L 27 RJ 82/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 14 RJ 563/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 RJ 82/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 18. März 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte einen Bescheid, mit dem der Klägerin eine Invalidenrente nach den Vorschriften des Beitrittsgebietes gewährt worden war, zu Recht aufgehoben hat.

Die am 1962 geborene Klägerin erlernte von September 1979 bis 1981 den Beruf einer Zerspanerin und schloss die Ausbildung als Zerspanungsfacharbeiterin ab. Sie arbeitete bis zum 31. Dezember 1981 als Dreherin, ab dem 1. Januar 1982 als Produktionsarbeiterin im Rwerk R, ab dem 1. August 1986 hatte sie anfallende Arbeiten in der Elektromontage zu verrichten. Ab Oktober 1988 war die Klägerin in Folge einer chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung mit Komplikationen arbeitsunfähig erkrankt.

Mit Rentenbescheid vom 10. Mai 1990 erkannte der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB)-Kreisvorstand, Verwaltung der Sozialversicherung, R, auf den Rentenantrag der Klägerin einen Anspruch auf Invalidenrente einschließlich eventueller Zuschläge, beginnend ab dem 1. April 1990, in Höhe von monatlich 630,00 Mark sowie eine Zusatz-Invalidenrente in Höhe von monatlich 115,00 Mark an. Der Bewilligung ging ein Gutachten des Prof. Dr. med. habil. B vom 1. Dezember 1989 für den FDGB voraus, in dem ausgeführt wurde, dass die Klägerin an einer chronisch kalzifizierenden Pankreatitis mit Pankreatolithiasis mit Pseudocystenbildung leide, dass trotz durchgeführter Papillotomie sonografisch Pankreatolithen unverändert nachweisbar seien und daher eine Rezidivgefahr einer akuten Pankreatitis bestehe. Die Patientin fühle sich subjektiv zwar wohl, prognostisch bleibe das Krankheitsbild aber schlecht, körperliche Belastungen durch Berufstätigkeit könnten sich schubauslösend auswirken und sollten unterbleiben; zur Zeit sei auch keine Lohndritteltätigkeit möglich.

Zum 1. Januar 1992 wurde die Rente wegen Invalidität ohne erneute Begutachtung der Klägerin mit Umwertungs- und Anpassungsbescheid vom 19. November 1991 von der Beklagten als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt. Seit dem 1. Januar 1992 gilt diese Rente kraft Gesetzes als Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit [§ 302 a Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)].

Die Nachuntersuchung der Klägerin erfolgte im November 1995. Hierbei stellte die Ärztin für Innere Medizin, Dr. K, in ihrem Rentengutachten vom 14. November 1995 bei der Klägerin eine chronische kalzifizierende Pankreatitis mit Pankreassteinen und multiplen Verkalkungen fest und führte aus, dass der Allgemeinzustand der Versicherten zwar sehr gut sei und die Laborbefunde unauffällig seien; da ein signifikanter Besserungsnachweis jedoch nicht zu erbringen sei, verbleibe es zunächst bei der Annahme eines aufgehobenen Leistungsvermögens. Der Verlauf der nächsten zwei Jahre müsse abgewartet werden, eine Nachuntersuchung im Oktober 1997 werde empfohlen. Mit Stellungnahme vom 24. November 1995 schloss sich die Prüfärztin der Beklagten, Dr. H, dieser Einschätzung an und erachtete die Klägerin als auf Dauer nur unter zwei Stunden einsatzfähig.

Im Rahmen einer weiteren Nachuntersuchung, die erst Ende 1999 statt fand, erstattete Frau Dr. H am 14. Dezember 1999 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin ein Rentengutachten, in dem sie zwar eine chronisch kalzifizierende Pankreatitis bei Pankreassteinen feststellte, zugleich aber auch eine Stabilisierung der gesundheitlichen Situation, so dass eine medikamentöse Behandlung nicht erforderlich sei. Der Klägerin seien körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten überwiegend im Sitzen oder im Wechsel zwischen Sitzen und Stehen bzw. Gehen auf dem gehobenen allgemeinen Arbeitsmarkt oder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zumutbar. In ihrem Lehrberuf als Zerspanerin und der letzten Tätigkeit als Wicklerin sei die Klägerin auf Dauer jedoch nur unter zwei Stunden belastbar.

