Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 831/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 5426/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Belastungsgrenze bei freiwillig Versicherten ist nicht auf der Basis des für die Beitragsbemessung maßgebenden fiktiven Mindesteinkommens nach § 240 Abs. 4 SGB V zu ermitteln, vielmehr ist als Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit das tatsächlich erzielte Einkommen abzüglich der notwendigen Ausgaben zu Grunde zu legen.
In Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Ulm vom 13. Oktober 2004 werden die Bescheide der Beklagten vom 26. Juli 2002 betreffend die Jahre 1999 und 2001 in der Gestalt des Bescheids vom 4. November 2002 und des Widerspruchsbescheids vom 19. März 2003 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin ihre Zuzahlungen für Arzneimittel für die Jahre 1999 und 2001 in Höhe von 145,60 DM und 243,00 DM, insgesamt 388,60 DM (198,69 EUR) zu erstatten.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin 2/3 ihrer außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten steht eine vollständige bzw. teilweise Befreiung der Klägerin von der Zuzahlungspflicht bezüglich der Jahre 1999 bis 2001 im Streit.
Die im September 1955 geborene Klägerin ist seit Jahren wegen eines demenziellen Syndroms in Dauerbehandlung. Sie bezieht von der LVA Baden-Württemberg Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von (2001) 729,07 EUR (Auszahlungsbetrag 673,67 EUR). Mit Antrag vom 15. Mai 2002 begehrte sie die Befreiung von der Zuzahlungspflicht. Der Ehemann der Klägerin war für die streitgegenständliche Zeit als Selbstständiger freiwillig bei der Techniker Krankenkasse (TKK) krankenversichert. Die beiden Kinder der Eheleute waren beim Ehemann der Klägerin familienmitversichert.
Mit Schreiben vom 23. Mai 2002 bescheinigte die TKK der Beklagten gegenüber, dass der Ehemann der Klägerin nach einem monatlichen Einkommen von umgerechnet 1.789,52 EUR (3500,00 DM) freiwillig versichert sei.
Die Höhe der Zuzahlungen für die Klägerin im Jahre 1999 betrug ausweislich der von ihr vorgelegten Nachweise 118,17 DM, für den Ehemann der Klägerin 26,90 DM. Im Jahr 2000 betrug die Zuzahlung bei der Klägerin 167,27 DM für den Ehemann 56,00 DM und im Jahr 2001 zahlte die Klägerin 243,00 DM an Zuzahlungen.
Mit drei Bescheiden jeweils vom 26. Juli 2002 lehnte die Beklagte eine Kostenbeteiligung an den Zuzahlungen der Jahre 1999 bis 2001 ab. Der jährliche Eigenanteil habe jeweils unter den zumutbaren Eigenanteilen gelegen. Diese Bescheide enthielten jeweils keine Rechtsbehelfsbelehrung. In ihrem weiteren "rechtsgültigen Bescheid" vom 4. November 2002 (Bl. 13 VA) führte die Beklagte noch aus, das der Gesetzgeber bei freiwillig versicherten selbstständig Tätigen dokumentiert habe, dass das unternehmerische Risiko nicht zu Lasten der Gemeinschaft ausgeglichen werden könne. Aus diesem Grunde werde ein Mindesteinkommen von selbstständig Tätigen zugrunde gelegt. Diese Regelung gelte für alle Einkommensbeurteilungen wie z. B. die Krankengeldberechnung oder die Beurteilung von "Härtefällen". Es wäre äußerst widersprüchlich, würde man die zur Beitragsberechnung herangezogenen Einnahmen nicht ebenfalls auf die Leistungen des SGB V anwenden.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, für die Berechnung des zumutbaren Eigenanteils sei das tatsächliche und steuerrechtlich nachgewiesene (Familien-) Einkommen und nicht ein fiktives Einkommen auf Seiten des Ehemanns der Klägerin zugrunde zu legen. Die Berechnungsweise der Beklagten könne sich auf keine Rechtsgrundlage stützen. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach dem gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen zählten zu den bei den nach § 61 ff. SGB V zugrunde zu legenden Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt alle Einnahmen, die zur Bestreitung des Lebensunterhaltes bestimmt seien und zwar ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung, soweit sie gegenwärtig zur Verfügung stünden. Nach einer Handlungsempfehlung des AOK-Bundesverbandes zur Beurteilung von Härtefällen nach § 61 und 62 SGB V vom 23. September 1997 dokumentiere der Gesetzgeber in § 240 Abs. 4 SGB V bei freiwillig versicherten selbstständigen Tätigen, dass unabhängig von der tatsächlichen Einkommenssituation das unternehmerische Risiko nicht zu Lasten der Solidargemeinschaft ausgleichbar sei. Dies sei in der grundsätzlich geringer bewerteten Schutzbedürftigkeit der freiwillig versicherten Mitglieder begründet, deren Krankenversicherung von den Pflichtversicherten möglichst nicht mitfinanziert werden solle. Die gesetzliche Fiktion eines Mindesteinkommens von selbstständig Tätigen sei auch aus Gründen der Systemgerechtigkeit für alle anderen Einkommensbeurteilungen anzuwenden. Jede andere Betrachtungsweise liefe dem Gesetzeszweck zuwider. Es wäre äußerst widersprüchlich, würde man die zur Beitragsberechnung heranzuziehenden Einnahmen nicht auch auf die ebenfalls im SGB V geregelte Beurteilung von Härtefällen anwenden. Dies habe selbst dann zu gelten, wenn der freiwillig Versicherte den Mindestbeitrag entrichte. Es könne aber in Einzelfällen (z. B. bei Existenzgründungen) angezeigt sein, nach individueller Entscheidung von den tatsächlich und glaubhaft nachgewiesenen Einnahmen auszugehen. Aufgrund dieser Handlungsempfehlungen seien die Berechnungen zur Befreiung nach § 62 SGB V vorgenommen worden und die Beklagte sei jeweils zu dem Ergebnis gekommen, dass weder die 2 %-Grenze der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt, noch die 1 %-Grenze erreicht würden. Daher sei keine Erstattung der gezahlten Eigenanteile für die Jahre 1999 bis 2001 möglich, da diese unterhalb der Belastungsgrenze von 2 % liegen würden. Ebenso wenig sei eine Befreiung der Zuzahlungen für die chronische Erkrankung für das kommende Jahr möglich, da diese unter 1 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt liegen würden.
Hiergegen hat die Klägerin am 11. April 2003 Klage vor dem Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Sie hat weiterhin die vollständige Befreiung von Zuzahlungen für den Zeitraum von 1999 bis 2001 sowie die Erstattung der zu viel geleisteten Zuzahlungen begehrt. Zur Begründung hat sie weiter ausgeführt, die Beklagte habe bei der Anwendung der § 61 ff. SGB V das tatsächliche Einkommen des Ehemanns der Klägerin zugrunde zu legen und nicht ein fiktives Einkommen gem. § 240 SGB V. Hierfür gebe es keinerlei rechtliche Grundlage. Die Satzung der Beklagten sei insoweit rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Schon in § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V sei festgelegt, dass bei freiwilligen Mitgliedern betreffend die Beitragsbemessung durch die Satzung sicherzustellen sei, dass die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt werde. Diese Generalklausel müsste, sofern der § 240 SGB V überhaupt auf den entsprechenden Befreiungstatbestand angewendet werden sollte, da es sich hierbei um Regelungen über freiwillig Versicherte handele, umso mehr im Härtefall Anwendung finden. Grundsätzlich finde jedoch nach Auffassung der Klägerin § 240 SGB V auf das Versicherungsverhältnis zwischen den Parteien schon deswegen keine Anwendung, da die Klägerin pflichtversichert und nicht freiwillig Versicherte sei. Wäre der Ehemann der Klägerin nicht selbstständig und hätte ebenfalls keinerlei Einkünfte und wäre demzufolge gesetzlich bei der Klägerin mitversichert, würde dies ebenfalls keinesfalls zu einer fiktiven Anrechnung irgendwelchen Einkommens führen. Für einen selbstständigen Ehemann, der über keine oder negative Einkünfte verfüge, könne nichts anderes gelten, da ansonsten gegen das Gleichheitsgebot aus Artikel 3 Grundgesetz (GG) verstoßen würde. Eine zusätzliche Belastung für die Versichertengemeinschaft bestehe diesbezüglich also nicht. Bei den §§ 61, 62 SGB V handele es sich ohnehin nur um Härtefallregelungen, also um Ausnahmeregelungen in Härtefällen, die nicht so gravierend seien, dass sie die Versichertengemeinschaft über Gebühr belasten könnten.
