L 4 KR 107/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 KR 194/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 107/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 6. November 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine einkommensgerechte Beitragseinstufung und Beitragserstattung in der Zeit vom 01.01.1995 bis 31.12.1998.

Die 1936 geborene Klägerin war seit Juli 1980 in der Beitragsklasse 601 ohne Anspruch auf Krankengeld freiwillig versichert, ab 01.01.1998 in der Beitragsklasse 605.

Nach einer zweimonatigen Pflichtversicherung im Januar und Februar 1999 war sie seit 01.03.1999 bei der Beklagten wieder freiwillig versichert, wegen Bezugs von Altersrente in der Beitragsklasse 801 mit einem monatlichen Gesamtbeitrag von 217,58 DM (einschließlich Pflegeversicherung). Seit 01.04.2002 ist sie Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner.

Die Klägerin ließ am 07.04.1999 durch ihre Bevollmächtigte, eine zugelassene Rentenberaterin, einen Antrag auf Überprüfung der Beiträge in der Kranken- und Pflegeversicherung stellen. Die Beklagte teilte ihr mit dem Anhörungsschreiben vom 06.05.1999 mit, die Einstufung in die Beitragsklassen 601/605 sei zu Recht erfolgt.

Die Bevollmächtigte beantragte am 11.08.1999 eine einkommensbezogene, im Rahmen der Verjährungsvorschriften rückwirkende Beitragseinstufung sowie Beitragserstattung; Einkommensteuerbescheide könnten bei Bedarf vorgelegt werden. Mit Bescheid vom 18.08.1999 lehnte die Beklagte eine rückwirkende Einstufung in eine einkommensabhängige Beitragsklasse ab. Die Mitglieder würden immer wieder auf die Möglichkeiten der einkommensbezogenen Einstufung in der Mitgliederzeitschrift aufmerksam gemacht. Unterlagen über die Einstufung zu Beginn der Mitgliedschaft seien nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen vernichtet worden.

Die Bevollmächtigte der Klägerin legte hiergegen am 06.09.1999 unter Vorlage der Einkommensteuerbescheide aus der Zeit von 1995 bis 1997 Widerspruch ein; darin hatte die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 61.485,00 DM (1995), 21.434,00 DM (1996) und 40.295,00 DM (1997) versteuert; ihr Ehemann hatte Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Es sei nicht zulässig, bei der Beitragsfestsetzung von vornherein den Höchstbeitrag zu fordern, vielmehr hätte die Beklagte bei der Klägerin das Einkommen ermitteln müssen.

Mit Schreiben vom 11.10.1999 wies die Beklagte unter Bezugnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung darauf hin, die Treue- und Sorgfaltspflicht der Kasse beinhalte nicht, den Versicherten über alle Eventualitäten des eingegangenen Versicherungsverhältnisses aufzuklären. Ohne ausdrückliche Anfrage bestünde keine Verpflichtung, Belehrungen und Ratschläge zu erteilen. Die Beklagte habe in den Zeitschriften regelmäßig Informationen über die Einstufungsmöglichkeiten der Selbstständigen veröffentlicht.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.1999 den Widerspruch zurück. Die Mitgliedschaft der Klägerin werde in der Zeit vom 01.01.1995 bis 31.12.1998 zu Recht in der Beitragsklasse 601 bzw. ab 01.01.1998 in der Beitragsklasse 605 geführt. Ein Anspruch auf rückwirkende Änderung der Beitragseinstufung und auf eine damit verbundene Beitragserstattung für die Zeit ab 01.01.1995 - und früher - bis 31.12.1998 bestehe nicht. Nach § 22 der Satzung wurden hauptberuflich Selbständige ohne Anspruch auf Krankengeld in der Beitragsklasse 601 versichert, seit dem 01.01.1998 in der Beitragsklasse 605. Auf Antrag und mit Zustimmung der Kasse konnten sie sich, falls ihre beitragspflichtigen Einnahmen die jeweilige Beitragsbemessungsgrenze nicht überstiegen, in einer der Beitragsklassen 875, 885 f. (ohne Anspruch auf Krankengeld) versichern, ab 01.01.1998 in den Beitragsklassen 805, 945 f ... Bei hauptberuflich selbständig erwerbstätigen, freiwillig versicherten Mitgliedern wird als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag der 30. Teil der monatliche Beitragsbemessungsgrundlage zu Grunde gelegt, bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße. Änderungen der Beitragsbemessung aufgrund eines vom Versicherten geführten Nachweises können nach der gesetzlichen Regelung nur zum ersten Tag des auf die Vorlage des Nachweises folgenden Monats wirksam werden. Der Umstand, dass ab 01.01.1995 die Voraussetzungen für eine einkommensbezogene Einstufung vorgelegen hätten, führe nicht zu einer rückwirkenden Änderung der Beitragseinstufung. Die Satzung regle, dass ein freiwilliger Wechsel innerhalb der den Versicherungsberechtigten vorbehaltenen Beitragsklassen mit dem Ersten des auf den Antrag folgenden Monats beginne. Diese Regelung, die auch der gesetzlichen Vorschrift entspreche, schließe eine rückwirkende Umstufung aus. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesozialgerichts sei eine rückwirkende einkommensbezogene Beitragseinstufung Selbständiger nicht zulässig, da dies zu einer Risikoverschiebung zu Lasten der Kassen führe. Die Regeleinstufung für hauptberuflich Selbstständige ist von der tatsächlichen Höhe des Einkommens unabhängig. Daher habe die Beklagte bei diesem Personenkreis von jährlichen Einkommensanfragen abgesehen. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung gegenüber anderen Selbstständigen, die einkommensbezogen eingestuft sind, liege nicht vor.

