Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 18 RA 1260/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 RA 63/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Dezember 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung (EM), hilfsweise wegen teilweiser EM, für die Zeit ab 01. Juni 2002.
Der Kläger, geboren im 1949 in N D, besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit (Einbürge-rungsurkunde vom 22. Januar 1997). Er hatte in der Bundesrepublik Deutschland nachgewiesene Pflichtbeitragszeiten in der Zeit vom 01. Januar 1973 bis 31. Januar 1976, vom 01. März 1976 bis 28. Februar 1977 und vom 01. Februar 1999 bis 31. Juli 2000 zurückgelegt. Nachdem der Kläger im März/April 2001 die Bundesrepublik Deutschland verlassen hatte, erwarb er in Spanien noch weitere Pflichtbeitragszeiten in der Zeit vom 01. Juli 2001 bis 31. Juli 2001 und vom 01. September 2001 bis 31. Juli 2003.
Bei dem Kläger war am 14. August 2000 wegen eines Sigmakarzinoms eine Sigmaresektion im J E Krankenhaus in N vorgenommen worden; vom 11. September bis 15. Dezember 2000 wurde der Kläger in diesem Krankenhaus im Rahmen einer Chemotherapie ambulant behandelt.
Im Juni 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen voller EM. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 19. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 12. November 2002 die beantragte Rentengewährung ab mit der Begründung, die erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen lägen nicht vor. Im maßgeblichen Zeitraum vom 01. Februar 1999 bis 31. Juli 2000 seien nur 18 Monate an Pflichtbeiträgen vorhanden.
Im sich anschließenden Klageverfahren hat der Kläger eine Vielzahl medizinischer Unterlagen eingereicht, u.a. den Krankenhausentlassungsbericht des J E Krankenhauses vom 06. Septem-ber 2000 (stationäre Behandlung vom 09. August bis 28. August 2000), den Entlassungsbericht der Krankenhausanlage Min L P (stationäre Behandlung vom 25. Februar bis 14. März 2003: Entfernung einer Lebermetastase), den Bericht des Krankenhauses Klinik R vom 27. August 2002 sowie den klinischen Ergänzungsbericht des Gesundheitsdienstes der Kanaren vom 13. August 2003.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat mit Urteil vom 22. Dezember 2003 Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser EM. Der Kläger habe nicht mindestens 36 Monate an Pflichtbeiträgen in den fünf Jahren vor Eintritt der EM geleistet. Als Zeitpunkt des Eintritts der EM könne auf irgendeinen Zeitpunkt seit August 2000 abgestellt werden. Im Zeitraum von August 1995 bis Dezember 2003 verfüge der Kläger über höchstens 18 Monate mit Pflichtbeiträgen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Rentenbegehren weiter. Er trägt zur Begründung vor: Er habe auch ausländische Versicherungszeiten zurückgelegt, die die Beklagte nicht be-rücksichtigt habe. Bei der Operation im Frühjahr 2003 seien ca. 80 % seiner Leber entfernt worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Dezember 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2002 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, ab 01. Juni 2002 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die nunmehr erstellten Versicherungsverläufe vom 24. Februar 2005 und vom 14. März 2006 und trägt vor: Die vom Kläger geltend gemachten Versicherungszeiten in Spanien vom 01. Juli 2001 bis 31. Juli 2001 und vom 01. September 2001 bis 31. Juli 2003 seien nunmehr im Versicherungsverlauf nach Abschluss des zwischenstaatlichen Verfahrens enthalten. Danach seien aber frühestens für einen im Januar 2003 eingetretenen Leistungsfall die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Ausgehend davon, dass nach den Feststellungen ihres beratungsärztlichen Dienstes bei dem Kläger seit dem 09. Oktober 2002 medizinisch befristet bis zum 31. Oktober 2007 ein vermindertes Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden bestehe, sei der maßgebliche Zeitraum vom 09. Oktober 1997 bis 08. Oktober 2002 nur mit 32 Pflichtbeitragsmonaten belegt.
