L 8 RA 77/99

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 13 RA 3520/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 RA 77/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juli 1999 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist die Höhe der dem Kläger bis zum 31. Oktober 1993 gezahlten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU-Rente) sowie der anschließend gewährten Altersrente.

Der am 1933 geborene Kläger war während seines Berufslebens im Wesentlichen als selbständiger Architekt tätig und entrichtete von Januar 1956 bis Dezember 1973 freiwillige Beiträge nach Artikel 2 § 49 a des Angestelltenversicherungsneuregelungsgesetzes. Danach war er ausweislich des Versicherungslaufs vom 27. Dezember 1974 bis 08. Januar 1975, 15. Mai 1977 bis 15. Mai 1978 sowie vom 23. Oktober bis 15. Dezember 1978 versicherungspflichtig beschäftigt und jeweils anschließend arbeitslos. Im Dezember 1977 entrichtete der Kläger Beiträge in Höhe von 288,00 DM für den Zeitraum von Januar 1976 bis April 1977, da zu diesem Zeitpunkt noch eine entsprechende Lücke in seinem Versicherungsverlauf bestand.

Mit formlosen am 07. Februar 1984 bei der Beklagten eingegangenen Antrag beanspruchte der Kläger die Gewährung einer Rente unter Hinweis auf seinen Gesundheitszustand. Nach Durchführung eines Heilverfahrens erhielt der Kläger schließlich von der Beklagten vom 01. März 1984 bis 25. Februar 1986 Übergangsgeld gemäß § 18 d Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes – AVG – und anschließend (Bescheid vom 13. Oktober 1986 – Blatt 181 VA) Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. In der Anlage 6 zum Bescheid führte die Beklagte dazu aus, dass die Rente unter Berücksichtigung der bisher nachgewiesenen Versicherungs- und Ausfallzeiten berechnet worden sei und bei dem nachträglichen Hinzutritt weiterer Zeiten eine Neuberechnung erforderlich sei; gegebenenfalls überzahlte Beträge seien dann vom Kläger zu erstatten. Unter Hinweis auf diese Erläuterungen führte der Kläger in seinem Schreiben vom 26. Oktober 1986 unter anderem aus: "Ich verlasse mich auf Ihre Zusage gemäß Anlage 6 des Bescheides wonach Sie den Rentenbescheid berichtigen, wenn neue Zeiten nachgewiesen werden können. Ich möchte nicht unnötig Einspruch einlegen. Wie Ihnen bereits mehrfach mitgeteilt, ist die Zeit nach dem 19.09.1979 noch Gegenstand eines Rechtstreites mit dem Arbeitsamt. Ich verlasse mich auf Ihre Zusicherung, dass Sie das gefl. später zu meinen Gunsten rückwirkend berichtigen: andernfalls bitte ich dieses Schreiben als vorsorglichen Widerspruch anzusehen."

Unter Hinweis auf dieses Schreiben teilte der Kläger der Beklagten im November 1990 mit, dass ihm nunmehr (in einem ersten Schritt) Leistungen der Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 20. September 1979 bis 30. April 1980 bewilligt worden seien und bat um Berücksichtigung bei seiner Rente. Mit Bescheid vom 15. März 1991 nahm die Beklagte unter Berücksichtigung dieser Zeiten eine Neuberechnung der EU-Rente vor; es ergab sich eine Nachzahlung.

Mit Schreiben vom 01. September 1991 (Eingang bei der Beklagten 05. September 1991) und 07. September 1991 (Eingang bei der Beklagten 16. September 1991) machte der Kläger unter anderem die Berücksichtigung seiner tatsächlichen Arbeitslosigkeit bis zum Rentenbeginn geltend und verwies dazu auf seinen Widerspruch gegen den Rentenbescheid vom 13. Oktober 1986.