Die Beklagte ist dem entgegen getreten und hat erneut darauf verwiesen, dass als Grundlage für das Familieneinkommen beim Einkommen des Ehemannes der Klägerin die Einstufung zur Beitragszahlung der freiwilligen Versicherung zugrunde zu legen sei (§ 240 Abs. 2 und 4 SGB V). Da der Ehemann der Klägerin mit seinem tatsächlichen Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit unter dem 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) liege, sei er richtigerweise von der TKK in die gesetzlich festgelegte, so genannte Mindeststufe für selbstständig Tätige eingestuft worden. Die gesetzliche Fiktion eines Mindesteinkommens von selbstständig Tätigen sei auch aus Gründen der Systemgerechtigkeit für alle anderen Einkommensbeurteilungen anzuwenden.
Mit Urteil vom 13. Oktober 2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, dass die Ermittlung des zugrunde zu legenden Familieneinkommens im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Befreiungs- und Rückgewähranspruch nach den §§ 61 ff. SGB V in der 1999 bis 2001 geltenden Fassung bei freiwillig versicherten Selbstständigen mit Berechnung des fiktiven Einkommens nach den Grundsätzen des § 240 Abs. 4 SGB V zu erfolgen hat und nicht anhand der nachträglich durch Steuerbescheid belegten tatsächlichen Einkommensverhältnisse. Auch unter Berücksichtigung des Wortlauts und der §§ 14 ff. SGB IV spreche nach Überzeugung des Gerichts insbesondere die ratio legis der §§ 61 ff. SGB V dafür, vom fiktiven Einkommen nach den Grundsätzen des § 240 Abs. 4 SGB V auszugehen. Der neunte Abschnitt des SGB V sei mit "Härtefälle" überschrieben. Der hinter den §§ 61 ff. SGB V stehende Grundgedanke bezwecke in erster Linie Versicherte für die Zukunft von unzumutbaren Zuzahlungen zu befreien. Dies erfordere jedoch grundsätzlich eine zeitnahe Entscheidung der Krankenkasse, welche sich hierfür unter den Bedingungen einer Massenverwaltung einer schnellen verwaltungspraktikablen Lösung bedienen müsse. Die Fiktion von Einkünften, wie sie bei der Beitragsbemessung im Wege des § 240 SGB V erfolge, erscheine dafür grundsätzlich ein taugliches Instrument. Zu berücksichtigen sei hierbei auch, dass im Rahmen der Beitragsbemessung Veränderungen zu Gunsten hauptberuflich selbstständig erwerbstätiger Versicherter auf der Grundlage des § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V nur zum ersten Tag des auf die Vorlage eines Nachweises folgenden Monats, also grundsätzlich ebenfalls nur mit Wirkung für die Zukunft wirksam werden würden. Diese Regelung verstoße nach höhergerichtlicher Rechtssprechung (mit Hinweis auf Urteil des Thüringer LSG vom 29. Mai 2000 - Az. L 6 KR 365/99 wie auch das LSG Berlin, Urteil vom 27. März 2002 - Az. L 15 KR 286/01) nicht gegen Artikel 3 GG. So brauche der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht um die Gleichbehandlung aller denkbarer Fälle besorgt sein. Ausreichend sei es, von einem Gesamtbild auszugehen, das sich aus den vorliegenden Erfahrungen ergebe. Es dürften generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwendet werden, ohne allein schon wegen der damit verbunden Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Dabei seien auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht (mit Hinweis auf BverfGE 84, 348, 359, 360 m. w. N.). Der Gesetzgeber brauche auch nicht die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung zu finden (Hinweis auf BverfGE 71, 255, 271 m. w. N.). Unter Berücksichtigung dessen sei die in § 240 Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 SGB V enthaltene Ungleichbehandlung sachlich hinreichend gerechtfertigt. Dies ergebe sich auch aus der Schwierigkeit, die beitragspflichtigen Einnahmen der hauptberuflichen Selbstständigen in einer den beitragspflichtigen Einnahmen anderer Versicherter gleichwertigen Weise zu bestimmen (Hinweis auf Urteil des BSG vom 26. September 1996 in SozR 3 - 2500 § 240 Nr. 27). Dabei sei auch nicht zu erkennen, dass dem Gesetzgeber insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung von Manipulationsmöglichkeiten ein praktikablerer Weg offen gestanden hätte, die Beitragsbemessung für hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige zu regeln und dabei gleichzeitig weiterhin sicherzustellen, dass die hauptberuflich Selbstständigen im Verhältnis zu den versicherungspflichtigen Beschäftigten angemessen zur Finanzierung der Krankenversicherung beitragen würden (Hinweis auf BSG SozR 3 - 3300 § 57 Nr. 2 bei der Beitragsbemessung der hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen in der sozialen Pflegeversicherung). Soweit § 61 Abs. 2 Nr. 1 SGB V von "monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt des Versicherten" spreche, verstehe man darunter das tatsächlich verfügbare und disponible Einkommen, das bei Selbstständigen nicht zwingend dem nachträglich steuerrechtlich ermittelten Einkommen entspräche. Die Vorschrift des § 240 SGB V ermögliche darüber hinaus eine angemessene niedrigere Beitragsleistung bei tatsächlich niedrigeren selbstständigen Einkünften, so dass Selbstständige nicht pauschal mit höheren Beiträgen belastet würden. Wollte man dem klägerischen Vortrag folgen, könnte die Entscheidung über eine Zuzahlungsbefreiung in zahlreichen Fällen selbstständiger Tätigkeit häufig erst nach Ablauf einer längeren Zeit erfolgen, in der Regel erst mit Vorlage eines Steuerbescheides für vergangene Zeiten. Dies widerspreche jedoch dem Grundgedanken der §§ 61 ff. SGB V, wonach die Feststellung eines Härtefalles zeitnah zu erfolgen habe. Das SG hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Die Klägerin hat gegen das ihrem Bevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 5. November 2004 zugestellte Urteil am 30. November 2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht der Bevollmächtigte der Klägerin geltend, das SG wende fehlerhaft § 240 SGB V auf die Ermittlung des für die Belastungsgrenzen des § 62 Abs. 2 SGB V zugrunde zu legenden Einkommens im Hinblick auf den Ehegatten der Klägerin an. In § 240 SGB V werde lediglich die Beitragsbemessung für freiwillig Versicherte geregelt, wobei hier für selbstständig Erwerbstätige ein bestimmter Mindestbetrag festgelegt werde, auch wenn die Einnahmen des Selbstständigen sehr gering oder negativ seien. Diese Kriterien könnten jedoch nicht auf die Härtefallregelung der § 61 ff. SGB V angewendet werden, da es ansonsten zur einer doppelten Benachteiligung käme, nämlich für den Fall, dass der Ehemann der Klägerin schon Beiträge zur freiwilligen Versicherung zu zahlen hat, obwohl er nicht über das nötige Einkommen im betreffenden Jahr verfüge und zugleich das fiktive Einkommen, welches betreffend die Härtefallregelung angenommen werden solle, zusätzlich den Härteausgleich verhindere. Im Übrigen enthalte § 62 SGB V keine Regelung darüber wie die monatlichen Einnahmen zum Lebensunterhalt des Versicherten ermittelt würden. Jedenfalls nicht in der Gestalt, das ein fiktives Einkommen zugrunde gelegt werde. In § 62 SGB V werde im Gegenteil von den tatsächlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt ausgegangen. Die vorliegende doppelte Benachteiligung der Klägerin im Hinblick auf die Beiträge und den Ausschluss von der Härtefallregelung könne nicht richtig sein und auch nicht hingenommen werden. Das SG gehe des Weiteren fehlerhaft von der Annahme aus, dass die Härtefallregelung deswegen nicht zur Anwendung komme, weil der selbstständige Ehemann der Klägerin in der Regel erst mit Vorlage eines Steuerbescheides für vergangene Zeiten, also erst nach Ablauf einer längeren Zeit, sein tatsächliches Einkommen ermitteln könne und daher eine zeitnahe Entlassung aus der Zuzahlungspflicht nicht erfolgen könne. Diese Prämisse des SG hätte zur Folge, dass jeder Versicherte, der mit einem Selbstständigen verheiratet sei bzw. in dessen gemeinsamen Haushalt ein Selbstständiger lebe vom Genuss der Härtefallregelung ausgeschlossen wäre, da Selbstständige immer erst in der Regel mit Vorlage eines Steuerbescheides ihr Einkommen für vergangene Zeiten definitiv nachweisen könnten. Richtig sei aber, dass in jedem Fall die Ermittlung des vorläufigen Einkommens von Selbstständigen entgegen der Auffassung des SG sehr wohl zeitnah erfolgen könne. Zumindest sei es für Selbstständige möglich, vom Steuerberater monatlich eine vorläufige Gewinnermittlung zu erhalten. Eine solche vorläufige Jahresgewinnermittlung werde beispielsweise auch bei der zumindest vorläufigen Festlegung von Beiträgen zu öffentlich-rechtlichen Versorgungswerken akzeptiert. Prinzipiell könne also durchaus in Härtefällen zeitnah, zumindest aber relativ zeitnah, über einen Härtefall auch entschieden werden. Es sei auch sicherlich nicht ganz falsch, wenn im Zusammenhang mit der Härtefallregelung auch das Einkommen des Ehepartners generell mit herangezogen werde, da im Prinzip auch so etwas wie eine Unterhaltsverpflichtung bestehe. Unbillig sei es aber auf jeden Fall, dem selbstständigen Ehepartner ein Einkommen zuzurechnen, welches überhaupt nicht bestehe. Diese Ungleichbehandlung beispielsweise könne auch in den Fällen, in denen der nicht über selbstständiges Einkommen verfügende Ehepartner mitversichert sei und dem keinerlei Einkommen zugerechnet werde, nicht gerechtfertigt sein. Die Fiktion von Einkünften, wie sie bei der Beitragsbemessung im Wege des § 240 SGB V erfolge, sei daher grundsätzlich ein untaugliches Instrument. Ebenso wenig wie sich die Beitragsbemessung der pflichtversicherten Klägerin nach § 240 SGB V orientiere, habe sich die Beurteilung eines Härtefalles nach dieser Vorschrift zu richten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 13. Oktober 2004 sowie die Bescheide der Beklagten vom 26. Juli 2002 und 4. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von 1999 bis 2001 vollständig, hilfsweise teilweise von den Zuzahlungen zu befreien und die zu viel geleisteten Zuzahlungen zurückzugewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Von der Klägerin wurden bereits im Verwaltungsverfahren bzw. SG-Verfahren die Steuerbescheide für die Jahre 1999, 2000 und 2001 sowie im Berufungsverfahren die nunmehr mit Schreiben vom 12. April 2005 angeforderten Gewinn- und Verlustrechnungen für diese Jahre vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, aufgrund der Zulassung der Berufung durch das SG wegen grundsätzlicher Bedeutung, an die der Senat gebunden ist (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
II.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nur teilweise begründet. Hinsichtlich der Jahre 1999 und 2001 ist die Klägerin vollständig gem. § 61 SGB V (in der hier maßgeblichen Fassung des 2. GKV-NOG vom 23.6.1997 BGBl. I S. 1518) zu befreien. Bezüglich des Jahres 2000 sind dagegen die Voraussetzungen weder für eine vollständige Befreiung gem. § 61 SGB V noch für eine teilweise Befreiung (§ 62 SGB V in der hier ebenfalls maßgeblichen Fassung des 2. GKV-NOG) erfüllt.
