S 10 KR 3300/03

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Reutlingen (BWB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 3300/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein in der elterlichen Einzelfirma beschäftiger erwachsener Sohn, der ohne arbeitsvertragliche Grundlage monatlich ein im Wesentlichen gleich bleibendes und leistungsgerechtes Arbeitsentgelt erhält, das auf ein eigenes Girokonto überwiesen wird, von dem über Jahre hinweg Lohnsteuer gezahlt und das als Betriebsausgabe gebucht wurde, steht auch dann in einem unter Verwandten modifizierten weisungsgebundenen abhängigen Beschäftigungsverhältnis, das der Sozialversicherungspflicht unterliegt, wenn er in der Firma der Eltern eigenverantwortlich in Absprache mit den Firmeninhabern gehobene Arbeiten ausführt und das Unternehmen zu einem späteren Zeitpunkt übernehmen soll.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger im Zeitraum vom 01.07.1991 bis 31.12.1997 (mit Unterbrechungen) im elterlichen Betrieb sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.

Die Beklagte war im Zeitraum Juli 1991 bis einschließlich Dezember 1997 die zuständige Einzugsstelle hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge für den Kläger. Die zuständige Einzugsstelle für den anschließenden Zeitraum, die ... BKK, vertrat in einem Schreiben vom 28.02.2002 an die Firma ... in ... die Auffassung, der Kläger sei zwar vom 01.07.1991 bis 31.05.2001 bei seinem Vater im Schuhhaus ... beschäftigt gewesen, es habe jedoch keine Versicherungspflicht festgestellt werden können. Hierfür sprächen folgende Umstände: keine arbeitsvertragliche Vereinbarung, keine Eingliederung in den Betrieb wie eine fremde Arbeitskraft, keine Bindung an die Weisungen des Betriebsinhabers über die Ausführungen der Arbeit, freie Bestimmbarkeit der Tätigkeit, Mitarbeit durch gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt, kein vereinbarter Urlaubsanspruch und keine Kündigungsfrist, Beteiligung des mitarbeitenden Familienangehörigen am Betrieb und Übernahme etwaiger Bürgschaften und Sicherheiten am Betrieb. Eine Erstattung der für den Gesamtzeitraum geleisteten Beiträge sei nur über die zuständigen Stellen möglich (Arbeitsamt und Rentenversicherungsträger). Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung würden für die Zeit vom 01.01.1998 bis 31.05.2001 in freiwillige Beiträge umgewandelt.

