begründung hinaus darzulegen, dass er ohne die angeforderten gesamten Behandlungsunterlagen seinen Prüfungsauftrag nicht ordnungsgemäß erledigen könne.

Mit Urteil vom 06.07.2005, der Klägerin zugestellt am 15.07.2005, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es im wesentlichen aus, die auf die Herausgabe medizinischer Unterlagen an den MDK Baden-Württemberg gerichtete Leistungsklage sei bereits unzulässig. Sofern Krankenkassen, wie vorliegend, nach § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V eine gutachtliche Stellungnahme oder Prüfung durch den Medizinischen Dienst veranlasst hätten, seien die Leistungserbringer verpflichtet, Sozialdaten auf Anforderung des Medizinischen Dienstes unmittelbar an diesen zu übermitteln, soweit dies für die gutachtliche Stellungnahme und Prüfung erforderlich sei. Die Krankenkassen könnten daher die erforderliche Einsichtnahme in Behandlungsunterlagen der Versicherten nicht verlangen. Sie seien insoweit vielmehr auf ein Tätigwerden des MDK angewiesen. Dieser sei nach der genannten Regelung ausdrücklich ermächtigt, die erforderlichen Sozialdaten bei den Krankenhäusern anzufordern (Hinweis auf das Urteil des BSG vom 23.07.2002 - B 3 KR 64/01 R = SozR 3 - 2500 § 275 Nr. 1). Die Klägerin verfolge mit ihrer Klage damit ein Recht, das nicht ihr, sondern vielmehr allein dem MDK zustehe. Die auf die Herausgabe medizinischer Unterlagen an den MDK Baden-Württemberg gerichtete Klage sei daher mangels bestehender Prozessführungsbefugnis unzulässig. Von der Möglichkeit, die Herausgabe von Krankenunterlagen an den MDK Baden-Württemberg im Wege der - hier zulässigen - gewillkürten Prozeßstandschaft nach Erteilung einer entsprechenden Ermächtigung durch den MDK Baden-Württemberg geltend zu machen, habe die Klägerin keinen Gebrauch gemacht.

Hiergegen richtet sich die am 08.08.2005 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie wiederholt im wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Herausgabe an den MDK im Wege der gewillkürten Prozeßstandschaft geltend zu machen. Die Klägerin hat eine Erklärung des MDK Baden-Württemberg vorgelegt, in der sie ermächtigt wird, den Anspruch auf Herausgabe (und Einsichtnahme) der Krankenhausunterlagen für die Versicherte G. S., betreffend den Aufenthalt im Klinikum der Beklagten vom 19.10.1999 bis 10.07.2000, im Wege der gewillkürten Prozeßstandschaft einzuklagen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. Juli 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Krankenhausunterlagen über den stationären Aufenthalt der G. S. vom 19. Oktober 1999 bis 10. Juli 2000 an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg in S. herauszugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die Klägerin besitze weder die Prozessführungsbefugnis noch könne sie ihr Klagebegehren in gewillkürter Prozeßstandschaft weiterverfolgen. Entgegen der Behauptung der Klägerin sei die Herausgabe der Krankenunterlagen an den MDK nicht rechtswidrig verweigert worden. Der gesetzlich dem MDK auferlegten Pflicht, die Erforderlichkeit der Datenübermittlung darzulegen, sei der MDK auch nach Aufforderung der Beklagten vom 18.03.2002 nicht nachgekommen. Die von der Klägerin jetzt übernommene "gewillkürte Prozeßstandschaft" sei unzulässig. Die Beklagte habe in der Vorinstanz bereits dargelegt, dass ein Anspruch der Krankenkasse gegen das Krankenhaus auf Aktenübersendung an den MDK im Ergebnis dazu führen würde, dass der MDK seiner gesetzlichen Verpflichtung enthoben wäre, dem Krankenhaus gegenüber die Erforderlichkeit der Datenübermittlung "für die gutachtliche Stellungnahme und Prüfung" darzulegen. Die Beachtung der Erforderlichkeit bei der Datenerhebung gehöre aber zu den wichtigsten Grundsätzen des Datenschutzes. Die Bewertung, in welchem Umfang die Sozialdaten für die Stellungnahme und Prüfung erforderlich sei, solle von Gesetzes wegen der MDK vornehmen und dies gegenüber dem Krankenhaus darlegen. Das SG habe sich mit der Besonderheit im Zusammenwirken zwischen Krankenkasse, MDK und Krankenhaus nach den §§ 275 ff. SGB V überhaupt nicht befasst. Die gewillkürte Prozeßstandschaft werde in Fällen anerkannt, in denen der Kläger einen berechtigten eigenen Grund zur Geltendmachung des fremden Rechts habe. Im vorliegenden Fall sei das Interesse der Klägerin an der Übersendung der Krankenunterlagen an den MDK allein wirtschaftlich begründet, was nicht ausreichend sei.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Klägern vorgelegten Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist auch begründet, denn die Beklagte hat die in der Anforderung des MDK vom 27.09.2001 aufgeführten Unterlagen zu Prüfzwecken an den MDK Baden-Württemberg herauszugeben.

