Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 69 U 380/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 1032/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juli 2005 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Anerkennung ihrer Hepatitis C-Erkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Die im Jahre 1976 geborene Klägerin war nach ihrer Ausbildung zur Zahnarzthelferin in diesem Beruf von November 1996 bis März 1997 tätig, unternahm im Jahre 1998 eine Ausbildung zur Köchin und war von August 2000 bis November 2000 für fünf Stunden in der Woche aushilfsweise als Zahnarzthelferin in der Praxis von Dr. G beschäftigt. Im Jahre 2001 wurde wegen des Verdachts auf Endometriose (eine Gebärmuttererkrankung) eine Laparoskopie durchgeführt.
Bei der Klägerin wurde im Januar 2002 eine akute Hepatitis C-Infektion diagnostiziert. Im Endbericht des A-Klinikums vom 17. Januar 2002 führte die Stationsärztin W aus, ein Expositionsrisiko für Hepatitis C sei anamnestisch nicht zu eruieren.
Im April 2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Anerkennung ihrer Erkrankung als Berufskrankheit. Sie äußerte die Vermutung, sich während ihrer Beschäftigung bei Dr. G angesteckt zu haben, da sie durch die Spritzenentsorgung und die Stuhlassistenz unmittelbar mit Blut in Berührung gekommen sei. Auf die formularmäßige Frage, ob im maßgeblichen Zeitraum innerhalb ihres Arbeitsbereichs an einer gleichartigen Virushepatitis erkrankte Personen behandelt oder untersucht worden seien, antwortete sie mit: "keine Ahnung". Nach Anfrage der Beklagten teilte Dr. G im Juni 2002 mit, dass in ihrer Praxis am 8. August und 9. Oktober 2000 ein an Hepatitis C erkrankter Patient mit den Initialen J.R. behandelt worden sei. Sie könne sich nicht mehr daran erinnern, ob die Klägerin für die Assistenz oder für die Rezeption eingeteilt gewesen sei. Bei einer Vorsprache bei der Beklagten am 14. August 2002 erklärte die Klägerin, sie wisse selbst nicht mehr, ob sie bei der Behandlung des an Hepatitis C erkrankten Patienten assistiert habe. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2002 führte Prof. Dr. H vom Uklinikum C, in dessen Lebersprechstunde die Klägerin betreut wurde, aus, es sei von einer akuten Hepatitis C Ende 2001 / Anfang 2002 auszugehen. Der Infektionszeitpunkt der Klägerin mit Hepatitis C-Viren falle somit nicht in die Zeit ihrer beruflichen Tätigkeit.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 14. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2004 die Anerkennung der Erkrankung der Klägerin als Berufskrankheit ab.
Mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht Berlin hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Das Sozialgericht hat eine Auskunft des Prof. Dr. H vom 21. Oktober 2004 eingeholt, der sich zu der Frage, ob es denkbar sei, dass eine am 9. Oktober 2000 erfolgte Infektion mit dem Hepatitis C-Virus sich erst im Dezember 2001 bemerkbar mache, dahingehend geäußert hat, dass Symptome auftreten könnten, aber nicht müssten.
Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 15. Juli 2005 zur Anerkennung der Hepatitis C-Infektion als Berufskrankheit verpflichtet. Die erforderliche Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Infektion und der versicherten Tätigkeit sei zu bejahen, da die Klägerin in beruflichem Kontakt mit dem infizierten Patienten J.R. gestanden habe. Hiergegen spreche auch nicht der Zeitraum von einem Jahr zwischen der Ansteckung und dem erstmaligen Bemerken der Erkrankung. Es wäre nicht ungewöhnlich, wenn die Klägerin erst nach Ablauf eines Jahres Symptome der stattgehabten Infektion bemerkt hätte, obwohl diese serologisch früher nachweisbar gewesen wäre.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung bezieht die Beklagte sich auf das in ihrem Auftrag nach Aktenlage erstattete fachinternistisch-sozialmedizinische Gutachten des Prof. Dr. O vom 30. August 2005, der ausgeführt hat, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Hepatitis C-Erkrankung und der beruflichen Tätigkeit der Klägerin nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben sei: Eine Infektion vor Juni 2001 sei bei Annahme einer akuten Hepatitis C sehr unwahrscheinlich. Aufgrund des Gesamtverlaufs sei ein akuter Schub einer bestehenden chronischen Hepatitis C ebenfalls unwahrscheinlich, jedoch nicht völlig auszuschließen. Auch bestehe bei der Tätigkeit als Zahnarzthelferin kein gegenüber der Normalbevölkerung erhöhtes Infektionsrisiko.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juli 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie behauptet, sich daran erinnern zu können, dass sie bei dem infizierten Patienten assistiert habe. Ihre damalige Arbeitgeberin habe sie vor der Tätigkeit am 8. August 2000 darüber in Kenntnis gesetzt, dass ein Patient mit einer Hepatitis-Erkrankung behandelt werde und deshalb besondere Vorsicht geboten sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die Prozessakte des Sozialgerichts Berlin sowie die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Das Sozialgericht Berlin hat die Beklagte im Urteil vom 15. Juli 2005 zu Unrecht verurteilt, bei der Klägerin eine Hepatitis C-Infektion als Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage zur BKV anzuerkennen, da die Klägerin hierauf keinen Anspruch hat.
Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit – hier nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII – erleiden.
Nach Nr. 3101 der Anlage zur BKV ist eine Infektionskrankheit dann als Berufskrankheit zu qualifizieren, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war. Die Klägerin war während Ihrer Tätigkeit als Zahnarzthelferin im Gesundheitswesen tätig; Hepatitis C ist eine Infektionskrankheit.
Weitere Voraussetzung für das Vorliegen eines Versicherungsfalles einer solchen Berufskrankheit ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Infektionskrankheit (vgl. etwa Bundessozialgericht –BSG–, Urteile vom 30. Mai 1988, 2 RU 33/87, NZA 1988, 823, und vom 18. November 1997 - 2 RU 15/97, BB 1998, 327). Die zumindest erforderliche Wahrscheinlichkeit eines solchen ursächlichen Zusammenhangs ist bei einer Berufskrankheit im Sinne der Nr. 3101 der Anlage zur BKV gegeben, wenn nachgewiesen ist, dass der Versicherte bei der Berufstätigkeit - sei es durch einen Patienten, einen Mitarbeiter oder auf sonstige Weise - einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen ist (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 2004, B 2 U 13/03 R, SozR 4-5671 Anlage 1 Nr. 3101 Nr. 1, mit weiteren Nachweisen). Ist dies der Fall, kann dann in der Regel auch davon ausgegangen werden, dass sich der Versicherte die bei ihm aufgetretene Infektionskrankheit durch seine besondere berufliche Exposition zugezogen hat (so BSG a.a.O.).
Eine Anerkennung der bei der Klägerin vorliegenden Hepatitis C-Infektion als Berufskrankheit setzt voraus, dass ihre Tätigkeit als Zahnarzthelferin mit besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Gefahren verbunden war, hieran zu erkranken. Die Annahme, dass die Klägerin bei dieser Tätigkeit einer Hepatitis-C-Exposition besonders ausgeliefert war, erfordert unter Berücksichtigung des Beginns ihrer Erkrankung den Nachweis, dass entweder (a) ein unmittelbarer oder mittelbarer beruflicher Kontakt mit an Hepatitis C erkrankten Personen bestanden hat oder (b) der prozentuale Anteil Hepatitis-C-infektiöser Patienten in der Zahnarztpraxis, in der die Klägerin tätig war, deutlich höher war als in der Normalbevölkerung oder (c) die Art der Tätigkeit als Zahnarzthelferin als solche besonders hepatitisgefährdend war (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 2004 a.a.O., zu Hepatitis B). (a) Zwar wurde in der Praxis der Zahnärztin Dr. G am 8. August und 9. Oktober 2000, also während der Zeit der Tätigkeit der Klägerin, ein an Hepatitis C erkrankter Patient mit den Initialen J.R. behandelt. Jedoch ist nicht nachgewiesen, dass die Klägerin – wie sie im Gegensatz zu ihrer früheren Einlassung gegenüber der Beklagten am 14. August 2002, sie wisse selbst nicht mehr, ob sie bei der Behandlung des an Hepatitis C erkrankten Patienten assistiert habe, nunmehr behauptet – unmittelbaren oder mittelbaren beruflichen Kontakt mit diesem Patienten hatte. Ihre Arbeitgeberin führte in der Arbeitsplatzbeschreibung vom 4. Juni 2002 auf die Frage, ob die Klägerin mit dem an Virushepatitis erkrankten Patienten beruflich Kontakt gehabt habe, aus, nicht mehr zu wissen, wer von ihren Helferinnen an den betreffenden Tagen für die Assistenz und wer für die Rezeption eingeteilt war.