Gem. § 61 Abs. 1 SGB V hat die Krankenkasse 1. Versicherte von der Zuzahlung zur Arznei-Verband- und Heilmitteln, Hilfsmitteln sowie stationären Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen nach § 23 Abs. 4, §§ 24, 40 oder § 41 zu befreien, 2. bei der Versorgung mit Zahnersatz den von den Versicherten zu tragenden Anteil der Kosten nach § 30 Abs. 2 zu übernehmen und 3. die im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse notwendigen Fahrkosten von Versicherten zu übernehmen, wenn die Versicherten unzumutbar belastet würden.
Eine unzumutbare Belastung liegt gem. § 61 Abs. 2 SGB V vor, wenn 1. die monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt des Versicherten 40 v. H. der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches nicht überschreiten, 2. der Versicherte Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz oder im Rahmen der Kriegsopferfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz, Arbeitslosenhilfe nach dem Dritten Buch, Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz oder dem Dritten Buch erhält oder 3. die Kosten der Unterbringung in einem Heim oder einer ähnlichen Einrichtung von einem Träger der Sozialhilfe oder der Kriegsopferfürsorge getragen werden.
Als Einnahmen zum Lebensunterhalt der Versicherten gelten gem. § 61 Abs. 3 SGB V auch die Einnahmen anderer in dem gemeinsamen Haushalt lebender Angehöriger (Satz 1).
Der in Absatz 2 Nr. 1 genannte vom Hundertsatz erhöht sich gem. § 61 Abs. 4 SGB V für den ersten in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten um 15 v. H. und für jeden weiteren in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen um 10 v. H. der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches.
Gem. § 62 Abs. 1 SGB V hat die Krankenkasse die dem Versicherten während eines Kalenderjahres entstehenden notwendigen Fahrkosten und Zuzahlungen zu Arznei-, Verband- und Heilmittel zu übernehmen, soweit sie die Belastungsgrenze übersteigen (Satz 1). Die Belastungsgrenze beträgt 2 v. H. der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt; für Versicherte, die wegen derselben Krankheit in Dauerbehandlung sind und ein Jahr lang Zuzahlungen in Höhe von mindestens 1 v. H. der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt geleistet haben, entfallen die in Satz 1 genannten Zuzahlungen nach Ablauf des ersten Jahres für die weitere Dauer dieser Behandlung, deren weitere Dauer der Krankenkasse jeweils spätestens vor Ablauf des zweiten Kalenderjahres nachzuweisen und vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung soweit erforderlich zu prüfen ist (Satz 2).
Bei der Ermittlung der Belastungsgrenze nach Abs. 1 sind die jährlichen Bruttoeinnahmen gem. § 62 Abs. 2 SGB V für den ersten in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten um 15 v. H. und für jeden weiteren in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen um 10 v. H. der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches zu vermindern.
Gem. § 62 Abs. 3 gilt hier auch § 61 Abs. 3 (betrifft auch die Berücksichtigung von Einnahmen anderer im gemeinsamen Haushalt lebender Angehöriger).
Ausweislich dieser Regelungen sind grundsätzlich Maßstab für die Frage der Befreiung die insgesamt dem Haushalt zur Verfügung stehenden Einnahmen, wie sich unmissverständlich aus § 61 Abs. 3 Satz 1 SGB V ergibt, der gem. § 62 Abs. 3 SGB III auch dort Anwendung findet. Unter den Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt im Sinne dieser gesetzlichen Regelung sind die dem tatsächlichen Lebensunterhalt dienenden persönlichen Einnahmen der Versicherten einschließlich der gesetzlichen Abzüge zu verstehen. Es kommt hierbei nicht darauf an, dass die Einnahmen tatsächlich zum Lebensunterhalt verwendet werden; ausreichend ist vielmehr, dass sie dem Lebensunterhalt zu dienen geeignet sind (s. BSG SozR 3 - 2500 § 61 Nr. 8 S. 39; Höfler im Kassler Kommentar § 61 SGB V Rdnr. 7). Auch die Einnahmequelle ist nicht maßgebend, in Betracht kommen daher sowohl Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen (aus selbstständiger Tätigkeit), wie auch Einnahmen aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung. Bei der Berechnung der Bruttoeinnahmen ist der monatliche Durchschnitt heranzuziehen (s. Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU und FDP zum Entwurf eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz - GRG) in BT-Drs. 11/2237 in der Begründung zu § 69 Abs. 2 und 3, S. 187). Anhaltspunkte für den bei schwankenden Einnahmen der Durchschnittsberechnung zugrunde zu legenden Zeitraum enthält § 61 nicht. Geht es um die Befreiung von Zuzahlungen oder Eigenanteilen bei einmaligen Leistungen, so ist auf einen hinreichend repräsentativen Bezugszeitraum abzustellen, mindestens auf die letzten drei Monate vor dem Leistungszeitpunkt (s. Höfler in Kassler Kommentar § 61 SGB V Rdnr. 11).
Entgegen der Auffassung des SG und der Beklagten ist hierbei jedoch bei den anzurechnenden Einnahmen des selbstständig tätigen Ehemannes der Klägerin nicht das fiktive Mindesteinkommen gem. § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V für freiwillig versicherte selbstständig Tätige im Zusammenhang mit der Berechnung der Beitragshöhe anzuwenden. Die §§ 61, 62 SGB V stellen nach der Wortwahl allein auf die tatsächlichen Bruttoeinnahmen ab, eine Bezugnahme auf § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V findet sich an keiner Stelle. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass es sich hier um eine "Bedürftigkeitsleistung" handelt. Nach Auffassung des Senats ist damit folgerichtig auf die allein tatsächlich zur Verfügung stehenden Einnahmen abzustellen. Dies bedeutet auf der anderen Seite aber auch, dass das bei selbstständig Tätigen mögliche und häufig steuerrechtlich auch praktizierte "arm rechnen" hier nicht berücksichtigt werden kann. Konkret bedeutet dies, dass auf der Grundlage der vorgelegten Einnahmen - Überschussrechnungen des Ehemannes der Klägerin für die Jahre 1999, 2000 und 2001 der dort jeweils als Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag ausgewiesene Betrag um die Summe aller steuerrechtlichen Abschreibungen der Sachanlagen jeweils zu erhöhen ist. Diese Beträge haben nämlich lediglich eine steuerrechtliche/fiktive Minderung des zu versteuernden Einkommens zur Folge. Das tatsächlich dem Ehemann der Klägerin bzw. damit letztlich auch der Klägerin selbst zur Verfügung stehende Einkommen vermindern diese Positionen (anders als die tatsächlich entstandenen Aufwendungen für KFZ, Personal, Räumlichkeiten, Telefon und sonstige Materialien sowie Zinsen für Verbindlichkeiten) nicht. Dies heißt mit anderen Worten weiter, dass damit für das Jahr 1999 von hier berücksichtigungsfähigen Einnahmen des Ehemannes der Klägerin in Höhe von 17.156,51 DM (Jahresüberschuss 108,41 DM zuzüglich 17.048,10 DM Abschreibungen), für das Jahr 2000 in Höhe von 66.542,55 DM (Jahresüberschuss 44.163,78 DM zuzüglich 22.378,77 DM Abschreibungen) und für das Jahr 2001 in Höhe von 10.369,23 DM (Jahresverlust 9.214,62 DM zuzüglich 19.583,85 DM Abschreibungen) auszugehen ist.