Die Klägerin hat hiergegen am 07.12.1999 durch ihre Bevollmächtigte beim Sozialgericht Augsburg (SG) Klage erheben lassen. Beiträge in der Kranken- und Pflegeversicherung seien entsprechend ihrem Einkommen rückwirkend neu festzusetzen und die zu viel gezahlten Beiträge zurückzuerstatten. Die entsprechenden Satzungsvorschriften für die Beitragsbemessung und -einstufung der Beklagten seien verfassungswidrig. Da die Beklagte eine Einkommensprüfung zu Beginn der Mitgliedschaft nicht nachweisen könne, hafte sie unter dem Gesichtspunkt des Herstellungsanspruchs wegen Verletzung ihrer Betreuungspflicht. Sie habe in der Zeit von 1994 bis 1998 auch keine Beitragsbescheide erlassen. Die Bevollmächtigte hat außerdem die Einkommensteuerbescheide der Klägerin aus der Zeit von 1992 bis 1994 vorgelegt.

Die Beklagte hat ein weiteres Mal darauf hingewiesen, dass nach der Satzung in der Regel bei hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen die Beitragseinstufung aufgrund beitragspflichtiger Einnahmen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze erfolge. Hinweise auf Beitragserhöhungen seien in der Mitgliederzeitschrift erfolgt. Die Beiziehung der Steuerbescheide bei Selbstständigen erfolge lediglich zum Nachweis im Falle einer einkommensbezogenen Beitragseinstufung.

