L 12 R 2027/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 27 RA 5703/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 R 2027/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Juli 2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer höheren Witwenrente.

Die 1959 in U geborene Klägerin ist die Witwe des 1943 in G geborenen und 1998 in P (Te-neriffa) verstorbenen O R (Versicherter), mit dem sie seit dem 17. Oktober 1986 verheiratet war.

Der verstorbene Versicherte war in Deutschland seit dem 1. April 1958 (zunächst als Auto-elektriker-Lehrling) bis zum 30. September 1966 (mit einer Unterbrechung vom 1. April bis 31. Mai 1962) und später vom 9. Juni 1975 bis zum 30. September 1977 (unterbrochen durch eine Zeit der Arbeitslosigkeit vom 2. Februar bis 11. Oktober 1976) versicherungspflichtig be-schäftigt. Für die Zeit vom 1. Oktober 1966 bis zum 31. Mai 1975 entrichtete er freiwillige Beiträge nach. Ferner entrichtete er freiwillige Beiträge (in Höhe des jeweiligen Mindestbeitra-ges) ab Februar 1978 bis Oktober 1997; für 1983 wurden keine Beiträge entrichtet. Der Versi-cherte lebte jedenfalls seit 1985 überwiegend im Ausland (Kenia, Südafrika, Uruguay und zu-letzt auf Teneriffa).

Nachdem sie der Klägerin mit Bescheid vom 11. Dezember 1998 zunächst eine kleine Witwen-rente als vorläufige Leistung und später mit Bescheid vom 24. März 1999 kleine Witwenrente (endgültig) gewährt hatte, bewilligte die Beklagte ihr mit Bescheid vom 18. März 2004 große Witwenrente ab dem 1. April 2004 in Höhe von 295,10 Euro monatlich.

Eine am 6. April 2004 bei ihr eingegangene Eingabe der Klägerin, worin diese u. a. bemängel-te, dass das Jahr 1996/1997 fehle und die "große Rente" von 295,10 Euro zu gering sei, um da-von leben zu können, sah die Beklagte als Widerspruch an, den sie mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2004 zurückwies.

Zwei weitere Eingaben der Klägerin, die am 31. August und 1. Oktober 2004 bei ihr eingingen, sah die Beklagte als Klage an und leitete sie dem Sozialgericht Berlin zu.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 27. Juli 2005 ohne mündliche Verhandlung abgewiesen, da es keinen Fehler bei der Berechnung der Rente nach dem Sechsten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VI) feststellen könne. "Europäische Gleichstellungsregelungen mit Mindestrenten in anderen Ländern der Europäischen Union" gebe es nicht. Die in der Tat ge-ringe Höhe der Rente der Klägerin folge auch daraus, dass der Rentenfaktor für persönliche Entgeltpunkte bei großen Witwenrenten 0,55 betrage.

Die Klägerin hat das Urteil am 25. August 2005 erhalten.

Am 16. November 2005 ging eine weitere Eingabe der Klägerin beim Sozialgericht ein, das sie daraufhin um Klarstellung bat, ob diese Eingabe als Berufung oder lediglich als Meinungsäu-ßerung verstanden werden solle. Die Klägerin teilte daraufhin mit einem am 16. Dezember 2005 beim Sozialgericht eingegangenen Schreiben mit, dass "dieses. soll als Berufung in zweiter Instanz verstanden werden".

Die Klägerin beklagt weiterhin die geringe Höhe der ihr zuerkannten Rente, die zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht ausreiche und deren Berechnung sie nicht nachvollziehen könne.

Ihrem schriftlichen Vorbringen ist zu entnehmen, dass sie beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 18. März 2004 in Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 17. Juni 2004 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr höhe-re große Witwenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

die unbegründet sei.

Beide Beteiligte haben erklärt, dass sie mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden seien.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die von der Beklagten vor-gelegte Einheitsakte (2 Bände), die Gegenstand der Beratung des Senats gewesen ist, verwie-sen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem beide Betei-ligte erklärt haben, dass sie damit einverstanden sind (§ 124 Abs. 2 i. V. m. § 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 SGG) Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig. Zwar hat sie die Berufung nicht innerhalb von drei Monaten, nachdem ihr das Urteil des Sozi-algerichts zugegangen ist, eingelegt. Ihre am 16. November 2005 eingegangene Eingabe vom 10. November 2005 ist nicht als Berufung anzusehen, da sich ihr nicht hinreichend deutlich der Wille entnehmen lässt, das Urteil des Sozialgerichts solle durch ein übergeordnetes Gericht ü-berprüft werden. Dies ergibt sich – erst – aus der am 16. Dezember 2005 (und damit nach Ab-lauf der Berufungsfrist, die am 25. November 2005 geendet hatte) beim Sozialgericht einge-gangenen Schrift vom 12. Dezember 2005. Der Klägerin ist jedoch auch ohne ausdrücklichen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 Abs. 1 SGG) zugewähren, da sie auf-grund der verfehlten Anfrage des Sozialgerichts vom 16. November 2005 annehmen durfte, be-reits ihre an jenem Tag dort eingegangene Eingabe könne als Berufung angesehen werden, und dadurch davon abgehalten wurde, noch vor Ablauf der Berufungsfrist Berufung einzulegen.