Dieser Ansatz entspricht im Kern den Regelungen in anderen Teilen des Sozialgesetzbuches, bei denen für die Prüfung der Bedürftigkeit des Antragstellers die Anrechnung von Einkommen des selbstständig tätigen Ehepartners zu erfolgen hat. § 11 SGB II definiert in Abs. 1 als Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert und schreibt in Abs. 2 Nr. 5 die Berücksichtigung der mit der Erzielung von Einkommen notwendigen Ausgaben vor. Eine inhaltsgleiche Regelung enthält § 82 SGB XII. Die in § 2a Abs. 3 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld -Verordnung (Alg II-V) vom 24. Oktober 2004 (BGBl. I. S. 2622) getroffene Regelung schreibt die hier vertretene Rechtsauffassung mit Wirkung seit 1. Oktober 2005 für die Bedürftigkeitsprüfung nach dem SGB II vor. Danach ist (jedenfalls für Zeiträume in der Vergangenheit) zur Ermittlung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit im Ergebnis das tatsächlich erzielte Einkommen mit den notwendigen Ausgaben zu saldieren. Anhaltspunkte, dass der Ehemann der Klägerin nicht notwendige z.B. luxuriöse Ausgaben getätigt hätte, lassen sich den vorgelegten steuerrechtlichen Gewinn- und Verlustrechnungen nicht entnehmen.
Auf der oben beschriebenen Grundlage ist die Klägerin für die Jahre 1999 und 2001 jeweils vollständig gem. § 61 SGB V von der Zuzahlung zu befreien bzw. sind ihr die bereits von ihr erbrachten Zuzahlungen zu erstatten. Im Einzelnen stellt sich dies hier wie folgt dar:
Für das Jahr 1999: Einnahmen Klägerin: 13.079,00 DM (Arbeitsentgelt) Einnahmen Ehemann: 17.156,51 DM Insgesamt: 30.235,51 DM
Die maßgebliche Einkommensgrenze nach § 61 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 61 Abs. 4 SGB V beträgt 39.690,00 DM, nämlich 75 v. H. der Bezugsgröße in Höhe von 52.920,00 DM (40 v. H. für die Klägerin zuzüglich einer Erhöhung um 15 v. H. für den Ehemann der Klägerin und zuzüglich einer Erhöhung von weiteren zwei mal zehn v. H. für die Kinder der Klägerin).
Für das Jahr 2001: Einnahmen der Klägerin: 16.950,48 DM 417,77 DM Einnahmen des Ehemannes: 10.369,23 DM Insgesamt 27.737,48 DM.
Die maßgebliche Einkommensgrenze nach § 61 Abs. 2 Nr. 1 und SGB IV beträgt hier 40.320,00 DM, 75 v. H. aus der Bezugsgröße in Höhe von 53.760,00 DM bezüglich des Jahres 2001.
Die bedeutet folglich, dass in diesen Jahren, nämlich 1999 und 2001 die Einnahmen der Klägerin und ihres Ehemannes unter der jeweiligen maßgeblichen Einkommensgrenze lagen und daher die Klägerin insoweit vollständig von den in diesen Jahren erbrachten Zuzahlungen zu befreien war.
Bezüglich des Jahres 2000 sind dagegen weder die Voraussetzungen für eine vollständige noch für eine teilweise Befreiung erfüllt. Im Einzelnen stellt sich hier die Situation wie folgt dar:
Für das Jahr 2000: Einnahmen der Klägerin: 12.568,86 DM (Rente) 278,51 DM (sonstige Versorgungsleistungen) 7.157,00 DM (Arbeitsentgelt) Einnahmen des Ehemannes: 66.542,55 DM Insgesamt 86.546,92 DM.
Damit liegt das Einkommen der Klägerin und ihres Ehemannes in diesem Jahr deutlich über der maßgeblichen Einkommensgrenze nach § 61 SGB V, die nämlich bezogen auf die Bezugsgröße in Höhe von 53.760,00 DM mit 75 v. H. bei 40.320,00 DM liegt.
Ebenso wenig sind die Voraussetzungen für eine teilweise Befreiung gegeben. Nach Abzug des gem. § 62 Abs. 2 SGB V vorzunehmenden Abschlages für die beiden Kinder in Höhe von 18.816,00 DM von den erzielten Einnahmen in Höhe von 86.546,92 DM verbleibt ein zu berücksichtigendes Einkommen von insgesamt 67.730,92 DM. 2 % hieraus sind ein Betrag in Höhe von 1.354,62 DM bzw. 1 % 677,31 DM. Die tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin in Höhe von 223,27 DM im Jahr 2000 liegen damit auch deutlich unter diesen Belastungsgrenzen, sodass insoweit keine Befreiung von den Zuzahlungen zu erfolgen hat.
Soweit das SG wie auch die Beklagte für die Zugrundelegung des fiktiven Mindesteinkommens nach § 240 Abs. 4 SGB V auch bei der Prüfung der Härtefälle nach den §§ 61 und 62 SGB V geltend machen, andernfalls würde bei selbstständig Tätigen die Schwierigkeit bestehen, dass die endgültigen Einkommensverhältnisse in der Regel erst ein bis zwei Kalenderjahre später endgültig feststehen, kann dies nach Überzeugung des Senates nicht durchgreifen. Zum einen können die Befreiungsanträge ausweislich der gesetzlichen Regelung (irgendwelche Ausschlussfristen finden sich im Gesetz nicht) auch noch nach Ablauf der Kalenderjahre gestellt werden, also auch zu einem Zeitpunkt, zu dem ggf. bereits die entsprechenden Zahlen, zumindest in Form einer Einnahmen-Überschussrechnung vorliegen. Zum anderen besteht auch die Möglichkeit, sich eine vorläufige Einnahmen-Überschussrechnung vom Steuerberater des selbstständig Tätigen vorlegen zu lassen. Dies müsste normalerweise auch innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes möglich sein. Insoweit trägt im Übrigen dann allenfalls der Antragsteller das Risiko einer längeren Bearbeitungsdauer, was ihm insoweit dann aber auch, da es in seiner Sphäre liegt, zuzumuten ist. Die Beklagte scheint hier verkannt zu haben, dass sie ohne weiteres, sofern nach einer von ihr ggf. gesetzten angemessenen Frist nicht die notwendigen Unterlagen über die Einnahmen aller im Haushalt des Antragstellers lebenden Angehörigen wie auch des Antragstellers selbst vorgelegt wurden, sie die Befreiung von Zuzahlungen mit Verwaltungsakt ablehnen kann, da in diesem Fall die Voraussetzungen schlicht und einfach vom Antragsteller nicht nachgewiesen wurden. Schließlich ist die Beklagte auch nicht gehindert, ggf. auf der Grundlage einer vorläufigen Gewinn- und Verlustrechnung die Befreiung von Zuzahlungen unter dem Vorbehalt der Vorlage einer endgültigen Gewinn- und Verlustrechnung und einer möglicherweise dann zu erfolgenden Rückforderung auszusprechen. Von nichts anderem geht auch § 2a Abs. 3 Alg II-V aus.
Aus all diesen Gründen sind daher in Abänderung des Urteils des Sozialgerichts vom 13. Oktober 2004 die Bescheide der Beklagten vom 26. Juli 2002 betreffend die Jahre 1999 und 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin ihre Aufwendungen für Arzneimittel für die Jahre 1999 und 2001 in Höhe von 145,60 DM und 243,00 DM, insgesamt 388,60 DM (198,69 EUR) zu erstatten. Im Übrigen ist die Berufung zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Hierbei war zu berücksichtigen, dass insgesamt Zuzahlungen in Höhe von 611,87 DM im Streit standen und die Klägerin hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 388,60 DM, also ca. 2/3 erfolgreich war.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen gewesen und zwar hinsichtlich der Frage, wie grundsätzlich das maßgebliche (Familien-)Bruttoeinkommen bei der Prüfung zur Befreiung von der Zuzahlungspflicht zu berechnen ist. Bei § 61 Abs. 3 bzw. § 62 Abs. 1 SGB V in der hier maßgebenden Fassung handelt es sich zwar um ausgelaufenes Recht, die gleiche Problematik stellt sich aber nach dem derzeit geltenden Recht bei der Prüfung der Belastungsgrenze.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin 2/3 ihrer außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten steht eine vollständige bzw. teilweise Befreiung der Klägerin von der Zuzahlungspflicht bezüglich der Jahre 1999 bis 2001 im Streit.