Der Senat hat die Ärztin (Gastroenterologie und Hepatologie) Dr. V B als Sachverständige eingesetzt. Diese Ärztin hat den Kläger in M untersucht ; sie teilt in ihrem Gutachten vom 30. Januar 2006 die folgenden Diagnosen mit: Zustand nach Sigmaresektion bei Sigma Adeno Karzinom im Stadium pT3.pN1 – Mo G2 (im Jahr 2000), Zustand nach Chemotherapien, Zustand nach hepatischer Teilresektion bei Lebermetastase, Zustand nach zweimaliger Chemotherapie (im Jahr 2000 und 2003), V.a. Steatohepatitis non alcoholica. Als Nebendiagnosen werden angegeben: asthenisches Syn-drom, Hypersthesien im rechten Haemikörper und rechten Arm, Lähmung des fünften Fingers rechts, chronische Verstopfung. Die Sachverständige führt aus, dass eine regelmäßige körper-liche Erwerbstätigkeit zurzeit nicht möglich sei. Die Leistungseinschränkungen bestünden seit dem 09. Oktober 2002.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, wegen der medizinischen Feststellungen auf die zum Verfahren eingereichten Arztberichte und das Gutachten der Ärztin Dr. V B Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Akte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Bera-tung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller EM oder auch nur wegen teilweiser EM für die Zeit ab 01. Juni 2002. Denn die versicherungs-rechtlichen Voraussetzungen für die beanspruchte Rentengewährung sind nicht erfüllt.
Die von dem Kläger erhobenen Rentenansprüche bestimmen sich nach § 43 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) in der seit dem 01. Januar 2001 geltenden Fassung, da der Kläger den Rentenantrag im Juni 2002 gestellt hatte und Rente wegen verminder-ter Erwerbsfähigkeit für die Zeit ab 01. Juni 2002 begehrt (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI).
Sowohl der Leistungsfall der vollen EM (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 SGB VI) als auch der Leistungsfall der teilweisen EM (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2 SGB VI) setzen zunächst die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 sowie Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI) sowie das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versiche-rungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EM voraus (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI). Darüber hinaus muss entweder volle EM (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) oder aber teilweise EM (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) vorliegen.
Die besondere versicherungsrechtliche Voraussetzung der so genannten 3/5-Belegung nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI und nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI wurde mit dem Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl. I, 1532) mit Wirkung vom 01. Januar 1984 eingeführt und betrifft alle Fälle, in denen die rentenrechtlich erhebliche EM nach dem 31. Dezember 1983 eingetreten ist. Bis zu diesem Zeitpunkt war für einen Anspruch auf Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit als versicherungsrechtliche Voraussetzung allein die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit erforderlich. Da der Kläger mit den nachgewiesenen Pflichtbeitragszeiten in der Zeit vom 01. Januar 1973 bis zum 28. Februar 1977 vor dem 01. Januar 1984 aber insgesamt nur 49 Pflichtbeitragsmonate zurückgelegt hatte, hätte er auch nach dem bis zum 31. Dezember 1983 geltenden Erwerbsminderungsrentenrecht einen Rentenanspruch nicht erwerben können.
Zur Begründung seines im Juni 2002 gestellten Antrags auf Gewährung von Rente wegen EM macht der Kläger allerdings auch erst einen im Jahr 2000 mit dem Auftreten der Krebserkrankung eingetretenen Leistungsfall geltend, indem er auf die am 09. August 2000 im J E Krankenhaus durchgeführte Operation und die anschließende sechsmonatige Chemotherapie ver-weist. Ausweislich der vorliegenden Versicherungsverläufe der Beklagten (zuletzt vom 24. Februar 2005 und vom 14. März 2006) fehlt es aber für einen im Jahr 2000 eingetretenen Leis-tungsfall der vollen oder teilweisen EM innerhalb des maßgebenden Fünfjahreszeitraums an den erforderlichen 36 Pflichtbeiträgen. Denn der Kläger hatte wegen der Lücke in seinem Ver-sicherungsverlauf zwischen dem 28. Februar 1977 und dem 01. Februar 1999 in der Zeit vom 1. März 1977 bis zum 31. Juli 2000 insgesamt nur 18 Pflichtbeitragsmonate zurückgelegt.