Mit Bescheid vom 29. Februar 2000 entzog die Beklagte – nach entsprechendem zuvorigem Hinweis und Gewährung einer Gelegenheit zur Äußerung [§ 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)] die mit Bescheid vom 10. Mai 1990 gewährte Invaliditätsrente mit Wirkung zum Ablauf des 31. März 2000 (§ 100 Abs. 3 SGB VI), da die Klägerin nach einer Stabilisierung des Gesundheitszustandes nicht mehr erwerbsunfähig und auch in ihrer Erwerbsfähigkeit nicht in dem Maße gemindert sei, dass Berufsunfähigkeit vorliege (§ 48 Abs. 1 SGB X).

Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass sie nach wie vor unter Bauchspeicheldrüsenstein leide und dass die Koliken häufiger auftreten würden, wenn ihr regelmäßige Arbeiten vollschichtig zugemutet würden. Zudem seien betriebsunübliche Pausen erforderlich, da sie täglich mehrere über den Tag verteilte kleinere Mahlzeiten zu sich nehmen müsse. Eine Besserung des Leistungsvermögens sei nicht dokumentiert. Eine Sonografie des Oberbauches in der Radiologischen Praxis Dr. K/W vom 7. Dezember 1999 habe eine chronisch kalzifizierende Pankreatitis mit deutlicher Erweiterung des Dc. Pankreatikus ergeben und festgestellt, dass insgesamt zum schriftlichen Vorbefund von 1995 keine Änderung eingetreten sei. Die Klägerin habe nicht nur nach Diätfehlern sondern regelmäßig etwa zweimal wöchentlich abdominelle Schmerzen mit einer jeweiligen Dauer von 30 Minute bis zu einer Stunde, gelegentlich träten Übelkeit und Durchfall auf.

Die Beklagte wies den Widerspruch nach erneuter Überprüfung der prüfärztlichen Stellungnahme als unbegründet zurück, und führte aus, dass es eindeutig zu einer Besserung des Gesundheitszustandes gekommen sei und Steine im Pankreasgang nicht mehr nachweisbar seien. Zwar bestünden als Zeichen einer durchgemachten kalzifizierenden Pankreatitis weiterhin Verkalkungen im Pankreasparenchym, dies beeinträchtige jedoch nicht die Funktion der Bauchspeicheldrüse, auch bestehe keine Pankreasinsuffizienz. Die Klägerin habe bei der ärztlichen Begutachtung angegeben, lediglich zwei bis dreimal pro Monat ein Schmerzmittel zu benötigen. Die Klägerin sei in der Lage, körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten überwiegend im Sitzen oder im Wechsel zwischen Sitzen und Stehen bzw. Gehen vollschichtig zu verrichten. Da die Klägerin nicht mehr berufsunfähig sei, liege auch Erwerbsunfähigkeit nicht vor. Wegen ihrer vollschichtigen Leistungsfähigkeit lägen auch nicht mehr die Voraussetzungen für den Bezug einer Invalidenrente vor. Da die Klägerin nach ihrem beruflichen Werdegang auf das allgemeine Arbeitsfeld verweisbar sei, brauche eine konkrete Verweisungstätigkeit nicht benannt zu werden [Bundessozialgericht (BSG), Sozialrecht (SozR) § 1246 Nr. 90].

Mit ihrer am 9. Oktober 2000 erhobenen Klage vor dem Sozialgericht Potsdam verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Aufhebung der Entziehungsentscheidung weiter und trägt vor, dass eine Befundverbesserung nicht eingetreten sei.