Die im September 1955 geborene Klägerin ist seit Jahren wegen eines demenziellen Syndroms in Dauerbehandlung. Sie bezieht von der LVA Baden-Württemberg Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von (2001) 729,07 EUR (Auszahlungsbetrag 673,67 EUR). Mit Antrag vom 15. Mai 2002 begehrte sie die Befreiung von der Zuzahlungspflicht. Der Ehemann der Klägerin war für die streitgegenständliche Zeit als Selbstständiger freiwillig bei der Techniker Krankenkasse (TKK) krankenversichert. Die beiden Kinder der Eheleute waren beim Ehemann der Klägerin familienmitversichert.
Mit Schreiben vom 23. Mai 2002 bescheinigte die TKK der Beklagten gegenüber, dass der Ehemann der Klägerin nach einem monatlichen Einkommen von umgerechnet 1.789,52 EUR (3500,00 DM) freiwillig versichert sei.
Die Höhe der Zuzahlungen für die Klägerin im Jahre 1999 betrug ausweislich der von ihr vorgelegten Nachweise 118,17 DM, für den Ehemann der Klägerin 26,90 DM. Im Jahr 2000 betrug die Zuzahlung bei der Klägerin 167,27 DM für den Ehemann 56,00 DM und im Jahr 2001 zahlte die Klägerin 243,00 DM an Zuzahlungen.
Mit drei Bescheiden jeweils vom 26. Juli 2002 lehnte die Beklagte eine Kostenbeteiligung an den Zuzahlungen der Jahre 1999 bis 2001 ab. Der jährliche Eigenanteil habe jeweils unter den zumutbaren Eigenanteilen gelegen. Diese Bescheide enthielten jeweils keine Rechtsbehelfsbelehrung. In ihrem weiteren "rechtsgültigen Bescheid" vom 4. November 2002 (Bl. 13 VA) führte die Beklagte noch aus, das der Gesetzgeber bei freiwillig versicherten selbstständig Tätigen dokumentiert habe, dass das unternehmerische Risiko nicht zu Lasten der Gemeinschaft ausgeglichen werden könne. Aus diesem Grunde werde ein Mindesteinkommen von selbstständig Tätigen zugrunde gelegt. Diese Regelung gelte für alle Einkommensbeurteilungen wie z. B. die Krankengeldberechnung oder die Beurteilung von "Härtefällen". Es wäre äußerst widersprüchlich, würde man die zur Beitragsberechnung herangezogenen Einnahmen nicht ebenfalls auf die Leistungen des SGB V anwenden.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, für die Berechnung des zumutbaren Eigenanteils sei das tatsächliche und steuerrechtlich nachgewiesene (Familien-) Einkommen und nicht ein fiktives Einkommen auf Seiten des Ehemanns der Klägerin zugrunde zu legen. Die Berechnungsweise der Beklagten könne sich auf keine Rechtsgrundlage stützen. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach dem gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen zählten zu den bei den nach § 61 ff. SGB V zugrunde zu legenden Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt alle Einnahmen, die zur Bestreitung des Lebensunterhaltes bestimmt seien und zwar ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung, soweit sie gegenwärtig zur Verfügung stünden. Nach einer Handlungsempfehlung des AOK-Bundesverbandes zur Beurteilung von Härtefällen nach § 61 und 62 SGB V vom 23. September 1997 dokumentiere der Gesetzgeber in § 240 Abs. 4 SGB V bei freiwillig versicherten selbstständigen Tätigen, dass unabhängig von der tatsächlichen Einkommenssituation das unternehmerische Risiko nicht zu Lasten der Solidargemeinschaft ausgleichbar sei. Dies sei in der grundsätzlich geringer bewerteten Schutzbedürftigkeit der freiwillig versicherten Mitglieder begründet, deren Krankenversicherung von den Pflichtversicherten möglichst nicht mitfinanziert werden solle. Die gesetzliche Fiktion eines Mindesteinkommens von selbstständig Tätigen sei auch aus Gründen der Systemgerechtigkeit für alle anderen Einkommensbeurteilungen anzuwenden. Jede andere Betrachtungsweise liefe dem Gesetzeszweck zuwider. Es wäre äußerst widersprüchlich, würde man die zur Beitragsberechnung heranzuziehenden Einnahmen nicht auch auf die ebenfalls im SGB V geregelte Beurteilung von Härtefällen anwenden. Dies habe selbst dann zu gelten, wenn der freiwillig Versicherte den Mindestbeitrag entrichte. Es könne aber in Einzelfällen (z. B. bei Existenzgründungen) angezeigt sein, nach individueller Entscheidung von den tatsächlich und glaubhaft nachgewiesenen Einnahmen auszugehen. Aufgrund dieser Handlungsempfehlungen seien die Berechnungen zur Befreiung nach § 62 SGB V vorgenommen worden und die Beklagte sei jeweils zu dem Ergebnis gekommen, dass weder die 2 %-Grenze der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt, noch die 1 %-Grenze erreicht würden. Daher sei keine Erstattung der gezahlten Eigenanteile für die Jahre 1999 bis 2001 möglich, da diese unterhalb der Belastungsgrenze von 2 % liegen würden. Ebenso wenig sei eine Befreiung der Zuzahlungen für die chronische Erkrankung für das kommende Jahr möglich, da diese unter 1 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt liegen würden.
Hiergegen hat die Klägerin am 11. April 2003 Klage vor dem Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Sie hat weiterhin die vollständige Befreiung von Zuzahlungen für den Zeitraum von 1999 bis 2001 sowie die Erstattung der zu viel geleisteten Zuzahlungen begehrt. Zur Begründung hat sie weiter ausgeführt, die Beklagte habe bei der Anwendung der § 61 ff. SGB V das tatsächliche Einkommen des Ehemanns der Klägerin zugrunde zu legen und nicht ein fiktives Einkommen gem. § 240 SGB V. Hierfür gebe es keinerlei rechtliche Grundlage. Die Satzung der Beklagten sei insoweit rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Schon in § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V sei festgelegt, dass bei freiwilligen Mitgliedern betreffend die Beitragsbemessung durch die Satzung sicherzustellen sei, dass die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt werde. Diese Generalklausel müsste, sofern der § 240 SGB V überhaupt auf den entsprechenden Befreiungstatbestand angewendet werden sollte, da es sich hierbei um Regelungen über freiwillig Versicherte handele, umso mehr im Härtefall Anwendung finden. Grundsätzlich finde jedoch nach Auffassung der Klägerin § 240 SGB V auf das Versicherungsverhältnis zwischen den Parteien schon deswegen keine Anwendung, da die Klägerin pflichtversichert und nicht freiwillig Versicherte sei. Wäre der Ehemann der Klägerin nicht selbstständig und hätte ebenfalls keinerlei Einkünfte und wäre demzufolge gesetzlich bei der Klägerin mitversichert, würde dies ebenfalls keinesfalls zu einer fiktiven Anrechnung irgendwelchen Einkommens führen. Für einen selbstständigen Ehemann, der über keine oder negative Einkünfte verfüge, könne nichts anderes gelten, da ansonsten gegen das Gleichheitsgebot aus Artikel 3 Grundgesetz (GG) verstoßen würde. Eine zusätzliche Belastung für die Versichertengemeinschaft bestehe diesbezüglich also nicht. Bei den §§ 61, 62 SGB V handele es sich ohnehin nur um Härtefallregelungen, also um Ausnahmeregelungen in Härtefällen, die nicht so gravierend seien, dass sie die Versichertengemeinschaft über Gebühr belasten könnten.
Die Beklagte ist dem entgegen getreten und hat erneut darauf verwiesen, dass als Grundlage für das Familieneinkommen beim Einkommen des Ehemannes der Klägerin die Einstufung zur Beitragszahlung der freiwilligen Versicherung zugrunde zu legen sei (§ 240 Abs. 2 und 4 SGB V). Da der Ehemann der Klägerin mit seinem tatsächlichen Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit unter dem 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) liege, sei er richtigerweise von der TKK in die gesetzlich festgelegte, so genannte Mindeststufe für selbstständig Tätige eingestuft worden. Die gesetzliche Fiktion eines Mindesteinkommens von selbstständig Tätigen sei auch aus Gründen der Systemgerechtigkeit für alle anderen Einkommensbeurteilungen anzuwenden.
