L 12 AL 9/02 -14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 56 AL 1419/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 AL 9/02 -14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Dezember 2001 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 5. Februar bis 4. September 2000 und die von der Beklagten geforderte Erstattung von Leistungen in Höhe von insgesamt 8.183,31 DM (4.184,06 EUR).

Der 1952 geborene, verheiratete Kläger, dessen 1980 geborene Tochter 1999 ein Gymnasium besuchte, war – nach vorangegangenen Beschäftigungen als Kraftfahrzeug-Mechaniker und später -Meister – vom 1. April 1996 bis zum 30. November 1999 als Leiter der Service- und Reparaturabteilung eines Unternehmens beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis endete – nach einem am 10. Juni 1999 geschlossenen arbeitsgerichtlichen Vergleich – aufgrund fristgemäßer Kündigung der Arbeitgeberin aus dringenden betrieblichen Erfordernissen am 30. November 1999; ab dem 10. Juni 1999 war der Kläger von der Arbeit freigestellt.

Am 18. November 1999 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte, ihm Arbeitslosengeld zu gewähren. Dabei gab er an, dass auf seiner Lohnsteuerkarte zu Jahresbeginn die Lohnsteuerklasse III eingetragen gewesen sei; diese Eintragung sei im Laufe des Jahres nicht geändert worden.

Am 23. November 1999 erkrankte der Kläger arbeitsunfähig, was er der Beklagten am 30. November 1999 fernmündlich mitteilte. Gleichfalls am 23. November 1999 ließ der Kläger auf seiner Lohnsteuerkarte für das Jahr 2000 die Steuerklasse V (anstelle von III) eintragen; auf der Lohnsteuerkarte für seine Ehefrau wurde die Steuerklasse III (anstelle von V) eingetragen.

Mit Bescheid vom 29. Dezember 2005 nahm die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld "vom 07.12.99" zurück und lehnte die Gewährung von Arbeitslosengeld ab, da der Kläger erklärt habe, arbeitsunfähig erkrankt zu sein und daher der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe.

Der Kläger bezog vom 1. Dezember 1999 bis zum 4. Februar 2000 Krankengeld. Am 24. Januar 2000 meldete er sich erneut arbeitslos und beantragte, ihm Arbeitslosengeld zu gewähren. In dem von ihm am selben Tag ausgefüllten Antragsvordruck gab er an, bis zum 4. Februar 2000 "krank geschrieben" zu sein, und dass auf seiner Lohnsteuerkarte zu Jahresbeginn die Lohnsteuerklasse III eingetragen sei; die Frage, ob die Eintragung im Laufe des Jahres geändert worden sei, verneinte er. Die Beklagte bewilligte ihm daraufhin Arbeitslosengeld ab dem 5. Februar 2000 mit einer Anspruchsdauer von 660 Tagen in Höhe von zunächst 86,58 DM täglich (Leistungsgruppe C, erhöhter Leistungssatz) und ab 22. Juni 2000 (Änderungsbescheid vom 26. Juli 2000) 92,58 DM täglich (weiterhin Leistungsgruppe C, erhöhter Leistungssatz).

Am 29. August 2000 teilte der Kläger mit, dass er ab dem 4. September 2000 eine Beschäftigung aufnehmen werde. Die Beklagte hob daraufhin die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 4. September 2000 auf. Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, dass er die Beschäftigung erst am 5. September 2000 aufgenommen habe, bewilligte ihm die Beklagte Arbeitslosengeld auch für den 4. September 2000 in Höhe von 92,58 DM (Leistungsgruppe C, erhöhter Leistungssatz).

Am 31. Oktober 2000 ließen der Kläger und seine Ehefrau die auf den Lohnsteuerkarten 2000 eingetragenen Steuerklassen mit Wirkung vom 1. November 2000 in III beim Kläger und V bei der Ehefrau ändern.

Am 13. November 2000 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte die Fortzahlung des Arbeitslosengeldes. Dabei gab er diesmal in dem Antragsvordruck an, dass zu Jahresbeginn auf seiner Lohnsteuerkarte die Steuerklasse V eingetragen (gewesen) sei. Diese Eintragung sei mit Wirkung ab dem 1. November 2000 (wegen Arbeitsaufnahme) in III geändert worden.