(b) Ohne den Nachweis eines unmittelbaren oder mittelbaren beruflichen Kontakts mit mindestens einer an Hepatitis erkrankten Person während der Ansteckungszeit darf eine besondere, über das normale Maß hinausgehende Hepatitisgefährdung nur dann als gegeben angesehen werden, wenn davon ausgegangen werden kann, dass jedenfalls regelmäßig ein gewisser gegenüber der Normalbevölkerung erhöhter Prozentsatz der Patienten der Einrichtung, in welcher der Versicherte tätig war, unerkannt an Hepatitis C erkrankt ist (vgl. BSG, Beschluss vom 11. Juni 1993, 2 BU 46/93, HV-Info 1993, 2155, mit weiteren Nachweisen). Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Durchseuchung der Patienten der in Berlin-Schmargendorf betriebenen Zahnarztpraxis mit Hepatitis C von der Prävalenzrate Hepatitis-C-infektiöser Patienten in der allgemeinen Bevölkerung abweichen sollte.
(c) Schließlich birgt, wie Prof. Dr. O in seinem Gutachten vom 30. August 2005 dargelegt hat, die Art der Tätigkeit einer Zahnarzthelferin kein gegenüber der Normalbevölkerung erhöhtes Infektionsrisiko. Zu berücksichtigen ist hierbei ferner, dass die Gesamtarbeitszeit der Klägerin in der Praxis von Dr. G gering war, da sie dort lediglich im Zeitraum von August 2000 bis November 2000 für fünf Stunden in der Woche beschäftigt war.
Im Übrigen spricht gegen die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs zwischen der Hepatitis C-Erkrankung und der beruflichen Tätigkeit der Klägerin der fehlende zeitliche Zusammenhang. Nach den Feststellungen des Prof. Dr. H, in dessen Leberambulanz die Klägerin behandelt wurde, begann die Hepatitis C-Erkrankung akut Ende 2001/Anfang 2002. Bei einer Inkubationszeit von zwei bis sechsundzwanzig Wochen (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl., unter dem Lemma "Hepatitis, akute") fiel der Zeitpunkt der Infektion nicht in den Zeitraum der beruflichen Tätigkeit der Klägerin, die im November 2000 endete. Zwar haben Prof. Dr. H und Prof. Dr. O übereinstimmend nicht völlig ausgeschlossen, dass es bei der Klägerin Ende 2001/Anfang 2002 zu einem akuten Schub einer bereits bestehenden chronischen Hepatitis C, die asymptomatisch verlief, gekommen sein könnte. Dieser Umstand begründet jedoch nicht die erforderliche Wahrscheinlichkeit, die nur dann vorliegt, wenn bei Abwägung aller Umstände den für den Kausalzusammenhang sprechenden ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2000, B 2 U 29/99 R, HVBG-Info 2000, 2811). Die bloße Möglichkeit eines Geschehensablaufs reicht hierfür nicht aus.