Mit Urteil vom 13. Oktober 2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, dass die Ermittlung des zugrunde zu legenden Familieneinkommens im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Befreiungs- und Rückgewähranspruch nach den §§ 61 ff. SGB V in der 1999 bis 2001 geltenden Fassung bei freiwillig versicherten Selbstständigen mit Berechnung des fiktiven Einkommens nach den Grundsätzen des § 240 Abs. 4 SGB V zu erfolgen hat und nicht anhand der nachträglich durch Steuerbescheid belegten tatsächlichen Einkommensverhältnisse. Auch unter Berücksichtigung des Wortlauts und der §§ 14 ff. SGB IV spreche nach Überzeugung des Gerichts insbesondere die ratio legis der §§ 61 ff. SGB V dafür, vom fiktiven Einkommen nach den Grundsätzen des § 240 Abs. 4 SGB V auszugehen. Der neunte Abschnitt des SGB V sei mit "Härtefälle" überschrieben. Der hinter den §§ 61 ff. SGB V stehende Grundgedanke bezwecke in erster Linie Versicherte für die Zukunft von unzumutbaren Zuzahlungen zu befreien. Dies erfordere jedoch grundsätzlich eine zeitnahe Entscheidung der Krankenkasse, welche sich hierfür unter den Bedingungen einer Massenverwaltung einer schnellen verwaltungspraktikablen Lösung bedienen müsse. Die Fiktion von Einkünften, wie sie bei der Beitragsbemessung im Wege des § 240 SGB V erfolge, erscheine dafür grundsätzlich ein taugliches Instrument. Zu berücksichtigen sei hierbei auch, dass im Rahmen der Beitragsbemessung Veränderungen zu Gunsten hauptberuflich selbstständig erwerbstätiger Versicherter auf der Grundlage des § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V nur zum ersten Tag des auf die Vorlage eines Nachweises folgenden Monats, also grundsätzlich ebenfalls nur mit Wirkung für die Zukunft wirksam werden würden. Diese Regelung verstoße nach höhergerichtlicher Rechtssprechung (mit Hinweis auf Urteil des Thüringer LSG vom 29. Mai 2000 - Az. L 6 KR 365/99 wie auch das LSG Berlin, Urteil vom 27. März 2002 - Az. L 15 KR 286/01) nicht gegen Artikel 3 GG. So brauche der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht um die Gleichbehandlung aller denkbarer Fälle besorgt sein. Ausreichend sei es, von einem Gesamtbild auszugehen, das sich aus den vorliegenden Erfahrungen ergebe. Es dürften generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwendet werden, ohne allein schon wegen der damit verbunden Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Dabei seien auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht (mit Hinweis auf BverfGE 84, 348, 359, 360 m. w. N.). Der Gesetzgeber brauche auch nicht die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung zu finden (Hinweis auf BverfGE 71, 255, 271 m. w. N.). Unter Berücksichtigung dessen sei die in § 240 Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 SGB V enthaltene Ungleichbehandlung sachlich hinreichend gerechtfertigt. Dies ergebe sich auch aus der Schwierigkeit, die beitragspflichtigen Einnahmen der hauptberuflichen Selbstständigen in einer den beitragspflichtigen Einnahmen anderer Versicherter gleichwertigen Weise zu bestimmen (Hinweis auf Urteil des BSG vom 26. September 1996 in SozR 3 - 2500 § 240 Nr. 27). Dabei sei auch nicht zu erkennen, dass dem Gesetzgeber insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung von Manipulationsmöglichkeiten ein praktikablerer Weg offen gestanden hätte, die Beitragsbemessung für hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige zu regeln und dabei gleichzeitig weiterhin sicherzustellen, dass die hauptberuflich Selbstständigen im Verhältnis zu den versicherungspflichtigen Beschäftigten angemessen zur Finanzierung der Krankenversicherung beitragen würden (Hinweis auf BSG SozR 3 - 3300 § 57 Nr. 2 bei der Beitragsbemessung der hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen in der sozialen Pflegeversicherung). Soweit § 61 Abs. 2 Nr. 1 SGB V von "monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt des Versicherten" spreche, verstehe man darunter das tatsächlich verfügbare und disponible Einkommen, das bei Selbstständigen nicht zwingend dem nachträglich steuerrechtlich ermittelten Einkommen entspräche. Die Vorschrift des § 240 SGB V ermögliche darüber hinaus eine angemessene niedrigere Beitragsleistung bei tatsächlich niedrigeren selbstständigen Einkünften, so dass Selbstständige nicht pauschal mit höheren Beiträgen belastet würden. Wollte man dem klägerischen Vortrag folgen, könnte die Entscheidung über eine Zuzahlungsbefreiung in zahlreichen Fällen selbstständiger Tätigkeit häufig erst nach Ablauf einer längeren Zeit erfolgen, in der Regel erst mit Vorlage eines Steuerbescheides für vergangene Zeiten. Dies widerspreche jedoch dem Grundgedanken der §§ 61 ff. SGB V, wonach die Feststellung eines Härtefalles zeitnah zu erfolgen habe. Das SG hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Die Klägerin hat gegen das ihrem Bevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 5. November 2004 zugestellte Urteil am 30. November 2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht der Bevollmächtigte der Klägerin geltend, das SG wende fehlerhaft § 240 SGB V auf die Ermittlung des für die Belastungsgrenzen des § 62 Abs. 2 SGB V zugrunde zu legenden Einkommens im Hinblick auf den Ehegatten der Klägerin an. In § 240 SGB V werde lediglich die Beitragsbemessung für freiwillig Versicherte geregelt, wobei hier für selbstständig Erwerbstätige ein bestimmter Mindestbetrag festgelegt werde, auch wenn die Einnahmen des Selbstständigen sehr gering oder negativ seien. Diese Kriterien könnten jedoch nicht auf die Härtefallregelung der § 61 ff. SGB V angewendet werden, da es ansonsten zur einer doppelten Benachteiligung käme, nämlich für den Fall, dass der Ehemann der Klägerin schon Beiträge zur freiwilligen Versicherung zu zahlen hat, obwohl er nicht über das nötige Einkommen im betreffenden Jahr verfüge und zugleich das fiktive Einkommen, welches betreffend die Härtefallregelung angenommen werden solle, zusätzlich den Härteausgleich verhindere. Im Übrigen enthalte § 62 SGB V keine Regelung darüber wie die monatlichen Einnahmen zum Lebensunterhalt des Versicherten ermittelt würden. Jedenfalls nicht in der Gestalt, das ein fiktives Einkommen zugrunde gelegt werde. In § 62 SGB V werde im Gegenteil von den tatsächlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt ausgegangen. Die vorliegende doppelte Benachteiligung der Klägerin im Hinblick auf die Beiträge und den Ausschluss von der Härtefallregelung könne nicht richtig sein und auch nicht hingenommen werden. Das SG gehe des Weiteren fehlerhaft von der Annahme aus, dass die Härtefallregelung deswegen nicht zur Anwendung komme, weil der selbstständige Ehemann der Klägerin in der Regel erst mit Vorlage eines Steuerbescheides für vergangene Zeiten, also erst nach Ablauf einer längeren Zeit, sein tatsächliches Einkommen ermitteln könne und daher eine zeitnahe Entlassung aus der Zuzahlungspflicht nicht erfolgen könne. Diese Prämisse des SG hätte zur Folge, dass jeder Versicherte, der mit einem Selbstständigen verheiratet sei bzw. in dessen gemeinsamen Haushalt ein Selbstständiger lebe vom Genuss der Härtefallregelung ausgeschlossen wäre, da Selbstständige immer erst in der Regel mit Vorlage eines Steuerbescheides ihr Einkommen für vergangene Zeiten definitiv nachweisen könnten. Richtig sei aber, dass in jedem Fall die Ermittlung des vorläufigen Einkommens von Selbstständigen entgegen der Auffassung des SG sehr wohl zeitnah erfolgen könne. Zumindest sei es für Selbstständige möglich, vom Steuerberater monatlich eine vorläufige Gewinnermittlung zu erhalten. Eine solche vorläufige Jahresgewinnermittlung werde beispielsweise auch bei der zumindest vorläufigen Festlegung von Beiträgen zu öffentlich-rechtlichen Versorgungswerken akzeptiert. Prinzipiell könne also durchaus in Härtefällen zeitnah, zumindest aber relativ zeitnah, über einen Härtefall auch entschieden werden. Es sei auch sicherlich nicht ganz falsch, wenn im Zusammenhang mit der Härtefallregelung auch das Einkommen des Ehepartners generell mit herangezogen werde, da im Prinzip auch so etwas wie eine Unterhaltsverpflichtung bestehe. Unbillig sei es aber auf jeden Fall, dem selbstständigen Ehepartner ein Einkommen zuzurechnen, welches überhaupt nicht bestehe. Diese Ungleichbehandlung beispielsweise könne auch in den Fällen, in denen der nicht über selbstständiges Einkommen verfügende Ehepartner mitversichert sei und dem keinerlei Einkommen zugerechnet werde, nicht gerechtfertigt sein. Die Fiktion von Einkünften, wie sie bei der Beitragsbemessung im Wege des § 240 SGB V erfolge, sei daher grundsätzlich ein untaugliches Instrument. Ebenso wenig wie sich die Beitragsbemessung der pflichtversicherten Klägerin nach § 240 SGB V orientiere, habe sich die Beurteilung eines Härtefalles nach dieser Vorschrift zu richten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 13. Oktober 2004 sowie die Bescheide der Beklagten vom 26. Juli 2002 und 4. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von 1999 bis 2001 vollständig, hilfsweise teilweise von den Zuzahlungen zu befreien und die zu viel geleisteten Zuzahlungen zurückzugewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Von der Klägerin wurden bereits im Verwaltungsverfahren bzw. SG-Verfahren die Steuerbescheide für die Jahre 1999, 2000 und 2001 sowie im Berufungsverfahren die nunmehr mit Schreiben vom 12. April 2005 angeforderten Gewinn- und Verlustrechnungen für diese Jahre vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, aufgrund der Zulassung der Berufung durch das SG wegen grundsätzlicher Bedeutung, an die der Senat gebunden ist (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
II.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nur teilweise begründet. Hinsichtlich der Jahre 1999 und 2001 ist die Klägerin vollständig gem. § 61 SGB V (in der hier maßgeblichen Fassung des 2. GKV-NOG vom 23.6.1997 BGBl. I S. 1518) zu befreien. Bezüglich des Jahres 2000 sind dagegen die Voraussetzungen weder für eine vollständige Befreiung gem. § 61 SGB V noch für eine teilweise Befreiung (§ 62 SGB V in der hier ebenfalls maßgeblichen Fassung des 2. GKV-NOG) erfüllt.
