Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 KR 172/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 237/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 11. September 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Übernahme der restlichen Kosten für eine Brille.
Der 1942 geborene Kläger ist bei der Beklagten versichert (Familienversicherung); bei ihm liegt eine höhergradige Myopie vor (rechts -16,00 Dioptrien, links -8,25 Dioptrien). Er erhielt bis Ende 2001 Sozialhilfe.
Der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Augenarzt Dr. Z. verordnete mit Kassenrezept vom 13.01.2003 eine Fernbrille mit hochbrechendem Glas bei höhergradiger Myopie als Folgebrille (zwei Gläser). Am 03.02.2003 bescheinigte er für den Kläger in einem Attest zur Vorlage bei der Stadt N. , dass der Kläger u. a. wegen höhergradiger Myopie und Astigmatismus ohne Brille orientierungslos und schwerbehindert sei.
Die Firma P. Optik (N.) erstellte am 14.01.2003 eine Rechnung über eine Fernbrille (Auftrag Nr. 1), in dem sie für die hochbrechenden Gläser einen Krankenkassenanteil von 61,36 Euro und eine Zuzahlung von 259,24 Euro sowie für die Superentspiegelung einen Krankenkassenanteil von 61,36 Euro und die Zuzahlung von 218,04 Euro angab. Der hierin enthaltene Auftrag Nr. 2 betraf einen Brillenvorhänger mit kontraststeigernden Sonnenschutzgläsern (Zuzahlung 159,20 Euro). Am 04.02.2003 erstellte sie einen Kostenvoranschlag für eine Fernbrille (Auftrag Nr. 1) mit hochbrechenden Gläsern und Superentspiegelung zu einem Gesamtpreis von 791,00 Euro und berechnete den Krankenkassenanteil mit 122,72 Euro sowie die Zuzahlung mit 668,28 Euro (einschließlich der Kosten für die Fassung in Höhe von 191,00 Euro); die aufgrund der ärztlichen Verordnung erforderliche Brille zum Ausgleich der Sehbehinderung könne im Rahmen der für diese Brillen festgesetzten Festbeträge nicht gefertigt werden. In diesem Kostenvoranschlag waren Gläser mit einem Brechungsindex von 1,8 enthalten.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 07.02.2003 unter Bezugnahme auf die hier einschlägigen Festbeträge eine volle Kostenübernahme ab. Die Kosten würden jeweils bis zum Festbetrag übernommen, der Kläger habe die Mehrkosten selbst zu tragen. Die Beklagte zahlte den Kassenanteil.
Der Kläger legte hiergegen am 18.02.2003 unter Beifügung eines Schreibens des Behindertenbeauftragten der Stadt N. vom 17.02.2003 Widerspruch ein; die Ausführungen im Bescheid seien rechtlich zutreffend, aber die Festbeträge für Brillengläser seien im vorliegenden Fall nicht so festgesetzt, um den Besonderheiten des Einzelfalles gerecht zu werden. Ohne Brille könne er nicht mehr seiner bisherigen stundenweisen Bürotätigkeit nachgehen.
Die Beklagte setzte am 04.04.2003 den Kassenanteil aufgrund der Festbeträge fest und wies mit Widerspruchsbescheid vom 08.05. 2003 den Widerspruch zurück. Sie habe dem Kläger in Höhe des entsprechenden Festbetrages für höherbrechende mineralische Einstärkengläser mit einem Brechungsindex von 1,7 eine Beteiligung an den Gesamtkosten in Höhe von 122,72 Euro angeboten. Bei der Versorgung mit Hilfsmitteln sei das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Ist für die Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfülle die Kasse ihre Leistungspflicht mit diesem Festbetrag. Brillengläser zählten zu den Hilfsmitteln, für die Festbeträge gelten. Nach den Hilfsmittelrichtlinien dürften entspiegelte Gläser nicht zu Lasten der Kasse verordnet bzw. abgerechnet werden. Außerdem sei in den Hilfsmittelrichtlinien bestimmt, dass hochbrechende mineralische Gläser zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nur bei einer Myopie ab -15 Dioptrien und dann nur mit einem Brechungsindex bis maximal 1,7 verordnungsfähig sind. Danach habe der Kläger Anspruch auf Versorgung mit hochbrechenden mineralischen Gläsern mit einem Brechungsindex von 1,7. Das Bundesverfassungsgericht habe die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen über die Festsetzung von Festbeträgen bestätigt.