Die Klägerin hat vor dem Sozialgericht Potsdam beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 29. Februar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2000 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist bei der von ihr vertretenen Rechtsauffassung verblieben und hat unter Berücksichtigung der vorliegenden Ausbildungs- und Arbeitsnachweise ergänzend vorgetragen, dass mangels Ausbildung im Elektrobereich kein Berufsschutz anzunehmen sei.

Das Sozialgericht Potsdam hat am 18. März 2004 die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass die Beklagte die Bewilligung der der Klägerin gewährten Erwerbsunfähigkeitsrente mit Wirkung ab dem 1. April 2000 zu Recht nach § 48 SGB X aufgehoben habe, da eine Änderung des Leistungsvermögens der Klägerin nach Erteilung des Rentenbescheides zum Entzug der Leistung geführt habe. Nicht anwendbar sei § 45 Abs. 1 SGB X, da der Rentenbescheid vom 10. Mai 1990 unter Berücksichtigung des vorliegenden Akteninhalts, insbesondere des medizinischen Gutachtens vom 1. Dezember 1989, nicht rechtswidrig gewesen sei. Nach dem genannten Gutachten sei die Klägerin nicht in der Lage gewesen, auch nur im Rahmen des Lohndrittels [Art. 2 § 7 Abs. 2 Rentenüberleitungsgesetz (RÜG)] tätig zu sein, daher sei sie invalide und auch erwerbsunfähig gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung [alte Fassung (a. F.)] gewesen. Bei Weiterzahlung dieser Rente als Erwerbsunfähigkeitsrente nach § 302 a Abs. 1 SGB VI ab 1. Januar 1992 sei keine Überprüfung des Leistungsvermögens und keine Neubewilligung erfolgt. Da die Rentenbewilligung daher nicht von Anfang an rechtswidrig gewesen sei, sei die Beklagte nach § 48 Abs. 1 SGB X berechtigt gewesen, die Rentenleistungen einzustellen, wobei eine nach Bescheiderteilung eingetretene Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Gegebenheiten nicht unbedingt ab Eintritt des Änderungstatbestandes zu berücksichtigen sei, sondern auch für die Zukunft berücksichtigt werden könne.

Nach Auffassung des Gerichts hätten sogar schon Ende 1995 die Voraussetzungen für die Erwerbsunfähigkeits- oder Invaliditätsrente unter Berücksichtigung der Gutachten von Frau Dr. Hund Frau Dr. K nicht mehr vorgelegen. Zu jenem Zeitpunkt sei bei der Klägerin zwar noch eine Pankreatitis feststellbar gewesen, jedoch sei eine Besserung des Grundleidens angegeben worden, sämtliche Befunde seien unauffällig gewesen, Bauchbeschwerden seien von der Klägerin nicht mehr angegeben und Medikamente nicht mehr eingenommen worden. Funktionseinschränkungen seien vom Gutachter nicht benannt worden, so dass die Annahme eines weiterhin aufgehobenen Leistungsvermögens nicht nachvollziehbar sei. Auch mögliche Rückfälle führten nicht zur Aufhebung des Leistungsvermögens auf Dauer, denn eine Tätigkeit könne auch durch Arbeitsunfähigkeitszeiten unterbrochen werden [§ 44 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)]), sie bedingten jedoch nicht den Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 SGB VI a. F. Ebenso wenig lägen noch die Voraussetzung für die Weitergewährung einer Rente wegen Invalidität (Art. 2 § 7 RÜG) vor, da die Klägerin bei einem vollschichtigen Leistungsvermögen nicht invalide sei.