Die Berufung ist unbegründet. Auch der Senat kann Fehler bei der Rentenberechnung nicht feststellen; solche Fehler macht die Klägerin auch nicht (mehr) geltend. Soweit sie noch in ih-rer von der Beklagten als Widerspruch angesehenen Eingabe vom April 2004 bemängelt hat, dass das Jahr 1996/1997 "fehle", ist dies unbegründet. Auch die Jahre 1996 und 1997 (bis Ok-tober) sind bei der Rentenberechnung berücksichtigt. Für die Zeit ab November 1997 ist eine weitere Zahlung freiwilliger Beiträge weder den Akten zu entnehmen, noch behauptet die Klä-gerin konkret, dass der Versicherte auch für die Zeit nach Oktober 1997 noch freiwillige Bei-träge entrichtet hat. Vielmehr deutet seine an die Beklagte gerichtete Nachricht vom 27. Sep-tember 1997 darauf hin, dass er die Zahlung freiwilliger Beiträge mit Ablauf des Monats Okto-ber eingestellt hat, weil er dazu nicht mehr in der Lage war.

Auch sonst besteht kein Anhalt für irgendwelche Fehler bei der Rentenberechnung.

Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, im Rahmen der Entscheidung über die Berufung der Kläge-rin die Grundsätze des deutschen Rentenrechts und der Rentenberechnung im Einzelnen zu er-läutern. Der Senat beschränkt sich auf folgende Hinweise und Bemerkungen: Für die Höhe ei-ner als Leistung der Sozialversicherung zu erbringenden Rente sind in erster Linie Zahl und Höhe der entrichteten (Pflicht- und freiwilligen) Versicherungsbeiträge bzw. die Höhe des er-zielten Arbeitsentgelts, nach der sich (bei einer versicherungspflichtigen Beschäftigung) die Höhe der Pflichtbeiträge richtet, maßgebend; bei freiwilligen Beiträgen, deren Höhe der Versi-cherte innerhalb eines Rahmens selbst bestimmen kann, wird ein der Höhe des Beitrags ent-sprechendes "Arbeitsentgelt" ("Beitragsbemessungsgrundlage") errechnet. Für die Rentenbe-rechnung werden anschließend "Entgeltpunkte" ermittelt, indem das den Beiträgen zugrunde liegende versicherte (bzw. aus der Höhe der freiwilligen Beiträge errechnete) Arbeitsentgelt durch das von allen Versicherten erzielte "Durchschnittsentgelt" geteilt wird (§ 70 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Dies ergibt bei einem dem Durchschnitt aller Versicherten entsprechenden Ar-beitsentgelt einen Entgeltpunkt für ein Jahr, bei einem der Hälfte des Durchschnitts entspre-chenden Arbeitsentgelt 0,5 Entgeltpunkte und bei einem – wie hier – vor allem aus Mindestbei-trägen errechneten noch geringerem Arbeitsentgelt entsprechend noch weniger Entgeltpunkte.

Zwar hatte der Versicherte – worauf die Klägerin zu Recht hinweist – (mehr als) 40 Jahre Bei-trags- und sonstige rentenrechtliche Zeiten zurückgelegt, jedoch sind nur geringe bzw. sogar nur geringste Beiträge entrichtet worden, sei es dass der Versicherte (als Lehrling, aber auch danach jedenfalls in den ersten Jahren seiner Berufstätigkeit) nur ein geringes, weit unterdurch-schnittliches Arbeitsentgelt erzielte, sei es, dass er freiwillige Beiträge nur in Höhe des Min-destbeitrages zahlte. Daraus ergeben sich demzufolge nur geringe Entgeltpunkte. Um dies teilweise auszugleichen, sind bei der Rentenberechnung die Entgeltpunkte für Pflichtbeiträge bis zum 31. Dezember 1991 bereits um 0,5742 Punkte erhöht worden (Anlage 3 zum Renten-bescheid vom 18. März 2004, Seite 3). Außerdem sind 0,5285 zusätzliche Entgeltpunkte für Zeiten der beruflichen Ausbildung (April 1958 bis März 1961) berücksichtigt worden (Anlage 4, Seite 5). Ferner sind zusätzliche Entgeltpunkte für beitragfreie und so genannte beitragsge-minderte Zeiten ermittelt worden, so dass der Rentenberechnung schließlich schon mehr als 3 zusätzliche Entgeltpunkte zugrunde liegen (Anlage 6, Seite 1), denen keine Beitragsleistung des Versicherten gegenübersteht. Die Klägerin kann nicht darüber hinaus verlangen, so behan-delt zu werden, als hätte der Versicherte höhere Beiträge gezahlt.

Im Übrigen sieht das hier allein maßgebliche deutsche Recht – anders als möglicherweise das anderer Länder – die Gewährung einer Rente in einer bestimmten Mindesthöhe nicht vor. Reicht eine Rente nicht aus, um den Lebensunterhalt zu sichern, sind andere Leistungen (Grundsicherung für Arbeitsuchende oder Sozialhilfe) zu gewähren, sofern sich der Betroffene in Deutschland aufhält. Im Ausland lebenden ausländischen Staatsangehörigen können solche Leistungen nicht gewährt werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Recht der Eu-ropäischen Union, insbesondere nicht aus der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern. Diese Verordnung regelt und koordiniert lediglich die Anwendung der Rechtsordnungen der einzel-nen Mitgliedstaaten, begründet aber keine eigenständigen Ansprüche.

Ob und inwieweit der Klägerin aufgrund der spanischen Versicherungszeiten des Verstorbenen eine Witwenrente nach spanischem Recht zusteht, ist von den dafür zuständigen spanischen Versicherungsträgern zu entscheiden.

Die Entscheidung über die Kostenerstattung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung zur Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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