Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 68 U 524/98
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 40/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Dezember 2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten unter Anerkennung seiner Erkrankung der Halswirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) eine Verletztenteilrente.
Der im Jahre 1947 geborene Kläger ist Kerammodelleur. In diesem Beruf war er seit 1962 tätig, zuletzt für die K GmbH. Im Juni 1992 verhob er sich beim Trennen einer schweren Druckgussform. Er erlitt einen zervikalen Bandscheibenprolaps bei C6/7 links mit Wurzelkompression C7 links, der operativ entfernt werden musste. Nach stationärer Behandlung war der Kläger, abgesehen von einem gescheiterten Arbeitsversuch, arbeitsunfähig. Die von ihm begehrte Anerkennung des Vorfalls als Arbeitsunfall wurde abgelehnt. Seit dem 1. April 1994 wird ihm eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt.
Im November 1995 zeigte die Betriebsärztin der K GmbH ihren Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit an. Nach Besichtigung des Arbeitsplatzes des Klägers bejahte der Technische Arbeitsdienst der Beklagten die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV.
In seinem fachorthopädischen Gutachten vom 12. November 1997 diagnostizierte Prof. Dr. N bei dem Kläger ein Postnucleotomiesyndrom bei einem Zustand nach Bandscheibenvorfall C6/7 links mit Kompressionssyndrom der C7-Nervenwurzel links. Eine berufsbedingte Bandscheibenerkrankung nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV läge nicht vor. Die Röntgenbilder zeigten im Vergleich zu gleichaltrigen Vergleichspatienten keine vermehrten degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule.
Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 2. März 1998 eine Entschädigung aus Anlass der Halswirbelsäulenerkrankung mit der Begründung ab, dass es sich hierbei um keine Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV handele. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 1998 zurück.
Im anschließenden Klageverfahren hat die Beklagte das fachorthopädische Gutachten des Prof. Dr. W vom 10. Juli 1999 vorgelegt, in dem dieser einen kausalen Zusammenhang zwischen der beruflichen Einwirkung und den Wirbelsäulenveränderungen für unwahrscheinlich gehalten hat. Das Sozialgericht Berlin hat neben verschiedenen Befundberichten der den Kläger behandelnden Ärzte ein Gutachten des Prof. Dr. P vom 20. September 2001 eingeholt, der zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen im Sinne eines zervikozephalen und zervikobrachialen Syndroms die medizinischen Voraussetzungen nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV erfüllten.
Mit Urteil vom 10. Dezember 2002 hat das Sozialgericht Berlin die Beklagte antragsgemäß verurteilt, dem Kläger wegen der gesundheitlichen Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV eine Verletztenteilrente nach einer MdE von 20 v.H. ab November 1995 zu gewähren. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt: Die arbeitstechnischen Voraussetzungen, nämlich eine mindestens zehnjährige Tätigkeit mit außerordentlich intensiver Belastung der Halswirbelsäule durch Tragen von Lastgewichten von 50 kg und mehr auf der Schulter, seien erfüllt. Auch bestehe eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die bei dem Kläger im Bereich der Halswirbelsäule vorliegenden Gesundheitsstörungen ursächlich auf dessen berufliche Tätigkeit zurückzuführen seien. Zu Recht habe der Gutachter Prof. Dr. P darauf hingewiesen, dass die bei dem Kläger bestehenden Veränderungen im Halswirbelsäulenbereich die al-terskorrigierte Norm deutlich überschritten, da das Auftreten eines Bandscheibenvorfalls bei C6/7 bei einem 45-jährigen Mann kein typisches Krankheitsbild darstellten. An anderen Stellen des Skelettsystems, die keiner besonderen beruflichen Belastung ausgesetzt gewesen seien, seien keine Krankheitserscheinungen aufgetreten. Alternativursachen lägen nicht vor.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die weiterhin der Ansicht ist, dass die Halswirbelsäulenerkrankung des Klägers nicht als Berufskrankheit anerkannt werden könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Dezember 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des orthopädischen Gutachtens des Dr. E vom 6. März 2005, welcher der Beurteilung durch den Gutachter Prof. Dr. P nicht gefolgt ist: Die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV könne nicht empfohlen werden, weil die bei dem Kläger vorliegenden Veränderungen an der Halswirbelsäule nicht einem dem alterstypischen vorauseilenden Verschleißzustand der gesamten Halswirbelsäule im Bereich der Bandscheiben und der Wirbelkörper entsprächen, der durch die langandauernde Zwangsfehlhaltung der Halswirbelsäule durch Tragen schwerer Lasten zu fordern sei. Der aufgetretene Bandscheibenvorfall in der Etage C6/7 sei als innerkörperlichen Ursprungs zu wer-ten. In seiner Stellungnahme vom 10. Oktober 2005 zu diesem Gutachten ist Prof. Dr. P von seiner Auffassung nicht abgerückt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die Prozessakte des Sozialgerichts Berlin, die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten und die Akten früherer sozialgerichtlicher Verfahren des Klägers haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch, dass die Beklagte ihm unter Anerkennung seiner Erkrankung der Halswirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV eine Verletztenteilrente nach einer MdE von 20 v.H. ab November 1995 gewährt.