Der Kläger hat hiergegen am 21.05.2003 beim Sozialgericht Nürnberg (SG) Klage erhoben. Ohne die beiden hochbrechenden Brillengläser sei eine Erwerbstätigkeit nicht möglich, infolge der Erkrankungen und Behinderungen habe er einen GdB von 100. Die Versorgung mit zwei hochbrechenden Brillengläsern sei notwendig, da er nur so wenigstens einer geringfügigen Erwerbstätigkeit nachgehen könne. Die Beklagte habe die Kosten der Brillengläser in voller Höhe zu übernehmen.
Das SG hat mit Urteil vom 11.09.2003 die Klage abgewiesen. Der Anspruch auf Krankenbehandlung umfasse auch die Versorgung mit Hilfsmitteln und somit auch von Sehhilfen. Es sei unstreitig, dass der Kläger eine Sehhilfe benötigt und grundsätzlich einen Anspruch auf die Versorgung mit diesem Hilfsmittel hat. Unerheblich sei, dass die Berechnungen der Kassenanteile in der Rechnung und im Kostenvoranschlag voneinander abweichen, da der Kläger jedenfalls bereits keinen Sachleistungsanspruch auf die hochbrechenden Brillengläser mit der Entspiegelung habe. Die Verordnung des Augenarztes sei keine Grundlage für die tatsächlich gefertigten Gläser. Die begehrte Entspiegelung werde in der Verordnung nicht aufgeführt, auch ein bestimmter Brechungsindex sei nicht angegeben. Darüberhinaus hätten entspiegelte Gläser mit einem Brechungsindex von 1,8 nicht vom Vertragsarzt verordnet werden können. Auch für das rechte Auge sei nur ein Glas mit einem Brechungsindex von maximal 1,7 verordnungsfähig. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2000 sei die Festbetragsregelung als Allgemeinverfügung einzuordnen und als solche verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber dürfe für den Vollzug hinreichend bestimmter gesetzlicher Vorschriften die Form der Allgemeinverfügung auch dann vorsehen, wenn deren Regelung an einen unbestimmten, aber im Anwendungszeitpunkt bestimmbaren Personenkreis gerichtet ist. Rechtsstaatlichen Erfordernissen sei ausreichend Rechnung getragen. Die Festbeträge seien so festzusetzen, dass sie im Allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten. Wirtschaftlichkeitsreserven seien auszuschöpfen und es solle damit ein wirksamer Preiswettbewerb ausgelöst werden. Es sei hier nicht ersichtlich, dass bei der Festbetragsfestsetzung der gesetzliche Rahmen verletzt worden ist.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 08.10.2003, mit der er zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt, die Beklagte habe die restlichen Kosten der Fernbrille (ohne Entspiegelung) zu übernehmen, er sei aber auch kompromissbereit. Mit Schriftsatz vom 11.11.2003 hat er noch mitgeteilt, er begehre nicht den vollen Fertigungspreis, er habe "erhebliche Abstriche" bezüglich der "der Brille zugeordneten Eigenschaften/Zubehör" angeboten.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.09.2003 sowie des Bescheides vom 07.02.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2003 zu verurteilen, die restlichen Kosten der Gläser der am 13.01. 2003 verordneten Fernbrille in Höhe von 668,28 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt der beigezogenen Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Zwar hat der Käger zunächst die Kosten der Entspiegelung nicht geltend gemacht, so dass allein deswegen der Beschwerdewert (500,00 Euro) nicht erreicht wäre. Da er aber unter Bezugnahme auf sein Vorbringen vor dem SG die Kosten der Brille mit Abstrichen geltend gemacht hat, nimmt der Senat wegen der Rechtsschutzgarantie des Art.19 Abs.4 Grundgesetz die Zulässigkeit des Rechtsmittels an.
Die Berufung ist unbegründet; das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme auch nur eines Teiles oder der gesamten restlichen Kosten der Fernbrille in der geltend gemachten Höhe (Fertigungskosten 791,00 Euro abzüglich Kassenanteil 122,72 Euro = 668,28 Euro) gemäß § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch V (SGB V). Nach dieser gesetzlichen Regelung, die hier allein infrage kommt, hat die Krankenkasse die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn sie entweder eine unaufschiebare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind.