Die nach § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG zu treffende Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Klage keinen Erfolg hat.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Anerkennung ihrer Hepatitis C-Erkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Die im Jahre 1976 geborene Klägerin war nach ihrer Ausbildung zur Zahnarzthelferin in diesem Beruf von November 1996 bis März 1997 tätig, unternahm im Jahre 1998 eine Ausbildung zur Köchin und war von August 2000 bis November 2000 für fünf Stunden in der Woche aushilfsweise als Zahnarzthelferin in der Praxis von Dr. G beschäftigt. Im Jahre 2001 wurde wegen des Verdachts auf Endometriose (eine Gebärmuttererkrankung) eine Laparoskopie durchgeführt.
Bei der Klägerin wurde im Januar 2002 eine akute Hepatitis C-Infektion diagnostiziert. Im Endbericht des A-Klinikums vom 17. Januar 2002 führte die Stationsärztin W aus, ein Expositionsrisiko für Hepatitis C sei anamnestisch nicht zu eruieren.
Im April 2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Anerkennung ihrer Erkrankung als Berufskrankheit. Sie äußerte die Vermutung, sich während ihrer Beschäftigung bei Dr. G angesteckt zu haben, da sie durch die Spritzenentsorgung und die Stuhlassistenz unmittelbar mit Blut in Berührung gekommen sei. Auf die formularmäßige Frage, ob im maßgeblichen Zeitraum innerhalb ihres Arbeitsbereichs an einer gleichartigen Virushepatitis erkrankte Personen behandelt oder untersucht worden seien, antwortete sie mit: "keine Ahnung". Nach Anfrage der Beklagten teilte Dr. G im Juni 2002 mit, dass in ihrer Praxis am 8. August und 9. Oktober 2000 ein an Hepatitis C erkrankter Patient mit den Initialen J.R. behandelt worden sei. Sie könne sich nicht mehr daran erinnern, ob die Klägerin für die Assistenz oder für die Rezeption eingeteilt gewesen sei. Bei einer Vorsprache bei der Beklagten am 14. August 2002 erklärte die Klägerin, sie wisse selbst nicht mehr, ob sie bei der Behandlung des an Hepatitis C erkrankten Patienten assistiert habe. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2002 führte Prof. Dr. H vom Uklinikum C, in dessen Lebersprechstunde die Klägerin betreut wurde, aus, es sei von einer akuten Hepatitis C Ende 2001 / Anfang 2002 auszugehen. Der Infektionszeitpunkt der Klägerin mit Hepatitis C-Viren falle somit nicht in die Zeit ihrer beruflichen Tätigkeit.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 14. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2004 die Anerkennung der Erkrankung der Klägerin als Berufskrankheit ab.
Mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht Berlin hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Das Sozialgericht hat eine Auskunft des Prof. Dr. H vom 21. Oktober 2004 eingeholt, der sich zu der Frage, ob es denkbar sei, dass eine am 9. Oktober 2000 erfolgte Infektion mit dem Hepatitis C-Virus sich erst im Dezember 2001 bemerkbar mache, dahingehend geäußert hat, dass Symptome auftreten könnten, aber nicht müssten.
Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 15. Juli 2005 zur Anerkennung der Hepatitis C-Infektion als Berufskrankheit verpflichtet. Die erforderliche Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Infektion und der versicherten Tätigkeit sei zu bejahen, da die Klägerin in beruflichem Kontakt mit dem infizierten Patienten J.R. gestanden habe. Hiergegen spreche auch nicht der Zeitraum von einem Jahr zwischen der Ansteckung und dem erstmaligen Bemerken der Erkrankung. Es wäre nicht ungewöhnlich, wenn die Klägerin erst nach Ablauf eines Jahres Symptome der stattgehabten Infektion bemerkt hätte, obwohl diese serologisch früher nachweisbar gewesen wäre.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung bezieht die Beklagte sich auf das in ihrem Auftrag nach Aktenlage erstattete fachinternistisch-sozialmedizinische Gutachten des Prof. Dr. O vom 30. August 2005, der ausgeführt hat, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Hepatitis C-Erkrankung und der beruflichen Tätigkeit der Klägerin nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben sei: Eine Infektion vor Juni 2001 sei bei Annahme einer akuten Hepatitis C sehr unwahrscheinlich. Aufgrund des Gesamtverlaufs sei ein akuter Schub einer bestehenden chronischen Hepatitis C ebenfalls unwahrscheinlich, jedoch nicht völlig auszuschließen. Auch bestehe bei der Tätigkeit als Zahnarzthelferin kein gegenüber der Normalbevölkerung erhöhtes Infektionsrisiko.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juli 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie behauptet, sich daran erinnern zu können, dass sie bei dem infizierten Patienten assistiert habe. Ihre damalige Arbeitgeberin habe sie vor der Tätigkeit am 8. August 2000 darüber in Kenntnis gesetzt, dass ein Patient mit einer Hepatitis-Erkrankung behandelt werde und deshalb besondere Vorsicht geboten sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die Prozessakte des Sozialgerichts Berlin sowie die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Das Sozialgericht Berlin hat die Beklagte im Urteil vom 15. Juli 2005 zu Unrecht verurteilt, bei der Klägerin eine Hepatitis C-Infektion als Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage zur BKV anzuerkennen, da die Klägerin hierauf keinen Anspruch hat.
Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit – hier nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII – erleiden.
Nach Nr. 3101 der Anlage zur BKV ist eine Infektionskrankheit dann als Berufskrankheit zu qualifizieren, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war. Die Klägerin war während Ihrer Tätigkeit als Zahnarzthelferin im Gesundheitswesen tätig; Hepatitis C ist eine Infektionskrankheit.
Weitere Voraussetzung für das Vorliegen eines Versicherungsfalles einer solchen Berufskrankheit ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Infektionskrankheit (vgl. etwa Bundessozialgericht –BSG–, Urteile vom 30. Mai 1988, 2 RU 33/87, NZA 1988, 823, und vom 18. November 1997 - 2 RU 15/97, BB 1998, 327). Die zumindest erforderliche Wahrscheinlichkeit eines solchen ursächlichen Zusammenhangs ist bei einer Berufskrankheit im Sinne der Nr. 3101 der Anlage zur BKV gegeben, wenn nachgewiesen ist, dass der Versicherte bei der Berufstätigkeit - sei es durch einen Patienten, einen Mitarbeiter oder auf sonstige Weise - einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen ist (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 2004, B 2 U 13/03 R, SozR 4-5671 Anlage 1 Nr. 3101 Nr. 1, mit weiteren Nachweisen). Ist dies der Fall, kann dann in der Regel auch davon ausgegangen werden, dass sich der Versicherte die bei ihm aufgetretene Infektionskrankheit durch seine besondere berufliche Exposition zugezogen hat (so BSG a.a.O.).
Eine Anerkennung der bei der Klägerin vorliegenden Hepatitis C-Infektion als Berufskrankheit setzt voraus, dass ihre Tätigkeit als Zahnarzthelferin mit besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Gefahren verbunden war, hieran zu erkranken. Die Annahme, dass die Klägerin bei dieser Tätigkeit einer Hepatitis-C-Exposition besonders ausgeliefert war, erfordert unter Berücksichtigung des Beginns ihrer Erkrankung den Nachweis, dass entweder (a) ein unmittelbarer oder mittelbarer beruflicher Kontakt mit an Hepatitis C erkrankten Personen bestanden hat oder (b) der prozentuale Anteil Hepatitis-C-infektiöser Patienten in der Zahnarztpraxis, in der die Klägerin tätig war, deutlich höher war als in der Normalbevölkerung oder (c) die Art der Tätigkeit als Zahnarzthelferin als solche besonders hepatitisgefährdend war (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 2004 a.a.O., zu Hepatitis B). (a) Zwar wurde in der Praxis der Zahnärztin Dr. G am 8. August und 9. Oktober 2000, also während der Zeit der Tätigkeit der Klägerin, ein an Hepatitis C erkrankter Patient mit den Initialen J.R. behandelt. Jedoch ist nicht nachgewiesen, dass die Klägerin – wie sie im Gegensatz zu ihrer früheren Einlassung gegenüber der Beklagten am 14. August 2002, sie wisse selbst nicht mehr, ob sie bei der Behandlung des an Hepatitis C erkrankten Patienten assistiert habe, nunmehr behauptet – unmittelbaren oder mittelbaren beruflichen Kontakt mit diesem Patienten hatte. Ihre Arbeitgeberin führte in der Arbeitsplatzbeschreibung vom 4. Juni 2002 auf die Frage, ob die Klägerin mit dem an Virushepatitis erkrankten Patienten beruflich Kontakt gehabt habe, aus, nicht mehr zu wissen, wer von ihren Helferinnen an den betreffenden Tagen für die Assistenz und wer für die Rezeption eingeteilt war.