Auf Anforderung der Beklagten übersandte die ... BKK als für ihre Beurteilung wesentliche Unterlage das Schreiben des ..., Geschäftsleiter der Firma ..., vom 02.08.2002. Hiernach gehe aus den übersandten Unterlagen hervor, dass der Kläger alleinvertretungsberechtigt sei. Er sei dem Wohle des ganzen Unternehmens verantwortlich und erhalte Gewinnausschüttung. Es bestehe ein Beschäftigungsverhältnis zwischen Angehörigen. Der Kläger könne durch seine vertragliche Beziehung zu der Firma und aufgrund von familienhaften Rücksichtnahmen durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander Zeit, Dauer, Umfang und Ort seiner Tätigkeit im wesentlichen frei bestimmen. Somit stehe er nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis im Sinne der Sozialversicherung. Von der Firma ... wurden der Beklagten mehrere Unterlagen übersandt. Mit Schreiben vom 13.12.2002 wird seitens des Schuhhauses ... in ... (unleserliche Unterschrift) bestätigt, dass der Sohn des Ausstellers des Schreibens (d.h. der Kläger) von Beginn an (01.07.1991) zu seinem offiziellen Gehalt Tantiemen in Höhe von DM 500,- erhalten habe. Diese Tantiemen seien nicht ausbezahlt, sondern monatlich über den Warenbestand angerechnet worden. Nach dem Kontennachweis zur Bilanz vom 31.12.1992, ..., ..., Schuhhaus ..., wurden zwei Darlehen an den Kläger als kurzfristige Verbindlichkeiten angegeben (in Höhe von DM 6.113,33 sowie in Höhe von DM 34.440,22). Ferner wurde der Antrag des Klägers des weiteren an das Arbeitsamt ... auf Förderung der Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme vom 31.03.1992 und die in diesem Zusammenhang ausgestellte Arbeitsbescheinigung vorgelegt. Im Schreiben des Klägers vom 15.03.1992 an seinen Vater bat dieser um Freistellung an den Unterrichtstagen wegen der Fortbildung zum Handelsfachwirt. Dieser bestätigte am 01.04.1992, dass in der Zeit vom 01.07.1991 bis laufend für den Kläger Arbeitnehmerbeiträge zur Bundesanstalt für Arbeit in ...entrichtet wurden. Mit Datum vom 30.04.2002 gab der Kläger an, die ab 01.07.1991 im Betrieb seiner Eltern ausgeübte Tätigkeit als Geschäftsführer (Einkauf/Verkauf) werde ohne arbeitsvertragliche Vereinbarung ausgeübt. Eine Eingliederung in den Betrieb wie eine fremde Arbeitskraft erfolge nicht. Ohne die Mitarbeit müsste eine andere Arbeitskraft eingestellt werden. An Weisungen des Betriebsinhabers über die Ausführung der Arbeit sei er nicht gebunden. Er könne seine Tätigkeit frei bestimmen und gestalten, wirke bei der Führung des Betriebes - z. B. aufgrund bestimmter Fachkenntnisse - mit und die Mitarbeit sei - aufgrund familienhafter Rücksichtnahmen - durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt. Ein Urlaubsanspruch oder eine Kündigungsfrist sei nicht vereinbart. Bei Arbeitsunfähigkeit werde das Arbeitsentgelt mindestens 6 Wochen fortgezahlt. Das Arbeitsentgelt entspreche nicht dem tarifüblichen bzw. dem ortsüblichen Gehalt; die wirtschaftliche Ertragslage sei vom Geschäft abhängig. Das Arbeitsentgelt werde regelmäßig auf ein privates Bank-Girokonto überwiesen, für das er verfügungsberechtigt sei. Sonstige Bezüge würden in Form von Tantiemen gewährt. Von dem Arbeitsentgelt würde Lohnsteuer entrichtet werden und es werde als Betriebsausgabe gebucht. Der Kläger sei an dem Betrieb durch Warenbestände in Höhe von DM 20.000,- beteiligt. Er habe dem Betrieb keine Darlehen gewährt oder für diesen Bürgschaften/Sicherheiten übernommen. Die Mutter des Klägers erklärte ferner im Schreiben vom 18.04.2002, der Kläger sei von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit, arbeite stets weisungsfrei und habe Alleinvertretungsvollmacht. Seine fachlichen Kenntnisse hätten maßgeblichen Einfluss bei Gesellschafterversammlungen und seine Tätigkeit sei aufgrund von familienhaften Rücksichtnahmen durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zu anderen Gesellschaftern geprägt. Er könne die Gesellschaft allein vertreten und sei unter gewissen Voraussetzungen am Gewinn oder Verlust beteiligt. Nach dem vorgelegten Auszug aus dem Handelsregister des Amtsgerichts ... ging die Firma am ... auf den Vater des Klägers, ..., am ... auf die Mutter des Klägers, ..., und am ... auf den Kläger als Geschäftsinhaber über.

Die Beklagte beurteilte im Schreiben vom 17.02.2003 an die BfA Berlin das Arbeitsverhältnis des Klägers vom 01.07.1991 bis 31.12.1997 als abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Nach den an die Krankenkasse abzugebenden Meldungen sei der Kläger als Einzelhandelskaufmann angestellt mit einem entsprechenden tariflichen/ortsüblichen Gehalt. Selbst wenn der Kläger seine Tätigkeit als Geschäftsführer ausgeübt hätte, wäre er nach den tatsächlichen Verhältnissen an eine Arbeitszeit, nämlich an die Öffnungszeiten des Schuhhauses gebunden gewesen. Des weiteren sei dem Kläger im Jahr 1992 eine berufliche Weiterbildungsmaßnahme durch das Arbeitsamt bewilligt worden (Maßnahme von 1992 bis Mitte 1993). In dem hierzu gestellten Antrag sei klar zum Ausdruck gebracht worden, dass der Kläger als abhängig Beschäftigter im elterlichen Betrieb tätig gewesen sei. Um den im Rahmen der theoretischen Ausbildung stattfindenden Blockunterricht besuchen zu können, habe der Kläger seinen Vater um Freistellung von der Arbeit bitten müssen. Die eventuelle Beteiligung an den Warenbeständen sei für die Beurteilung des Versicherungsverhältnisses unerheblich. Des weiteren habe der Kläger, da seine Eltern Alleineigentümer des Schuhhauses gewesen seien, keinem Unternehmerrisiko unterlegen. Im Hinblick auf diese Beurteilung lehnte die BfA mit Bescheid von Anfang des Jahres 2003 (genaues Datum unleserlich) den dort eingegangenen Antrag des Klägers vom ... auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Pflichtbeiträge für die Zeit vom 01.07.1991 bis Dezember 1997 ab. Hiergegen erhob der Kläger am ... Widerspruch.