Nachdem sich nunmehr im Berufungsverfahren aufgrund des Vorbringen des Klägers, er habe in Spanien weitere Pflichtbeitragszeiten erworben, herausgestellt hatte, dass auch die Zeiten vom 01. Juli 2001 bis 31. Juli 2001 und vom 01. September 2001 bis 31. Juli 2003 im Versi-cherungsverlauf als spanische Pflichtbeitragszeiten vorzumerken waren, erfüllt der Kläger gleichwohl nicht die erforderlichen besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die beanspruchte Rente. Denn nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht zur Überzeu-gung des Senats fest, dass bei dem Kläger der Leistungsfall der vollen EM am 09. Oktober 2002 eingetreten ist. Ausgehend von einem Leistungsfall am 09. Oktober 2002 sind aber in dem maßgeblichen Fünfjahreszeitraum vom 09. Oktober 1997 bis zum 08. Oktober 2002 insgesamt nur 33 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, dass in diesem Zeitraum nur 31 Monate mit Pflichtbeiträgen vorgemerkt seien, ist der nur teilweise belegte Monat Oktober 2002 noch hinzuzurechnen (§ 122 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 SGB VI; vgl. KassKomm-Niesel, § 43 Rn. 14).
Dass der Leistungsfall der vollen EM bei dem Kläger am 09. Oktober 2002 und nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt im Frühjahr 2003 eingetreten ist, zu dem die besonderen versiche-rungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt wären, ergibt sich aus der Gesamtheit der medizinischen Unterlagen sowie aus dem Sachverständigengutachten der Ärztin Dr. V B vom 10. Feb-ruar 2006, gegen deren Leistungsbeurteilung Einwendungen vom Kläger nicht erhoben worden sind. Zwar ist nach den medizinischen Unterlagen aus Spanien die Leberoperation erst am 05. März 2003 durchgeführt worden. Aus der Gesamtheit der ihr vorliegenden Unterlagen ist aber nach der Auffassung der Sachverständigen zu folgern, dass die EM bedingenden Leistungsein-schränkungen bereits mit dem 09. Oktober 2002 anzusetzen sind. Insoweit bezieht sich die Sachverständige auf die Akte des Parte medico de baja/alta de incapacidad temporal por contingencias comunes, Seguridad Social Dra. Carmen Romero Banolas CMP 35 01610. Diese präzise Festlegung des Eintritts der EM auf den 09. Oktober 2002 beruht auf den Berichten des kanarischen Gesundheitsdienstes der Krankenhausanlage M (Entlassungsbericht vom 07. November 2002 und Bericht über die Leberuntersuchung am 09. Oktober 2002). Dementspre-chend war der Kläger auch ab 09. Oktober 2002 durchgehend arbeitsunfähig krankgeschrieben (vgl. die ärztliche Krankschreibung des Sozialversicherungssystems für Selbständige).
Sollte der Kläger allerdings, wie er geltend macht, nicht erst seit 09. Oktober 2002, sondern bereits seit August 2000 durchgehend in rentenrechtlich erheblichem Ausmaße leistungsge-mindert gewesen sein, so fehlt es, wie bereits ausgeführt, wegen der nur vorhandenen 18 Pflichtbeitragsmonate in dem dann maßgebenden Fünfjahreszeitraum ebenfalls an der erforder-lichen 3/5-Belegung. Von diesem Erfordernis ist auch nicht nach § 43 Abs. 5 SGB VI abzuse-hen; denn die bei dem Kläger vorliegende verminderte Erwerbsfähigkeit ist weder auf einen Arbeitsunfall noch auf eine Berufskrankheit zurückzuführen (vgl. § 53 Abs. 1 SGB VI). Die Vorschrift des § 241 Abs. 2 SGB VI, wonach Pflichtbeiträge im Umfang der 3/5-Belegung vor Eintritt der EM ausnahmsweise nicht erforderlich sind, greift schließlich schon deshalb nicht ein, da der Kläger vor dem 01. Januar 1984 noch nicht die allgemeine Wartezeit von 60 Kalendermonaten erfüllt hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung (EM), hilfsweise wegen teilweiser EM, für die Zeit ab 01. Juni 2002.