Mit Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. Juni 1995 wurde dem Kläger unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils über den 30. April 1980 hinaus ein Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe zugestanden. Dem Kläger wurde daraufhin Arbeitslosenhilfe nachbewilligt für die Zeit vom 01. Mai 1980 bis 29. Februar 1984. Im Anschluss daran nahm die Beklagte eine Neuberechnung der EU-Rente mit Bescheid vom 16. Oktober 1996 für die Zeit bis zum 31. Dezember 1991 und mit Bescheid vom 28. Oktober 1996 für die Zeit bis zum 31. Oktober 1993 nach den Vorschriften des AVG vor. Dabei wurden die von Januar 1976 bis April 1977 geleisteten freiwilligen Beiträge unter Hinweis auf §§ 30 Abs. 2 Satz 4, 32 Abs. 7 Satz 2 AVG nicht mehr berücksichtigt, weil die Berücksichtigung der nunmehr für dieselbe Zeit anzurechnenden Ausfallzeit eine höhere Rente ergebe.

In den Bescheiden vom 16. Oktober und 28. Oktober 1996 nahm die Beklagte die Bewertung der Ausbildungszeiten des Klägers (9 Monate für die Zeit vom 31. Oktober 1949 bis 30. Juni 1950) wie folgt vor:

Bewertung der Ausbildungszeiten für die Bewertung maßgebender Wert 31. Dezember 1964 12,22 Monatsdurchschnitt nach § 32 a Abs. 2 Satz 2 AVG begrenzt auf 8,33 Monatsdurchschnitt.

Gegen den Bescheid vom 16. Oktober 1996 legte der Kläger mit Schreiben vom 28. Oktober 1996 (Eingang bei der Beklagten am 04. November 1996) und gegen den Bescheid vom 28. Oktober 1996 mit Schreiben vom 06. November 1996 (Eingang bei der Beklagten am 11. November 1996) Widerspruch ein.

Mit Bescheid vom 26. März 1997 bewilligte die Beklagte dem Kläger antragsgemäß Altersrente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01. November 1993. Gegen diesen ihm am 04. Juni 1997 zugegangenen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 04. Juni 1997 (Eingang 12. Juni 1997) Widerspruch ein.

Am 24. Juni 1997 (Klageschrift vom 18. Juni 1997) hat der Kläger gegen die Bescheide vom 16. Oktober 1996, 28. Oktober 1996 und 26. März 1997 Klage zum Sozialgericht – SG – Berlin erhoben, weil das Bemessungsentgelt für die Zeiten (des Alhi-Bezuges) von Mai 1980 bis Dezember 1982 nicht richtig angegeben worden sei: Anstelle der Leistungsbeträge müssten die jeweiligen Bemessungsentgelte berücksichtigt werden. Diese Klage ist unter dem Aktenzeichen S 13 An 3520/97 registriert worden.

Gegen den Bescheid vom 26. März 1997 hat sich der Kläger mit einer weiteren Klageschrift vom 18. August 1997 (Eingang beim SG Berlin am 22. August 1997) gewandt und ergänzend bemängelt, dass eine Nachzahlung von 14.007,00 DM (für Ausbildungszeiten) nicht angerechnet worden sei, geleistete freiwillige Beiträge des Klägers für die Zeit von Januar 1976 bis April 1977 mit insgesamt 1.600,00 DM als Höherversicherung und die Zeit vom 31. Oktober 1988 bis 31. Oktober 1993 mit 20 Monaten so genannter "Anrechnungszeit wegen Rentenbezug" anzurechnen seien. Diese Klageschrift ist, da den bereits angefochtenen Bescheid vom 26. März 1997 betreffend, zum vorgenannten Verfahren genommen worden. Auf erläuterndes Schreiben des SG vom 22. Oktober 1997 hat der Kläger die zunächst geäußerten Bedenken gegen dieses Verfahren nicht mehr aufrechterhalten (Schreiben vom 30. Oktober 1997).

Die Beklagte hat nach Klageerhebung für die Zeit des Alhi-Bezuges vom 01. Mai 1980 bis 31. Dezember 1982 entsprechend dem klägerischen Begehren das der Alhi-Bewilligung zugrunde liegende Bemessungsentgelt bei der Rentenberechnung berücksichtigt und dazu die Bescheide vom 15. Juli 1997 (EU-Rente bis 31. Dezember 1991) und 29. Juli 1997 (EU-Rente vom 01. Januar 1992 bis 31. Oktober 1993) und für die Altersrente den Bescheid vom 15. Oktober 1997 erlassen.

