L 3 R 250/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 RJ 6234/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 R 250/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 25.8.1947 geborene, aus dem ehemaligen Jugoslawien stammende Kläger verfügt nicht über den Nachweis einer abgeschlossenen Berufsausbildung zum Schweißer, macht jedoch eine solche im Herkunftsland geltend, hat verschiedene schweißtechnische Lehrgänge und Prüfungen abgelegt (vgl. Blatt 66/69 der Rentenakte) und war sowohl im Herkunftsland als auch ab 1969 in der Bundesrepublik - teilweise im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit - als Schweißer und Heizungsmonteur beschäftigt. Der Kläger ist Rechtshänder.

Er beantragte am 18.10.2001 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die von der Beklagten veranlasste chirurgische und nervenärztliche Begutachtung (zusammenfassende Würdigung Dr. Schüssler vom 10.12.2001) erbrachte eine länger zurückreichende depressive Symptomatik, in biografischer Belastungssituation derzeit leichtgradig akzentuiert, Hinweise auf Somatisierungen bei degenerativen Skelettveränderungen, ein chronisch rezidivierendes Wirbelsäulensyndrom mit Zervicobrachialgien, links betonten Lumboischialgien und Funktionseinschränkung bei Fehlhaltung und mäßiggradigen degenerativen Veränderungen sowie eine beginnende Rotatorenmanschettendegeneration beider Schulterngelenke mit endgradiger Funktionseinschränkung, rechts mehr als links, und ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung weiterer qualitativer Einschränkungen bei mangelnder Einsatzfähigkeit bezüglich der zuletzt ausgeübten Tätigkeit.

Hierauf gestützt lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 11.1.2002 ab und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch nach Einholung ärztlicher Stellungnahmen von Dr. Legner vom 23.10.2002 und Dr. Lindner vom 24.10.2002 mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2002, abgesandt am 18.11.2002, zurück. Berufsschutz als Facharbeiter wurde mit der Begründung verneint, der Kläger verfüge über keinen nach einer deutschen Berufsordnung durchgeführten Ausbildungsabschluss als Facharbeiter. Gestützt auf eine entsprechende Auskunft einer der Beschäftigungsbetriebe des Klägers (wegen der Einzelheiten vgl. Blatt 80/81 der Rentenakte) wurde ferner festgestellt, dass der Kläger auch nicht über alle praktischen und theoretischen Kenntnisse eines voll ausgebildeten Facharbeiters verfüge.

Dagegen hat der Kläger am 19.12.2002 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben, mit der er sein Rentenbegehren weiterverfolgt hat.

Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt (wegen der Einzelheiten deren Auskünfte wird auf Blatt 43/65 der SG-Akte Bezug genommen).

Sodann hat das SG Beweis erhoben durch Einholung des orthopädischen Sachverständigengutachtens von Dr. Dast vom 11.8.2003. Diagnostiziert worden sind radiologisch dokumentierte vermehrte Verschleißerscheinungen der körpernahen Hälfte der Halswirbelsäule bei freier Halswirbelsäulenbeweglichkeit, eine endgradig eingeschränkte Vor- und Rück-Neig-Beweglichkeit der Brustwirbelsäule, radiologisch dokumentierte deutlich vermehrte Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule im Bewegungssegment L 3/4 bei endgradig eingeschränkter Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule und fehlenden sensiblen oder motorischen Nervenwurzelreizerscheinungen seitens lumbaler Spinalnerven, eine radiologisch dokumentierte stark ausgeprägte Handgelenksarthrose links mit daraus resultierenden mittelgradig bis schweren Bewegungseinschränkungen und schmerzbedingter grober Kraftminderung der linken Hand sowie eine radiologisch dokumentierte beginnende Hüftgelenks- und Kniegelenksarthrose beidseits bei freier Hüft- und Kniegelenksbeweglichkeit. Ausgeschlossen sei die zuletzt ausgeübte Tätigkeit. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne regelmäßiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über 5 bis 6 kg, ohne Arbeiten mit häufigem Bücken oder mit gleichförmig gebückter Körperhaltung, ohne solche mit häufigem Treppensteigen und häufigem Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten sowie ohne Arbeiten, die die volle Kraft der linken Hand erforderten, könnten demgegenüber vollschichtig verrichtet werden. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Weitere Gutachten seien nicht erforderlich.

Das SG hat die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid vom 19.11.2003 abgewiesen.