Gem. § 61 Abs. 1 SGB V hat die Krankenkasse 1. Versicherte von der Zuzahlung zur Arznei-Verband- und Heilmitteln, Hilfsmitteln sowie stationären Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen nach § 23 Abs. 4, §§ 24, 40 oder § 41 zu befreien, 2. bei der Versorgung mit Zahnersatz den von den Versicherten zu tragenden Anteil der Kosten nach § 30 Abs. 2 zu übernehmen und 3. die im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse notwendigen Fahrkosten von Versicherten zu übernehmen, wenn die Versicherten unzumutbar belastet würden.
Eine unzumutbare Belastung liegt gem. § 61 Abs. 2 SGB V vor, wenn 1. die monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt des Versicherten 40 v. H. der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches nicht überschreiten, 2. der Versicherte Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz oder im Rahmen der Kriegsopferfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz, Arbeitslosenhilfe nach dem Dritten Buch, Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz oder dem Dritten Buch erhält oder 3. die Kosten der Unterbringung in einem Heim oder einer ähnlichen Einrichtung von einem Träger der Sozialhilfe oder der Kriegsopferfürsorge getragen werden.
Als Einnahmen zum Lebensunterhalt der Versicherten gelten gem. § 61 Abs. 3 SGB V auch die Einnahmen anderer in dem gemeinsamen Haushalt lebender Angehöriger (Satz 1).
Der in Absatz 2 Nr. 1 genannte vom Hundertsatz erhöht sich gem. § 61 Abs. 4 SGB V für den ersten in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten um 15 v. H. und für jeden weiteren in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen um 10 v. H. der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches.
Gem. § 62 Abs. 1 SGB V hat die Krankenkasse die dem Versicherten während eines Kalenderjahres entstehenden notwendigen Fahrkosten und Zuzahlungen zu Arznei-, Verband- und Heilmittel zu übernehmen, soweit sie die Belastungsgrenze übersteigen (Satz 1). Die Belastungsgrenze beträgt 2 v. H. der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt; für Versicherte, die wegen derselben Krankheit in Dauerbehandlung sind und ein Jahr lang Zuzahlungen in Höhe von mindestens 1 v. H. der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt geleistet haben, entfallen die in Satz 1 genannten Zuzahlungen nach Ablauf des ersten Jahres für die weitere Dauer dieser Behandlung, deren weitere Dauer der Krankenkasse jeweils spätestens vor Ablauf des zweiten Kalenderjahres nachzuweisen und vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung soweit erforderlich zu prüfen ist (Satz 2).
Bei der Ermittlung der Belastungsgrenze nach Abs. 1 sind die jährlichen Bruttoeinnahmen gem. § 62 Abs. 2 SGB V für den ersten in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten um 15 v. H. und für jeden weiteren in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen um 10 v. H. der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches zu vermindern.
Gem. § 62 Abs. 3 gilt hier auch § 61 Abs. 3 (betrifft auch die Berücksichtigung von Einnahmen anderer im gemeinsamen Haushalt lebender Angehöriger).
Ausweislich dieser Regelungen sind grundsätzlich Maßstab für die Frage der Befreiung die insgesamt dem Haushalt zur Verfügung stehenden Einnahmen, wie sich unmissverständlich aus § 61 Abs. 3 Satz 1 SGB V ergibt, der gem. § 62 Abs. 3 SGB III auch dort Anwendung findet. Unter den Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt im Sinne dieser gesetzlichen Regelung sind die dem tatsächlichen Lebensunterhalt dienenden persönlichen Einnahmen der Versicherten einschließlich der gesetzlichen Abzüge zu verstehen. Es kommt hierbei nicht darauf an, dass die Einnahmen tatsächlich zum Lebensunterhalt verwendet werden; ausreichend ist vielmehr, dass sie dem Lebensunterhalt zu dienen geeignet sind (s. BSG SozR 3 - 2500 § 61 Nr. 8 S. 39; Höfler im Kassler Kommentar § 61 SGB V Rdnr. 7). Auch die Einnahmequelle ist nicht maßgebend, in Betracht kommen daher sowohl Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen (aus selbstständiger Tätigkeit), wie auch Einnahmen aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung. Bei der Berechnung der Bruttoeinnahmen ist der monatliche Durchschnitt heranzuziehen (s. Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU und FDP zum Entwurf eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz - GRG) in BT-Drs. 11/2237 in der Begründung zu § 69 Abs. 2 und 3, S. 187). Anhaltspunkte für den bei schwankenden Einnahmen der Durchschnittsberechnung zugrunde zu legenden Zeitraum enthält § 61 nicht. Geht es um die Befreiung von Zuzahlungen oder Eigenanteilen bei einmaligen Leistungen, so ist auf einen hinreichend repräsentativen Bezugszeitraum abzustellen, mindestens auf die letzten drei Monate vor dem Leistungszeitpunkt (s. Höfler in Kassler Kommentar § 61 SGB V Rdnr. 11).
Entgegen der Auffassung des SG und der Beklagten ist hierbei jedoch bei den anzurechnenden Einnahmen des selbstständig tätigen Ehemannes der Klägerin nicht das fiktive Mindesteinkommen gem. § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V für freiwillig versicherte selbstständig Tätige im Zusammenhang mit der Berechnung der Beitragshöhe anzuwenden. Die §§ 61, 62 SGB V stellen nach der Wortwahl allein auf die tatsächlichen Bruttoeinnahmen ab, eine Bezugnahme auf § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V findet sich an keiner Stelle. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass es sich hier um eine "Bedürftigkeitsleistung" handelt. Nach Auffassung des Senats ist damit folgerichtig auf die allein tatsächlich zur Verfügung stehenden Einnahmen abzustellen. Dies bedeutet auf der anderen Seite aber auch, dass das bei selbstständig Tätigen mögliche und häufig steuerrechtlich auch praktizierte "arm rechnen" hier nicht berücksichtigt werden kann. Konkret bedeutet dies, dass auf der Grundlage der vorgelegten Einnahmen - Überschussrechnungen des Ehemannes der Klägerin für die Jahre 1999, 2000 und 2001 der dort jeweils als Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag ausgewiesene Betrag um die Summe aller steuerrechtlichen Abschreibungen der Sachanlagen jeweils zu erhöhen ist. Diese Beträge haben nämlich lediglich eine steuerrechtliche/fiktive Minderung des zu versteuernden Einkommens zur Folge. Das tatsächlich dem Ehemann der Klägerin bzw. damit letztlich auch der Klägerin selbst zur Verfügung stehende Einkommen vermindern diese Positionen (anders als die tatsächlich entstandenen Aufwendungen für KFZ, Personal, Räumlichkeiten, Telefon und sonstige Materialien sowie Zinsen für Verbindlichkeiten) nicht. Dies heißt mit anderen Worten weiter, dass damit für das Jahr 1999 von hier berücksichtigungsfähigen Einnahmen des Ehemannes der Klägerin in Höhe von 17.156,51 DM (Jahresüberschuss 108,41 DM zuzüglich 17.048,10 DM Abschreibungen), für das Jahr 2000 in Höhe von 66.542,55 DM (Jahresüberschuss 44.163,78 DM zuzüglich 22.378,77 DM Abschreibungen) und für das Jahr 2001 in Höhe von 10.369,23 DM (Jahresverlust 9.214,62 DM zuzüglich 19.583,85 DM Abschreibungen) auszugehen ist.
