L 12 RA 26/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 38 RA 2600/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 RA 26/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. März 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung von Zusatzversorgungszeiten für die verstorbene Ehefrau des Klägers.

Der Kläger war verheiratet mit der 1928 geborenen und 1986 verstorbenen J H, geborene B (im Folgenden: Versicherte). Die Versicherte war in der ehemaligen DDR von 1958 bis zu ihrem Tod als selbständige Kostümbildnerin tätig, sie zahlte Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung der DDR und trat zum 01. Mai 1975 der FZR bei. Der Kläger bezieht eine Versichertenrente aus seiner eigenen Versicherung und eine Witwerrente nach der Verstorbenen. Ein auf die Gewährung einer höheren Witwerrente gerichtetes Klageverfahren blieb ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 03. September 1997, , Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 28. November 2000, , Beschluss des Bundessozialgerichts vom 31. Juli 2001, ).

Am 29. November 2000 beantragte der Kläger, für die verstorbene Versicherte Zeiten der Mitgliedschaft in der mit Wirkung vom 01. Januar 1989 eingeführten zusätzlichen Altersversorgung für freischaffende bildende Künstler (Anlage 1 Nr. 16 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz [AAÜG]) anzuerkennen. Durch Bescheid vom 14. Februar 2001 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Versicherten sei zu Zeiten der DDR keine Versorgungszusage erteilt worden. Ohne Versorgungszusage könnten Zeiten der Zugehörigkeit zur Zusatzversorgung nur anerkannt werden, wenn eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt worden sei, die ihrer Art nach konkret von einem Versorgungssystem erfasst gewesen sei. Bei Einführung der zusätzlichen Altersversorgung für freischaffende bildende Künstler sei die Versicherte bereits verstorben gewesen, daher könnten für sie keine Systemzeiten entstanden sein. Der dagegen erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 12. April 2001). Zwar habe das Bundessozialgericht (BSG) in einer Reihe von Entscheidungen festgelegt, dass die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nicht notwendig die Erteilung einer Versorgungszusage voraussetze. Die Versicherte habe nicht auf die Einbeziehung in die Zusatzversorgung für freischaffende bildende Künstler vertrauen dürfen, weil dieses Versorgungssystem erst nach ihrem Tod eingeführt wurde. Die Anerkennung von Zusatzversorgungszeiten ohne eine bereits in der DDR erfolgte Einbeziehungsentscheidung setze aber einen entsprechenden Vertrauenstatbestand voraus.

Dagegen richtet sich die am 19. April 2001 eingegangene Klage. Vor dem Sozialgericht ist der Kläger erfolglos geblieben (Urteil vom 13. März 2003). Das Sozialgericht hat auf Rechtsprechung des BSG verwiesen, wonach als Versorgungsanwartschaft auch eine Position genügen könne, bei der mit einer Bewilligung eines Versorgungsanspruches zum 01. Juli 1990 gerechnet werden durfte, falls der Leistungsfall bis Ende Juni 1990 eintrat oder eingetreten wäre. Unter diesen Voraussetzungen komme es zwar nicht darauf an, ob und wann dem Berechtigten eine Urkunde über die Versorgung ausgehändigt worden sei. Gleichwohl ergebe sich vorliegend kein Anspruch. Denn die Versicherte habe im Juli 1990 nicht mehr auf die Bewilligung einer Versorgungsrente vertrauen können. Sie habe außerdem naturgemäß zu diesem Zeitpunkt keine Tätigkeit mehr ausgeübt, die ihrer Art nach unter ein Versorgungssystem fallen könne.

Gegen das ihm am 11. April 2003 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 23. April 2003. Er macht geltend, dass die Rentenüberleitungsgesetze keine angemessene Absicherung der Versicherten und Versorgten aus den neuen Bundesländern vorsehen würden. Die nachträgliche Zuerkennung der Zusatzversorgung für die verstorbene Versicherte würde die ansonsten diskriminierend geringere Alterssicherung des Klägers zumindest etwas erhöhen. Die verstorbene Versicherte habe bis zum 30. Juni 1990 mit der Bewilligung eines Versorgungsanspruches rechnen können, da sie im August 1988 die Altersgrenze von 60 Jahren erreicht habe.

Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen und nicht vertreten gewesen. Er beantragt, wie seinem Vorbringen zu entnehmen ist,

das Urteil des Sozialgerichts vom 13. März 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Februar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, für die verstorbene Versicherte den Zeitraum von 1958 bis 1985 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung für freischaffende bildende Künstler (Anlage 1 Nr. 16 zum AAÜG) sowie die in dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte aus dem Verfahren sowie die die Versicherte betreffende Verwaltungsakte der Beklagten (Zusatzversorgungsträger) verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung kann keinen Erfolg haben. Mit Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger kann die von ihm begehrten Feststellungen nicht verlangen.