Es hat unter Darstellung der für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften sowie unter Darstellung der Grundsätze zum Berufsschutz entschieden, dass der als allenfalls angelernter Arbeiter des unteren Bereichs einzustufende und damit breit verweisbare Kläger die ihm damit noch zumutbaren - unbenannten - Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden am Tag verrichten könne. In Betracht kämen z. B. Tätigkeiten wie Zureichen, Abnehmen, Sortieren, Kleben und Reinigen. Gefolgt werde dem Sachverständigengutachten von Dr. Dast. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen den ihm am 20.11.2003 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 22.12.2003 (Montag) Berufung eingelegt, mit der er sein Klagebegehren weiterverfolgt.

Der Senat hat den behandelnden Arzt Dr. König als sachverständigen Zeugen befragt, der in seinem Bericht vom 22.12.2005 - wie bisher - ein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen (vier Stunden, mit Pausen eventuell länger) annimmt und über eine Verschlechterung einer Depression, einer Handgelenksarthrose sowie der Polyarthrose berichtet (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 35/48 der LSG-Akte Bezug genommen.

Der Senat hat höchstvorsorglich als in Betracht kommende Verweisungstätigkeiten die eines Registrators, eines Mitarbeiters in einer Poststelle sowie eines Pförtners benannt, hat den Beteiligten die entsprechenden Anforderungsprofile dargelegt und sodann zunächst Beweis erhoben durch Einholung des nervenärztlichen Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. Täschner vom 27.3.2006. Dieser stellt keine psychiatrische Erkrankung und insbesondere keine Depression fest. Es bestehe keine beruflichen Einschränkung.

Ferner hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung des orthopädischen Sachverständigengutachtens von Dr. Wendelstein vom 8.6.2006. Dieser diagnostiziert ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit Belastungseinschränkung im Bereich der Lendenwirbelsäule ohne Nervenwurzelreizungen, eine Handgelenksarthrose links mit Bewegungs- und Belastungseinschränkung sowie eine leichte retropatellare Kniegelenksarthrose beidseits. Zu vermeiden seien häufiges Bücken, Heben und Tragen von Lasten über 5 bis 10 kg, Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, häufiges Bücken in knieender oder hockender Position sowie das linke Handgelenk belastende Tätigkeiten. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, Pförtnertätigkeiten, die Tätigkeit eines Registrators bei einem Gericht (allerdings ohne Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten) sowie die Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle könnten vollschichtig verrichtet werden. Betriebsunübliche Pausen seien nicht erforderlich und die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. November 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2002 zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Rentenakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, weil er zur Überzeugung des Senats noch in der Lage ist, leichte und ihm sozial zumutbare Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.

Der Senat weist die Berufung im Wesentlichen bereits aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung und der Begründung der streitgegenständlichen Bescheide folgend als unbegründet zurück und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 und § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Im Vordergrund der das berufliche Restleistungsvermögen des Klägers prägenden Gesundheitsstörungen stehen in erster Linie degenerative Skelettveränderungen (vgl. insbesondere auch ärztliche Bescheinigung Dr. König vom 10.2.2004 [Blatt 42 der LSG-Akte]) mit entsprechenden Schmerzangaben. Demgegenüber ist der Kläger durch die bei ihm vorliegenden internistischen Befunde, von denen nach Art und Umfang hier von vornherein nur diejenigen des Herz-Kreislauf-Systems als limitierend in Betracht kommen, nicht wesentlich beeinträchtigt. Insoweit ergibt sich z. B. aus dem Arztbrief des Internisten und Kardiologen Dr. Herrmann vom 24.5.2005, dass der beim Kläger bestehende Bluthochdruck gut eingestellt ist und keine linksventrikuläre Hypertrophie vorliegt. Zeichen einer cardiopulmonalen Insuffizienz bestünden nicht (Blatt 47 der LSG-Akte).

Wegen der von Dr. König geltend gemachten Verschlechterung der orthopädischen Befunde und im Hinblick auf die Möglichkeit des Bestehens einer psychischen Beeinträchtigung hat der Senat auf diesen Fachgebieten Sachverständigengutachten eingeholt. Eine rentenrechtlich relevante Leistungsminderung besteht danach nicht.