Der Klägerin sei auch nicht weiter eine Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 SGB VI a. F. zu gewähren, denn sie sei ab dem 1. April 2000 nicht berufsunfähig gewesen. Unabhängig davon, ob die Klägerin noch ihren erlernten Beruf als Dreherin (Zerspanungsfacharbeiterin) ausüben könne, müsse sie sich auf zumutbare andere Tätigkeiten verweisen lassen. Nach ihrem beruflichen Werdegang unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgelegten Arbeits- und Ausbildungsnachweise seien ihr alle Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar, da sie sich von ihrem erlernten Beruf als Zerspanungsfacharbeiterin im Januar 1982 gelöst habe, Gründe für eine unfreiwillige Lösung nicht ersichtlich seien und sie damit ihren Ausbildungsberuf nicht mindestens fünf Jahre ausgeübt und die allgemeine Wartezeit erfüllt habe. Dieser Beruf scheide als Hauptberuf daher aus. Die anschließend bis zum Eintritt der Invalidität ausgeübte Tätigkeit als Produktionsarbeiterin im Rwerk R stelle keine Tätigkeit dar, die eine mindestens zweijährige Ausbildungszeit oder eine Anlernzeit von mindestens einem Jahr erfordert habe, so dass der Klägerin keine Verweisungstätigkeit zu benennen sei.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 30. April 2004 zugestellte Urteil hat dieser am 28. Mai 2004 beim Landessozialgericht für das Land Brandenburg Berufung mit dem Ziel der Weitergewährung der Rente eingelegt und ergänzend vorgetragen: Die für den Rentenentzug anzuwendende Vorschrift sei nicht § 48 SGB X, sondern vielmehr § 45 SGB X, da Diagnose und Gesundheitszustand der Klägerin bereits seit dem 10. Mai 1990 (Bewilligung der Invaliditätsrente) und auch seit dem 1. Januar 1992 (Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer) sowie am 14. November 1995 und am 14. Dezember 1999 (ärztliche Begutachtungen) im Wesentlichen unverändert gewesen seien. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt dürfe nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand vertraut und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig sei. Aufgrund des langjährigen Leistungsbezuges bei an sich unverändertem Gesundheitszustand sei das Vertrauen der Klägerin trotz zwischenzeitlicher Nachuntersuchungen schutzwürdig. Dies folge auch daraus, dass die Rente wegen Invalidität nach altem Recht eine wesentlich stärkere gesundheitliche Einschränkung vorausgesetzt habe als die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach dem SGB VI. Die Klägerin habe daher bereits am 1. Januar 1992 auf den Bestand der Dauerrente vertrauen können, erst recht jedoch nach der Nachuntersuchung im November 1995 und Weitergewährung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer; sie habe ihr Leben darauf eingerichtet. Die Beklagte hätte – folgte man ihrer Ansicht – im November 1995 zwingend nur noch eine Zeitrente für zwei Jahre gewähren dürfen, wenn sie von einer entsprechenden Gesundheitsprognose ausgegangen wäre. Statt dessen habe sie die frühere Dauerrentengewährung bei unveränderten gesundheitlichen Verhältnissen nachträglich korrigiert.

Eine Änderung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X sei ausgeschlossen, weil keine Änderung der Verhältnisse eingetreten sei. Genau wie bei entsprechenden Weitergewährungsbescheiden greife die Sperrwirkung des § 48 Abs. 1 SGB X auch für Umwertungsbescheide nach § 302 a SGB VI ein, wenn zwar nicht im Umwertungszeitpunkt, jedoch zu einem späteren Zeitpunkt, medizinische Feststellungen getroffen worden seien, die der Betroffene in Form eines Weitergewährungsbescheides erhalten habe oder hätte erhalten müssen, diese Bescheiderteilung jedoch aus unerfindlichen Gründen unterblieben sei. Dies gebiete Sinn und Zweck des § 48 SGB X, der eine Aufhebung lediglich bei Änderungen der wesentlichen Verhältnisse erlaube, nachträgliche Korrekturen getroffener Verwaltungsentscheidungen jedoch im Interesse der Rechtssicherheit verbiete. Im Fall der Klägerin sei die Rente als Dauerrente wegen Erwerbsunfähigkeit nach einer ärztlichen Feststellung gemäß dem SGB VI (sachlich falsch) gewährt und damit die Voraussetzung einer Erwerbsunfähigkeitsrente durch den Rentenversicherungsträger bestätigt worden. Diese Entscheidung sei dann nachträglich im Wege erneuter Überprüfung nach § 48 SGB X "korrigiert" worden, was nach ständiger BSG-Rechtsprechung im Interesse der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes unzulässig sei.