Mit Bescheid vom ... teilte die Beklagte dem Kläger mit, die versicherungsrechtliche Prüfung des in der Zeit vom 01.07.1991 bis 31.12.1997 bei der Firma Schuhhaus ... bestehenden Arbeitsverhältnisses habe ergeben, dass die Tätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden sei. Die im Schreiben an die BfA vom 17.02.2003 angegebenen Gründe wurden erneut aufgeführt. Ferner wurde auf die Verjährung der Beiträge bezüglich der Mitgliedschaft bei der Beklagten hingewiesen.

Seinen hiergegen erhobenen Widerspruch vom ... begründete der Kläger insbesondere durch Vorlage seines an die Firma ... gerichteten Schreibens vom 28.04.2003. Hierin wird ausgeführt, er sei an der Firma beteiligt gewesen (Warenbestände im Umfang von 20.000,- DM). Ferner habe ein Unternehmerrisiko vorgelegen, da die Warenbestände der Firma zur Verfügung gestellt worden seien. Arbeitszeiten seien die Öffnungszeiten gewesen (Büroarbeiten: Warenwirtschaft, sämtliche Vorarbeiten für die monatliche Buchhaltung mit Kassenabrechnung, Mitarbeiterprüfung der Monatsabschlüsse sowie der Jahresbilanz). Die Inventur sei nach Geschäftsschluss erfolgt. Daneben sei durchzuführen gewesen die Lohnabrechnung der Mitarbeiter, der komplette Einkauf und die Disposition aller Schuhwaren auf Regionalmessen und internationalen Messen, Teilnahme an verschiedenen Tagungen und jährlichen Generalversammlungen der Schuheinkaufsgenossenschaft, etc. Durch Ausbildung eigener Auszubildender sowie der Mitarbeit im Prüfungsausschuss bei der IHK ... sei Mehrarbeit und Vorbereitungszeit außerhalb der Geschäftszeit angefallen. Arbeitszeit sei auch die Planung und Ausführung sämtlicher Sonderverkäufe gewesen. Hinsichtlich der von der Beklagten verneinten Weisungsfreiheit sei richtig zu stellen, dass er Inhaber der Ausbildereignungsprüfung für das Ausbilden von Auszubildenden sei. Zu diesem Punkt legte der Kläger verschiedene Unterlagen (Änderungsvereinbarung zum Berufsausbildungsvertrag, Ausbildungsverlauf, Abmahnung, Abmeldung zur Abschlussprüfung mit Darstellung des betrieblichen Ausbildungsganges einschließlich Beurteilung, fristlose Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses, etc.) vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom ... wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Ausweislich des Handelsregisterauszuges sei der Kläger erst im Jahr 2001 Inhaber der Einzelfirma geworden, mithin erst auch ab diesem Zeitpunkt ein eigenes Unternehmerrisiko auf ihn übergegangen. Gegen eine selbständige Tätigkeit bzw. familiäre Mithilfe spreche nach der Selbstauskunft des Klägers, dass ohne dessen Mitarbeit eine andere Arbeitskraft hätte eingestellt werden müssen, der Kläger Anspruch auf Fortzahlung im Krankheitsfalle gehabt habe und er regelmäßig am Monatsende ein Arbeitsentgelt erhalten habe, von dem er Lohnsteuer entrichtet habe und das als Betriebsausgabe gebucht worden sei. Das Arbeitsentgelt des Klägers habe sich an den entsprechenden Tarifgehältern orientiert und sei - analog wie bei einem familienfremden Arbeitnehmer - mit zunehmendem Alter und zunehmender Berufserfahrung (von monatlich DM 2.816,- im Jahr 1991 bis monatlich durchschn. ca. DM 4.077,00 in den Jahren 1995 - 1997) gestiegen. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger im Zeitraum vom 01.07.1991 bis 31.12.1997 (also im Alter zwischen dem 23. und 29. Lebensjahr) tatsächlich in seiner Tätigkeit im wesentlichen habe frei walten und schalten können und insbesondere Ort, Zeit und Dauer seiner Arbeitsleistung habe selbst bestimmen können, da dies im Rahmen der Gesamtbetrachtung weniger Gewicht habe. Aufgrund der Gesamtumstände werde davon ausgegangen, dass der Kläger im genannten Zeitraum im wesentlichen in den elterlichen Betrieb eingegliedert und weisungsgebunden gewesen sei. Hierbei habe auch Berücksichtigung gefunden, dass die Tätigkeit des Klägers über Jahre als abhängige Beschäftigung seitens des Schuhhauses ... gemeldet worden sei.