Vielmehr bedingen die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen lediglich die Beschränkung auf noch leichte körperliche Tätigkeiten unter Beachtung der weiteren, in den Sachverständigengutachten im Einzelnen aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen. Insbesondere ist nach diesen Gutachten die Annahme einer quantitativen (zeitlichen) Leistungseinschränkung medizinisch nicht begründet. Die von den Sachverständigen vorgenommene Leistungsbeurteilung ist nach den erhobenen Befunden, bei kritischer Würdigung und der gebotenen Anlegung eines strengen Maßstabes für den Senat schlüssig und nachvollziehbar, weshalb er ihr folgt. Die hiervon abweichende Leistungsbeurteilung durch die behandelnden Ärzte und insbesondere Dr. König erachtet der Senat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens als widerlegt.

Orthopädischen Befunden kann in der Tat in aller Regel bereits durch die Einhaltung qualitativer Einschränkungen Rechnung getragen werden. Lediglich in besonders begründeten Ausnahmefällen kann die Annahme einer zeitlichen Leistungseinschränkung gerechtfertigt sein. Unter Berücksichtigung von Art und Umfang der hier zu beurteilenden Befunde ist der Senat vom Vorliegen eines solchen Falles nicht überzeugt. Insbesondere haben sowohl Dr. Dast als auch Dr. Wendelstein Nervenwurzelbeteiligungen (häufig Grund für die Annahme einer schwereren Leistungseinschränkung) ausgeschlossen.

In psychischer Hinsicht kann nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens jedenfalls eine mehr als vorübergehende (mehr als sechs Monate dauernde) Erkrankung mit Auswirkungen auf das berufliche Leistungsvermögen ausgeschlossen werden. Insbesondere liegt keine (schwerergradige) Depression vor. Möglicherweise besteht (so Dr. Schüssler im Verwaltungsverfahren) eine gewisse Somatisierungstendenz. Auch diese hat jedoch keine rentenrechtliche Relevanz.

Die sozialmedizinische Beurteilung bei Somatisierungsstörungen erfordert eine ausführliche Befragung des Probanden zu den Tagesaktivitäten. Erfragt (und hinterfragt) werden müssen auch Symptome des sozialen Rückzugs. Nur bei einer weitgehenden Einschränkung der Fähigkeit zur Teilnahme an den Aktivitäten des täglichen Lebens (im Sinne einer "vita minima") beispielsweise in den Bereichen Mobilität, Selbstversorgung, Kommunikation, Antrieb, Konzentrationsfähigkeit, Interesse und Aufmerksamkeit ist von einer Minderung des qualitativen und quantitativen Leistungsvermögens auszugehen (Empfehlungen für die sozialmedizinische Beurteilung psychischer Störungen, DRV-Schriften, Band 30, S. 47).

Hinsichtlich der Auswirkungen von Schmerzen auf die Erwerbsfähigkeit ist zu beachten, dass je nach Ausprägung der Schmerzsymptomatik die Konzentration deutlich beeinträchtigt sein kann, es können auch kognitive Störungen auftreten. Antriebstörungen, Störungen der Vitalgefühle und weitere depressive Symptome sind häufig vorhanden, bei entsprechendem Schweregrad auch suizidale Tendenzen. Chronische Schmerzen können die Möglichkeit der Betroffenen, an Aktivitäten des täglichen Lebens teilzunehmen, beeinträchtigen. Es kann zu einem zunehmenden sozialen Rückzug kommen, da die Betroffenen gegebenenfalls ihre körperlichen Aktivitäten einschränken, gewissermaßen ihre gesamte Lebensgestaltung dem chronischen Schmerz unterordnen.

Für die Leistungsbeurteilung ist es deshalb von entscheidender Bedeutung, dass der Gutachter die Entwicklung der Schmerzsymptomatik und ihre Auswirkungen insbesondere auf dem Bereich der sozialen Möglichkeiten und Aktivitäten bei dem Probanden differenziert erfragt. Eine exakte Erhebung und Darstellung der medikamentösen Therapie (unter Umständen einer vorhandenen Medikamentenabhängigkeit) ist ebenso erforderlich wie die Einsichtnahme in ein eventuell vorhandenes Schmerztagebuch. Erfragt werden muss differenziert der Tagesablauf des Probanden, weil sich hier unter Umständen Hinweise auf Partizipationsstörungen ergeben. Das Fehlen einer objektiven Messmethode zur Quantifizierung des Schmerzes erschwert die Leistungsbeurteilung dieser Probanden, auch die Verwendung entsprechender Schmerzskalen in der Leistungsbeurteilung ist nicht zielführend, sodass der Gutachter nur durch eine umfassende und auch zeitlich umfangreiche Befragung des Probanden eine nachvollziehbare und zutreffende Beurteilung abgeben kann. Zu beurteilen sind neben dem Ausmaß der psychopathologischen Auffälligkeiten und dem eventuell bestehenden Ausmaß einer schmerzbedingten Persönlichkeitsveränderung die Fragen nach einer eventuell stattgefundenen Adaption an die Symptomatik bzw. nach bisher vom Probanden eingeschlagenen Coping-Strategien (Empfehlung für die sozialmedizinische Beurteilung bei chronischen Schmerzsyndromen DRV-Schriften, Band 30, S. 51/52).

Im Übrigen richtet sich die sozialmedizinische Beurteilung des beruflichen Restleistungsvermögens bei sonstigen psychischen Störungen (z. B. depressiven Verstimmungen) im Wesentlichen ebenfalls nach dem Ausmaß von Funktions- bzw. Aktivitätsstörungen und einer möglicherweise eingeschränkten Teilhabe an den verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens (Empfehlungen für die sozialmedizinische Beurteilung psychischer Störungen, a. a. O., S. 37).

Die Anwendung dieser sozialmedizinischen Grundsätze auf den vorliegenden Fall insbesondere unter Berücksichtigung der von Prof. Dr. Täschner und Dr. Wendelstein erhobenen Tagesprofile (insbesondere Blatt 74 und 97/98 der LSG-Akte) ergibt, dass beim Kläger weitgehende Aktivitäten (einschließlich Gartenarbeiten) und soziale Kontakte bestehen, sodass hier nicht im oben angeführten Sinne von einer weitgehenden Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und somit nicht von einer rentenrechtlich relevanten Leistungsminderung im Bereich von leichten Tätigkeiten ausgegangen werden kann.

Der Senat lässt offen, ob der Kläger vorliegend Berufsschutz als Facharbeiter besitzt (dagegen könnte allerdings die von der Beklagten im Rentenverfahren eingeholte Arbeitgeberauskunft sprechen, wonach bei nicht nachgewiesenem Ausbildungsabschluss wohl auch keine wettbewerbsfähige Einsatzmöglichkeit in voller Breite einer Facharbeitertätigkeit besteht) oder ob er wenigstens als angelernter Arbeiter des oberen Bereichs einzustufen ist oder ihm wegen eingeschränkter Einsatzfähigkeit der linken oberen Extremität eine Verweisungstätigkeit zu benennen ist. Denn für alle in Betracht kommenden Fälle können dem Kläger objektiv und subjektiv zumutbare Verweisungstätigkeiten benannt werden.

Der Kläger kann als Facharbeiter subjektiv (sozial) zumutbar auf die Anlerntätigkeit eines Registrators im öffentlichen Dienst in der Vergütungsgruppe VIII BAT verwiesen werden.

In diese Vergütungsgruppe sind nämlich "Angestellte im Büro -, Registratur-, ... sonstigen Innendienst ... mit schwieriger Tätigkeit ..." eingruppiert (vgl. hierzu und zur zumutbaren Verweisbarkeit eines zur Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters gehörenden Berufskraftfahrers auf die Tätigkeit eines Registrators BSG vom 27.11.1991 - 5 RJ 91/89 - und allgemein BSG vom 12.9.1991 - 5 RJ 34/90 - sowie zur Verweisung eines Maurer-Facharbeiters auf die Tätigkeit eines Registrators Urteil des erkennenden Senats vom 19.11.2003 - L 3 RJ 2583/03 -).

Diese Tätigkeit ist ihm mit seinem Restleistungsvermögen auch objektiv (gesundheitlich) zumutbar. Nach der vom Senat in das Verfahren eingeführten berufskundlichen Stellungnahme des - damaligen - Landesarbeitsamtes Baden-Württemberg vom 16.8.2000 handelt es sich bei der Tätigkeit eines Registrators um eine Tätigkeit, die auch im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen ausgeübt wird und in der Regel lediglich mit leichten Arbeiten verbunden ist. In diesem Rahmen kann zwar das Heben und Tragen von Lasten (Aktenvorgänge, Poststücke) grundsätzlich nicht vermieden werden, es können dabei im Einzelfall durchaus Lasten von über 5 kg bis zu 10 kg zu bewegen sein, im Einzelfall können auch Zwangshaltungen und Überkopfarbeiten häufig nicht vermieden werden und - je nach Registratur - können durchaus auch Arbeiten auf Leitern vorkommen. Für den Senat ist letztlich jedoch die berufskundliche Einschätzung maßgebend, dass die körperliche Belastung insgesamt auch weitgehend von der jeweiligen Arbeitsplatzgestaltung und der Arbeitsorganisation abhängt. Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass das Bewegen von Lasten von über 5 kg bis zu 10 kg, Zwangshaltungen und das Arbeiten auf Leitern (ausgeschlossen von Dr. Wendelstein) nicht generell und in allen Fällen mit der Tätigkeit eines Registrators verbunden sind. Dies deckt sich im Übrigen mit den Kenntnissen des Senats über die Tätigkeit eines Registrators z.B. bei einem Gericht, die damit aus berufskundlicher Sicht bestätigt wurden.