Den Bescheid vom 15. Juli 1997 und außerdem die Bescheide vom 16. Oktober und 28. Oktober 1996 griff der Kläger mit Widerspruchsschreiben vom 28. Juli 1997 und 31. Juli 1997 an. Mit einem weiteren Widerspruchsschreiben vom 12. August 1997 wandte sich der Kläger außerdem gegen den Bescheid vom 29. Juli 1997. Soweit die freiwilligen Beiträge 1976/77 nicht als Beiträge der Höherversicherung berücksichtigt werden könnten, sollten sie zurückgezahlt werden. Es müsse eine weitere Zurechnungszeit von einem Drittel des Zeitraumes von November 1988 bis Oktober 1993 berücksichtigt werden. Außerdem seien die freiwilligen Beiträge nach der Beitragstafel 1991 von 14.007,00 DM für die Ausbildungszeit 1954/55 zu berücksichtigen; eine Begrenzung der Werteinheiten für Ausbildungszeiten auf 8,33 sei nicht vorzunehmen.

Die Beklagte hat Probeberechnungen vorgenommen unter Berücksichtigung der nicht abgeschlossenen Ausbildung und einer Nachentrichtung für Ausbildungszeiten nach § 207 SGB VI in Höhe von 14.007,00 DM und dabei festgestellt, dass die - seinerzeit noch zur Erfüllung der "großen Wartezeit" vorgenommene - Nachentrichtung nunmehr wegen des Bestandsschutzes aus § 88 SGB VI unwirtschaftlich sei (siehe Vermerk Bl. 1320 VA). Entsprechend hat sie den Kläger mit Aufklärungsschreiben vom 12. Januar 1998 informiert und gleichzeitig darauf verwiesen, dass die für 1976/77 entrichteten freiwilligen Beiträge nach erfolgter Information (Schreiben vom 06. Dezember 1996) auf seinen Antrag im Schreiben vom 16. Januar 1997 zurückgezahlt worden seien und er darüber mit Schreiben vom 12. März 1997 unterrichtet worden sei (dieses Schreiben hat der Kläger auch erhalten, wie sich aus seiner Antwort auf Bl. 1014 VA ergibt). Die Überweisung hat die Beklagte auf das bei der Postbank Frankfurt geführte Konto 300995-604 vorgenommen, auf das fast gleichzeitig die Überweisung von Zinsen (entsprechend dem Bescheid vom 17. März 1997) erfolgte. Den Nachentrichtungsbetrag von 14.007,00 DM hat die Beklagte inzwischen antragsgemäß an den Kläger (bzw. dessen Gläubigerin) zurückgezahlt. Der Kläger hat eine entsprechende Mitteilung erhalten (Schreiben vom 21. April 1998). Streit besteht noch wegen einer eventuellen Verzinsung dieses Betrages.

Schließlich hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 1999 die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 16. Oktober und 28. Oktober 1996, 26. März 1997, 15. Juli und 29. Juli 1997 und 15. Oktober 1997 als unbegründet zurückgewiesen, soweit sie dem Begehren des Klägers nicht abgeholfen habe. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie könne bei der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit keine Zurechungszeit ab 31. Oktober 1988 berücksichtigen, weil diese Rente nach den Vorschriften des AVG zu berechnen sei, das die Berücksichtigung einer Zurechnungszeit über die Vollendung des 55. Lebensjahres hinaus nicht vorsehe. Die Vorschriften des SGB VI fänden keine Anwendung, da der Kläger bereits 1991 einen Überprüfungsantrag gestellt und um die Neufeststellung seiner EU-Rente gebeten habe. Bei der Altersrente könne keine Anrechnungszeit wegen Rentenbezuges vom 31. Oktober 1988 bis 31. Oktober 1993 berücksichtigt werden, weil dem die Vorschriften der §§ 58 Abs. 1 Nr. 5, 252 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI entgegenstünden.

Mit seiner zum Aktenzeichen S 10 RA 2457/99 registrierten Klage gegen den auf seine Untätigkeitsklage (S 35 RA 3747/98) ergangenen Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 1999 hat der Kläger die Berechnung der EU-Rente weiter angegriffen und damit im wesentlichen die bereits im Verfahren S 13 An 3520/97 beanstandeten Punkte benannt. Das SG hat die vorgenannten Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 13 RA 3520/97 verbunden (Beschluss vom 09. Juli 1999).