Am ... hat ... vom der Firma ... ohne Vorlage einer Vollmacht für den Kläger Klage erhoben. Mit Schreiben vom 11.05.2005 hat der Kläger mitgeteilt, er habe diese Firma seinerzeit mit der Klageerhebung beauftragt. Zur Begründung seiner Klage führt der Kläger aus, es handele sich im vorliegenden Fall um einen typischen Familienbetrieb, in welchem er schließlich im Jahr 2001 auch formal in die Stellung des Alleininhabers eingerückt sei. Es liege auf der Hand und entspreche allgemeiner Lebenserfahrung, dass seine Tätigkeit im elterlichen Betrieb von Anfang an auf die spätere Übernahme des Unternehmens ausgerichtet und demzufolge nicht von persönlicher Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit, sondern vielmehr von familiärer Rücksichtnahme und Fürsorge geprägt gewesen sei. Die von der Beklagten angeführten Gesichtspunkte seien im wesentlichen formaler Natur; insbesondere gelte dies für die vereinbarten Modalitäten der Gehaltszahlung, für die rechtliche Gründe maßgeblich gewesen seien. Seine Stellung im Betrieb sei demgegenüber wegen der weisungsfreien Tätigkeit vergleichbar mit der eines Firmeninhabers gewesen und über das hinausgegangen, was noch als "Dienst höherer Art" im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung angesehen werden könnte. Ferner habe er ein erhebliches Unternehmerrisiko getragen, indem er dem Unternehmen Warenbestände in einer Größenordnung von EUR 10.000,- zur Verfügung gestellt habe. Des weiteren habe er eine Vielzahl von Aufgaben auch außerhalb der Geschäftsräume und außerhalb der Ladenöffnungszeiten erledigt, so wie er dies für richtig gehalten habe. Als künftiger Betriebsinhaber habe er erheblich mehr Arbeitszeit investiert, als dies einer tariflichen Entlohnung entsprechen würde. Im Vergleich zum tatsächlichen Arbeitseinsatz sei die Vergütung in der Tat "untertariflich" gewesen. Auf diesem Hintergrund komme dem Umstand, dass die Firma Schuhhaus ... ihn über Jahre hinweg als abhängig Beschäftigten geführt habe, keine eigenständige Bedeutung zu. Entscheidend seien die tatsächlichen Verhältnisse, die in jeder Hinsicht für einen Familienbetrieb typisch seien. Der Kläger hat dem Gericht mehrere Unterlagen vorgelegt. Mit Schreiben vom 28.02.2003 wurde von ... von der Firma ... (Steuer, Finanzen, Recht) angegeben, der Kläger sei im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen der Kanzlei und dem Schuhhaus ... ausschließlicher und ständiger Ansprechpartner gewesen. Die neue Konzeption für das Unternehmen und das daran anschließende Sanierungs- und Konsolidierungsprogramm sei gemeinsam mit dem Kläger erarbeitet worden. Der Kläger habe sämtliche Geschäfte eigenverantwortlich und völlig selbständig abgewickelt.

Mit Datum vom 06.03.2003 bestätigen ... und ... von der Kreissparkasse ..., dass der Kläger die Kreditverhandlungen für die Firma Schuhhaus ... in den letzten Jahren mit ihnen geführt habe. Er sei in allen Kreditangelegenheiten ihr Ansprechpartner gewesen. Nach ihrer Einschätzung seien sämtliche Entscheidungen durch ihn allein verantwortlich getroffen worden.

Seitens der Kreissparkasse ... ist mit Schreiben vom 14.10.2005 mitgeteilt worden, der Kläger habe die dortigen Kreditverhandlungen seit 1991 geführt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom ... in der Gestalt des Wider- spruchsbescheides vom ... zu verurteilen, festzustellen, dass er in der Zeit vom 01.07.1991 bis 31.12.1997 nicht versicherungspflichtig in der Firma Schuhhaus ... in ... beschäftigt war.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene zu Ziff. 1 schließt sich dem Antrag des Bevollmächtigten des Klägers an.

Zum Verfahren sind die Bundesversicherungsanstalt (BfA) und die Bundesagentur für Arbeit mit Beschluss vom 25.10.2004 sowie Frau ... mit Beschluss vom 30.09.2005 beigeladen worden.