Nach Anhörung des Klägers (Brief vom 5. Dezember 2000) hob die Beklagte mit Bescheid vom 29. Januar 2001 die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 5. Februar bis 21. Juni 2000 teilweise "in Höhe von wöchentlich 37,37 DM" und vom 22. Juni bis 4. September 2000 "in Höhe von wöchentlich 40,35 DM" auf, da der Kläger die Änderung der Steuerklasse "zum 01.02.00", infolge derer ihm nur Arbeitslosengeld nach der Leistungsgruppe D und nicht nach der Leistungsgruppe C zugestanden habe, nicht mitgeteilt habe. Er hätte erkennen können, dass ihm die Leistung in der bewilligten und gewährten Höhe nicht zugestanden habe. Er habe von ihm zu Unrecht bezogene Leistungen in Höhe von 8.183,31 DM zu erstatten.

Den vom Kläger am 6. Februar 2001 eingelegten und nicht weiter begründeten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2001 zurück. Der Kläger habe zumindest grob fahrlässig in seinem Antrag vom 24. Januar 2001 unrichtige Angaben zu seiner Steuerklasse gemacht. Auch hätte er aufgrund des Merkblattes für Arbeitslose wissen müssen, dass die Bewilligung rechtswidrig sei. Für die Zeit vom 5. Februar bis 21. Juni 2000 sei eine tägliche Überzahlung in Höhe von 37,37 DM und für die Zeit vom 22. Juni bis 4. September 2000 eine tägliche Überzahlung in Höhe von 40,35 DM eingetreten.

Zur Begründung seiner am 23. April 2001 (Montag) erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, dass er die Fehlerhaftigkeit der Bewilligung nicht habe erkennen können. Auch habe er allenfalls leicht fahrlässig in dem im Januar 2000 ausgefüllten Antragsvordruck – wiederum, wie bereits bei der Beantragung des Arbeitslosengeldes im November 1999 – die Steuerklasse III angegeben. Bei der Antragstellung am 24. Januar 2000 habe er die Lohnsteuerkarte und die "Sozialversicherungskarte" vorgelegt. Aufgrund dessen hätte die Sachbearbeiterin die unrichtige Angabe, die er aus dem früheren Antrag "aus dem Oktober" nur abgeschrieben habe, bemerken müssen.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 18. Dezember 2001 abgewiesen. Der Kläger habe nach der Eintragung der Steuerklasse V auf seiner Lohnsteuerkarte 2000 zu Unrecht Leistungen nach der Leistungsgruppe C erhalten; ihm hätten nur Leistungen nach der Leistungsgruppe D zugestanden. Die Beklagte habe die Bewilligung auch zu Recht teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen, da er zumindest grob fahrlässig die ihm gestellte Frage nach der zu Jahresbeginn auf seiner Lohnsteuerkarte eingetragenen Lohnsteuerklasse falsch beantwortet habe. Den von der Beklagten zurückgeforderten Betrag habe diese zutreffend errechnet.