Hielte man dagegen § 48 SGB X doch für anwendbar, läge jedenfalls in der verzögerten Feststellung der Gesundheitsnachprüfung ein Verschulden der Beklagten, das einen "atypischen Fall" begründe. Ein derartiger Fall eröffne ein Ermessen, ob und in welchem Umfang der Rentenversicherungsträger einen ursprünglichen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufhebe. Hierbei sei die Sicht der Klägerin zu berücksichtigen, die sich spätestens seit dem 1. Januar 1992 auf den Leistungsbezug eingestellt und eine verfestigte Vertrauensposition erlangt habe, die bei unverändertem Gesundheitszustand eine Rentenentziehung nicht rechtfertige.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 18. März 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 29. Februar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2000 aufzuheben, und die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und überreicht Kopie des Urteils des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (L 3 RJ 3697/98) vom 15. November 2000 zur Kenntnisnahme.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige und im Übrigen statthafte Berufung ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das Sozialgericht hat die auf Aufhebung der Entziehungsentscheidung gerichtete Klage in zutreffender Weise abgewiesen.

Die Beklagte hat zu Recht die der Klägerin mit Bescheid vom 10. Mai 1990 nach dem Recht des Beitrittsgebietes gewährte Invaliditätsrente, die für die Zeit ab 1. Januar 1992 in eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit umgewertet worden ist (§ 302 a Abs. 1 SGB VI), nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X entzogen. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Im Fall der Entziehung einer Rente wegen Verbesserung des Gesundheitszustandes ist bei der Prüfung, ob eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist, der Zustand im Zeitpunkt der Bewilligung der Rente mit dem Zustand im Zeitpunkt der Entziehung zu vergleichen (BSG, Urteil vom 9. August 1995, Az.: 9 RVs 14/94, zitiert nach Juris). Im Zeitpunkt der Bewilligung der Rente mit Bescheid vom 10. Mai 1990 war die Klägerin unter Berücksichtigung des Gutachtens des Dr. med. habil. B vom 1. Dezember 1989, auf dessen Ausführungen das Gericht Bezug nimmt, nicht in der Lage, auch nur im Rahmen des Lohndrittels (Art. 2 § 7 Abs. 2 RÜG) tätig zu sein. Vorangegangen war dem eine Pankreatitis, die sich nach Abklingen der akuten Krankheitszeichen zu einer chronisch kalzifizierenden Pankreatitis entwickelt hatte, so dass der Gesundheitszustand der Klägerin insbesondere unter Berücksichtigung der Rückfallgefahr noch nicht in dem Maße stabilisiert war, dass eine Erwerbstätigkeit möglich gewesen wäre. Unter diesen Voraussetzungen war der Klägerin eine Rente zu gewähren.

