S 4 EG 78/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Würzburg (FSB)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 EG 78/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Landeserziehungsgeld für das Kind D. L., geb. 2000, streitig.

Die am 1977 geborene Klägerin ist die Mutter des am 2000 geborenen Kindes D. L ... Sie ist mit dem Kindesvater verheiratet und lebt seit Januar 2000 in Deutschland. Nachdem sie eine Aufenthaltserlaubnis nach § 15 Ausländergesetz (AuslG) a. F. besaß, wurde ihr mit Bescheiden vom 21.12.2000 und vom 08.10.2001 antragsgemäß Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) für das erste und zweite Lebensjahr des Kindes bewilligt.

Am 08.11.2002 beantragte die Klägerin Landeserziehungsgeld. Dieser Antrag wurde vom Beklagten mit Bescheid vom 20.11.2002 abgelehnt. Die Klägerin besitze weder die deutsche Staatsangehörigkeit, noch die eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum noch eines Staates, dessen Angehörige aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ebenfalls anspruchsberechtigt seien.

Hiergegen legte die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten mit Schreiben vom 03.12.2002 Widerspruch ein und trug vor, dass die Ablehnung nicht rechtens sei, nachdem das Kind und der Vater des Kindes deutsche Staatsangehörige seien. Es liege eine Ungleichbehandlung vor, wenn Kinder mit türkischer Staatsangehörigkeit Landeserziehungsgeld erhalten würden und Kinder mit der deutschen Staatsangehörigkeit nicht.

Der Widerspruch der Klägerin vom 03.11.2002 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2003 zurückgewiesen. Daraufhin erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin mit Telefax vom 23.07.2003 Klage zum Sozialgericht Würzburg. Sie legten im Folgenden Unterlagen vor, wonach die Klägerin zwischenzeitlich eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhalten habe. Die Klägerin machte geltend, dass es nicht nachvollziehbar sei, dass ihr Landeserziehungsgeld nicht gewährt werde, nachdem sie die Familienangehörige eines deutschen Staatsangehörigen sei, der in Deutschland lebe und in Deutschland arbeite.

In einem Erörterungstermin am 25.04.2006 verwies die Klägerin darauf, dass sie im fraglichen Zeitraum eines möglichen Landeserziehungsgeldbezuges Hausfrau gewesen sei und dann für ihr am 09.03.2003 geborenes Kind S. Erziehungsgeldleistungen erhalten habe.

Die Beteiligten erklärten im Erörterungstermin ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung.

Die Klägerin beantragt:
1. Der Bescheid des Beklagten vom 20.11.2002 in Form des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2003 wird aufgehoben. Für das Kind D. L., deutscher Staatsangehöriger, geb. 2000, wird das beantragte Landeserziehungsgeld gewährt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte des Beklagten Bezug genommen.

Die Klage ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht beim örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht erhoben (§§ 51, 54, 57, 87, 90 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die Klage ist auch entscheidungsreif. Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen, nachdem die Beteiligten dem zugestimmt hatten (§ 124 Abs. 2 SGG).

Das Gericht ist zur Überzeugung gelangt, dass die Klage nicht begründet ist. Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz (BayLErzGG) a. F. zählte zu den Voraussetzungen für die Gewährung von BayLErzG, dass der Antragsteller die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Vertrag) besaß. Aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (Urteil vom 04.05.1999 SozR 3-6935 Allg. Nr. 4) i. V. mit dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 29.01.2002 (SozR 3-6940 Art. 3 Nr. 2) waren auch Angehörige von Staaten aufzunehmen, die mit der Europäischen Union ein entsprechendes Assoziationsabkommen geschlossen hatten. Die Vereinbarungen der Europäischen Union mit der russischen Föderation betreffen eine Vielzahl von Punkten der Zusammenarbeit, haben jedoch nicht den Status eines Assoziationsabkommens (vgl. Information des Auswärtigen Amtes www.auswaertiges-amt.de/laenderinfos). Dementsprechend ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus der dazu unmittelbar ergänzend ergangenen Rechtsprechung eine Anspruchsberechtigung der Klägerin.