Gegen das dem Kläger am 21. Januar 2002 zugestellte Urteil richtet sich seine am 20. Februar 2002 eingelegte Berufung. Zu deren Begründung trägt er vor, dass die mit Wirkung ab Beginn des Jahres 2000 eingetragenen Lohnsteuerklassen nicht zu berücksichtigen seien, da sie nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte der beiden Ehegatten entsprochen hätten. Dementsprechend habe er auch keine falschen Angaben gemacht, denn die Zugrundelegung der Steuerklasse III sei rechtens gewesen. Im Übrigen habe er die Fehlerhaftigkeit der Bewilligung nicht erkannt und nicht erkennen können. Schließlich habe das Sozialgericht nicht begründet, warum er den Antragsvordruck grob fahrlässig falsch ausgefüllt haben sollte. Er habe beim Ausfüllen dieses Vordrucks die Angaben aus dem im November 1999 ausgefüllten und abgegebenen Vordruck, von dem er eine Kopie angefertigt habe, übernommen, darunter auch die Angabe zur Lohnsteuerklasse. Bei der Abgabe des Antrags habe er seine Lohnsteuerkarte vorgelegt. Die Sachbearbeiterin der Beklagten habe die Eintragungen in dem Antragsvordruck nicht beanstandet. Die Eintragung anderer Lohnsteuerklassen zum Beginn des Jahres 2000 habe seine Ehefrau veranlasst, die sich mit solchen Sachen besser auskenne und auch die Steuererklärungen anfertige. Was sie sich genau dabei gedacht habe, wisse er nicht. Wenn er vom Arbeitsamt beraten worden wäre, dass die Eintragung anderer Steuerklassen zu geringeren Leistungen führen würde, hätte er das sicher mit seiner Frau besprochen. Sie hätten sich dann überlegt, ob die Steuerklassen beizubehalten seien. Weil er selbst die Folgen nicht überschauen könne, könne er nicht sagen, wie sie sich entschieden hätten. Sie hätten dann die für sie finanziell günstigere Variante gewählt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Dezember 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Dem Kläger habe nach der Eintragung der Lohnsteuerklasse V nur Arbeitslosengeld nach der Leistungsgruppe D zugestanden. Die weder missverständliche noch komplizierte Frage nach der zu Jahresbeginn auf seiner Lohnsteuerkarte eingetragenen Steuerklasse habe er nachweislich falsch beantwortet. Es müsse davon ausgegangen werden, dass er zumindest grob fahrlässig gehandelt habe. Es sei nicht seine Aufgabe, zu prüfen, ob und gegebenenfalls nach welcher Vorschrift welche Lohnsteuerklasse bei der Bewilligung zu berücksichtigen sei; dies obliege dem Arbeitsamt. Der Kläger habe lediglich die eingetragene Lohnsteuerklasse anzugeben. Der vorliegende Sachverhalt unterscheide sich von denen, die den Urteilen des Bundessozialgerichts vom 1. April 2004 (B 7 AL 52/03 R) und vom 16. März 2005 (B 11a/11 AL 41/03 R) zugrunde gelegen hätten, da maßgeblich hier nicht die Regelung in § 137 Abs. 4 des Dritten Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB III) sei, sondern die in § 137 Abs. 3 Satz 1 SGB III. Ob der Kläger bei der Antragstellung am 18. November 1999 über die möglichen Folgen einer Steuerklassenänderung über die im Merkblatt gegebenen Hinweise hinaus beraten worden sei, lasse sich nicht mehr feststellen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Leistungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige (§§ 143, 144 Abs. 1 und 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) Berufung des Klägers, über die an Stelle des nicht mehr bestehenden Landessozialgerichts Berlin das in Übereinstimmung mit § 28 Abs. 2 SGG durch den Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsa¬mer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg vom 26. April 2004 errichtete Lan¬dessozialgericht Berlin-Brandenburg zu entscheiden hat, auf das das Verfahren gemäß Artikel 28 des Staatsvertrages am 1. Juli 2005 in dem Stand, in dem es sich an diesem Tag befunden hat, übergegangen ist, ist unbegründet.

Die Beklagte hat die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 5. Februar bis 21. Juni sowie vom 22. Juni bis 4. September 2000 zu Recht teilweise in Höhe von 37,77 DM bzw. 40,35 DM täglich aufgehoben und fordert dementsprechend ebenso zu Recht vom Kläger die Erstattung von 8.183,31 DM (= 4.184,06 EUR). Insoweit war die Bewilligung von Arbeitslosengeld von Anfang an rechtswidrig, da dem Kläger, auf dessen Lohnsteuerkarte die Steuerklasse V eingetragen war, für diese Zeit diese Leistung nur nach der Leistungsgruppe D (und nicht C) in Höhe von 344,47 DM (und nicht 606,06 DM) wöchentlich bzw. 365,61 DM (und nicht 648,06 DM) wöchentlich zustand (§ 137 Abs. 2 Nr. 4 SGB III).

Maßgeblich für die Zuordnung des Klägers zur Leistungsgruppe D ist die zu Beginn des Jahres 2000 auf seiner Lohnsteuerkarte eingetragene Steuerklasse V, da sein Anspruch auf Arbeitslosengeld (Stammrecht) erst in diesem Jahr entstanden ist (§ 137 Abs. 3 Satz 1 SGB III). 1999 ist ein Anspruch auf Arbeitslosengeld ungeachtet dessen, dass sich der Kläger am 18. November 1999 arbeitslos gemeldet hatte, nicht entstanden, da er aufgrund seiner durch Krankheit bedingten Arbeitsunfähigkeit bis zum 4. Februar 2000 der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stand. Dementsprechend hat die Beklagte die ursprünglich verfügte Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 3. Dezember 1999 auch mit Bescheid vom 29. Dezember 1999 zurückgenommen und die Gewährung dieser Leistung abgelehnt.