Ein Anspruch auf Feststellung von Versorgungszeiten für die Versicherte kann sich nur aus § 8 Abs. 2 und 3 AAÜG ergeben. Das AAÜG ist auf die Versicherte und den Kläger als Witwer aber nicht anwendbar. Das Gesetz gilt nach seinem § 1 Abs. 1 für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 waren weder die (damals bereits verstorbene) Versicherte noch der Kläger als Witwer Inhaber einer erworbenen Versorgungsberechtigung. Obwohl der Versorgungsfall mit dem Tode der Versicherten bereits vor dem 30. Juni 1990 eingetreten war, ist dem Kläger insoweit in der DDR kein Anspruch auf Leistungen aus einer Zusatzversorgung zuerkannt worden.

Ebenso wenig gilt das AAÜG hier aufgrund seines § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, wonach der Verlust von Anwartschaften als nicht eingetreten gilt, soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen solchen Verlust bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen. Da die Versicherte noch vor Einführung der zusätzlichen Altersversorgung für freischaffende bildende Künstler verstorben ist, kann ihr keine Anwartschaft zuerkannt worden sein, die vor einem Leistungsfall wieder in Verlust geriet.

Die Anwendbarkeit der §§ 5 – 8 AAÜG ergibt sich auch nicht aus der vom 4. Senat des Bundessozialgerichts vorgenommenen "verfassungskonformen ausdehnenden Auslegung" des § 1 Abs. 1 AAÜG, nach der eine fiktive Versorgungsanwartschaft auch bei Personen

anzunehmen ist, die am 30. Juni 1990 nicht in ein Versorgungssystem einbezogen waren und die nachfolgend nicht aufgrund originären Bundesrechts einbezogen wurden, die aber aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach den am 30. Juni 1990 gegebenen Umständen einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (BSG, Urt. v. 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R und B 4 RA 3/02 RSozR 3-8570 § 1 Nr. 2 bzw. 7).

Aus bundesrechtlicher Sicht hat die Versicherte am 30. Juni 1990 keinen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt. Dies setzte nämlich eine Regelung voraus, die den Versorgungsträger im Sinne einer gebundenen Verwaltung verpflichtet hätte, eine Versorgungszusage zu erteilen. In der DDR ist die Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung für freischaffende bildende Künstler – soweit ersichtlich – nur durch Beschluss des Präsidiums des Ministerrates der DDR über den Vorschlag zur Verbesserung der Rentenversorgung für freischaffende bildende Künstler vom 2. Dezember 1988 geregelt worden (Aichberger II Nr. 170). Aus diesem Beschluss ergibt sich aus bundesrechtlicher Sicht kein unbedingter Anspruch auf Einbeziehung, weil in ihm die maßgebenden Kriterien nicht hinreichend deutlich formuliert sind (BSG, Urt. v. 18. Juni 2003 – B 4 RA 50/02 R ). Nr. 2 des Beschlusses gibt dem Minister für Kultur das Recht, gemeinsam mit dem Staatssekretär für Arbeit und Löhne im Einvernehmen mit dem Präsidenten des Verbandes Bildender Künstler verdienstvollen freischaffenden bildenden Künstlern eine zusätzliche Altersversorgung zu gewähren. Danach bestand nur die Möglichkeit einer Einbeziehung und kein entsprechender Rechtsanspruch. Auch die Voraussetzungen für eine Einbeziehungsentscheidung waren nicht abschließend vorgegeben. Ob ein Künstler "verdienstvoll" war, ergibt sich erst auf der Grundlage einer bewertenden Entscheidung der Personen, die nach dem Beschluss über die Einführung der Zusatzversorgung zur Entscheidung berufen waren. Einbeziehungen, welche nach dem Recht der DDR nur als Ergebnis einer bewertenden Entscheidung oder einer Ermessensentscheidung möglich gewesen wären, kann das Bundesrecht aber nicht im Nachhinein ersetzen (BSG, Urt. v. 18. Juni 2003 B 4 RA 50/02 R ). Denn der Inhalt dieser Entscheidungen war durch die vom SED-System vorgegebene Ideologie geprägt. Auf eine aus bundesrechtlicher Sicht willkürliche Entscheidungspraxis in der DDR darf nicht zurückgegriffen werden.

Die Berufung kann danach bereits keinen Erfolg haben, weil sich aus der zum 1. Januar 1989 eingeführten zusätzlichen Altersversorgung für freischaffende bildende Künstler (Anlage 1 Nr. 16 zum AAÜG) keine fiktiven Versorgungsanwartschaften im Sinne der Rechtsprechung des BSG ergeben können. Auf die weitergehende Frage, ob die Anerkennung einer fiktiven Anwartschaft hier ausgeschlossen ist, weil die Versicherte vor dem 30. Juni 1990 und auch vor Einführung der zusätzlichen Altersversorgung für freischaffende bildende Künstler bereits verstorben war, kommt es daher nicht an.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG unter Berücksichtigung des Ergebnisses in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved