Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 U 205/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 224/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 256/06 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 07.06.2005 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztenrente streitig.
Die Klägerin, geb. 1946, zum Unfallzeitpunkt Reiseassistentin bei der Firma S. , fuhr am 13.06.2001 eine Kundin nach einem Geschäftsessen nach Hause. Auf dem Rückweg zu ihrer Wohnung übersah eine andere Verkehrsteilnehmerin ein Stoppschild und rammte das Auto der Klägerin auf der rechten Seite. Ihr Fahrzeug wurde durch den Zusammenstoß nach links geschoben, kippte dann zuerst auf die linke Seite und stürzte anschließend aufs Dach. Dann schlitterte der Wagen ca. 8 m quer über die Kreuzung bis zur Mauer des in Fahrtrichtung gesehen auf der linken Straßenseite liegenden Hauses. Die Klägerin erlitt eine Thoraxprellung.
Zur Aufklärung des Sachverhalts holte die Beklagte einen Bericht des Erstbehandlers, des Klinikums A. , vom 15.06.2001 ein, außerdem Befundberichte des Orthopäden Dr. E. vom 13.08.2001/04.04.2002, der Allgemeinärztin F. vom 27.08.2001 sowie des Internisten Dr. R. vom 10.09.2001. Ferner zog sie die sozialmedizinischen Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen vom 24.09.2001, 17.12.2001 und 22.05.2002 bei. In diesen Gutachten war als Diagnose jeweils eine posttraumatische Belastungsstörung nach Unfall im Juni 2001 erwähnt. Als Anlage zu dem Gutachten vom 24.09.2001 lag ein Bericht der Dipl.-Psych. E. bei, aus dem sich ergab, dass die Klägerin ab 18.06.2001 eine Psychotherapie machte. Außerdem zog die Beklagte die Kernspinaufnahmen der Dres.B. L./H. und H. sowie die von Dr.E. angefertigten Röntgenaufnahmen vom 15.06.2001 bei. Ferner lag der Beklagten der Entlassungsbericht der Kurparkklinik Bad S. vom 21.03.2002 vor.
Die Beklagte holte ein chirurgisches Gutachten des Prof. Dr. B. vom 14.11.2002 und ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Dr. N. vom 06.12.2002 ein. Prof. Dr. B. kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin beim Unfall multiple Prellungen des Brustkorbes sowie der Halswirbelsäule erlitten hatte. Eine Minderung der Erwerbstätigkeit (MdE) liege nicht vor. Dr. N. stellte fest, dass bei der Klägerin keine objektiven unfallbedingten krankhaften Veränderungen vorlägen und die MdE infolgedessen 0 v.H. betrage. Die Klägerin habe unfallbedingt eine vorübergehende situationsbezogene Phobie gehabt, diese sei Ende des Jahres 2001 jedoch klinisch nicht mehr manifest gewesen. Bei der Untersuchung am 06.12.2002 seien keine unfallbedingten psychopathologischen Auffälligkeiten mit Krankheitswert im Rechtssinne feststellbar gewesen. Die diagnostischen Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung seien nicht gegeben. Die situationsbezogene Angst beim Autofahren habe sich unter der Psychotherapie der Dipl.-Psych. E. zurückgebildet.
Mit Bescheid vom 06.02.2003 erkannte die Beklagte den Unfall vom 13.06.2001 als Arbeitsunfall an. Sie lehnte die Gewährung einer Rente ab, da über den 31.12.2001 hinaus - bis zu diesem Zeitpunkt erkannte die Beklagte eine Arbeitsunfähigkeit wegen der Phobie an - keine unfallbedingten Gesundheitsstörungen vorlägen.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Die Beklagte wies diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.06.2003 zurück. Das von ihr zur Überprüfung eingeholte Gutachten des Dr.J. vom 02.02.2003 entspreche nicht den Bewertungskriterien bzw. wende diese falsch an.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte in Abänderung des Bescheides vom 06.02.2003 sowie des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2003 zu verurteilen, bei der Klägerin als Unfallfolge eine "Angststörung" festzustellen und ihr deswegen ab 12.12. 2002 Verletztenrente nach einer MdE in Höhe von 50 v.H. zu gewähren. Sie hat vorgetragen, das Gutachten des Dr.N. sei unbrauchbar und eine erneute Begutachtung auf psychiatrischem Gebiet angeregt.
Das SG hat zur Aufklärung des Sachverhalts Befundberichte der Klinik I. , wo die Klägerin vom 19.6. bis 30.07.2004 in Behandlung war, vom 29.09.2004 sowie der Dipl.-Psych. E. vom 09.09.2003 eingeholt, außerdem ein orthopädisches Gutachten des Dr.G. vom 05.02.2004 und ein psychiatrisches Gutachten der Dr.P. vom 03.08.2004/01.02.2005. Dr.G. ist zu dem Ergebnis gekommen, die Klägerin habe beim Unfall eine Distorsion der Halswirbelsäule 1. Grades sowie multiple Prellungen und Hautabschürfungen erlitten. Diese Erkrankungen seien folgenlos ausgeheilt. Eine MdE liege nicht vor.
Dr.P. hat aufgrund der ambulanten Untersuchung der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet folgende Diagnosen gestellt: Schwere depressive Episode; chronifizierte Angststörung; Schmerzstörung mit somatoformem Anteil; Primärpersönlichkeit mit zwanghaften Zügen. Während die anderen Erkrankungen nicht unfallbedingt seien, sei die Angststörung spezifisch und wesentlich durch den Unfall verursacht. Der Unfall sei seiner Natur nach geeignet, eine solche Erkrankung auszulösen. Auch der zeitliche Zusammenhang sei durchgehend belegt. Die Angststörung gehöre zu den stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, so dass eine MdE im mittleren Bereich von 30 v.H. aus psychiatrischer Sicht angemessen sei.
Die Beklagte hat daraufhin eine Stellungnahme des beratenden Arztes Prof.Dr.S. vom 28.12.2004 vorgelegt, nach der eine Angststörung nicht belegt sei. Die Gutachterin Dr.P. habe keine diese Diagnose begründenden Befunde dargelegt. Im Übrigen seien keine Verfahren zur Quantifizierung der psychischen Störung durchgeführt worden. Die Sachverständige habe auch eine falsche rechtliche Wertung vorgenommen. Bei Patienten mit vielen Trennungs- und Verlusterlebnissen entwickelten sich später sehr häufig Angsterkrankungen, sie seien eine leicht ansprechbare Anlage, die durch beliebige Ereignisse ausgelöst werden könne. Prof.Dr.S. habe zu Recht darauf hingewiesen, dass Angststörungen nicht durch Unfallereignisse verursacht würden, sondern aufgrund innerer Veranlagung aufträten.
Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 07.06.2005 verurteilt, der Klägerin eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. zu gewähren und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es ist im Wesentlichen den Ausführungen der Sachverständigen Dr. P. gefolgt.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie hat im Wesentlichen ausgeführt, Dr.P. habe keine korrekte Diagnose gestellt. Die Kriterien des diagnostischen Standards "Angststörung" seien nicht erfüllt. Wenn die Klägerin bei der Exploration geweint habe, so sei dies keine vegetative Symptomatik, sondern eher ein appellatives, demonstratives Verhalten, das bereits Dr.N. in seinem Gutachten beschrieben habe.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 07.06.2005 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 07.06.2005 auf- zuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 06.02.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2003 abzuwei- sen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Beklag- tenakte (drei Bände) und die Gerichtsakten beider Instanzen Be- zug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Bei der Klägerin liegt als Folge des Arbeitsunfalles vom 13.06.2001 eine Angststörung vor, die eine MdE von 30 v.H. bedingt, so dass gemäß § 56 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII eine Verletztenrente ab dem Ende des Bezugs von Verletztengeld zu leisten ist (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII).
Die Gewährung einer Verletztenrente setzt nach § 56 Abs.1 SGB VII voraus, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. neben dem Arbeitsunfall die Erkrankung mit Gewissheit bewiesen sein (Vollbeweis). Ein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch darf keinen Zweifel mehr haben (BSGE 32, 203, 207).
Zur Überzeugung des Senates steht fest, dass die Klägerin an einer chronifizierten Angststörung leidet. Eine Angststörung beschränkt sich nicht auf bestimmte Situationen wie eine Phobie (Agoraphobie, Claustrophobie etc.), sondern zeichnet sich vor allem durch Angstsymptome mit starker vegetativer Begleitsymptomatik aus: Herzklopfen, Schwitzen, Zittern, Nervosität, Schwindelgefühle (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, 232). Dies entspricht den Symptomen, die nach der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen ICD-10 für eine generalisierte Angststörung (F41.1) beschrieben werden. Betrachtet man den von Dr. P. erhobenen psychopathologischen Befund bei der Klägerin, so zeigte sie sich während der Exploration durchgehend zittrig, nervös, unruhig mit Hyperventilationsneigung, sehr agitiert. Außerdem war sie in der Auffassung und im Kontakt langsam und verzögert. Es zeigten sich auch massive Einschränkungen von Konzentrations- und Merkfähigkeit. Das Denken war formal beschleunigt, weitschweifig, sie verlor den Faden. Inhaltlich war das Denken weitgehend auf körperliche Sensationen eingeengt, die als Angstäquivalente und Panikattacken zu interpretieren waren. Betrachtet man diesen psychopathologischen Befund, so zeigten sich eindeutig die Symptome einer Angststörung. Der Senat hält daher die Ausführungen der Sachverständigen Dr.P. für überzeugend, dass bei der Klägerin mittlerweile eine chronifizierte Angststörung vorliegt. Soweit Prof.Dr.S. darauf hinweist, dass die von der Gutachterin gestellten Diagnosen in dem Gutachten weder begründet noch anhand der mitgeteilten Befunde nachzuvollziehen sind, ist dies nicht zutreffend. Bei einer Panikstörung (ICDF 41.0) bzw. einer generalisierten Angststörung (ICD F 41.1) ist gerade nicht eine bestimmte spezifische Situation, z.B. das Autofahren oder besondere Umstände Auslöser, die Angstattacken sind deshalb auch nicht vorherseh- und damit vermeidbar. Ein erhebliches Vermeidungsverhalten kann also entgegen der Auffassung der Beklagten gar nicht vorausgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund ist für den Senat nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte Zweifel an der Diagnosestellung geltend macht.
Die Angststörung ist auch kausal durch den Arbeitsunfall vom 13.06.2001 verursacht worden. Für die haftungsausfüllende Kausalität zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden genügt anstelle des Vollbeweises eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Unfallereignis wesentliche Bedingung des Gesundheitsschadens war. Beim vernünftigen Abwägen aller Umstände müssen die auf die berufliche Verursachung deutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann (BSG, SozR Nr. 20 zu § 542 a.F. RVO; SozR 2200 § 548 Nr. 38). Bei der Prüfung, ob die Angststörung der Klägerin durch den Arbeitsunfall am 13.6.2001 verursacht wurde, d.h. Unfallursache im Rechtssinne ist, muss festgestellt werden, ob das Unfallereignis und seine organischen Auswirkungen ihrer Eigenart und Stärke nach unersetzlich, d.h. z.B. nicht mit anderen alltäglich vorkommenden Ereignissen austauschbar waren oder ob eine entsprechende Anlage so leicht "ansprechbar" war, dass sie gegenüber den psychischen Auswirkungen des Unfallereignisses die rechtlich allein wesentliche Ursache ist. Dabei ist von Bedeutung, ob vor dem Unfallereignis eine völlig latente "Anlage" bestand oder ob diese sich bereits in Symptomen manifestiert hatte, deren Entwicklung durch das Unfallereignis dauernd oder nur vorübergehend beeinflusst worden ist (BSG, Urteil vom 31.1.1989, 2 RU 17/88, HV-Info 1989, 907-910; Beschluss vom 19.5.2000, B 2 U 138/00 B, HVBG-Info 2000, 2141-2142).
Für die Kausalität spricht der unmittelbare zeitliche Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Auftreten der Angststörung (hierzu LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 19.12.2001, L 8 U 30/00, Breithaupt 2002, 247). So wird bei der Klägerin, die bis zum Unfall durchgehend im Berufsleben stand, bereits unmittelbar nach dem Arbeitsunfall am 13.06.2001 eine posttraumatische Belastungsstörung von der Dipl.-Psych. E. beschrieben. Diese posttraumatische Belastungsstörung, die anfänglich auch mit einem entsprechenden Vermeidungsverhalten verbunden war, wird in der Folgezeit durchgehend wieder diagnostiziert. In den sozialmedizinischen Gutachten des Medizinischen Dienstes der Kranken- kassen vom 24.09.2001, 17.12.2001 und vom 22.05.2002 ist je- weils als Diagnose eine posttraumatische Belastungsstörung auf- geführt. Bei einer nervenärztlichen Untersuchung im August 2001 wirkte die Klägerin erregt, bei einer weiteren nervenärztlichen Untersuchung für den Medizinischen Dienst der Krankenkassen im Dezember 2001 wirkte sie im Antrieb vermindert, mit erheblichen Somatisierungstendenzen. Auch im März 2002 bei einer Rehabili- tationsmaßnahme in Bad S. wirkte sie ängstlich, erregt, subdepressiv. Die Klägerin selbst leitete unmittelbar nach dem Arbeitsunfall bereits am 18.06.2001 eine psychotherapeutische Behandlung ein. Demgegenüber wurden im Zeitraum vor dem Unfall keine psychischen Erkrankungen beschrieben. Dokumentiert ist einzig ein Erschöpfungszustand im Jahre 1995 kurz nach Aufnahme ihrer neuen Berufstätigkeit als Reiseassistentin. In den folgenden fünf Jahren bis zum Unfall traten jedoch keine psychischen Probleme auf. Auch vor der Behandlung des Erschöpfungszustandes sind keine psychischen Erkrankungen nachgewiesen. Die Kontaktaufnahme zur Dipl.-Psych. und Psychotherapeutin E. im März 2001 diente primär dazu, die Beziehung zu ihrem Sohn zu gestalten.
Entgegen der Auffassung der Beklagten hält der Senat auch für erwiesen, dass der Unfall die wesentliche Ursache für das Ent- stehen der Angsterkrankung war. Insoweit hat die Sachverständige Dr.P. überzeugend dargelegt, dass die Klägerin biographisch zahlreiche schwere Belastungen erlebt hatte, die nicht zu einer psychischen Erkrankung führten: Der plötzliche Verlust des zweiten Ehemannes, der Unfalltod der Nichte, die von einem Auto überfahren wurde. Diese Belastungen führten jedoch in keiner Weise zu einer Angststörung. Daraus ist ersichtlich, dass bei der Klägerin nicht eine leicht ansprechbare psychische Anlage zur Erkrankung vorlag, so dass es nur einer Auslösung bedurfte. Demgegenüber können die Einwände der Beklagten, die auf den Ausführungen des Sachverständigen Dr.N. und des Beratungsarztes Prof.Dr.S. beruhen, nicht überzeugen. Für den Senat ist nicht nachvollziehbar, dass bei der Klägerin eine leicht ansprechbare Anlage vorgelegen haben soll, obwohl schwerste Belastungen vor dem Unfall keine psychische Erkrankung verursacht haben.
Dass, wie Prof.Dr.S. behauptet, Angststörungen aufgrund innerer Veranlagung auftreten, hat Dr.P. eindrucksvoll widerlegt. Sie hat etliche Literaturstellen zitiert, die einen Zusammenhang zwischen einem Verkehrsunfall und einer Angststörung bzw. einer posttraumatischen Belastungsstörung belegen. Im Übrigen ist für den Senat von Bedeutung, dass der Unfall der Klägerin durchaus schwerwiegend war und in der persönlichen Erfahrung als besonders dramatisch eingestuft wurde, wenngleich die sichtbaren körperlichen Folgen relativ geringfügig waren.
Das Fehlen von neuropsychologischen Testuntersuchungen, wie von der Beklagten beanstandet, ist nach Auffassung des Senates nicht ausschlaggebend. Die Sachverständige Dr.P. hat zutreffend darauf hingewiesen, dass neuropsychologische Tests im Wesentlichen dazu dienen, das Ausmaß kognitiv-hirnorganischer Einschränkungen zu quantifizieren. Darum ging es aber im Falle der Klägerin gerade nicht.
Dass die Klägerin, als sie bei der Exploration weinte, ein eher appellatives, demonstratives Verhalten zeigte, hält der Senat für abwegig. Für derartige bewusstseinsnah ablaufende Erlebnisreaktionen, die auf Wunsch- oder Begehrensvorstellungen zurückzuführen sind, gibt es keine objektiven Anhaltspunkte. Voraus- setzung für derartige Wunsch- oder Begehrensvorstellungen wäre, dass das Unfallereignis zum Anlass genommen wird, ein vorbestehendes oder im Zusammenhang mit dem Unfallereignis neu gesetztes Lebensziel zu verwirklichen, z.B. die Legitimation für einen Rückzug aus dem Beruf, für die Erlangung einer möglichst hohen Rente, für die Befreiung von sozialen Zwängen. Dafür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte. Die Klägerin würde vielmehr sehr gerne in ihren Beruf zurückkehren, wie sie Dr.P. gegenüber glaubhaft äußerte. Sie sieht sich dazu lediglich wegen ihrer eingeschränkten Belastungsfähigkeit nicht in der Lage.
Die Höhe der MdE ist aus Sicht des Senates mit 30 v.H. richtig festgestellt. Bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (manche Phobien, pathologische Entwicklungsstörungen) beträgt die MdE 20 bis 40 v.H. (Schönberger, a.a.O., 246). Davon ist Dr.P. zutreffend ausgegangen und hat aufgrund ihrer Einschätzung der Erkrankung einen Mittelwert von 30 v.H. angenommen.
Die Berufung der Beklagten ist somit unbegründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztenrente streitig.
Die Klägerin, geb. 1946, zum Unfallzeitpunkt Reiseassistentin bei der Firma S. , fuhr am 13.06.2001 eine Kundin nach einem Geschäftsessen nach Hause. Auf dem Rückweg zu ihrer Wohnung übersah eine andere Verkehrsteilnehmerin ein Stoppschild und rammte das Auto der Klägerin auf der rechten Seite. Ihr Fahrzeug wurde durch den Zusammenstoß nach links geschoben, kippte dann zuerst auf die linke Seite und stürzte anschließend aufs Dach. Dann schlitterte der Wagen ca. 8 m quer über die Kreuzung bis zur Mauer des in Fahrtrichtung gesehen auf der linken Straßenseite liegenden Hauses. Die Klägerin erlitt eine Thoraxprellung.
Zur Aufklärung des Sachverhalts holte die Beklagte einen Bericht des Erstbehandlers, des Klinikums A. , vom 15.06.2001 ein, außerdem Befundberichte des Orthopäden Dr. E. vom 13.08.2001/04.04.2002, der Allgemeinärztin F. vom 27.08.2001 sowie des Internisten Dr. R. vom 10.09.2001. Ferner zog sie die sozialmedizinischen Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen vom 24.09.2001, 17.12.2001 und 22.05.2002 bei. In diesen Gutachten war als Diagnose jeweils eine posttraumatische Belastungsstörung nach Unfall im Juni 2001 erwähnt. Als Anlage zu dem Gutachten vom 24.09.2001 lag ein Bericht der Dipl.-Psych. E. bei, aus dem sich ergab, dass die Klägerin ab 18.06.2001 eine Psychotherapie machte. Außerdem zog die Beklagte die Kernspinaufnahmen der Dres.B. L./H. und H. sowie die von Dr.E. angefertigten Röntgenaufnahmen vom 15.06.2001 bei. Ferner lag der Beklagten der Entlassungsbericht der Kurparkklinik Bad S. vom 21.03.2002 vor.
Die Beklagte holte ein chirurgisches Gutachten des Prof. Dr. B. vom 14.11.2002 und ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Dr. N. vom 06.12.2002 ein. Prof. Dr. B. kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin beim Unfall multiple Prellungen des Brustkorbes sowie der Halswirbelsäule erlitten hatte. Eine Minderung der Erwerbstätigkeit (MdE) liege nicht vor. Dr. N. stellte fest, dass bei der Klägerin keine objektiven unfallbedingten krankhaften Veränderungen vorlägen und die MdE infolgedessen 0 v.H. betrage. Die Klägerin habe unfallbedingt eine vorübergehende situationsbezogene Phobie gehabt, diese sei Ende des Jahres 2001 jedoch klinisch nicht mehr manifest gewesen. Bei der Untersuchung am 06.12.2002 seien keine unfallbedingten psychopathologischen Auffälligkeiten mit Krankheitswert im Rechtssinne feststellbar gewesen. Die diagnostischen Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung seien nicht gegeben. Die situationsbezogene Angst beim Autofahren habe sich unter der Psychotherapie der Dipl.-Psych. E. zurückgebildet.
Mit Bescheid vom 06.02.2003 erkannte die Beklagte den Unfall vom 13.06.2001 als Arbeitsunfall an. Sie lehnte die Gewährung einer Rente ab, da über den 31.12.2001 hinaus - bis zu diesem Zeitpunkt erkannte die Beklagte eine Arbeitsunfähigkeit wegen der Phobie an - keine unfallbedingten Gesundheitsstörungen vorlägen.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Die Beklagte wies diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.06.2003 zurück. Das von ihr zur Überprüfung eingeholte Gutachten des Dr.J. vom 02.02.2003 entspreche nicht den Bewertungskriterien bzw. wende diese falsch an.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte in Abänderung des Bescheides vom 06.02.2003 sowie des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2003 zu verurteilen, bei der Klägerin als Unfallfolge eine "Angststörung" festzustellen und ihr deswegen ab 12.12. 2002 Verletztenrente nach einer MdE in Höhe von 50 v.H. zu gewähren. Sie hat vorgetragen, das Gutachten des Dr.N. sei unbrauchbar und eine erneute Begutachtung auf psychiatrischem Gebiet angeregt.
Das SG hat zur Aufklärung des Sachverhalts Befundberichte der Klinik I. , wo die Klägerin vom 19.6. bis 30.07.2004 in Behandlung war, vom 29.09.2004 sowie der Dipl.-Psych. E. vom 09.09.2003 eingeholt, außerdem ein orthopädisches Gutachten des Dr.G. vom 05.02.2004 und ein psychiatrisches Gutachten der Dr.P. vom 03.08.2004/01.02.2005. Dr.G. ist zu dem Ergebnis gekommen, die Klägerin habe beim Unfall eine Distorsion der Halswirbelsäule 1. Grades sowie multiple Prellungen und Hautabschürfungen erlitten. Diese Erkrankungen seien folgenlos ausgeheilt. Eine MdE liege nicht vor.
Dr.P. hat aufgrund der ambulanten Untersuchung der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet folgende Diagnosen gestellt: Schwere depressive Episode; chronifizierte Angststörung; Schmerzstörung mit somatoformem Anteil; Primärpersönlichkeit mit zwanghaften Zügen. Während die anderen Erkrankungen nicht unfallbedingt seien, sei die Angststörung spezifisch und wesentlich durch den Unfall verursacht. Der Unfall sei seiner Natur nach geeignet, eine solche Erkrankung auszulösen. Auch der zeitliche Zusammenhang sei durchgehend belegt. Die Angststörung gehöre zu den stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, so dass eine MdE im mittleren Bereich von 30 v.H. aus psychiatrischer Sicht angemessen sei.
Die Beklagte hat daraufhin eine Stellungnahme des beratenden Arztes Prof.Dr.S. vom 28.12.2004 vorgelegt, nach der eine Angststörung nicht belegt sei. Die Gutachterin Dr.P. habe keine diese Diagnose begründenden Befunde dargelegt. Im Übrigen seien keine Verfahren zur Quantifizierung der psychischen Störung durchgeführt worden. Die Sachverständige habe auch eine falsche rechtliche Wertung vorgenommen. Bei Patienten mit vielen Trennungs- und Verlusterlebnissen entwickelten sich später sehr häufig Angsterkrankungen, sie seien eine leicht ansprechbare Anlage, die durch beliebige Ereignisse ausgelöst werden könne. Prof.Dr.S. habe zu Recht darauf hingewiesen, dass Angststörungen nicht durch Unfallereignisse verursacht würden, sondern aufgrund innerer Veranlagung aufträten.
Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 07.06.2005 verurteilt, der Klägerin eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. zu gewähren und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es ist im Wesentlichen den Ausführungen der Sachverständigen Dr. P. gefolgt.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie hat im Wesentlichen ausgeführt, Dr.P. habe keine korrekte Diagnose gestellt. Die Kriterien des diagnostischen Standards "Angststörung" seien nicht erfüllt. Wenn die Klägerin bei der Exploration geweint habe, so sei dies keine vegetative Symptomatik, sondern eher ein appellatives, demonstratives Verhalten, das bereits Dr.N. in seinem Gutachten beschrieben habe.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 07.06.2005 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 07.06.2005 auf- zuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 06.02.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2003 abzuwei- sen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Beklag- tenakte (drei Bände) und die Gerichtsakten beider Instanzen Be- zug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Bei der Klägerin liegt als Folge des Arbeitsunfalles vom 13.06.2001 eine Angststörung vor, die eine MdE von 30 v.H. bedingt, so dass gemäß § 56 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII eine Verletztenrente ab dem Ende des Bezugs von Verletztengeld zu leisten ist (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII).
Die Gewährung einer Verletztenrente setzt nach § 56 Abs.1 SGB VII voraus, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. neben dem Arbeitsunfall die Erkrankung mit Gewissheit bewiesen sein (Vollbeweis). Ein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch darf keinen Zweifel mehr haben (BSGE 32, 203, 207).
Zur Überzeugung des Senates steht fest, dass die Klägerin an einer chronifizierten Angststörung leidet. Eine Angststörung beschränkt sich nicht auf bestimmte Situationen wie eine Phobie (Agoraphobie, Claustrophobie etc.), sondern zeichnet sich vor allem durch Angstsymptome mit starker vegetativer Begleitsymptomatik aus: Herzklopfen, Schwitzen, Zittern, Nervosität, Schwindelgefühle (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, 232). Dies entspricht den Symptomen, die nach der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen ICD-10 für eine generalisierte Angststörung (F41.1) beschrieben werden. Betrachtet man den von Dr. P. erhobenen psychopathologischen Befund bei der Klägerin, so zeigte sie sich während der Exploration durchgehend zittrig, nervös, unruhig mit Hyperventilationsneigung, sehr agitiert. Außerdem war sie in der Auffassung und im Kontakt langsam und verzögert. Es zeigten sich auch massive Einschränkungen von Konzentrations- und Merkfähigkeit. Das Denken war formal beschleunigt, weitschweifig, sie verlor den Faden. Inhaltlich war das Denken weitgehend auf körperliche Sensationen eingeengt, die als Angstäquivalente und Panikattacken zu interpretieren waren. Betrachtet man diesen psychopathologischen Befund, so zeigten sich eindeutig die Symptome einer Angststörung. Der Senat hält daher die Ausführungen der Sachverständigen Dr.P. für überzeugend, dass bei der Klägerin mittlerweile eine chronifizierte Angststörung vorliegt. Soweit Prof.Dr.S. darauf hinweist, dass die von der Gutachterin gestellten Diagnosen in dem Gutachten weder begründet noch anhand der mitgeteilten Befunde nachzuvollziehen sind, ist dies nicht zutreffend. Bei einer Panikstörung (ICDF 41.0) bzw. einer generalisierten Angststörung (ICD F 41.1) ist gerade nicht eine bestimmte spezifische Situation, z.B. das Autofahren oder besondere Umstände Auslöser, die Angstattacken sind deshalb auch nicht vorherseh- und damit vermeidbar. Ein erhebliches Vermeidungsverhalten kann also entgegen der Auffassung der Beklagten gar nicht vorausgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund ist für den Senat nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte Zweifel an der Diagnosestellung geltend macht.
Die Angststörung ist auch kausal durch den Arbeitsunfall vom 13.06.2001 verursacht worden. Für die haftungsausfüllende Kausalität zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden genügt anstelle des Vollbeweises eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Unfallereignis wesentliche Bedingung des Gesundheitsschadens war. Beim vernünftigen Abwägen aller Umstände müssen die auf die berufliche Verursachung deutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann (BSG, SozR Nr. 20 zu § 542 a.F. RVO; SozR 2200 § 548 Nr. 38). Bei der Prüfung, ob die Angststörung der Klägerin durch den Arbeitsunfall am 13.6.2001 verursacht wurde, d.h. Unfallursache im Rechtssinne ist, muss festgestellt werden, ob das Unfallereignis und seine organischen Auswirkungen ihrer Eigenart und Stärke nach unersetzlich, d.h. z.B. nicht mit anderen alltäglich vorkommenden Ereignissen austauschbar waren oder ob eine entsprechende Anlage so leicht "ansprechbar" war, dass sie gegenüber den psychischen Auswirkungen des Unfallereignisses die rechtlich allein wesentliche Ursache ist. Dabei ist von Bedeutung, ob vor dem Unfallereignis eine völlig latente "Anlage" bestand oder ob diese sich bereits in Symptomen manifestiert hatte, deren Entwicklung durch das Unfallereignis dauernd oder nur vorübergehend beeinflusst worden ist (BSG, Urteil vom 31.1.1989, 2 RU 17/88, HV-Info 1989, 907-910; Beschluss vom 19.5.2000, B 2 U 138/00 B, HVBG-Info 2000, 2141-2142).
Für die Kausalität spricht der unmittelbare zeitliche Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Auftreten der Angststörung (hierzu LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 19.12.2001, L 8 U 30/00, Breithaupt 2002, 247). So wird bei der Klägerin, die bis zum Unfall durchgehend im Berufsleben stand, bereits unmittelbar nach dem Arbeitsunfall am 13.06.2001 eine posttraumatische Belastungsstörung von der Dipl.-Psych. E. beschrieben. Diese posttraumatische Belastungsstörung, die anfänglich auch mit einem entsprechenden Vermeidungsverhalten verbunden war, wird in der Folgezeit durchgehend wieder diagnostiziert. In den sozialmedizinischen Gutachten des Medizinischen Dienstes der Kranken- kassen vom 24.09.2001, 17.12.2001 und vom 22.05.2002 ist je- weils als Diagnose eine posttraumatische Belastungsstörung auf- geführt. Bei einer nervenärztlichen Untersuchung im August 2001 wirkte die Klägerin erregt, bei einer weiteren nervenärztlichen Untersuchung für den Medizinischen Dienst der Krankenkassen im Dezember 2001 wirkte sie im Antrieb vermindert, mit erheblichen Somatisierungstendenzen. Auch im März 2002 bei einer Rehabili- tationsmaßnahme in Bad S. wirkte sie ängstlich, erregt, subdepressiv. Die Klägerin selbst leitete unmittelbar nach dem Arbeitsunfall bereits am 18.06.2001 eine psychotherapeutische Behandlung ein. Demgegenüber wurden im Zeitraum vor dem Unfall keine psychischen Erkrankungen beschrieben. Dokumentiert ist einzig ein Erschöpfungszustand im Jahre 1995 kurz nach Aufnahme ihrer neuen Berufstätigkeit als Reiseassistentin. In den folgenden fünf Jahren bis zum Unfall traten jedoch keine psychischen Probleme auf. Auch vor der Behandlung des Erschöpfungszustandes sind keine psychischen Erkrankungen nachgewiesen. Die Kontaktaufnahme zur Dipl.-Psych. und Psychotherapeutin E. im März 2001 diente primär dazu, die Beziehung zu ihrem Sohn zu gestalten.