Der Kläger, geboren im 1949 in N D, besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit (Einbürge-rungsurkunde vom 22. Januar 1997). Er hatte in der Bundesrepublik Deutschland nachgewiesene Pflichtbeitragszeiten in der Zeit vom 01. Januar 1973 bis 31. Januar 1976, vom 01. März 1976 bis 28. Februar 1977 und vom 01. Februar 1999 bis 31. Juli 2000 zurückgelegt. Nachdem der Kläger im März/April 2001 die Bundesrepublik Deutschland verlassen hatte, erwarb er in Spanien noch weitere Pflichtbeitragszeiten in der Zeit vom 01. Juli 2001 bis 31. Juli 2001 und vom 01. September 2001 bis 31. Juli 2003.
Bei dem Kläger war am 14. August 2000 wegen eines Sigmakarzinoms eine Sigmaresektion im J E Krankenhaus in N vorgenommen worden; vom 11. September bis 15. Dezember 2000 wurde der Kläger in diesem Krankenhaus im Rahmen einer Chemotherapie ambulant behandelt.
Im Juni 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen voller EM. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 19. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 12. November 2002 die beantragte Rentengewährung ab mit der Begründung, die erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen lägen nicht vor. Im maßgeblichen Zeitraum vom 01. Februar 1999 bis 31. Juli 2000 seien nur 18 Monate an Pflichtbeiträgen vorhanden.
Im sich anschließenden Klageverfahren hat der Kläger eine Vielzahl medizinischer Unterlagen eingereicht, u.a. den Krankenhausentlassungsbericht des J E Krankenhauses vom 06. Septem-ber 2000 (stationäre Behandlung vom 09. August bis 28. August 2000), den Entlassungsbericht der Krankenhausanlage Min L P (stationäre Behandlung vom 25. Februar bis 14. März 2003: Entfernung einer Lebermetastase), den Bericht des Krankenhauses Klinik R vom 27. August 2002 sowie den klinischen Ergänzungsbericht des Gesundheitsdienstes der Kanaren vom 13. August 2003.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat mit Urteil vom 22. Dezember 2003 Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser EM. Der Kläger habe nicht mindestens 36 Monate an Pflichtbeiträgen in den fünf Jahren vor Eintritt der EM geleistet. Als Zeitpunkt des Eintritts der EM könne auf irgendeinen Zeitpunkt seit August 2000 abgestellt werden. Im Zeitraum von August 1995 bis Dezember 2003 verfüge der Kläger über höchstens 18 Monate mit Pflichtbeiträgen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Rentenbegehren weiter. Er trägt zur Begründung vor: Er habe auch ausländische Versicherungszeiten zurückgelegt, die die Beklagte nicht be-rücksichtigt habe. Bei der Operation im Frühjahr 2003 seien ca. 80 % seiner Leber entfernt worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Dezember 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2002 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, ab 01. Juni 2002 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die nunmehr erstellten Versicherungsverläufe vom 24. Februar 2005 und vom 14. März 2006 und trägt vor: Die vom Kläger geltend gemachten Versicherungszeiten in Spanien vom 01. Juli 2001 bis 31. Juli 2001 und vom 01. September 2001 bis 31. Juli 2003 seien nunmehr im Versicherungsverlauf nach Abschluss des zwischenstaatlichen Verfahrens enthalten. Danach seien aber frühestens für einen im Januar 2003 eingetretenen Leistungsfall die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Ausgehend davon, dass nach den Feststellungen ihres beratungsärztlichen Dienstes bei dem Kläger seit dem 09. Oktober 2002 medizinisch befristet bis zum 31. Oktober 2007 ein vermindertes Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden bestehe, sei der maßgebliche Zeitraum vom 09. Oktober 1997 bis 08. Oktober 2002 nur mit 32 Pflichtbeitragsmonaten belegt.