Der Kläger hat dazu vorgetragen, die Beklagte habe in dem Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 1999 die Einwendungen gegen die Bescheide, mit denen die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und die Altersrente berechnet worden seien, zusammen behandelt, obwohl er sich seit Jahren bemühe, jede einzelne Beanstandung in getrennten Verfahren überprüfen zu lassen. Auch habe sich die Beklagte in dem Widerspruchsbescheid nicht damit auseinandergesetzt, dass ihm für den Zeitraum vom 01. Januar 1976 bis 30. April 1977 weiterhin 0,0675 Entgeltpunkte (bzw. 6,75 Werteinheiten) anzurechnen seien, weil die Beklagte an ihre Feststellungen in den Versicherungsverläufen vom 25. November 1992 und 29. Juli 1992 gebunden sei. Bei der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die im Rahmen der Neufeststellung nach dem SGB VI zu berechnen sei, sei eine weitere Zurechnungszeit für den Zeitraum vom 31. Oktober 1988 bis 31. Oktober 1993 anzurechnen. Die Rentenbescheide wegen Erwerbsunfähigkeit seien auch fehlerhaft, weil die Beklagte die Werteinheiten gemäß § 32 a AVG auf 8,33 begrenzt habe. Es fehlten auch die Werteinheiten von 6,75 für die Zeit von Januar 1976 bis April 1977. Bei der Altersrente müsse der Zeitraum vom 31. Oktober 1988 bis 31. Oktober 1993 als Anrechnungszeit wegen Rentenbezuges berücksichtigt werden.

Das SG hat die Klagen mit Urteil vom 28. Juli 1999 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Zwar sei die unter dem Aktenzeichen S 10 RA 2457/99 registrierte Klage unzulässig, weil die betreffenden Bescheide in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 1999 Gegenstand des bereits anhängigen Verfahrens S 13 RA 3520/97 geworden seien. Doch sei im Hinblick auf diese Einbeziehung eine sachliche Entscheidung über die Angriffe des Klägers gegen die angeführten Bescheide möglich. Die im Rahmen des Verfahrens S 13 RA 3520/97 nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens zulässige Klage sei jedoch unbegründet. Die zuletzt mit Bescheid vom 29. Juli 1997 gewährte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit sei richtig berechnet. Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, bei der Rentenberechnung die Zeit vom 01. Januar 1976 bis 30. April 1977 zusätzlich als freiwillige Beitragszeit mit 0,0675 Entgeltpunkten berücksichtigt zu bekommen. Die freiwilligen Beiträge, die der Kläger im Dezember 1977 in Höhe von 288,00 DM für diesen Zeitraum entrichtet habe, könnten sich nicht rentensteigernd auswirken. Diese Zeit sei bereits eine Ausfallzeit bzw. Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit. Mithin bestünden keine Lücken, die durch freiwillige Beiträge hätten gefüllt werden können. Die Beklagte habe den Betrag von 288,00 DM daher zu Recht an den Kläger zurück überwiesen. Dass die Überweisung tatsächlich erfolgt sei, ergebe sich aus den Verwaltungsakten. Der Versicherungsverlauf der Beklagten vom 29. Juli 1992 und 25. November 1992, der die freiwilligen Beiträge mit einem fiktiven Beitragswert von 1.600,00 DM für den Zeitraum von Januar 1976 bis April 1977 ausgewiesen habe, sei zu einer Zeit erstellt worden, als die Versicherungszeit wegen Arbeitslosigkeit noch nicht anerkannt gewesen sei. Die beiden Versicherungsverläufe seien insoweit überholt. Eine freiwillige Beitragszeit von 1976 bis 1977 sei daher weder bei der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit noch bei der Altersrente zu berücksichtigen. Die Beklagte habe es ferner zutreffend abgelehnt, bei der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit Zurechnungszeiten gemäß § 59 Abs. 3 SGB VI zu berücksichtigen, wonach sich für die Zeit vom 31. Oktober 1988 bis 31. Oktober 1993 eine zusätzliche Zurechnungszeit von 20 Monaten ergäbe. Denn maßgebend für die Rentenberechnung seien nicht die Vorschriften des SGB VI, sondern die des AVG. Nach § 37 AVG seien Zurechnungszeiten nur vor Vollendung des 55. Lebensjahres möglich. Die Neuberechnung der Rente sei zwar erst aufgrund des Urteils des Bayerischen LSG vom 29. Juni 1995 erfolgt. Dennoch sei das bis zum 31. Dezember 1991 geltende Recht des AVG weiterhin anwendbar. Der Kläger habe im Rentenverfahren vor Inkrafttreten des SGB VI am 01. Januar 1992 wiederholt darauf hingewiesen, dass für ihn ein Verfahren gegen die Bundesanstalt für Arbeit wegen Zeiten der Arbeitslosigkeit anhängig sei und diese bei der Rentenberechnung noch zu berücksichtigen seien. Ein Überprüfungsverfahren sei daher vor dem 01. Januar 1992 eingeleitet worden, auch wenn es erst nach Vorlage des landessozialgerichtlichen Urteils vom 29. Juli 1995 habe abgeschlossen werden können. Die Beklagte habe im Interesse des Klägers einen im Jahr 1991 gestellten Überprüfungsantrag vom 16. September 1991 zugrunde gelegt. Wäre die Neuberechnung aufgrund des Urteils vom 29. Juni 1995 allein von Amts wegen erfolgt, hätte der Kläger aufgrund der Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X eine Rentennachzahlung erst ab 01. Januar 1991 und nicht bereits ab Rentenbeginn vom 26. Februar 1986 an erhalten können. Bei der Berechnung der EU-Rente habe die Beklagte die Ausfallzeiten des Klägers nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG rechtmäßig mit dem Wert 8,33 abgegolten, wie es § 32 a Abs. 2 Satz 2 AVG vorschreibe. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Altersrente. Eine Anrechnungszeit wegen Rentenbezuges vom 31. Oktober 1988 bis 31. Oktober 1993 sei nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI nicht möglich, denn am 31. Oktober 1988 habe der Kläger das 55. Lebensjahr vollendet.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Ihm müssten aufgrund bestandskräftiger Festsetzung weiterhin 6,75 Werteinheiten für die freiwilligen Beiträge von Januar 1976 bis April 1977 berücksichtigt werden. Eine Rückzahlung des Betrages auf seinem Konto habe sich nicht feststellen lassen. Dazu hat er eine Bestätigung der Postbank vom 23. März 1998 vorgelegt, wonach das Konto 3000995-604 nicht unter dem Namen des Klägers geführt werde und unter seinem Namen auch sonst kein Konto bei der Postbank geführt werde.