Zwar war zum Beginn des 3. Lebensjahres des Kindes im November 2002 bereits seit längerem (nämlich seit 26.03.2001) eine Ergänzung des BayLErzGG vorgenommen worden, wobei Art. 1 Abs. 4 Satz 1 BayLErzGG a. F. nunmehr bestimmte, dass der Anspruch auf Landeserziehungsgeld auch bestehe, wenn zwar der Antragsteller nicht die erforderliche Staatsangehörigkeit aufweise, jedoch das Kind, für das Landeserziehungsgeld beantragt wurde, die deutsche Staatsangehörigkeit besitze. Diese Vorschrift galt aufgrund der allgemeinen Übergangsregelung des Art. 9 Abs. 1 BayLErzGG jedoch erst für Kinder, die ab dem 01.01.2001 geboren waren.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass einen Anspruch auf Erziehungsgeld nicht das Kind hat, sondern der Elternteil, der eine Vollzeitbeschäftigung nicht ausübt, weil er das Kind erziehen will. Insofern ist es nicht zu beanstanden, wenn in erster Linie auf den Status des Antragstellers geachtet wird.

Das Gericht konnte nicht die Überzeugung gewinnen, dass die zuvor bestehende Regelung des BayLErzGG gegen höherrangiges Recht verstoßen hätte, sodass der Bayerische Gesetzgeber gehindert gewesen wäre, die Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises auf Eltern von Kindern mit deutscher Staatsangehörigkeit mit einer Übergangsfrist einzuführen, sondern verpflichtet gewesen wäre, dies sofort umzusetzen. Dabei wird in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 17.03.2005 (1 BvR 272/96) und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 25.10.2005 (Beschwerde Nr. 58453/00) darauf abgestellt, dass der unterschiedliche aufenthaltsrechtliche Status kein geeignetes und zulässiges Differenzierungskriterium für die Gewährung von Erziehungsgeldleistungen sei. Es komme vielmehr auf die entsprechenden Bleibeperspektiven und die Tatsache an, dass der anspruchsberechtigte Elternteil auf eine Erwerbstätigkeit zugunsten eines hierzu erziehenden Kindes verzichte.

In den Entscheidungen des Bundessozialgerichts zum BayLErzGG (Urt. vom 03.11.1993 - SozR 3-6935 Allg Nr. 1; Urt. vom 29.01.2002 - SozR 3-6940 Art. 3 Nr. 2; Urt. vom 18.02.2004 - SozR 4-6940 Art. 3 Nr. 1; Urt. vom 02.02.2006 Az.: B 10 EG 9/05 R) wird nichts dazu geäußert, dass der im BayLErzGG gewählte Anknüpfungspunkt der Staatsangehörigkeit ein unzulässiges Differenzierungskriterium darstelle. Bei einer Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit wird seitens des Gesetzgebers häufig darauf geachtet, ob deutsche Staatsangehörige, die sich im entsprechenden ausländischen Staat aufhalten, eine gleichgeartete Leistung erhalten würden.

Nachdem mit der Gewährung von Erziehungsgeld als weitere Folge auch eine geringere Belastung der erziehenden Person einhergehen und somit eine positive Auswirkung auf die Erziehung eines Kindes entstehen kann, hat sich der Gesetzgeber entschlossen auch Eltern von Kindern mit deutscher Staatsangehörigkeit einzubeziehen, die ansonsten nicht anspruchsberechtigt wären. Da der Gesetzgeber zu einer derartigen Entscheidung aber nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen gezwungen war, war er nicht gehindert, eine Übergangsfrist mit der Wirkung einer Stichtagsregelung in das Gesetz aufzunehmen.

Das Gericht sah keinen Anhaltspunkt dafür, dass zur Herstellung einer verfassungsrechtlich zulässigen Gesetzesanwendung die Neufassung des Art. 1 Abs. 4 BayLErzGG, die erst ab 01.01.2003 praktische Wirkung entfalten konnte, auf frühere Leistungsfälle hätte vorgezogen werden müssen. Auch war es nicht zu beanstanden, dass im Zuge einer Stichtagsregelung zur Verwaltungsvereinfachung Leistungsfälle vor und nach dem Stichtag ohne Abstufungsregelung völlig unterschiedlich behandelt wurden. Es lag ein hinreichender Differenzierungsgrund vor.

Die angefochtenen Bescheide des Beklagten waren somit insgesamt nicht zu beanstanden und die Klage war abzuweisen.

Aus der Klageabweisung ergibt sich, dass der Klägerin außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind (§ 193 SGG).
Rechtskraft
Aus
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