Unerheblich ist, ob der Kläger, als er sich im November 1999 und – erneut – im Januar 2000 arbeitslos meldete, über die Hinweise im Merkblatt für Arbeitslose hinaus auf die Folgen eines Lohnsteuerklassenwechsels für die Höhe der Leistung hingewiesen und darüber beraten worden ist. Allerdings hat das Bundessozialgericht mit verfassungsrechtlichen Überlegungen eine solche Hinweis- und Beratungspflicht begründet, deren Verletzung zu einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch führen kann (Urteile vom 1. April 2004 – B 7 AL 52/03 R –, BSGE 92, 267 und vom 16. März 2005 – B 11a/11 AL 41/03 R –). Anders als in den diesen Entscheidungen des Bundessozialgerichts zugrunde liegenden Fällen haben der Kläger und seine Ehefrau aber nicht – nach Entstehung des Anspruchs (am 5. Februar 2000) – die Steuerklassen gewechselt (oder – was dem gleichstehen würde [§ 137 Abs. 3 Satz und Abs. 4 Satz 3 SGB III] – für ein späteres Kalenderjahr andere Steuerklassen eintragen lassen). Maßgeblich bleibt deshalb – nach § 137 Abs. 3 Satz 1 SGB III – die zu Beginn des Jahres 2000 auf der Steuerkarte des Klägers eingetragene Steuerklasse (BSG, Urteil vom 16. März 2005 – B11a/11 AL 45/04 R –); dies war die Steuerklasse V. Auch kann aufgrund eines Herstellungsanspruchs ein Nachteil nur durch eine vom Gesetz vorgesehene und zulässige Amtshandlung ausgeglichen werden. Die Eintragung einer anderen Steuerklasse auf der Lohnsteuerkarte ist jedoch von der Beklagten nicht "herstellbar"; sie könnte allenfalls eine eingetragene Steuerklasse unberücksichtigt lassen. Anders als in den in § 137 Abs. 4 Satz 1 SGB III geregelten Fällen lässt das Gesetz im Fall des § 137 Abs. 3 SGB III aber nicht zu, dass der Leistungsgewährung eine andere als die tatsächlich eingetragene Steuerklasse zugrunde gelegt wird.

Danach war die Beklagte berechtigt und verpflichtet (§ 45 Abs. 1 und 2 Satz 3 Nr. 2 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs [SGB X] i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III), die von Anfang an hinsichtlich der Höhe rechtswidrige Bewilligung des Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 5. Februar bis 4. September 2000 insoweit auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Auf Vertrauen in die Rechtmäßigkeit der fehlerhaften Bewilligung kann sich der Kläger nicht berufen, der in dem von ihm am 24. Januar 2000 abgegebenen Antragsvordruck angegeben hat, auf seiner Lohnsteuerkarte sei zu Jahresbeginn die Steuerklasse "3" eingetragen; diese Angabe war falsch. Der Kläger hat diese Angabe auch grob fahrlässig falsch gemacht, denn er hat dabei die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt.

Die erforderliche Sorgfalt verletzt in besonders schwerem Maß, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss; dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen ("subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff").

Unter Anwendung dieses Maßstabs hat der Kläger bei der – unzutreffenden – Angabe der Steuerklasse schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt. Die in dem Antragsvordruck nach der zu Jahresbeginn auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Steuerklasse gestellte Frage ist einfach, klar und ohne weiteres verständlich. Auch der Kläger, dem es ohne Schwierigkeiten gelang, die entsprechende Frage sowohl im November 1999 wie im November 2000 richtig zu beantworten, macht nicht etwa geltend, er habe diese Frage nicht verstanden oder sei aus irgendwelchen Gründen nicht in der Lage gewesen, sie nicht richtig zu beantworten. Dies ist auch sonst nicht ersichtlich, zumal ihm die Lohnsteuerkarte ja vorlag, als er den Antragsvordruck ausfüllte. Ebenso wenig entschuldigt ihn, dass er beim Ausfüllen des Vordrucks im Januar 2000 die Angaben aus dem im November 1999 abgegebenen übernahm bzw. abschrieb. Durch die – gezielte – Frage nach der "zu Jahresbeginn" eingetragenen Steuerklasse, aber auch durch die weitere – wenn auch hier nicht einschlägige – Frage nach Änderungen der Eintragung im Laufe des Jahres wurde sein Augenmerk (nochmals) auf die Maßgeblichkeit der zu diesem Zeitpunkt eingetragenen Steuerklasse gelenkt. Wenn er gleichwohl aus einer früheren Erklärung eine überholte Angabe überträgt, ist dies Ausdruck und Folge einer Sorglosigkeit, die einfachste Überlegungen außer Acht lässt.

Für die rechtliche Beurteilung unerheblich ist, ob die Bedienstete der Beklagten, die den Antrag des Klägers entgegennahm, die falsche Angabe hätte bemerken müssen.

Die auf § 193 Abs. 1 SGG beruhende Entscheidung über die Kostenerstattung berücksichtigt, dass Klage und Berufung keinen Erfolg haben.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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