Berufskrankheiten sind nach der Vorschrift des § 551 Abs. 1 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO), die gemäß § 212 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch (SBG VII) für den vor dem 1. Januar 1997 eingetretenen Versicherungsfall weiter Anwendung findet, Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 539, 540, 543 bis 545 RVO begründenden Tätigkeit erleiden.
Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Bei dem Kläger liegen, wie das Sozialgericht ausführlich dargelegt hat und zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit ist, die arbeitstechnischen Voraussetzungen für diese Berufskrankheit vor.
Jedoch sind die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV nicht gegeben. Zwar leidet der Kläger nach den – insoweit weitgehend übereinstimmenden – Diagnosen der Gutachter an einem Zervikal- und einem Zer-vikobrachialsyndrom, also Erkrankungen, die grundsätzlich in den Regelungsbereich der Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV fallen (vgl. Nr. III des Merkblatts zu Nr. 2109, Bekanntmachung des BMA, BArbBl. 3/93, S. 53). Jedoch ist weiter erforderlich, dass – als Folge der langandauernden Zwangsfehlhaltung der Halswirbelsäule durch Tragen schwerer Lasten – ein Verschleißzustand der Halswirbelsäule vorliegt, der über den Grad der altersübli-chen Verschleißerscheinungen hinausgeht. Entgegen der Beurteilung durch den Gutachter Prof. Dr. P ergibt sich aus den vorliegenden gutachterlichen Feststellungen kein derartiger qualifi-zierter Verschleißzustand bei dem Kläger. Prof. Dr. P hat seine Auffassung daraus abgeleitet, dass der Kläger, operativ und histologisch nachgewiesen, im Juni 1992 einen operationsbedürftigen Bandscheibenprolaps der Halswirbelsäule in der Etage C6/7 erlitten hat, und zwar – was nicht im Streit ist – nicht durch ein traumatisches Ereignis, sondern durch eine Gelegenheitsbewegung der Halswirbelsäule. In Übereinstimmung mit dem Sachverständigen ist eine derar-tige degenerative Veränderung an der Halswirbelsäule nicht als normaler Durchschnittsbefund der Bevölkerung seiner Altersklasse zu werten. Allerdings kann, worauf Dr. E in seinem Gut-achten vom 6. März 2005 mit Recht hinweist, allein aus der Feststellung, dass es sich bei einem Bandscheibenvorfall um einen deutlich über den altersüblichen Grad hinausgehenden Verschleiß der Bandscheibe handelt, nicht auf das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen geschlossen werden. Denn insoweit ist auf den Verschleißzustand der gesamten Halswir-belsäule abzustellen. Wie der Sachverständige Dr. E unter Hinweis auf die Untersuchungen von Schröter und Rademacher (1971) darlegt, konnten bei Personen, die langandauernden Belastungen der Halswirbelsäule im Sinne der Nr. 2109 ausgesetzt waren, vermehrte Verschleißumformungen im Bereich der kopfnahen Halswirbelsäule nachgewiesen werden, während die normalen und altersabhängigen Verschleißumformungen mehr im mittleren und unteren Abschnitt der Halswirbelsäule auftreten. Diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechend wird auch im Merkblatt zu Nr. 2109 (unter Nr. II, a.a.O.) darauf hingewiesen, dass bei langjährig wiederkehrender Belastung der Halswirbelsäule durch das Tragen von schweren Lasten unter außergewöhnlicher Haltung des Kopfes nicht nur die