Des Weiteren macht der Kläger geltend, dass eine Neufeststellung erst nach dem Urteil vom 29. Juni 1995 möglich gewesen sei. Deshalb habe er einen Antrag auf Überprüfung im Jahre 1991 nicht gestellt, der damals sachlich angemessen auch nicht möglich gewesen sei. Für die Neufeststellung sei das SGB VI anzuwenden und daher eine weitere Zurechnungszeit für den Zeitraum nach Vollendung des 55. Lebensjahres zu berücksichtigen. Mit der Neuberechnung auf der Grundlage des SGB VI komme auch keine Begrenzung der Werteinheiten für Ausbildungszeiten auf 8,33 Werteinheiten in Betracht. Auch müsse seine Altersrente unter Berücksichtigung einer Anrechnungszeit wegen Rentenbezugs berechnet werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juli 1999 sowie die Bescheide der Beklagten vom 15. Juli 1997, 29. Juli 1997 und 15. Oktober 1997 jeweils in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 1999 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, für die von ihm geleisteten freiwilligen Beiträge für die Zeit vom 01. Januar 1976 bis 30. April 1977 weiterhin 6,75 Werteinheiten bzw. 0,0675 Entgeltpunkte anzurechnen, die Neufeststellung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach Maßgabe der Vorschriften des SGB VI vorzunehmen, dass heißt unter Berücksichtigung einer weiteren Zurechnungszeit von 20 Monaten für die Zeit vom 31. Oktober 1988 bis 31. Oktober 1993 und ohne Begrenzung der Bewertung der Ausbildungszeiten 1949/50 auf 8,33 Werteinheiten sowie seine Altersrente ebenfalls unter Berücksichtigung zusätzlicher Entgeltpunkte von 0,0675 und unter Berücksichtigung einer Anrechnungszeit wegen Rentenbezugs neu zu berechnen und ihm eine entsprechend höhere Rente zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, das der Sach- und Rechtslage entspreche.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Gerichtsakte, die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten (Bd. 1 bis 6 zur Versicherungsnummer ) sowie die Gerichtsakten S 35 AN 2747/98, S 10 RA 2457/99 und S 10 RA 5674/00, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Neufeststellung, weder hinsichtlich der ihm gewährten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit noch bezüglich der ab 1. November 1993 gewährten Altersrente.