In der mündlichen Verhandlung vom 20.10.2005 ist der Kläger angehört worden.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist von einer fristgemäßen Klageerhebung ausgehen. Zwar ist von ..., der die Klage eingereicht hat, keine Vollmacht vorgelegt worden. Der Kläger hat jedoch mit Schreiben vom 11.05.2005 mitgeteilt, er habe seinerzeit die Firma ... (und daher auch ... von der Geschäftsleitung) mit der Klageerhebung beauftragt. In diesem Schreiben ist sinngemäß eine Vollmachtserteilung zu sehen.

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger in der Zeit vom 01.07.1991 bis 31.12.1997 im elterlichen Betrieb eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat.

Nach § 28 h Abs. 2 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) entscheidet die Krankenkasse als Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Versicherungs- und Beitragspflicht richtet sich in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung nach besonderen Bestimmungen (§§ 24, Abs. 1, 25 Abs. 1 S. 1 SGB III für die Arbeitslosenversicherung, § 5 Abs. 1 Nr. 5 SGB V für die Krankenversicherung, § 1 Nr. 1 SGB VI für die Rentenversicherung und § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI für die Soziale Pflegeversicherung). Voraussetzung hiernach ist für die Versicherungs- und Beitragspflicht in der im vorliegenden Verfahren einzig denkbaren Alternative jeweils eine abhängige Beschäftigung gegen Entgelt im Sinne des § 7 SGB VI.

Gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV in der seit 01.07.1977 geltenden Fassung ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Am Kern dieser Regelung änderten sich durch die zunächst mit Wirkung ab 01.01.1998 vorgenommenen Ergänzungen (§ 7 Abs. 1a und 1b) und die folgenden Ergänzungen nichts. Eine weitere Änderung wurde, allerdings erst mit Wirkung ab 01.01.1999, durch Gesetz vom 19.12.1997 (BGBl. I S. 3843) eingeführt, in dem namentlich ein als Vermutung formulierter - mittlerweile wieder eliminierter - Tatbestand hinzugefügt und damit als Auslegungsregel bestimmt wurde, dass (gem. § 7 Abs. 4 SGB IV) bei Personen (außer bestimmten Handelsvertretern), die erwerbsmäßig tätig sind und im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit mit Ausnahme von Familienangehörigen keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, regelmäßig und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind, für Beschäftigte typische Arbeitsleistungen erbringen, insbesondere Weisungen des Auftraggebers unterliegen, und in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert sind oder nicht aufgrund unternehmerischer Tätigkeit am Markt auftreten, vermutet wird, dass sie gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, wenn mindestens zwei der genannten Merkmale vorliegen. Mittels einer zusätzlichen, durch Artikel 1 Nr. 1a des Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl. I 2000 S. 2), ebenfalls ab 01.01.1999 geltenden Änderung, wurden in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV als "Anhaltspunkte für eine Beschäftigung" ..."eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers" aufgenommen.

Nach der Begründung zum Entwurf eines SGB IV stellt die Vorschrift des § 7 Abs. 1 SGB IV klar, dass eine Beschäftigung dann vorliegt, wenn eine Arbeit unselbständig, d.h. mit dem Weisungsrecht eines Arbeitgebers ausgeübt wird. Darüber hinaus bestimmt sie, dass eine Beschäftigung stets dann anzunehmen ist, wenn nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen ein Arbeitsverhältnis besteht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein wirksamer Arbeitsvertrag geschlossen worden ist oder ob es sich um ein so genanntes faktisches Arbeitsverhältnis handelt. Wie nach bisherigem Recht (d.h. vor dem SGB IV) ist jedoch das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Beschäftigungsverhältnis nicht vollkommen identisch; eine Beschäftigung im Sinne der Sozialversicherung kann auch bei arbeitnehmerähnlichen Tätigkeiten vorliegen (vgl. zu diesen Grundsätzen Urteil des BSG vom 10.08.2000 in SozR 3-2400, § 7 SGB IV Nr. 15).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), welcher sich auch die Kammer zur Auslegung der Definition des § 7 Abs. 1 SGB IV anschließt, setzt eine Beschäftigung vor allem voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dies ist der Fall bei einer Betätigung in einem fremden Betrieb, wenn der Betroffene in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Insgesamt kann von einer Beschäftigung stets gesprochen werden, wenn der Arbeitende in einem Arbeitsorganismus tätig werden oder wenigstens "funktionsgerecht dienen" muss (etwa als leitender Mitarbeiter bei Diensten höherer Art, vgl. Urteil des BSG vom 25.01.2001, SV 2100 S. 329). Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSGE 51 S. 164, 167) zeigt sich die persönliche Abhängigkeit an der Einordnung in das auf Rechnung eines anderen gehenden, mithin fremden Unternehmens, wobei z.B. zur Beurteilung des Weisungsrechts die tatsächliche Qualität der rechtlichen Beziehungen bei objektiver Betrachtung maßgebend ist. In einem Arbeitsverhältnis steht, wer seine Arbeitskraft aus freier Entschließung berufsmäßig in den Dienst eines anderen stellt, sie also in unselbständiger Stellung und in wirtschaftlicher Abhängigkeit verwertet. Hierbei ist die tatsächliche Gestaltung der Verhältnisse und die Art der Tätigkeit entscheidend (vgl. BSGE 8 S. 278, 282; 24 S. 29). Zu den typischen Merkmalen abhängiger Beschäftigung gehört überdies in der Regel die Verpflichtung, seine Arbeitsleistung persönlich zu erbringen (BSG SozR Nr. 27 und Nr. 36 zu § 165 RVO), wenngleich es Beschäftigungsverhältnisse gibt, bei denen es nicht unbedingt auf die persönliche Arbeitsleistung ankommt, sondern eine Vertretung durch Dritte möglich und sogar üblich ist.