(b) Ohne den Nachweis eines unmittelbaren oder mittelbaren beruflichen Kontakts mit mindestens einer an Hepatitis erkrankten Person während der Ansteckungszeit darf eine besondere, über das normale Maß hinausgehende Hepatitisgefährdung nur dann als gegeben angesehen werden, wenn davon ausgegangen werden kann, dass jedenfalls regelmäßig ein gewisser gegenüber der Normalbevölkerung erhöhter Prozentsatz der Patienten der Einrichtung, in welcher der Versicherte tätig war, unerkannt an Hepatitis C erkrankt ist (vgl. BSG, Beschluss vom 11. Juni 1993, 2 BU 46/93, HV-Info 1993, 2155, mit weiteren Nachweisen). Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Durchseuchung der Patienten der in Berlin-Schmargendorf betriebenen Zahnarztpraxis mit Hepatitis C von der Prävalenzrate Hepatitis-C-infektiöser Patienten in der allgemeinen Bevölkerung abweichen sollte.
(c) Schließlich birgt, wie Prof. Dr. O in seinem Gutachten vom 30. August 2005 dargelegt hat, die Art der Tätigkeit einer Zahnarzthelferin kein gegenüber der Normalbevölkerung erhöhtes Infektionsrisiko. Zu berücksichtigen ist hierbei ferner, dass die Gesamtarbeitszeit der Klägerin in der Praxis von Dr. G gering war, da sie dort lediglich im Zeitraum von August 2000 bis November 2000 für fünf Stunden in der Woche beschäftigt war.
Im Übrigen spricht gegen die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs zwischen der Hepatitis C-Erkrankung und der beruflichen Tätigkeit der Klägerin der fehlende zeitliche Zusammenhang. Nach den Feststellungen des Prof. Dr. H, in dessen Leberambulanz die Klägerin behandelt wurde, begann die Hepatitis C-Erkrankung akut Ende 2001/Anfang 2002. Bei einer Inkubationszeit von zwei bis sechsundzwanzig Wochen (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl., unter dem Lemma "Hepatitis, akute") fiel der Zeitpunkt der Infektion nicht in den Zeitraum der beruflichen Tätigkeit der Klägerin, die im November 2000 endete. Zwar haben Prof. Dr. H und Prof. Dr. O übereinstimmend nicht völlig ausgeschlossen, dass es bei der Klägerin Ende 2001/Anfang 2002 zu einem akuten Schub einer bereits bestehenden chronischen Hepatitis C, die asymptomatisch verlief, gekommen sein könnte. Dieser Umstand begründet jedoch nicht die erforderliche Wahrscheinlichkeit, die nur dann vorliegt, wenn bei Abwägung aller Umstände den für den Kausalzusammenhang sprechenden ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2000, B 2 U 29/99 R, HVBG-Info 2000, 2811). Die bloße Möglichkeit eines Geschehensablaufs reicht hierfür nicht aus.
Die nach § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG zu treffende Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Klage keinen Erfolg hat.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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