Der hier streitigen Ausstattung der verordneten Fernbrille mit Gläsern mit Superentspiegelung und Brechungsindex 1,8 liegt keine unaufschiebbare Leistung zu Grunde. Die Beklagte hat diese Ausstattung der Brille auch nicht zu Unrecht abgelehnt; denn der Kläger hatte keinen entsprechenden Sachleistungsanspruch gegen die Beklagte.
Zum Anspruch auf Sachleistungen der Krankenbehandlung gehört auch die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 27 Abs. 1 S. 1, § 33 Abs. 1 SGB V). Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Kläger eine Sehhilfe benötigt. Allerdings ist die Beklagte nicht verpflichtet, die streitigen Restkosten der verordneten Fernbrille zu übernehmen. In § 12 Abs. 2 SGB V ist geregelt, dass die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag erfüllt, wenn für die Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist. § 33 Abs. 2 SGB V sieht vor, dass die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe dieses Festbetrags für Hilfsmittel im Sinne des § 36 SGB V übernimmt. Nach dieser gesetzlichen Regelung bestimmen die Spitzenverbände der Krankenkassen gemeinsam und einheitlich Hilfsmittel, für die Festbeträge festgesetzt werden. Dies ist auch für Brillen der Fall (siehe Übersicht über die derzeit gültigen Festbeträge in Euro in Bayern, höherbrechende mineralische Gläser 25.21.28., Kassenanteil = 61,36 Euro).
Von vornherein aus der Leistungspflicht der Beklagten ausgenommen ist die Kostenübernahme für das Brillengestell. Gemäß § 33 Abs. 1 S. 3 SGB V umfasst der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nicht die Kosten des Brillengestells. Bezüglich der restlichen Kosten für die Ausstattung der Gläser ist zu berücksichtigen, dass der Sachleistungsanspruch auf Versorgung mit Sehhilfen als Rahmenrecht modifiziert wird durch die ärztliche Verordnung (§ 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V) und die vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen beschlossenen Richtlinien zur Sicherung der ärztlichen Versorgung über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; derartige Richtlinien betreffen auch die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 92 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 6 SGB V). Diese Richtlinien sind Bestandteil der Bundesmantelverträge und für die Krankenkassen und Vertragsärzte bindendes Recht, soweit sie nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen.
Dem SG ist auch darin zuzustimmen, dass die vertragsärztliche Verordnung der Fernbrille keine Angaben über die im Kostenvoranschlag des Optikers enthaltenen Superentspiegelung und hochbrechenden Gläser enthält. Diese Positionen sind offensichtlich vom Optiker dem Kläger als Mehrleistung vorgeschlagen worden, da anderenfalls der im Kostenvoranschlag enthaltene Passus, dass die Brille im Rahmen der für Brillen festgesetzten Festbeträge nicht gefertigt werden könne, überflüssig wäre.
Problematisch im vorliegenden Fall ist auch nicht das Recht des Gesetzgebers, die Leistungspflicht der Krankenkassen durch Einführung von Festbeträgen zu begrenzen sowie deren Höhe aufgrund der Festsetzung der Spitzenverbände der Krankenkassen, sondern die Abweichung des Optikers von der vertragsärztlichen Verordnung insoweit, als dem Versicherten bzw. der Kasse die Kosten für eine nicht verordnungsfähige Ausstattung der Brillengläser auferlegt werden sollen. Die hier einschlägigen Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Hilfsmittelrichtlinien) vom 17.06.1992 i.d.F. vom 06.02.2001 (Bundesanzeiger 2001 Nr. 102 S. 11037) enthalten in Abschnitt B. Sehhilfen Nr. 58.2 die Regelung, dass enspiegelte Gläser nicht verordnungsfähig sind. Nr. 58.5 regelt, dass hochbrechende mineralische Gläser, ausgenommen bei einer Myopie ab -15 Dioptrien nicht verordnungsfähig sind, in diesen Fällen sind Gläser nur mit einem Brechungsindex bis maximal 1,7 verordnungsfähig. Ausnahmen davon sind nicht vorgesehen.
Falls die Brille nach dem 06.01.2005 angefertigt wurde, ergibt sich auch nach der Neufassung der Richtlinien vom 19.10.2004 (Bundesanzeiger 2005, Nr. 2, S. 89) , in Kraft getreten am 06.01.2005, kein für den Kläger günstigeres Ergebnis. Nach dieser Neufassung enthalten die Nrn. 57.2 und 57.5 den gleichen Ausschluss von der Verordnungsfähigkeit für Entspiegelung und Gläser mit einem Brechungsindex über 1,7.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Übernahme der restlichen Kosten für eine Brille.