Der Senat hat die Ärztin (Gastroenterologie und Hepatologie) Dr. V B als Sachverständige eingesetzt. Diese Ärztin hat den Kläger in M untersucht ; sie teilt in ihrem Gutachten vom 30. Januar 2006 die folgenden Diagnosen mit: Zustand nach Sigmaresektion bei Sigma Adeno Karzinom im Stadium pT3.pN1 – Mo G2 (im Jahr 2000), Zustand nach Chemotherapien, Zustand nach hepatischer Teilresektion bei Lebermetastase, Zustand nach zweimaliger Chemotherapie (im Jahr 2000 und 2003), V.a. Steatohepatitis non alcoholica. Als Nebendiagnosen werden angegeben: asthenisches Syn-drom, Hypersthesien im rechten Haemikörper und rechten Arm, Lähmung des fünften Fingers rechts, chronische Verstopfung. Die Sachverständige führt aus, dass eine regelmäßige körper-liche Erwerbstätigkeit zurzeit nicht möglich sei. Die Leistungseinschränkungen bestünden seit dem 09. Oktober 2002.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, wegen der medizinischen Feststellungen auf die zum Verfahren eingereichten Arztberichte und das Gutachten der Ärztin Dr. V B Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Akte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Bera-tung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller EM oder auch nur wegen teilweiser EM für die Zeit ab 01. Juni 2002. Denn die versicherungs-rechtlichen Voraussetzungen für die beanspruchte Rentengewährung sind nicht erfüllt.
Die von dem Kläger erhobenen Rentenansprüche bestimmen sich nach § 43 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) in der seit dem 01. Januar 2001 geltenden Fassung, da der Kläger den Rentenantrag im Juni 2002 gestellt hatte und Rente wegen verminder-ter Erwerbsfähigkeit für die Zeit ab 01. Juni 2002 begehrt (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI).
Sowohl der Leistungsfall der vollen EM (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 SGB VI) als auch der Leistungsfall der teilweisen EM (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2 SGB VI) setzen zunächst die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 sowie Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI) sowie das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versiche-rungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EM voraus (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI). Darüber hinaus muss entweder volle EM (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) oder aber teilweise EM (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) vorliegen.
Die besondere versicherungsrechtliche Voraussetzung der so genannten 3/5-Belegung nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI und nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI wurde mit dem Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl. I, 1532) mit Wirkung vom 01. Januar 1984 eingeführt und betrifft alle Fälle, in denen die rentenrechtlich erhebliche EM nach dem 31. Dezember 1983 eingetreten ist. Bis zu diesem Zeitpunkt war für einen Anspruch auf Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit als versicherungsrechtliche Voraussetzung allein die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit erforderlich. Da der Kläger mit den nachgewiesenen Pflichtbeitragszeiten in der Zeit vom 01. Januar 1973 bis zum 28. Februar 1977 vor dem 01. Januar 1984 aber insgesamt nur 49 Pflichtbeitragsmonate zurückgelegt hatte, hätte er auch nach dem bis zum 31. Dezember 1983 geltenden Erwerbsminderungsrentenrecht einen Rentenanspruch nicht erwerben können.
Zur Begründung seines im Juni 2002 gestellten Antrags auf Gewährung von Rente wegen EM macht der Kläger allerdings auch erst einen im Jahr 2000 mit dem Auftreten der Krebserkrankung eingetretenen Leistungsfall geltend, indem er auf die am 09. August 2000 im J E Krankenhaus durchgeführte Operation und die anschließende sechsmonatige Chemotherapie ver-weist. Ausweislich der vorliegenden Versicherungsverläufe der Beklagten (zuletzt vom 24. Februar 2005 und vom 14. März 2006) fehlt es aber für einen im Jahr 2000 eingetretenen Leis-tungsfall der vollen oder teilweisen EM innerhalb des maßgebenden Fünfjahreszeitraums an den erforderlichen 36 Pflichtbeiträgen. Denn der Kläger hatte wegen der Lücke in seinem Ver-sicherungsverlauf zwischen dem 28. Februar 1977 und dem 01. Februar 1999 in der Zeit vom 1. März 1977 bis zum 31. Juli 2000 insgesamt nur 18 Pflichtbeitragsmonate zurückgelegt.