Demgegenüber ist derjenige selbständig erwerbstätig, bei dem objektive Merkmale fremdbestimmter Tätigkeit nach dem Gesamtbild der Verrichtungen fehlen. Die selbständige Tätigkeit wird vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigener Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (vgl. Urteil des BSG vom 17.05.2001, B 12 KR 34/00 R). In seiner Entscheidung vom 28.01.1999 (BSGE 83 S. 246 ff.) hat das Bundessozialgericht ferner betont, dass ein Arbeitsverhältnis (nur) dann anzunehmen sei, wenn die betroffenen Personen innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens ihre Arbeitsleistung verfügbar halten müssten. Selbständig Erwerbstätige unterscheiden sich von den Beschäftigten insbesondere dadurch, dass sie ein unternehmerisches Risiko tragen, indem sie eigenes Kapital mit der Gefahr des Verlustes einsetzen und der Erfolg des Einsatzes ihrer Kapitalien oder sonstiger sächlicher oder persönlicher Mittel ungewiss ist (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 13) und dadurch , dass sie in der Regel über eigene Betriebsstätten verfügen, wo sie über den Einsatz der eigenen Arbeitskraft und sonstiger Produktionsmittel frei entscheiden, also ihre Tätigkeit nach ihren Bedürfnissen gestalten können (BSGE 45 S. 199). Als weiteres Indiz für die Bewertung einer Tätigkeit kommt in Betracht, ob in dem jeweiligen Tätigkeitsbereich ein Beschäftigungsverhältnis oder der Abschluss eines Vertrages über eine selbständige Dienstleistung allgemein üblich und sachlich berechtigt ist (BSG SozR 2200 § 165 Nr. 36). Auch die steuerrechtliche Behandlung der erzielten Einkünfte ist zu würdigen. Zwar ist die Versicherungspflicht ausschließlich nach Sozialversicherungsrecht ohne rechtliche Bindung an die Verwaltungsakte der Finanzbehörden und die Entscheidung der Finanzgerichte zu beurteilen (vgl. Kassler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Bd. 1, Stand Dezember 2004, § 7 SGB IV, RdNr. 79) unter Hinweis auf BSG-Rechtsprechung) und der Sozialversicherungsträger oder das Gericht der Sozialgerichtsbarkeit ist nicht der selbständigen Prüfung im Einzelfall enthoben, ob ein Beschäftigungsverhältnis oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Dennoch stellt die steuerrechtliche Behandlung einen wichtigen Anhaltspunkt für die versicherungsrechtliche Beurteilung einer Tätigkeit dar (vgl. z.B. BSG SozR Nr. 8 und 34 zu § 165 RVO), indem Lohnsteuerpflicht für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses spricht, während eine Veranlagung zur Einkommenssteuer- und Gewerbesteuerpflicht auf eine selbständige Tätigkeit hindeutet.