Die Voraussetzungen für eine Leistungsklage der Klägerin im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG, gerichtet auf die Herausgabe medizinischer Unterlagen für einen Patienten an den MDK, und insbesondere die Zulässigkeitsproblematik (Prozessführungsbefugnis der Klägerin) ist im angefochtenen Urteil zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

Der Senat braucht vorliegend nicht abschließend zu entscheiden, ob aus den §§ 276 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, 275 Abs. 1 bis 3 SGB V im Hinblick auf eine sachgerechte und verfahrensökonomische Abwicklung und die Interessen der Krankenkasse als Ausgangspunkt des Begutachtungsverfahrens die Möglichkeit folgt, den Anspruch auf Herausgabe von Unterlagen gegenüber dem Leistungserbringer an den zuständigen MDK aus eigenem Recht und in eigenem Namen gerichtlich geltend zu machen, wenn die Aufforderungen des MDK zur Herausgabe erfolglos waren und der Gutachtensauftrag unerledigt zurückgegeben wurde (so Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18.11.2005 - L 4 KR 778/05 -). Denn selbst wenn mit dem SG von einer zunächst unzulässigen Klage ausgegangen wird, so ist diese jedenfalls durch die am 29.09.2005 eingegangene Erklärung des MDK Baden-Württemberg, mit der die Klägerin ermächtigt wird, seinen Anspruch auf Herausgabe (und Einsichtnahme) der Krankenhausunterlagen für die Versicherte G. S., betreffend den Aufenthalt im Klinikum der Beklagten vom 19.10.1999 bis 10.07.2000, im Wege der gewillkürten Prozeßstandschaft einzuklagen, zulässig geworden. Aufgrund der damit eingetretenen gewillkürten Prozeßstandschaft darf die Klägerin im eigenen Namen ein dem MDK zustehendes Recht bzw. seinen Anspruch geltend machen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Auflage 2005, § 54 Rdnr. 11, 41 a; § 69 Rdnr. 4, 4 a). Dies setzt allerdings ein eigenes schutzwürdiges rechtliches und nicht nur wirtschaftliches Interesse der Klägerin voraus (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 64. Auflage, Grdz. § 50 Rdnr. 31). Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der Klägerin indes ein eigenes Rechtsschutzinteresse nicht abgesprochen werden. Die Entscheidung über das Verlangen auf Herausgabe von Unterlagen an den MDK beeinflusst die eigene Rechtsposition der Klägerin im Hinblick auf die Prüfung der Notwendigkeit und Dauer des stationären Aufenthalts, der Abrechnung und gegebenenfalls eines Rückforderungsanspruchs gegenüber der Beklagten. Eine unbillige Benachteiligung der Beklagten (vgl. dazu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a. a. O., Grdz. § 50 Rdnr. 32) ist insoweit nicht erkennbar, denn die Beklagte bleibt auch aufgrund der Ermächtigung lediglich verpflichtet, die angeforderten Unterlagen an den MDK Baden-Württemberg herauszugeben. Nach der Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, kann eine Krankenkasse die für die Überprüfung einer Krankenhausabrechnung gegebenenfalls erforderliche Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen der Versicherten gegenüber dem Krankenhaus nicht verlangen (vgl. BSG, Urteile vom 23.07.2002 - B 3 KR 64/01 R - und vom 28.05.2003 - B 3 KR 10/02 R -). Sie ist insoweit auf ein Tätigwerden des MDK angewiesen. Die Einsichtnahme der Krankenkasse selbst in die Behandlungsunterlagen der Versicherten ist aber auch nicht zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem SGB zwingend erforderlich. Vielmehr reicht es aus, nach § 275 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V bei Zweifeln an der sachlich-rechnerischen Richtigkeit einer Krankenhausabrechnung eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen. Dieser ist im Falle einer Abrechnungsprüfung nach § 276 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB V ausdrücklich ermächtigt, die erforderlichen Sozialdaten bei den Krankenhäusern anzufordern, und nach § 277 Abs. 1 Satz 1 SGB V verpflichtet, den Krankenkassen die notwendigen Informationen, d. h. das Ergebnis der Begutachtung und die erforderlichen Angaben über den Befund, mitzuteilen (vgl. BSG, Urteil vom 23.07.2002 - B 3 KR 64/01 R -). Danach kann zwar das Recht zur Einsichtnahme in Patientenunterlagen aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht auf Krankenkassen übertragen werden, die Erteilung der Ermächtigung vom MDK an die Krankenkassen, das Recht, die Übersendung von Patientenunterlagen an den MDK zu verlangen, ist jedoch zulässig. Datenschutzrechtliche oder sonstige Bedenken, die der Ermächtigung entgegen stehen könnten, sieht der Senat nicht, da die Herausgabe der Unterlagen, wie vorgesehen, an den MDK erfolgt. Die Einwendungen der Beklagten können insoweit nicht nachvollzogen werden.