Nachdem sich nunmehr im Berufungsverfahren aufgrund des Vorbringen des Klägers, er habe in Spanien weitere Pflichtbeitragszeiten erworben, herausgestellt hatte, dass auch die Zeiten vom 01. Juli 2001 bis 31. Juli 2001 und vom 01. September 2001 bis 31. Juli 2003 im Versi-cherungsverlauf als spanische Pflichtbeitragszeiten vorzumerken waren, erfüllt der Kläger gleichwohl nicht die erforderlichen besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die beanspruchte Rente. Denn nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht zur Überzeu-gung des Senats fest, dass bei dem Kläger der Leistungsfall der vollen EM am 09. Oktober 2002 eingetreten ist. Ausgehend von einem Leistungsfall am 09. Oktober 2002 sind aber in dem maßgeblichen Fünfjahreszeitraum vom 09. Oktober 1997 bis zum 08. Oktober 2002 insgesamt nur 33 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, dass in diesem Zeitraum nur 31 Monate mit Pflichtbeiträgen vorgemerkt seien, ist der nur teilweise belegte Monat Oktober 2002 noch hinzuzurechnen (§ 122 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 SGB VI; vgl. KassKomm-Niesel, § 43 Rn. 14).
Dass der Leistungsfall der vollen EM bei dem Kläger am 09. Oktober 2002 und nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt im Frühjahr 2003 eingetreten ist, zu dem die besonderen versiche-rungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt wären, ergibt sich aus der Gesamtheit der medizinischen Unterlagen sowie aus dem Sachverständigengutachten der Ärztin Dr. V B vom 10. Feb-ruar 2006, gegen deren Leistungsbeurteilung Einwendungen vom Kläger nicht erhoben worden sind. Zwar ist nach den medizinischen Unterlagen aus Spanien die Leberoperation erst am 05. März 2003 durchgeführt worden. Aus der Gesamtheit der ihr vorliegenden Unterlagen ist aber nach der Auffassung der Sachverständigen zu folgern, dass die EM bedingenden Leistungsein-schränkungen bereits mit dem 09. Oktober 2002 anzusetzen sind. Insoweit bezieht sich die Sachverständige auf die Akte des Parte medico de baja/alta de incapacidad temporal por contingencias comunes, Seguridad Social Dra. Carmen Romero Banolas CMP 35 01610. Diese präzise Festlegung des Eintritts der EM auf den 09. Oktober 2002 beruht auf den Berichten des kanarischen Gesundheitsdienstes der Krankenhausanlage M (Entlassungsbericht vom 07. November 2002 und Bericht über die Leberuntersuchung am 09. Oktober 2002). Dementspre-chend war der Kläger auch ab 09. Oktober 2002 durchgehend arbeitsunfähig krankgeschrieben (vgl. die ärztliche Krankschreibung des Sozialversicherungssystems für Selbständige).
Sollte der Kläger allerdings, wie er geltend macht, nicht erst seit 09. Oktober 2002, sondern bereits seit August 2000 durchgehend in rentenrechtlich erheblichem Ausmaße leistungsge-mindert gewesen sein, so fehlt es, wie bereits ausgeführt, wegen der nur vorhandenen 18 Pflichtbeitragsmonate in dem dann maßgebenden Fünfjahreszeitraum ebenfalls an der erforder-lichen 3/5-Belegung. Von diesem Erfordernis ist auch nicht nach § 43 Abs. 5 SGB VI abzuse-hen; denn die bei dem Kläger vorliegende verminderte Erwerbsfähigkeit ist weder auf einen Arbeitsunfall noch auf eine Berufskrankheit zurückzuführen (vgl. § 53 Abs. 1 SGB VI). Die Vorschrift des § 241 Abs. 2 SGB VI, wonach Pflichtbeiträge im Umfang der 3/5-Belegung vor Eintritt der EM ausnahmsweise nicht erforderlich sind, greift schließlich schon deshalb nicht ein, da der Kläger vor dem 01. Januar 1984 noch nicht die allgemeine Wartezeit von 60 Kalendermonaten erfüllt hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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