unteren Bewegungssegmente gefährdet sind. Zug- und Kompressionskräfte im Bereich der Wirbelgelenkfacetten in Verbin-dung mit Seitverbiegung und Verdrehung tragen dazu bei, dass insbesondere oberhalb von C5/6 bis zu C2/3 degenerative Veränderungen auftreten, die in der Allgemeinbevölkerung weniger häufig anzutreffen sind. Ein derartiges Verschleißprofil liegt im Bereich der Halswirbelsäule des Klägers nicht vor. Bei der Untersuchung am 7. Februar 2005 fanden sich – mäßige – degenerative Veränderungen lediglich an den Wirbelkörpern der Bewegungssegmente C5/6 und C6/7, die bereits im Juni 1992 in der Etage C5/6 mit einer mittelgradigen Höhenminderung des Bandscheibenraums festgestellt werden konnten, während an den anderen Halswirbeln und –segmenten keine Auffälligkeiten festzustellen waren. Allein in der Etage C4/5 zeigte die am 22. Juni 2002 durchgeführte Computertomographie der Halswirbelsäule eine minimale Protru-sion der Hinterkante medial, die aber zu keiner erkennbaren Beeinträchtigung der neuralen Strukturen führte. Angesichts dieses belastungsuntypischen Schemas ist der aufgetretene Band-scheibenvorfall in der Etage C6/7 auf eine innerkörperlichen Ursache zurückzuführen, so dass die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV ausscheidet.
Die nach § 193 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu treffende Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Klage keinen Erfolg hat.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten unter Anerkennung seiner Erkrankung der Halswirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) eine Verletztenteilrente.
Der im Jahre 1947 geborene Kläger ist Kerammodelleur. In diesem Beruf war er seit 1962 tätig, zuletzt für die K GmbH. Im Juni 1992 verhob er sich beim Trennen einer schweren Druckgussform. Er erlitt einen zervikalen Bandscheibenprolaps bei C6/7 links mit Wurzelkompression C7 links, der operativ entfernt werden musste. Nach stationärer Behandlung war der Kläger, abgesehen von einem gescheiterten Arbeitsversuch, arbeitsunfähig. Die von ihm begehrte Anerkennung des Vorfalls als Arbeitsunfall wurde abgelehnt. Seit dem 1. April 1994 wird ihm eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt.
Im November 1995 zeigte die Betriebsärztin der K GmbH ihren Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit an. Nach Besichtigung des Arbeitsplatzes des Klägers bejahte der Technische Arbeitsdienst der Beklagten die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV.
In seinem fachorthopädischen Gutachten vom 12. November 1997 diagnostizierte Prof. Dr. N bei dem Kläger ein Postnucleotomiesyndrom bei einem Zustand nach Bandscheibenvorfall C6/7 links mit Kompressionssyndrom der C7-Nervenwurzel links. Eine berufsbedingte Bandscheibenerkrankung nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV läge nicht vor. Die Röntgenbilder zeigten im Vergleich zu gleichaltrigen Vergleichspatienten keine vermehrten degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule.
Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 2. März 1998 eine Entschädigung aus Anlass der Halswirbelsäulenerkrankung mit der Begründung ab, dass es sich hierbei um keine Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV handele. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 1998 zurück.