Der 1942 geborene Kläger ist bei der Beklagten versichert (Familienversicherung); bei ihm liegt eine höhergradige Myopie vor (rechts -16,00 Dioptrien, links -8,25 Dioptrien). Er erhielt bis Ende 2001 Sozialhilfe.
Der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Augenarzt Dr. Z. verordnete mit Kassenrezept vom 13.01.2003 eine Fernbrille mit hochbrechendem Glas bei höhergradiger Myopie als Folgebrille (zwei Gläser). Am 03.02.2003 bescheinigte er für den Kläger in einem Attest zur Vorlage bei der Stadt N. , dass der Kläger u. a. wegen höhergradiger Myopie und Astigmatismus ohne Brille orientierungslos und schwerbehindert sei.
Die Firma P. Optik (N.) erstellte am 14.01.2003 eine Rechnung über eine Fernbrille (Auftrag Nr. 1), in dem sie für die hochbrechenden Gläser einen Krankenkassenanteil von 61,36 Euro und eine Zuzahlung von 259,24 Euro sowie für die Superentspiegelung einen Krankenkassenanteil von 61,36 Euro und die Zuzahlung von 218,04 Euro angab. Der hierin enthaltene Auftrag Nr. 2 betraf einen Brillenvorhänger mit kontraststeigernden Sonnenschutzgläsern (Zuzahlung 159,20 Euro). Am 04.02.2003 erstellte sie einen Kostenvoranschlag für eine Fernbrille (Auftrag Nr. 1) mit hochbrechenden Gläsern und Superentspiegelung zu einem Gesamtpreis von 791,00 Euro und berechnete den Krankenkassenanteil mit 122,72 Euro sowie die Zuzahlung mit 668,28 Euro (einschließlich der Kosten für die Fassung in Höhe von 191,00 Euro); die aufgrund der ärztlichen Verordnung erforderliche Brille zum Ausgleich der Sehbehinderung könne im Rahmen der für diese Brillen festgesetzten Festbeträge nicht gefertigt werden. In diesem Kostenvoranschlag waren Gläser mit einem Brechungsindex von 1,8 enthalten.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 07.02.2003 unter Bezugnahme auf die hier einschlägigen Festbeträge eine volle Kostenübernahme ab. Die Kosten würden jeweils bis zum Festbetrag übernommen, der Kläger habe die Mehrkosten selbst zu tragen. Die Beklagte zahlte den Kassenanteil.
Der Kläger legte hiergegen am 18.02.2003 unter Beifügung eines Schreibens des Behindertenbeauftragten der Stadt N. vom 17.02.2003 Widerspruch ein; die Ausführungen im Bescheid seien rechtlich zutreffend, aber die Festbeträge für Brillengläser seien im vorliegenden Fall nicht so festgesetzt, um den Besonderheiten des Einzelfalles gerecht zu werden. Ohne Brille könne er nicht mehr seiner bisherigen stundenweisen Bürotätigkeit nachgehen.
Die Beklagte setzte am 04.04.2003 den Kassenanteil aufgrund der Festbeträge fest und wies mit Widerspruchsbescheid vom 08.05. 2003 den Widerspruch zurück. Sie habe dem Kläger in Höhe des entsprechenden Festbetrages für höherbrechende mineralische Einstärkengläser mit einem Brechungsindex von 1,7 eine Beteiligung an den Gesamtkosten in Höhe von 122,72 Euro angeboten. Bei der Versorgung mit Hilfsmitteln sei das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Ist für die Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfülle die Kasse ihre Leistungspflicht mit diesem Festbetrag. Brillengläser zählten zu den Hilfsmitteln, für die Festbeträge gelten. Nach den Hilfsmittelrichtlinien dürften entspiegelte Gläser nicht zu Lasten der Kasse verordnet bzw. abgerechnet werden. Außerdem sei in den Hilfsmittelrichtlinien bestimmt, dass hochbrechende mineralische Gläser zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nur bei einer Myopie ab -15 Dioptrien und dann nur mit einem Brechungsindex bis maximal 1,7 verordnungsfähig sind. Danach habe der Kläger Anspruch auf Versorgung mit hochbrechenden mineralischen Gläsern mit einem Brechungsindex von 1,7. Das Bundesverfassungsgericht habe die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen über die Festsetzung von Festbeträgen bestätigt.