Das Bundesverfassungsgericht hat einen Verstoß des § 7 SGB IV gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot verneint und die Kennzeichnung einer Beschäftigung nach den in Rechtsprechung und Literatur festgelegten Merkmalen sowie dem Gesamtbild des Sachverhalts im Einzelfall gebilligt (Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des I. Senats vom 20.05.1996, SozR 3-2400, § 7 Nr. 11). Nach diesen Grundsätzen ist auch bei einem Beschäftigungsverhältnis zwischen Eheleuten oder Verwandten die Arbeitnehmereigenschaft zu prüfen und auszuschließen, dass der Verwandte oder der Ehegatte Mitunternehmer ist. Des weiteren erfordert eine Beschäftigung unter Verwandten oder Ehegatten die Abgrenzung zur familienhaften Mithilfe. Der Annahme eines (entgeltlichen) Beschäftigungsverhältnisses steht grundsätzlich nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter Ehegatten im allgemeinen weniger stark ausgeprägt und das Weisungsrecht möglicherweise mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (vgl. für das Ehegattenarbeitsverhältnis: BSG-Urteil vom 30.01.1990 - 11 RAr 47/88). Bei engen persönlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten hängt die Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und familienhafter bzw. freundschaftlicher Mitarbeit von allen Umständen des Einzelfalles ab, wobei das Gesamtbild der jeweiligen Arbeitsleistung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung maßgebend ist. Auch wenn vielfach auf die familiäre oder persönliche Beziehung Rücksicht genommen wird, kann auf gewisse Mindestanforderungen an ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis nicht verzichtet werden, da ein solches ansonsten in einer dem Gesetz nicht mehr entsprechenden Weise lediglich rechtsmissbräuchlich fingiert oder verneint werden könnte. Neben der Eingliederung in den Betrieb und einem, ggf. abgeschwächten Weisungsrecht ist daher erforderlich, dass der Beschäftigte ein Entgelt erhält, das einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt, mithin über einen freien Unterhalt, ein Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinausgeht (vgl. Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27.04.2004, Az. L 1 KR 1114/00). Weitere Abgrenzungskriterien sind, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen worden ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuer unterliegt, als Betriebsausgabe verbucht und dem Arbeitenden zur freien Verfügung ausgezahlt wird und schließlich, ob dieser eine fremde Arbeitskraft ersetzt (vgl. Urteil des LSG Berlin vom 31.03.2004 L 9 KR 8/02 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts).

Zwar hat die Beklagte jahrelang Beiträge entgegengenommen. Das schließt jedoch nach der ständigen Rechtsprechung (unter bestimmten Voraussetzungen) eine Überprüfung der versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht aus (vgl. Urteil des BSG vom 30.01.1990, Az. 11 RAr 47/88).

In der vorzunehmenden Gesamtabwägung sprechen hier überwiegend die Gesichtspunkte für eine abhängige Beschäftigung des Klägers im elterlichen Betrieb.

Zum einen erhielt er monatliche, im wesentlichen gleichbleibende Lohnbezüge, die nach den vom Kläger nicht in Zweifel gezogenen Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid nach dem Tarifvertrag über Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen und Sozialzulagen für die Arbeitnehmer/innen- und Auszubildenden des Einzelhandels im Baden-Württemberg vom 26.05.1992 und 09.06.1993 Gehältern nach der Gruppe IV (Tätigkeiten, die selbständig mit entsprechender Verantwortung für den Tätigkeitsbereich ausgeübt werden, z.B. Verkaufsstellenleiter/-innen außerhalb des Lebensmitteleinzelhandels, denen mehr als 4 Verkaufskräfte unterstellt sind) weitgehend entsprochen haben. Er war insoweit keinem finanziellen Risiko (Unternehmerrisiko) ausgesetzt. Die entsprechenden Zahlungen erfolgten des weiteren auf ein privates Bank-/Girokonto, für das der Kläger verfügungsberechtigt war.

Zum anderen unterlag der Kläger während seiner Tätigkeit auch dem Weisungsrecht, dass zunächst von seinem Vater als Inhaber der Einzelfirma, seit 1994 von seiner Mutter, der Beigeladenen zu Ziff. 1, ausgeübt wurde. Seine Aufgaben als Angestellter entsprachen den typischen Aufgaben eines Arbeitnehmers. Zu seinen Aufgaben zählten insbesondere die Buchhaltung, der Einkauf (einschließlich Messebesuch) und die Ausbildung von Auszubildenden. Ferner konnte er Kündigungen und Abmahnungen aussprechen. Zwar werden derartige Aufgaben gerade auch in kleineren Betrieben, in denen der Inhaber mitarbeitet, ebenfalls von diesem verrichtet. In größeren Betrieben werden sie jedoch Angestellten übertragen, die sie entsprechend den ihnen übertragenen Kompetenzen ausüben

Der Kläger hat sowohl im Ladengeschäft als auch außerhalb der Geschäftsräume eine Vielzahl von Tätigkeiten für das Unternehmen verrichtet. Als Arbeitsstunden hat er pro Woche 50 - 60 angegeben. Infolgedessen ist davon auszugehen, dass durch seine Tätigkeit die Einstellung einer fremden Arbeitskraft eingespart wurde. Die Höhe des bezogenen Arbeitsentgelts ist ferner als leistungsgerechtes Entgelt zu bewerten.