Im anschließenden Klageverfahren hat die Beklagte das fachorthopädische Gutachten des Prof. Dr. W vom 10. Juli 1999 vorgelegt, in dem dieser einen kausalen Zusammenhang zwischen der beruflichen Einwirkung und den Wirbelsäulenveränderungen für unwahrscheinlich gehalten hat. Das Sozialgericht Berlin hat neben verschiedenen Befundberichten der den Kläger behandelnden Ärzte ein Gutachten des Prof. Dr. P vom 20. September 2001 eingeholt, der zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen im Sinne eines zervikozephalen und zervikobrachialen Syndroms die medizinischen Voraussetzungen nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV erfüllten.
Mit Urteil vom 10. Dezember 2002 hat das Sozialgericht Berlin die Beklagte antragsgemäß verurteilt, dem Kläger wegen der gesundheitlichen Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV eine Verletztenteilrente nach einer MdE von 20 v.H. ab November 1995 zu gewähren. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt: Die arbeitstechnischen Voraussetzungen, nämlich eine mindestens zehnjährige Tätigkeit mit außerordentlich intensiver Belastung der Halswirbelsäule durch Tragen von Lastgewichten von 50 kg und mehr auf der Schulter, seien erfüllt. Auch bestehe eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die bei dem Kläger im Bereich der Halswirbelsäule vorliegenden Gesundheitsstörungen ursächlich auf dessen berufliche Tätigkeit zurückzuführen seien. Zu Recht habe der Gutachter Prof. Dr. P darauf hingewiesen, dass die bei dem Kläger bestehenden Veränderungen im Halswirbelsäulenbereich die al-terskorrigierte Norm deutlich überschritten, da das Auftreten eines Bandscheibenvorfalls bei C6/7 bei einem 45-jährigen Mann kein typisches Krankheitsbild darstellten. An anderen Stellen des Skelettsystems, die keiner besonderen beruflichen Belastung ausgesetzt gewesen seien, seien keine Krankheitserscheinungen aufgetreten. Alternativursachen lägen nicht vor.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die weiterhin der Ansicht ist, dass die Halswirbelsäulenerkrankung des Klägers nicht als Berufskrankheit anerkannt werden könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Dezember 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des orthopädischen Gutachtens des Dr. E vom 6. März 2005, welcher der Beurteilung durch den Gutachter Prof. Dr. P nicht gefolgt ist: Die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV könne nicht empfohlen werden, weil die bei dem Kläger vorliegenden Veränderungen an der Halswirbelsäule nicht einem dem alterstypischen vorauseilenden Verschleißzustand der gesamten Halswirbelsäule im Bereich der Bandscheiben und der Wirbelkörper entsprächen, der durch die langandauernde Zwangsfehlhaltung der Halswirbelsäule durch Tragen schwerer Lasten zu fordern sei. Der aufgetretene Bandscheibenvorfall in der Etage C6/7 sei als innerkörperlichen Ursprungs zu wer-ten. In seiner Stellungnahme vom 10. Oktober 2005 zu diesem Gutachten ist Prof. Dr. P von seiner Auffassung nicht abgerückt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die Prozessakte des Sozialgerichts Berlin, die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten und die Akten früherer sozialgerichtlicher Verfahren des Klägers haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch, dass die Beklagte ihm unter Anerkennung seiner Erkrankung der Halswirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV eine Verletztenteilrente nach einer MdE von 20 v.H. ab November 1995 gewährt.
Berufskrankheiten sind nach der Vorschrift des § 551 Abs. 1 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO), die gemäß § 212 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch (SBG VII) für den vor dem 1. Januar 1997 eingetretenen Versicherungsfall weiter Anwendung findet, Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 539, 540, 543 bis 545 RVO begründenden Tätigkeit erleiden.
Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Bei dem Kläger liegen, wie das Sozialgericht ausführlich dargelegt hat und zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit ist, die arbeitstechnischen Voraussetzungen für diese Berufskrankheit vor.