Entgegen der Auffassung der Beklagten hält der Senat auch für erwiesen, dass der Unfall die wesentliche Ursache für das Ent- stehen der Angsterkrankung war. Insoweit hat die Sachverständige Dr.P. überzeugend dargelegt, dass die Klägerin biographisch zahlreiche schwere Belastungen erlebt hatte, die nicht zu einer psychischen Erkrankung führten: Der plötzliche Verlust des zweiten Ehemannes, der Unfalltod der Nichte, die von einem Auto überfahren wurde. Diese Belastungen führten jedoch in keiner Weise zu einer Angststörung. Daraus ist ersichtlich, dass bei der Klägerin nicht eine leicht ansprechbare psychische Anlage zur Erkrankung vorlag, so dass es nur einer Auslösung bedurfte. Demgegenüber können die Einwände der Beklagten, die auf den Ausführungen des Sachverständigen Dr.N. und des Beratungsarztes Prof.Dr.S. beruhen, nicht überzeugen. Für den Senat ist nicht nachvollziehbar, dass bei der Klägerin eine leicht ansprechbare Anlage vorgelegen haben soll, obwohl schwerste Belastungen vor dem Unfall keine psychische Erkrankung verursacht haben.
Dass, wie Prof.Dr.S. behauptet, Angststörungen aufgrund innerer Veranlagung auftreten, hat Dr.P. eindrucksvoll widerlegt. Sie hat etliche Literaturstellen zitiert, die einen Zusammenhang zwischen einem Verkehrsunfall und einer Angststörung bzw. einer posttraumatischen Belastungsstörung belegen. Im Übrigen ist für den Senat von Bedeutung, dass der Unfall der Klägerin durchaus schwerwiegend war und in der persönlichen Erfahrung als besonders dramatisch eingestuft wurde, wenngleich die sichtbaren körperlichen Folgen relativ geringfügig waren.
Das Fehlen von neuropsychologischen Testuntersuchungen, wie von der Beklagten beanstandet, ist nach Auffassung des Senates nicht ausschlaggebend. Die Sachverständige Dr.P. hat zutreffend darauf hingewiesen, dass neuropsychologische Tests im Wesentlichen dazu dienen, das Ausmaß kognitiv-hirnorganischer Einschränkungen zu quantifizieren. Darum ging es aber im Falle der Klägerin gerade nicht.
Dass die Klägerin, als sie bei der Exploration weinte, ein eher appellatives, demonstratives Verhalten zeigte, hält der Senat für abwegig. Für derartige bewusstseinsnah ablaufende Erlebnisreaktionen, die auf Wunsch- oder Begehrensvorstellungen zurückzuführen sind, gibt es keine objektiven Anhaltspunkte. Voraus- setzung für derartige Wunsch- oder Begehrensvorstellungen wäre, dass das Unfallereignis zum Anlass genommen wird, ein vorbestehendes oder im Zusammenhang mit dem Unfallereignis neu gesetztes Lebensziel zu verwirklichen, z.B. die Legitimation für einen Rückzug aus dem Beruf, für die Erlangung einer möglichst hohen Rente, für die Befreiung von sozialen Zwängen. Dafür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte. Die Klägerin würde vielmehr sehr gerne in ihren Beruf zurückkehren, wie sie Dr.P. gegenüber glaubhaft äußerte. Sie sieht sich dazu lediglich wegen ihrer eingeschränkten Belastungsfähigkeit nicht in der Lage.
Die Höhe der MdE ist aus Sicht des Senates mit 30 v.H. richtig festgestellt. Bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (manche Phobien, pathologische Entwicklungsstörungen) beträgt die MdE 20 bis 40 v.H. (Schönberger, a.a.O., 246). Davon ist Dr.P. zutreffend ausgegangen und hat aufgrund ihrer Einschätzung der Erkrankung einen Mittelwert von 30 v.H. angenommen.
Die Berufung der Beklagten ist somit unbegründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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