Schließlich erfüllt diese Verweisungstätigkeit auch die höchstrichterlich vorgegebene Voraussetzung, dass auf eine Tätigkeit nur verwiesen werden darf, wenn die für sie notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten innerhalb einer bis zu drei Monaten dauernden Einarbeitung und Einweisung erworben werden können (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 23). Denn nach der erwähnten berufskundlichen Stellungnahme beträgt die Anlernzeit/Einarbeitungszeit üblicherweise nicht länger als drei Monate. Sie hängt dabei zwar auch von den jeweiligen persönlichen Fähigkeiten ab, ist aber weitgehend von Vorkenntnissen unabhängig. Es handelt sich nämlich um eine einfache Anlerntätigkeit, für die keinerlei besondere Ausbildung erforderlich ist.

Da also die für die Ausübung einer Registratorentätigkeit erforderliche Einarbeitungszeit weitgehend von Vorkenntnissen unabhängig ist (und damit auch von EDV- und Verwaltungsgrundkenntnissen), kann die Tatsache, dass der Kläger vorliegend möglicherweise über solche Vorkenntnisse nicht verfügt, im Ergebnis nicht dazu führen, dass er sich auf eine längere und damit nach der Rechtsprechung nicht mehr zumutbare Einarbeitungszeit berufen kann. Dass beim Kläger - von Vorkenntnissen abgesehen - sonst eingeschränkte persönliche Fähigkeiten vorliegen, die eine längere Einarbeitungszeit begründen, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Insbesondere bestehen beim Kläger nach dem Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Täschner keine (wesentlichen) hirnorganischen Beeinträchtigungen hinsichtlich Auffassung, Übersicht, Konzentration und Abstraktionsvermögen. In diesem Zusammenhang kann auch nicht unbeachtet bleiben, dass der Kläger nach Sachlage zumindest Lehrgänge erfolgreich absolviert hat. Damit wird zumindest eine auf normalem Niveau anzusiedelnde geistige Leistungsfähigkeit und damit auch Lernfähigkeit dokumentiert.

In Betracht kommt für den Fall der Facharbeitereinstufung ferner die Verweisung auf gehobene Büro- (Hilfs-) Tätigkeiten der Vergütungsgruppe VIII BAT. Diese dem Bereich der angelernten Tätigkeiten zuzuordnenden Bürotätigkeiten sind einem Facharbeiter grundsätzlich zumutbar (Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26.6.1995 - L 2 I 248/94 -). Dazu gehört z. B. die Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle der Verwaltungsabteilung - Allgemeine Verwaltung -.

Diese Tätigkeit umfasst folgende Aufgaben: Öffnen der eingegangenen Post und Anbringung des Eingangsstempels, Verteilen der Post auf die Abteilungen und Referate entsprechend dem Sachverhalt, Richten von abgehenden Sammelsendungen, Kuvertieren der abgehenden Briefpost und Verpacken der Paketsendungen, Bedienen des Freistemplers entsprechend der Aufgabeneinteilung durch den Bearbeiter, Erfassung der Einschreibesendungen entsprechend der Aufgabeneinteilung durch den Bearbeiter und Beförderung der Post, entsprechend der Anweisung des Bearbeiters, von und zum Postamt mit anstaltseigenem Fahrzeug.