Dieser Ansatz entspricht im Kern den Regelungen in anderen Teilen des Sozialgesetzbuches, bei denen für die Prüfung der Bedürftigkeit des Antragstellers die Anrechnung von Einkommen des selbstständig tätigen Ehepartners zu erfolgen hat. § 11 SGB II definiert in Abs. 1 als Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert und schreibt in Abs. 2 Nr. 5 die Berücksichtigung der mit der Erzielung von Einkommen notwendigen Ausgaben vor. Eine inhaltsgleiche Regelung enthält § 82 SGB XII. Die in § 2a Abs. 3 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld -Verordnung (Alg II-V) vom 24. Oktober 2004 (BGBl. I. S. 2622) getroffene Regelung schreibt die hier vertretene Rechtsauffassung mit Wirkung seit 1. Oktober 2005 für die Bedürftigkeitsprüfung nach dem SGB II vor. Danach ist (jedenfalls für Zeiträume in der Vergangenheit) zur Ermittlung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit im Ergebnis das tatsächlich erzielte Einkommen mit den notwendigen Ausgaben zu saldieren. Anhaltspunkte, dass der Ehemann der Klägerin nicht notwendige z.B. luxuriöse Ausgaben getätigt hätte, lassen sich den vorgelegten steuerrechtlichen Gewinn- und Verlustrechnungen nicht entnehmen.
Auf der oben beschriebenen Grundlage ist die Klägerin für die Jahre 1999 und 2001 jeweils vollständig gem. § 61 SGB V von der Zuzahlung zu befreien bzw. sind ihr die bereits von ihr erbrachten Zuzahlungen zu erstatten. Im Einzelnen stellt sich dies hier wie folgt dar:
Für das Jahr 1999: Einnahmen Klägerin: 13.079,00 DM (Arbeitsentgelt) Einnahmen Ehemann: 17.156,51 DM Insgesamt: 30.235,51 DM
Die maßgebliche Einkommensgrenze nach § 61 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 61 Abs. 4 SGB V beträgt 39.690,00 DM, nämlich 75 v. H. der Bezugsgröße in Höhe von 52.920,00 DM (40 v. H. für die Klägerin zuzüglich einer Erhöhung um 15 v. H. für den Ehemann der Klägerin und zuzüglich einer Erhöhung von weiteren zwei mal zehn v. H. für die Kinder der Klägerin).
Für das Jahr 2001: Einnahmen der Klägerin: 16.950,48 DM 417,77 DM Einnahmen des Ehemannes: 10.369,23 DM Insgesamt 27.737,48 DM.
Die maßgebliche Einkommensgrenze nach § 61 Abs. 2 Nr. 1 und SGB IV beträgt hier 40.320,00 DM, 75 v. H. aus der Bezugsgröße in Höhe von 53.760,00 DM bezüglich des Jahres 2001.
Die bedeutet folglich, dass in diesen Jahren, nämlich 1999 und 2001 die Einnahmen der Klägerin und ihres Ehemannes unter der jeweiligen maßgeblichen Einkommensgrenze lagen und daher die Klägerin insoweit vollständig von den in diesen Jahren erbrachten Zuzahlungen zu befreien war.
Bezüglich des Jahres 2000 sind dagegen weder die Voraussetzungen für eine vollständige noch für eine teilweise Befreiung erfüllt. Im Einzelnen stellt sich hier die Situation wie folgt dar:
Für das Jahr 2000: Einnahmen der Klägerin: 12.568,86 DM (Rente) 278,51 DM (sonstige Versorgungsleistungen) 7.157,00 DM (Arbeitsentgelt) Einnahmen des Ehemannes: 66.542,55 DM Insgesamt 86.546,92 DM.
Damit liegt das Einkommen der Klägerin und ihres Ehemannes in diesem Jahr deutlich über der maßgeblichen Einkommensgrenze nach § 61 SGB V, die nämlich bezogen auf die Bezugsgröße in Höhe von 53.760,00 DM mit 75 v. H. bei 40.320,00 DM liegt.
Ebenso wenig sind die Voraussetzungen für eine teilweise Befreiung gegeben. Nach Abzug des gem. § 62 Abs. 2 SGB V vorzunehmenden Abschlages für die beiden Kinder in Höhe von 18.816,00 DM von den erzielten Einnahmen in Höhe von 86.546,92 DM verbleibt ein zu berücksichtigendes Einkommen von insgesamt 67.730,92 DM. 2 % hieraus sind ein Betrag in Höhe von 1.354,62 DM bzw. 1 % 677,31 DM. Die tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin in Höhe von 223,27 DM im Jahr 2000 liegen damit auch deutlich unter diesen Belastungsgrenzen, sodass insoweit keine Befreiung von den Zuzahlungen zu erfolgen hat.
Soweit das SG wie auch die Beklagte für die Zugrundelegung des fiktiven Mindesteinkommens nach § 240 Abs. 4 SGB V auch bei der Prüfung der Härtefälle nach den §§ 61 und 62 SGB V geltend machen, andernfalls würde bei selbstständig Tätigen die Schwierigkeit bestehen, dass die endgültigen Einkommensverhältnisse in der Regel erst ein bis zwei Kalenderjahre später endgültig feststehen, kann dies nach Überzeugung des Senates nicht durchgreifen. Zum einen können die Befreiungsanträge ausweislich der gesetzlichen Regelung (irgendwelche Ausschlussfristen finden sich im Gesetz nicht) auch noch nach Ablauf der Kalenderjahre gestellt werden, also auch zu einem Zeitpunkt, zu dem ggf. bereits die entsprechenden Zahlen, zumindest in Form einer Einnahmen-Überschussrechnung vorliegen. Zum anderen besteht auch die Möglichkeit, sich eine vorläufige Einnahmen-Überschussrechnung vom Steuerberater des selbstständig Tätigen vorlegen zu lassen. Dies müsste normalerweise auch innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes möglich sein. Insoweit trägt im Übrigen dann allenfalls der Antragsteller das Risiko einer längeren Bearbeitungsdauer, was ihm insoweit dann aber auch, da es in seiner Sphäre liegt, zuzumuten ist. Die Beklagte scheint hier verkannt zu haben, dass sie ohne weiteres, sofern nach einer von ihr ggf. gesetzten angemessenen Frist nicht die notwendigen Unterlagen über die Einnahmen aller im Haushalt des Antragstellers lebenden Angehörigen wie auch des Antragstellers selbst vorgelegt wurden, sie die Befreiung von Zuzahlungen mit Verwaltungsakt ablehnen kann, da in diesem Fall die Voraussetzungen schlicht und einfach vom Antragsteller nicht nachgewiesen wurden. Schließlich ist die Beklagte auch nicht gehindert, ggf. auf der Grundlage einer vorläufigen Gewinn- und Verlustrechnung die Befreiung von Zuzahlungen unter dem Vorbehalt der Vorlage einer endgültigen Gewinn- und Verlustrechnung und einer möglicherweise dann zu erfolgenden Rückforderung auszusprechen. Von nichts anderem geht auch § 2a Abs. 3 Alg II-V aus.
Aus all diesen Gründen sind daher in Abänderung des Urteils des Sozialgerichts vom 13. Oktober 2004 die Bescheide der Beklagten vom 26. Juli 2002 betreffend die Jahre 1999 und 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin ihre Aufwendungen für Arzneimittel für die Jahre 1999 und 2001 in Höhe von 145,60 DM und 243,00 DM, insgesamt 388,60 DM (198,69 EUR) zu erstatten. Im Übrigen ist die Berufung zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Hierbei war zu berücksichtigen, dass insgesamt Zuzahlungen in Höhe von 611,87 DM im Streit standen und die Klägerin hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 388,60 DM, also ca. 2/3 erfolgreich war.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen gewesen und zwar hinsichtlich der Frage, wie grundsätzlich das maßgebliche (Familien-)Bruttoeinkommen bei der Prüfung zur Befreiung von der Zuzahlungspflicht zu berechnen ist. Bei § 61 Abs. 3 bzw. § 62 Abs. 1 SGB V in der hier maßgebenden Fassung handelt es sich zwar um ausgelaufenes Recht, die gleiche Problematik stellt sich aber nach dem derzeit geltenden Recht bei der Prüfung der Belastungsgrenze.
Rechtskraft
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