Das SG hat mit Urteil vom 06.11.2002 die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die Beitragseinstufung der Klägerin zutreffend vorgenommen und eine Beitragserstattung zu Recht abgelehnt. Nach der gesetzlichen Vorschrift des § 240 SGB V und der Satzungsregelung (§ 22) sei bei freiwilligen Mitgliedern, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze anzusetzen, bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße. Veränderungen der Beitragsbemessung können aufgrund eines vom Versicherten geführten Nachweises nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden. Dementsprechend habe die Klägerin im streitigen Zeitraum Beiträge in Höhe eines fiktiven Einkommens nach der Beitragsbemessungsgrenze (Höchstbeiträge) gezahlt. Sie habe bis zum Ende ihrer selbständigen Tätigkeit den Nachweis eines geringeren Einkommens nicht geführt. Vielmehr seien von ihrer Bevollmächtigten erst mit dem Widerspruch vom 06.09.1999 die Einkommensteuerbescheide der Jahre 1995 bis 1997 als Nachweis des Einkommens vorgelegt worden. Auch nach der Satzung sei ein Antrag auf Einstufung in eine niedrigere Beitragsklasse vom Beginn der derzeitigen Tätigkeit an wirksam, wenn er innerhalb eines Monats gestellt werde, im Übrigen vom ersten des auf die Antragstellung folgenden Monats. Zu Unrecht berufe die Klägerin sich auch auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch wegen Verletzung der aus dem Versicherungsverhältnis erwachsenden Pflichten. Auch wenn für den Anspruch auf Beratung nicht stets ein Antrag Voraussetzung sei, sei eine Verwaltung aber nicht ohne jeden Anlass zu einer Beratung "ins Blaue hinein" verpflichtet. Da die Klägerin nicht geltend gemacht hat, dass sie sich mit einem Beratungsbegehren an die Beklagte gewandt hatte und auch dort nichts über die konkreten Einkommensverhältnisse der Klägerin bekannt war, habe sich für die Beklagte kein Anlass für eine Beratung ergeben. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch könne auch nicht auf die allgemeine Verletzung von Auskunfts- und Informationspflichten der Beklagten gestützt werden. Die Rüge, die Beklagte habe nicht das Einkommen der Klägerin ermittelt und Einkommensnachweise gefordert, führe nicht zu einer rückwirkenden, günstigeren Beitragsseinstufung. Die Klägerin sei, ebenso wie die übrigen Versicherten, in den regelmäßigen Mitgliederzeitschriften der Beklagten auf die Grundlagen der Beitragsbemessung hingewiesen worden. Dies habe die Beklagte durch Kopien aus der Mitgliederzeitung nachgewiesen. Bei der Klägerin handle es sich um eine geschäftsgewandte Person, die mit der Erledigung von Geschäfts- und Behördenangelegenheiten so hinreichend vertraut ist, dass es ihr auch zuzumuten ist, sich durch Einblick in in die Mitgliederzeitschrift selbst zu vergewissern, ob die Beitragseinstufung korrekt ist und sich gegebenenfalls andere Möglichkeiten der Beitragszahlung ergeben könnten. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch könne auch nicht auf eine vermeintliche Verletzung interner Arbeitsanweisungen gestützt werden, die eine Aufklärung über die Zahlung einkommensgerechter Beiträge bei entsprechendem Nachweis des Einkommens erfordert hätten. Die von der Bevollmächtigten angesprochene Beanstandung des Bundesversicherungsamts betreffe lediglich den qualifizierten Nachweis des niedrigeren Einkommens im Falle einer einkommensabhängigen Beitragseinstufung, aber nicht die grundsätzlich einkommensunabhängige Beitragseinstufung eines Selbständigen. Es liege auch keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes vor (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz). Ein hinreichender sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung derjenigen Selbstständigen, die Höchstbeiträge zahlen, bezüglich der jährlichen Forderung der Krankenkasse nach einem Nachweis des Einkommens, ergebe sich bereits aus dem Gesetzestext. Denn bei der Zahlung des Regelbeitrags für Selbständige sei eine regelmäßige Einkommensüberprüfung nicht erforderlich. Dies gelte auch für die Beiträge zur Pflegeversicherung. Im Übrigen sei die beklagte Krankenkasse für eine Streitigkeit bezüglich des Pflegeversicherungsbeitrag nicht passiv legitimiert. Im Klageverfahren könne daher mit einer Klage ausschließlich gegen die Krankenkasse kein Anspruch bezüglich der Pflegeversicherung geltend gemacht werden. Die Bevollmächtigte habe mit der Klageschrift gegen den Bescheid der Barmer Ersatzkasse Klage erhoben und im Klageantrag ausdrücklich nur Neufestsetzung der freiwilligen Krankenversicherungsbeiträge beantragt. Erst mit Schreiben vom 28.04.2000 habe sie auch die Neufestsetzung der Beiträge zur Pflegeversicherung verlangt. Hierbei handle es sich um eine nicht sachdienliche Klageänderung.

Hiergegen hat Bevollmächtigte der Klägerin am 02.05.2003 Berufung eingelegt. Die Klägerin hat die Berufung nicht begründet. Der Senat hat die Bevollmächtigte darauf hingewiesen, dass sie als Rentenberaterin zu der Vertretung nicht befugt ist.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 06.11.2002 sowie des Bescheides vom 18.08.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides in 11.11.1999 zu verurteilen, in der Zeit von 01.01.1995 bis 31.12. 1998 eine einkommensgerechte Beitragseinstufung durchzuführen und zu Unrecht gezahlten Beiträge zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt der beigezogenen Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung (§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig.

Die Berufung ist unbegründet; das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden.

Das SG hat zu Recht die beantragte rückwirkende einkommensgerechte Beitragseinstufung sowie eine Beitragserstattung im streitigen Zeitraum unter Bezugnahme auf § 240 Sozialgesetzbuch V und § 22 der Satzung der Beklagten in den jeweils einschlägigen Fassungen abgelehnt.

Da die Berufung nicht begründet worden ist, sieht der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und nimmt auf die zutreffende und umfassende Begründung im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Augsburg Bezug. Ferner wird auf die beiden Senatsurteile vom 05.08.1993 - L 4 Kr 36/90 und 10.12.1992 - L 4 Kr 73/90 verwiesen, die von der Beklagten bereits in das Sozialgerichtsverfahren eingeführt wurden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG ist gegeben.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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