Streitgegenstand des Verfahrens sind nur noch die die EU-Rente betreffenden Bescheide vom 15. Juli 1997 und 29. Juli 1997 sowie der Altersrentenbescheid vom 15. Oktober 1997 (in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 1999). Diese Bescheide haben die Renten jeweils von Rentenbeginn an neu berechnet und somit die zuvor erlassenen und vom Kläger angegriffenen Bescheide ersetzt. Sie sind gemäß § 86 SGG Gegenstand des bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 1999 nicht abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens und dieser wiederum gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens vor dem Sozialgericht geworden. Die streitgegenständlichen Bescheide sind entgegen der Auffassung der Beteiligten nicht Ergebnis einer Überprüfung eines (bindenden) Bescheides gemäß § 44 SGB X aufgrund eines 1991 oder 1995 eingeleiteten Verfahrens.

Der Rentenbescheid vom 13. Oktober 1986 ist das Ergebnis eines Rechtsstreits, nach dessen Erlass der damalige Prozessbevollmächtigte den Rechtsstreit als erledigt angesehen hat. Daraus schließt die Beklagte unzutreffend, dass der Bescheid damit bindend geworden sei. Dem Klagebegehren war jedoch nur insoweit entsprochen worden, als die beanspruchte EU-Rente zuerkannt worden war. Dass damit gleichzeitig die Berechnung der Rente hingenommen wird, kann jedoch nicht angenommen werden. Eine solche Prüfung schließt sich regelmäßig an das "Grundverfahren" an.

Dies wird auch aus dem Schreiben des Klägers vom 26. Oktober 1986 deutlich, der bei der Rentenberechnung noch eine Zeit der Arbeitslosigkeit von September 1979 bis zum Rentenbeginn berücksichtigt wissen wollte. Dazu musste der Beklagten auch klar gewesen sein, dass der in der Anlage 6 zum Rentenbescheid enthaltene Hinweis auf eine mögliche spätere Berücksichtigung weiterer Zeiten keine – vom Kläger hineingelesene - Zusicherung einer rückwirkenden Berücksichtigung (ab Rentenbeginn) enthielt, die auch nicht im Einklang mit § 44 Abs. 4 SGB X stünde. Damit war der vorsorgliche Widerspruch des Klägers von der Beklagten zu beachten, denn sie wollte ersichtlich eine abschließende Entscheidung treffen.

Mithin sind die nachfolgenden – den ursprünglichen Bescheid ändernden – Bescheide zur Neuberechnung unter Berücksichtigung weiterer Zeiten jeweils gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Da das ursprüngliche Verwaltungsverfahren zum Zeitpunkt des Erlasses dieser neuen Bescheide nicht abgeschlossen war, waren die Neuberechnungen nach Maßgabe der für dieses Verfahren anzuwendenden Vorschriften, also nach denen des AVG vorzunehmen.