Demgegenüber hatte sich der Gesundheitszustand der Klägerin jedenfalls zum Zeitpunkt des Erlasses des Aufhebungsbescheides vom 29. Februar 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2000 unter Berücksichtigung des Gutachtens der Frau Dr. Hornung vom 14. Dezember 1999 insoweit gebessert, dass bei zwar nachweisbarer, durchgemachter kalzifizierender Pankreatitis weiterhin Verkalkungen im Pankreasparenchym bestanden, dies jedoch nicht die Funktion der Bauchspeicheldrüse beeinträchtigte und auch keine Pankreasinsuffizienz bestand, sämtliche Laborbefunde unauffällig waren, Beschwerden von der Klägerin nicht mehr angegeben und Medikamente nicht mehr ständig, sondern nur zwei bis drei Mal im Monat Schmerzmittel eingenommen wurden. Dieser Zustand war auch stabil wie die Ausführungen des die Klägerin behandelnden Facharztes Dr. T zeigen. Hiernach fühlte sich die Patientin zwar leistungsschwach, jedoch waren die Beschwerden nicht objektivierbar, waren seit Jahren keine Pankreatitisschübe aufgetreten und lagen auch keine pathologischen Befunde vor (vgl. Befundbericht vom 26. Februar 2001 sowie Übersicht der Konsultationen der Klägerin vom 1. Juli 1997 bis 23. Februar 2001; vgl. auch die ärztliche Auskunft vom 18. Februar 2003 im Rahmen eines Verfahrens über die Anerkennung als Beschädigte). Demzufolge lehnte auch das Amt für Soziales und Versorgung, P, mit Bescheid vom 29. April 2003 den Antrag auf Feststellung einer Behinderung der Klägerin ab, da der Grad der Behinderung weniger als 10 betrage. Die ärztlichen Feststellungen wurden bestätigt durch einen Befund der C vom 3. Juli 2001, demzufolge kein Hinweis für eine entzündliche Veränderung vorlag und die Laborwerte seit etwa zehn Jahren regelrecht waren. Soweit die Klägerin hiergegen einwendet, sie habe nicht nur nach Diätfehlern sondern regelmäßig etwa zweimal wöchentlich abdominelle Schmerzen und müsse Schmerzmittel nehmen, steht dies nicht der Annahme eines gebesserten Gesundheitszustandes entgegen. Auch mögliche Rückfälle führen nicht zur Aufhebung des Leistungsvermögens auf Dauer, vielmehr kann eine Tätigkeit auch durch Arbeitsunfähigkeitszeiten unterbrochen werden, ohne dass diese die Annahme der Erwerbsunfähigkeit bedingen würden. Ebenso wenig lagen bei einem vollschichtigen Leistungsvermögen noch die Voraussetzungen für eine Weitergewährung der Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 SGB VI a. F. vor. Hinsichtlich des Umstandes, dass die Klägerin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verweisen war, nimmt das Gericht vollinhaltlich Bezug auf die Ausführungen des Sozialgerichts Potsdam (Blatt 6 ff.), denen es sich anschließt [§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)].

Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es demgegenüber nicht entscheidend darauf an, ob sich ihr Gesundheitszustand im Zeitpunkt der Weiterzahlung der Invaliditätsrente als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (§ 302 a Abs. 1 SGB VI) ab dem 1. Januar 1992 bereits so gebessert hatte, dass von einem vollschichtigen Leistungsvermögen hätte ausgegangen werden müssen. Dies folgt bereits daraus, dass zu diesem Zeitpunkt keine Überprüfung des Leistungsvermögens der Klägerin und auch keine Neubewilligung der Rente erfolgt war. Ein Umwertungsbescheid nach § 302 a Abs. 1 SGB VI hat lediglich deklaratorische Wirkung, indem eine nach DDR-Recht bewilligte Invalidenrente im Wege der Fiktion so behandelt wird, als handele sich um eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit; eine Prüfung der Voraussetzungen der §§ 43 Abs. 2 bzw. 44 Abs. 2 SGB VI hatte nicht stattzufinden. Daher liegt auch in der Umwertung entgegen der Auffassung der Klägerin nicht die Neubewilligung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit durch den Rentenversicherungsträger, die schützenswürdiges Vertrauen hervorrufen könnte und die nachträglich im Wege einer erneuten Überprüfung nach § 48 SGB X "korrigiert" worden wäre. Bei der Prüfung, ob sich der gesundheitliche Zustand der Klägerin gebessert hat, kommt nach alledem als Vergleichsbescheid im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X allein der Bescheid vom 10. Mai 1990 und die ihm zugrunde liegende ärztliche Stellungnahme in Betracht.