Jedoch sind die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV nicht gegeben. Zwar leidet der Kläger nach den – insoweit weitgehend übereinstimmenden – Diagnosen der Gutachter an einem Zervikal- und einem Zer-vikobrachialsyndrom, also Erkrankungen, die grundsätzlich in den Regelungsbereich der Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV fallen (vgl. Nr. III des Merkblatts zu Nr. 2109, Bekanntmachung des BMA, BArbBl. 3/93, S. 53). Jedoch ist weiter erforderlich, dass – als Folge der langandauernden Zwangsfehlhaltung der Halswirbelsäule durch Tragen schwerer Lasten – ein Verschleißzustand der Halswirbelsäule vorliegt, der über den Grad der altersübli-chen Verschleißerscheinungen hinausgeht. Entgegen der Beurteilung durch den Gutachter Prof. Dr. P ergibt sich aus den vorliegenden gutachterlichen Feststellungen kein derartiger qualifi-zierter Verschleißzustand bei dem Kläger. Prof. Dr. P hat seine Auffassung daraus abgeleitet, dass der Kläger, operativ und histologisch nachgewiesen, im Juni 1992 einen operationsbedürftigen Bandscheibenprolaps der Halswirbelsäule in der Etage C6/7 erlitten hat, und zwar – was nicht im Streit ist – nicht durch ein traumatisches Ereignis, sondern durch eine Gelegenheitsbewegung der Halswirbelsäule. In Übereinstimmung mit dem Sachverständigen ist eine derar-tige degenerative Veränderung an der Halswirbelsäule nicht als normaler Durchschnittsbefund der Bevölkerung seiner Altersklasse zu werten. Allerdings kann, worauf Dr. E in seinem Gut-achten vom 6. März 2005 mit Recht hinweist, allein aus der Feststellung, dass es sich bei einem Bandscheibenvorfall um einen deutlich über den altersüblichen Grad hinausgehenden Verschleiß der Bandscheibe handelt, nicht auf das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen geschlossen werden. Denn insoweit ist auf den Verschleißzustand der gesamten Halswir-belsäule abzustellen. Wie der Sachverständige Dr. E unter Hinweis auf die Untersuchungen von Schröter und Rademacher (1971) darlegt, konnten bei Personen, die langandauernden Belastungen der Halswirbelsäule im Sinne der Nr. 2109 ausgesetzt waren, vermehrte Verschleißumformungen im Bereich der kopfnahen Halswirbelsäule nachgewiesen werden, während die normalen und altersabhängigen Verschleißumformungen mehr im mittleren und unteren Abschnitt der Halswirbelsäule auftreten. Diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechend wird auch im Merkblatt zu Nr. 2109 (unter Nr. II, a.a.O.) darauf hingewiesen, dass bei langjährig wiederkehrender Belastung der Halswirbelsäule durch das Tragen von schweren Lasten unter außergewöhnlicher Haltung des Kopfes nicht nur die unteren Bewegungssegmente gefährdet sind. Zug- und Kompressionskräfte im Bereich der Wirbelgelenkfacetten in Verbin-dung mit Seitverbiegung und Verdrehung tragen dazu bei, dass insbesondere oberhalb von C5/6 bis zu C2/3 degenerative Veränderungen auftreten, die in der Allgemeinbevölkerung weniger häufig anzutreffen sind. Ein derartiges Verschleißprofil liegt im Bereich der Halswirbelsäule des Klägers nicht vor. Bei der Untersuchung am 7. Februar 2005 fanden sich – mäßige – degenerative Veränderungen lediglich an den Wirbelkörpern der Bewegungssegmente C5/6 und C6/7, die bereits im Juni 1992 in der Etage C5/6 mit einer mittelgradigen Höhenminderung des Bandscheibenraums festgestellt werden konnten, während an den anderen Halswirbeln und –segmenten keine Auffälligkeiten festzustellen waren. Allein in der Etage C4/5 zeigte die am 22. Juni 2002 durchgeführte Computertomographie der Halswirbelsäule eine minimale Protru-sion der Hinterkante medial, die aber zu keiner erkennbaren Beeinträchtigung der neuralen Strukturen führte. Angesichts dieses belastungsuntypischen Schemas ist der aufgetretene Band-scheibenvorfall in der Etage C6/7 auf eine innerkörperlichen Ursache zurückzuführen, so dass die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV ausscheidet.
Die nach § 193 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu treffende Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Klage keinen Erfolg hat.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
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