Der Kläger hat hiergegen am 21.05.2003 beim Sozialgericht Nürnberg (SG) Klage erhoben. Ohne die beiden hochbrechenden Brillengläser sei eine Erwerbstätigkeit nicht möglich, infolge der Erkrankungen und Behinderungen habe er einen GdB von 100. Die Versorgung mit zwei hochbrechenden Brillengläsern sei notwendig, da er nur so wenigstens einer geringfügigen Erwerbstätigkeit nachgehen könne. Die Beklagte habe die Kosten der Brillengläser in voller Höhe zu übernehmen.
Das SG hat mit Urteil vom 11.09.2003 die Klage abgewiesen. Der Anspruch auf Krankenbehandlung umfasse auch die Versorgung mit Hilfsmitteln und somit auch von Sehhilfen. Es sei unstreitig, dass der Kläger eine Sehhilfe benötigt und grundsätzlich einen Anspruch auf die Versorgung mit diesem Hilfsmittel hat. Unerheblich sei, dass die Berechnungen der Kassenanteile in der Rechnung und im Kostenvoranschlag voneinander abweichen, da der Kläger jedenfalls bereits keinen Sachleistungsanspruch auf die hochbrechenden Brillengläser mit der Entspiegelung habe. Die Verordnung des Augenarztes sei keine Grundlage für die tatsächlich gefertigten Gläser. Die begehrte Entspiegelung werde in der Verordnung nicht aufgeführt, auch ein bestimmter Brechungsindex sei nicht angegeben. Darüberhinaus hätten entspiegelte Gläser mit einem Brechungsindex von 1,8 nicht vom Vertragsarzt verordnet werden können. Auch für das rechte Auge sei nur ein Glas mit einem Brechungsindex von maximal 1,7 verordnungsfähig. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2000 sei die Festbetragsregelung als Allgemeinverfügung einzuordnen und als solche verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber dürfe für den Vollzug hinreichend bestimmter gesetzlicher Vorschriften die Form der Allgemeinverfügung auch dann vorsehen, wenn deren Regelung an einen unbestimmten, aber im Anwendungszeitpunkt bestimmbaren Personenkreis gerichtet ist. Rechtsstaatlichen Erfordernissen sei ausreichend Rechnung getragen. Die Festbeträge seien so festzusetzen, dass sie im Allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten. Wirtschaftlichkeitsreserven seien auszuschöpfen und es solle damit ein wirksamer Preiswettbewerb ausgelöst werden. Es sei hier nicht ersichtlich, dass bei der Festbetragsfestsetzung der gesetzliche Rahmen verletzt worden ist.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 08.10.2003, mit der er zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt, die Beklagte habe die restlichen Kosten der Fernbrille (ohne Entspiegelung) zu übernehmen, er sei aber auch kompromissbereit. Mit Schriftsatz vom 11.11.2003 hat er noch mitgeteilt, er begehre nicht den vollen Fertigungspreis, er habe "erhebliche Abstriche" bezüglich der "der Brille zugeordneten Eigenschaften/Zubehör" angeboten.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.09.2003 sowie des Bescheides vom 07.02.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2003 zu verurteilen, die restlichen Kosten der Gläser der am 13.01. 2003 verordneten Fernbrille in Höhe von 668,28 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt der beigezogenen Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Zwar hat der Käger zunächst die Kosten der Entspiegelung nicht geltend gemacht, so dass allein deswegen der Beschwerdewert (500,00 Euro) nicht erreicht wäre. Da er aber unter Bezugnahme auf sein Vorbringen vor dem SG die Kosten der Brille mit Abstrichen geltend gemacht hat, nimmt der Senat wegen der Rechtsschutzgarantie des Art.19 Abs.4 Grundgesetz die Zulässigkeit des Rechtsmittels an.
Die Berufung ist unbegründet; das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme auch nur eines Teiles oder der gesamten restlichen Kosten der Fernbrille in der geltend gemachten Höhe (Fertigungskosten 791,00 Euro abzüglich Kassenanteil 122,72 Euro = 668,28 Euro) gemäß § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch V (SGB V). Nach dieser gesetzlichen Regelung, die hier allein infrage kommt, hat die Krankenkasse die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn sie entweder eine unaufschiebare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind.