Da eine nach § 302 a Abs. 3 Satz 1 SGB VI als Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente geleistete Invalidenrente nur dann bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres geleistet wird, wenn der Versicherte bis zu diesem Zeitpunkt berufs- oder erwerbsunfähig ist, die Rentenleistung somit endet, wenn Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit infolge der Wiederherstellung der Gesundheit nicht mehr vorliegt, und sich der Gesundheitszustand der Klägerin entscheidend verbessert hatte, war eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten, die den Rentenversicherungsträger berechtigte und verpflichtete, die Rente zu entziehen (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X i. V. m. §§ 302 a Abs. 3, 100 Abs. 1 SGB VI). Hierbei kann dahinstehen, ob die Leistungsfähigkeit der Klägerin – wie das Sozialgericht Potsdam meint - bereits seit Ende November 1995 so weit gebessert war, dass sie bereits zu jenem Zeitpunkt als erwerbsfähig hätte angesehen werden können. Da ihr erst mit Bescheid vom 29. Februar 2000 und Widerspruchsbescheid vom 19. September 2000 die Rente entzogen worden ist, hätte sie bei Annahme eines bereits zuvor wiederhergestellten Gesundheitszustandes weiterhin – zu Unrecht – Rente bezogen, wäre also begünstigt worden. Keinesfalls aber begründet der Umstand, dass die Beklagte der Klägerin nach der Begutachtung im November 1995 weiterhin die Erwerbsunfähigkeitsrente gezahlt hat, ein schützenswertes Vertrauen. Zum Einen ist kein entsprechender Bescheid durch die Beklagte erteilt worden, sondern die Rente lief als Erwerbsunfähigkeitsrente entsprechend dem Erstbescheid vom 10. Mai 1990 weiter. Auf etwaige anders lautende Äußerungen der Prüfärztin kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen, denn die Ärztin entscheidet nicht über die Rentengewährung, sondern bereitet die diesbezügliche Entscheidung des Rentenversicherungsträgers vor. Zum anderen handelt es sich auch bei einer unbefristeten Rente nicht in jedem Fall um eine Rente bis zum 65. Lebensjahr, vielmehr wird in gewissen Abständen die Entwicklung des Gesundheitszustandes gerade bei relativ jungen Versicherten überprüft. Dies wusste auch die Klägerin, die zu diesem Zweck im November 1995 durch die Prüfärztin der Beklagten untersucht worden war. Die Klägerin hatte auch Kenntnis davon, dass eine weitere Nachuntersuchung folgen würde, auch wenn die für November 1997 vorgesehene Nachuntersuchung zunächst unterblieben war.

Es ist auch nicht von einem atypischen Fall auszugehen. Die Beklagte hat den Rentenbescheid nicht rückwirkend, vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben (§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X), sondern mit Wirkung für die Zukunft(§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Insoweit hatte die Entscheidung der Beklagten als eine gebundene zu ergehen.

Schließlich kommt es auch nicht darauf an, unter welchen Voraussetzungen ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 SGB X zurückgenommen werden darf, denn der Renten gewährende Bescheid vom 10. Mai 1990 war – wie dargelegt - rechtmäßig.

Die Ankündigung, einen Antrag auf Begutachtung nach § 109 SGG zu stellen, falls das Gericht von der Rechtmäßigkeit des Renten gewährenden Bescheides vom 10. Mai 1990 ausgehen sollte, hat die Klägerin nicht weiter verfolgt, obgleich sie mit Schreiben des Gerichts vom 29. März 2005 und mit der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass von Seiten des Gerichts eine derartige Begutachtung nicht beabsichtigt sei und gegebenenfalls ein Sachverständiger benannt werden solle.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision war entgegen dem Antrag der Klägerin nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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