Das aufgrund des eingelegten Widerspruchs gegen den Bewilligungsbescheid vom 13. Oktober 1986 nicht abgeschlossene Verfahren war auch noch zum Zeitpunkt der angegriffenen weiteren Bescheide und bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 1999 offen. So hat der Kläger noch in seinen Schreiben vom 1. September und 7. September 1991 ausdrücklich auf seinen Widerspruch gegen den Bescheid vom 13. Oktober 1986 Bezug genommen und damit die Beachtlichkeit dieses Widerspruchs ausdrücklich geltend gemacht. Auch in der Folgezeit wird nicht erkennbar, dass er seinen Widerspruch nunmehr zurückgenommen oder für erledigt erklärt hätte. Ein noch offenes Verfahren liegt im Ergebnis auch dem an die Beklagte gerichteten gerichtlichen Hinweis zur Verzinsung (Schreiben vom 4. Februar 1994 im Verfahren S 11 An 1567/92 – Blatt 582 VA), auf das sich der Kläger immer wieder berufen hat, zugrunde, denn darin wird darauf abgestellt, dass der Kläger von Anfang an (das heißt ab Erlass des Bescheides vom 13. Oktober 1986) die Berücksichtigung weiterer Zeiten beansprucht hat. Wenn der Kläger im Berufungsverfahren erst ein im Jahre 1995 eingeleitetes Überprüfungsverfahren gemäß § 44 SGB X als Anlass für die 1996/97 erfolgten Neuberechnungen sehen will, setzt er sich in Widerspruch zu seinem bisherigen Vorbringen und verkennt, dass dieses Verfahren in seiner zeitlichen Wirkung beschränkt ist (§ 44 Abs. 4 SGB X) und deshalb insbesondere die von ihm geforderte und erhaltene Neuberechnung der EU-Rente bereits ab Rentenbeginn und auch des Übergangsgeldes nicht zugelassen hätte.

Auch die in den Bescheiden fälschlicherweise enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung und die daraufhin erfolgte Erhebung weiterer Widersprüche lässt sich nicht im Sinne einer Erledigung des seinerzeitigen Widerspruchs deuten. Sie sind vielmehr Ausdruck der klägerischen Haltung sicherzustellen, dass sämtliche Entscheidungen der Beklagten bis zu einer abschließenden Prüfung durch ihn selbst oder die Gerichte "offen" bleiben.

Da nach alledem ein bis zum 31. März 1992 gestellter und noch nicht abschließend entschiedener Rentenantrag auch für Zeiten vor dem 1. Januar 1992 vorliegt, ergibt sich aus § 300 Abs. 2 SGB VI für die EU-Rente die Anwendung alten Rechts, also des AVG.

Die vom Kläger gewünschte Berücksichtigung einer weiteren Zurechnungszeit im Umfang von 20 Monaten über die Vollendung des 55. Lebensjahres hinaus ist daher nicht möglich, da § 37 AVG dies nicht vorsieht.

Ob der Gegenwert der freiwilligen Beiträge in Höhe von 288 DM (der Kläger spricht zeitweise unzutreffend von 1600 DM) für die Zeit vom 1. Januar 1976 bis April 1977 tatsächlich an den Kläger zurückgezahlt worden ist, kann im Hinblick auf den nur die Rentenberechnung und damit die Rentenhöhe betreffenden Rechtsstreit dahinstehen. Die vom Kläger eingereichte Auskunft der Postbank (aus dem Jahre 1998) betrifft nicht das für die Rücküberweisung der Beiträge genutzte Konto bei der Postbank, das ersichtlich auch für andere Überweisungen seitens der Beklagten genutzt wurde und offenbar das des Postrentendienstes war. Da den Kläger andere Zahlungen auf diesem Wege erreicht haben, bleibt unklar, warum der Kläger diese Zahlung nach seinen Angaben nicht erhalten haben soll.

Denn auch wenn diese freiwilligen Beiträge nicht wirksam zurückgezahlt worden sein sollten, könnten diese nach der Anrechnung der zeitgleich liegenden Zeiten der Arbeitslosigkeit nicht mehr berücksichtigt werden, weil die nunmehr zu berücksichtigenden Ausfallzeiten eine günstigere Bewertung erfahren. Eine Berücksichtigung dieser freiwilligen Beiträge im Rahmen einer fiktiven Höherversicherung gemäß § 37 a AVG (diese Vorschrift ist ab 1. Juli 1985 aufgehoben worden) war nicht mehr vorzunehmen, weil durch die nach Änderung des § 32 Abs. 7 AVG vorzunehmende Günstigkeitsprüfung den Bedenken des Bundesverfassungsgerichts gegen die ursprüngliche Regelung Rechnung getragen worden ist (vgl. dazu BSG vom 30. Oktober 2001 – B 4 RA 122/00 R in SozR 3 2600 § 64 Nr. 1) und die Übergangsregelung in Artikel 2 § 12 b Abs. 5 AnVNG im Hinblick auf die nachträgliche Bewilligung mit Bescheid vom 13. Oktober 1986 eine Anwendung des aufgehobenen § 37 a AVG nicht mehr zulässt. Die angesprochenen freiwilligen Beiträge können auch nicht im Rahmen des § 32 b AVG als Beiträge der Höherversicherung berücksichtigt werden, weil ein Anwendungsfall dieser Bestimmung nicht vorliegt (vgl. auch die Übergangsregelung im Art. 2 § 12 a AnVNG).