Der hier streitigen Ausstattung der verordneten Fernbrille mit Gläsern mit Superentspiegelung und Brechungsindex 1,8 liegt keine unaufschiebbare Leistung zu Grunde. Die Beklagte hat diese Ausstattung der Brille auch nicht zu Unrecht abgelehnt; denn der Kläger hatte keinen entsprechenden Sachleistungsanspruch gegen die Beklagte.
Zum Anspruch auf Sachleistungen der Krankenbehandlung gehört auch die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 27 Abs. 1 S. 1, § 33 Abs. 1 SGB V). Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Kläger eine Sehhilfe benötigt. Allerdings ist die Beklagte nicht verpflichtet, die streitigen Restkosten der verordneten Fernbrille zu übernehmen. In § 12 Abs. 2 SGB V ist geregelt, dass die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag erfüllt, wenn für die Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist. § 33 Abs. 2 SGB V sieht vor, dass die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe dieses Festbetrags für Hilfsmittel im Sinne des § 36 SGB V übernimmt. Nach dieser gesetzlichen Regelung bestimmen die Spitzenverbände der Krankenkassen gemeinsam und einheitlich Hilfsmittel, für die Festbeträge festgesetzt werden. Dies ist auch für Brillen der Fall (siehe Übersicht über die derzeit gültigen Festbeträge in Euro in Bayern, höherbrechende mineralische Gläser 25.21.28., Kassenanteil = 61,36 Euro).
Von vornherein aus der Leistungspflicht der Beklagten ausgenommen ist die Kostenübernahme für das Brillengestell. Gemäß § 33 Abs. 1 S. 3 SGB V umfasst der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nicht die Kosten des Brillengestells. Bezüglich der restlichen Kosten für die Ausstattung der Gläser ist zu berücksichtigen, dass der Sachleistungsanspruch auf Versorgung mit Sehhilfen als Rahmenrecht modifiziert wird durch die ärztliche Verordnung (§ 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V) und die vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen beschlossenen Richtlinien zur Sicherung der ärztlichen Versorgung über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; derartige Richtlinien betreffen auch die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 92 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 6 SGB V). Diese Richtlinien sind Bestandteil der Bundesmantelverträge und für die Krankenkassen und Vertragsärzte bindendes Recht, soweit sie nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen.
Dem SG ist auch darin zuzustimmen, dass die vertragsärztliche Verordnung der Fernbrille keine Angaben über die im Kostenvoranschlag des Optikers enthaltenen Superentspiegelung und hochbrechenden Gläser enthält. Diese Positionen sind offensichtlich vom Optiker dem Kläger als Mehrleistung vorgeschlagen worden, da anderenfalls der im Kostenvoranschlag enthaltene Passus, dass die Brille im Rahmen der für Brillen festgesetzten Festbeträge nicht gefertigt werden könne, überflüssig wäre.
Problematisch im vorliegenden Fall ist auch nicht das Recht des Gesetzgebers, die Leistungspflicht der Krankenkassen durch Einführung von Festbeträgen zu begrenzen sowie deren Höhe aufgrund der Festsetzung der Spitzenverbände der Krankenkassen, sondern die Abweichung des Optikers von der vertragsärztlichen Verordnung insoweit, als dem Versicherten bzw. der Kasse die Kosten für eine nicht verordnungsfähige Ausstattung der Brillengläser auferlegt werden sollen. Die hier einschlägigen Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Hilfsmittelrichtlinien) vom 17.06.1992 i.d.F. vom 06.02.2001 (Bundesanzeiger 2001 Nr. 102 S. 11037) enthalten in Abschnitt B. Sehhilfen Nr. 58.2 die Regelung, dass enspiegelte Gläser nicht verordnungsfähig sind. Nr. 58.5 regelt, dass hochbrechende mineralische Gläser, ausgenommen bei einer Myopie ab -15 Dioptrien nicht verordnungsfähig sind, in diesen Fällen sind Gläser nur mit einem Brechungsindex bis maximal 1,7 verordnungsfähig. Ausnahmen davon sind nicht vorgesehen.
Falls die Brille nach dem 06.01.2005 angefertigt wurde, ergibt sich auch nach der Neufassung der Richtlinien vom 19.10.2004 (Bundesanzeiger 2005, Nr. 2, S. 89) , in Kraft getreten am 06.01.2005, kein für den Kläger günstigeres Ergebnis. Nach dieser Neufassung enthalten die Nrn. 57.2 und 57.5 den gleichen Ausschluss von der Verordnungsfähigkeit für Entspiegelung und Gläser mit einem Brechungsindex über 1,7.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG).
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