Es handelt sich um eine körperlich leichte Tätigkeit, die im Wechsel zwischen Gehen, Sitzen und Stehen ausgeübt werden kann. Zwar müssen in der Poststelle der Verwaltungsabteilung Pakete oder Körbe mit Postsendungen gehoben oder getragen werden, die 5 kg oder mehr wiegen. Solche Transporttätigkeiten sind jedoch nicht typisch für die Tätigkeit in der Poststelle, weil der Transportdienst von und zum Postamt sowie innerhalb der Poststelle nur von wenigen, und zwar speziell hierfür bestimmten Mitarbeitern wahrgenommen wird. Die Mehrheit der Mitarbeiter der Poststelle ist hingegen ausschließlich mit dem Fertigmachen der auslaufenden Post und mit der Bearbeitung der eingehenden Post betraut, so dass die zu verrichtenden Aufgaben nicht den Schweregrad leichter körperlicher Tätigkeiten übersteigen (Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26.5.1997 - L 2 I 47/95 - mwN).

Im Übrigen kommt z.B. die Verweisungstätigkeit eines Pförtners an einer Nebenpforte in Betracht, im Rahmen derer die bei dem Kläger bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ebenfalls Berücksichtigung finden.

Entsprechende Tätigkeiten sind im Lohngruppenverzeichnis i.d.F. des Änderungstarifvertrages Nr. 11 vom 22.3.1991 des Manteltarifvertrags für Arbeiterinnen und Arbeiter der Länder II der Lohngruppe 2 (Arbeiter mit Tätigkeiten, für die eine eingehende Einarbeitung erforderlich ist - Ziff. 1.9) zugeordnet.

Der Pförtner an der Nebenpforte hat insbesondere bekannte Fahrzeuge der Firma bzw. Mitarbeiter passieren zu lassen (vgl. BSG vom 22.10.1996 - 13 RJ 35/95 - und Urteil des 2. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.6.1997 - L 2 J 3307/96 -). Die Tätigkeit des Pförtners an der Nebenpforte kann im Wechsel von Sitzen und Stehen ausgeübt werden und ist nicht mit dem Heben und Tragen von Lasten verbunden. Tätigkeiten eines Pförtners an der Nebenpforte erfordern auch keine besonderen sprachlichen Anforderungen an das Kommunikationsvermögen.

Pförtnertätigkeiten kommen darüber hinaus in den unterschiedlichsten Ausprägungen vor. Der Kläger könnte deshalb in einem Bereich eingesetzt werden, der nicht in erster Linie durch Publikumsverkehr geprägt ist. Pförtnertätigkeiten eignen sich auch für Personen, deren obere Extremitäten Funktionsbeeinträchtigungen aufweisen oder deren Hebe- und Tragefähigkeit aus anderen Gründen eingeschränkt ist, weil derartige Einschränkungen sich - je nach konkretem Arbeitsplatz - berücksichtigen lassen (vgl. zur Pförtnertätigkeit faktisch Einarmiger und in der Schlüsselverwaltung Urteil des 8. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 17.10.1997 - L 8 J 262/97 -, gestützt auf entsprechende berufskundliche Feststellungen des - damaligen - Landesarbeitsamtes Baden-Württemberg). Es gibt nach Feststellungen des Berufsverbandes Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e.V. sogar Tätigkeiten im Pfortenbereich, die lediglich im Sitzen ausgeführt werden können und bei denen der Pförtner nur auf ein Klingelzeichen hin die Tür öffnen muss. Der Senat hat deshalb bereits entschieden, dass selbst eine erhebliche Beeinträchtigung beider oberer Extremitäten mit einer dadurch bedingten eingeschränkten Beweglichkeit und der Unfähigkeit, Lasten von mindestens 5 kg zu heben oder zu tragen, ihrer Art nach selbst bei Eintritt einer Verschlimmerung einer Pförtnertätigkeit der beschriebenen Art nicht entgegensteht (Urteil des erkennenden Senats vom 28.1.2004 - L 3 RJ 1120/03 -).

Arbeitsplätze als Pförtner sind auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in genügender Anzahl vorhanden und sind nicht nur leistungsgeminderten Betriebsangehörigen vorbehalten, sondern werden auch mit Bewerbern vom freien Arbeitsmarkt besetzt (vgl. Urteil des 8. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 17.10.1997 - L 8 J 262/97 -). Ob Arbeitsplätze als Pförtner an der Nebenpforte frei oder besetzt sind, ist nicht zu ermitteln, denn das Risiko, dass der Kläger möglicherweise keinen geeigneten Arbeitsplatz finden könnte, geht nicht zu Lasten des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 41; BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 19; BSG NZS 1993, 403, 404 und vom 21.7.1992 - 3 RA 13/91 -).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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