Das Herausgabeverlangen der Klägerin ist auch begründet. Rechtsgrundlage ist § 276 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz SGB V in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 13.06.1994 (BGBl I Seite 1229). Danach sind die Leistungserbringer auf entsprechende Anforderung verpflichtet, Sozialdaten unmittelbar an den MDK zu übermitteln, soweit dies für die von den Krankenkassen nach § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V veranlasste gutachtliche Stellungnahme oder Prüfung erforderlich ist. Nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in der bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung sind die Krankenkassen in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, u.a. bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung, eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen. Die Beauftragung des MDK Baden-Württemberg mit der Überprüfung der medizinischen Notwendigkeit und Dauer des stationären Aufenthaltes der Patientin S. erfolgte damit zu Recht.

Soweit die Beklagte daran festhält, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aktenübergabe an den MDK durch dessen Anforderungsschreiben vom 27.09.2001 nicht erfüllt worden seien, vermag dem der Senat nicht zu folgen. In diesem Schreiben wies der MDK darauf hin, dass er von der gesetzlichen Krankenkasse der genannten Versicherten beauftragt worden sei, eine sozialmedizinische Stellungnahme zu der Frage abzugeben, ob im vorliegenden Einzelfall Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung sozialmedizinisch begründet seien. Seine Beurteilung sei Voraussetzung für eine Leistungsentscheidung der Krankenkasse. Um eine ordnungsgemäße sozialmedizinische Bewertung des Sachverhalts zu ermöglichen, bat der MDK um die zur Verfügungstellung der kompletten Klinikdokumentation einschließlich OP-Aufklärungsbogen in Kopie. Sollten diese Informationen in Unterlagen (z. B. OP-Bericht, Verlaufsdokumentation) enthalten sein, die bereits vorlägen, so wäre die Übersendung der betreffenden Unterlagen in Kopie für die Zwecke des MDK ausreichend. Die Datenanforderung wurde auf § 276 Abs. 2 i. V. m. § 275 Abs. 1 SGB V und § 3 Abs. 2 des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V gestützt. Hieraus ergebe sich die Verpflichtung der Leistungserbringer, die zur Begutachtung erforderlichen Daten auf Anforderung des MDK unmittelbar an diesen zu übermitteln. Die Erforderlichkeit der Datenübermittlung ergibt sich danach zweifelsfrei aus dem Prüfungsauftrag. Dass der Beklagten anhand dieser Anforderung eine Überprüfung der Erforderlichkeit der Datenübermittlung nicht möglich gewesen sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Wie sonst (außer durch sein Betretungsrecht - § 276 Abs. 4 SGB V -) soll der MDK Notwendigkeit und Verweildauer eines stationären Aufenthalts beurteilen können.

Dem Begehren der Klägerin steht schließlich auch eine Verjährung des Herausgabeanspruchs nicht entgegen. Auch nach der Neuregelung der Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern zum 01.01.2000 verbleibt es für den in § 276 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz SGB V enthaltenen Anspruch auf Übermittlung von Sozialdaten an den MDK bei der allgemeinen sozialrechtlichen 4-jährigen Verjährungsfrist des § 45 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches -SGB I - (vgl. zur Verjährungsfrist bezüglich der Vergütungsansprüche der Krankenhäuser gegen die Krankenkasse BSG, Urteile vom 17.06.1999 - B 3 KR 6/99 R - und vom 12.05.2005 - B 3 KR 32/04 R -).

Der Anspruch auf Übermittlung von Krankenunterlagen an den MDK ist hier mit Zugang der Rechnungen im Jahr 2000 entstanden. Nach § 45 Abs. 2 SGB I begann die 4-jährige Verjährungsfrist am 01.01.2001 und endete mit Ablauf des 31.12.2004. Durch die Klageerhebung am 04.02.2002 ist die Verjährung nach § 45 Abs. 2 SGB I i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB nF gehemmt worden (vgl. dazu § 70 SGB I i.V.m. Art. 229 § 6 EGBGB), so dass dem Herausgabeanspruch die Einrede der Verjährung nicht mit Erfolg entgegengesetzt werden kann.

Die Berufung der Klägerin erwies sich somit als begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf dem ab 2. Januar 2002 anzuwendenden § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 und § 155 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Senat hat dabei berücksichtigt, dass die Klägerin die Erklärung des MDK Baden-Württemberg, mit der sie ermächtigt wurde, die Krankenhausunterlagen im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft einzuklagen, bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätte vorlegen können.

Der Streitwert wird endgültig auf 5.000,- EUR festgesetzt, da keine genügenden Anhaltspunkte für die Bestimmung des wirtschaftlichen Wertes des streitigen Begehrens auf Herausgabe von Krakenunterlagen an den MDK bestehen (§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz - GKG -).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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