Soweit der Kläger für diese Beiträge geltend macht, ihm seien dafür 6,75 Werteinheiten im Rahmen des Bestandsschutzes zu vergüten, weil die Beiträge insofern in früheren Bescheiden enthalten gewesen seien, kann dem nicht gefolgt werden. Die Beiträge wurden nur so lange im Rahmen der Berechnung der EU-Rente berücksichtigt, als die zeitgleich liegenden Ausfallzeiten mangels Halbbelegung nicht berücksichtigungsfähig waren, wie sich den Berechnungen in den Bescheiden vom 13. Oktober 1986 und 15. März 1991 entnehmen lässt. Soweit bezüglich der Berücksichtigung auf "Versicherungsverläufe" vom 29. Juli und 25. November 1992 Bezug genommen wird, kann es sich ausweislich der Akten (Blatt 478 VA) nur um unter diesem Datum vorgenommene Probeberechnungen im Hinblick auf die vorgezogene Altersrente handeln, also nicht um eine entsprechende Berücksichtigung in einem Rentenbescheid. Zu diesem Zeitpunkt war ausweislich der Akten keine neue Rentenberechnung durchzuführen, die letzte datiert vielmehr vom 15. März 1991. In dieser Zeit können allenfalls Bescheide bezüglich der KVdR bzw. eines Beitragszuschusses ergangen sein, die keine Zuordnung von Entgeltpunkten enthalten. Schon aus diesem Grund ist ein vom Kläger reklamierter Besitzschutz aus einem Bescheid nicht erkennbar.

Der Kläger kann auch nicht mit seinem Begehren Erfolg haben, die Bewertung der Ausbildungszeiten 1949/50 ohne die Begrenzung auf 8,33 Werteinheiten zu erhalten. Diese Begrenzung ergibt sich aus § 32 a Abs. 2 S. 2 AVG in der ab 1. Januar 1983 geltenden Fassung, die auch für die EU-Rente des Klägers maßgebend ist (vgl. Artikel 2 § 12 b Abs. 3 AnVNG).

Schließlich kann dem klägerischen Begehren, soweit bei der EU-Rente die Berücksichtigung einer weiteren Zurechnungszeit über die Vollendung des 55. Lebensjahres hinaus beansprucht wird, nicht entsprochen werden. Denn vorliegend sind, wie bereits dargelegt, die Bestimmungen des AVG anzuwenden. Diese sahen eine Zurechnungszeit nur bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres vor (vgl. § 37 AVG).

Daraus folgt, dass eine weitere Anrechnungszeit gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI über die Vollendung des 55. Lebensjahres hinaus bei der Altersrente nicht zu berücksichtigen ist, weil in der vorangegangenen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit eine Zurechnungszeit nur bis zu diesem Zeitpunkt zu berücksichtigen war. Soweit der Kläger im Rahmen der Altersrente zusätzlich 0,0675 Entgeltpunkte für die freiwilligen Beiträge 1976/77 berücksichtigt wissen will, fehlt es für dieses Begehren unabhängig davon, ob die Beiträge im Hinblick auf die verfügte Auszahlung nicht zu berücksichtigen sind, bereits an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Denn die nach dem SGB VI berechnete Altersrente führt ausweislich der Bescheide vom 26. März 1997 und 15. Oktober 1997 zu geringeren Entgeltpunkten als die Umwertung der bis zum 31. Oktober 1993 gezahlten Erwerbsunfähigkeitsrente, so dass die Altersrente selbst unter zusätzlicher Berücksichtigung der vom Kläger geltend gemachten 0,0675 Entgeltpunkte unter der im Rahmen des Besitzschutzes (§ 88 SGB VI) berechneten Rente bleibt.

Die Berufung kann nach alledem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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