Zwar hat der Kläger nach seinem Vortrag eigenverantwortlich in gleichberechtigter Absprache mit dem jeweiligen Firmeninhaber seine Arbeiten ausgeführt. Diese eigenverantwortliche Ausführung gewisser Arbeiten, etwa die Durchführung von Kreditverhandlungen mit dem betreffenden Geldinstitut, ist jedoch kein Anzeichen dafür, dass dem Firmeninhaber diesbezüglich kein Weisungsrecht zugekommen wäre. Aufgrund seiner Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann und auch aufgrund der beabsichtigten späteren Übernahme des Unternehmens ist es nachvollziehbar, dass der Kläger mit derartigen Aufgaben betraut wurde. Letztendlich hat jedoch der Inhaber des Betriebes auch die Verantwortung für die kaufmännische Leitung getragen. Allein durch den Umstand, dass der Kläger Verhandlungen mit Lieferanten und Kunden geführt hat, das einzustellende Personal ausgesucht bzw. die Ausbildung überwacht hat, lässt sich eine abhängige Beschäftigung weder verneinen noch bejahen (vgl. Urteil des BSG vom 30.01.1990 Az.: 11 RAr 47/88). Auch das vom Kläger in das Unternehmen eingebrachte Kapital in Form von Warenbeständen über EUR 10.000,- schließt nicht als solches die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses aus. Insbesondere handelte es sich hierbei nicht um Kapital, das der Kläger selbst eingebracht hat, sondern um erhaltene Gewinnausschüttungen. Zwar nimmt der Kläger insoweit am Risiko des Unternehmens teil. Die Kapitalgewährung stellt jedoch lediglich ein Indiz dar, das für die Einordnung der Tätigkeit als Selbständiger spricht und ist in die allgemeine Abwägung mit einzubeziehen.

Demgegenüber spricht neben dem Bezug von leistungsgerechtem Entgelt, dem (unter Verwandten modifizierten) Weisungsrecht des Firmeninhabers, dem Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit (nach den Angaben des Klägers im "Feststellungsbogen") für die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses auch der Umstand, dass der Kläger für seine Tätigkeit einen zu versteuernden und sozialversicherungspflichtig geführten Lohn erhielt, der über die gesamte Dauer seines Beschäftigungsverhältnisses als Betriebsausgabe verbucht wurde. Des weiteren spricht hierfür, dass das Unternehmen in der Rechtsform einer Einzelfirma geführt wurde, und erst im Jahr 2001 eine Umstrukturierung erfolgte, wodurch der Kläger Inhaber der Einzelfirma wurde. Bei entsprechendem Willen der Mutter des Klägers, der Beigeladenen zu Ziff. 1 oder seinem Vater, ihn bereits zu einem früheren Zeitpunkt in die Unternehmensleitung aufzunehmen, hätte dies durch die Gründung einer entsprechenden Personengesellschaft dokumentiert werden können. Da dies nicht geschehen ist, besteht Grund zu der Annahme, dass sich der Kläger - möglicherweise auch aufgrund seines jugendlichen Alters, bei Beginn der Tätigkeit - zunächst in das Unternehmen einarbeiten sollte, wobei für einen späteren Zeitpunkt die Übernahme des Unternehmens geplant war.

Ferner spricht gegen die Annahme einer selbständigen Tätigkeit, dass dem Kläger 1992 eine berufliche Weiterbildungsmaßnahme durch das Arbeitsamt (von 1992 bis Mitte 1993) bewilligt wurde und er hierzu Unterlagen vorlegte, wonach eine abhängige Beschäftigung im elterlichen Betrieb bestand. Der Kläger erhielt daher zu Lasten der Solidargemeinschaft eine Fortbildung zum Handelsfachwirt. Voraussetzung hierfür war, dass er - als abhängig Beschäftigter - beitragspflichtig zur Arbeitslosenversicherung war. Das Klageziel des Klägers, für den streitgegenständlichen Zeitraum als Selbständiger beurteilt zu werden (d.h. auch für die Zeit vor der Fortbildung und im Fortbildungszeitraum) steht hierzu im Widerspruch.

Unter Würdigung der insgesamt vorliegenden Umstände ist im streitgegenständlichen Zeitraum von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis des Klägers auszugehen.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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