L 12 AS 747/06 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AS 4711/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 747/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 20.12.2005 (S 8 AS 4711/06 ER) wegen der Versagung einstweiligen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der 1945 geborene Antragsteller ist geschieden und bewohnt alleine eine 29,28 m² große Mietwohnung in F., für die er eine Grundmiete von 179,72 EUR zahlt. Im November 2004, als der Antragsteller erstmalig die Gewährung von Arbeitslosengeld II beantragte, belief sich seine Gesamtmiete auf 271,88 EUR.

Die Antragsgegnerin bewilligte dem Antragsteller - ausgehend von Kosten der Unterkunft (KdU) von monatlich 272,50 EUR ab dem 01.01.2005 Leistungen in monatlicher Höhe von 617,50 EUR (272,50 EUR als KdU zuzüglich des Regelsatzes von 345,- EUR); hierbei waren auch die Kosten für einen Tiefgaragenstellplatz in Höhe von 25,56 EUR berücksichtigt worden.

Im September beantragte der Antragsteller die Übernahme einer Nachforderung von Nebenkosten als KdU in Höhe von 129,84 EUR sowie die Übernahme einer höheren Warmmiete ab dem 01.10.2005 in Höhe von 283,10 EUR.

Mit Bescheid vom 21.09.2005 wurden hinsichtlich der Nachzahlung nur 19,67 EUR übernommen, da der darüber hinaus gehende Verbrauch an Heizkosten und Warmwasser unangemessen hoch sei.

Der Antragsteller legte hiergegen und gegen die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgenommeine Übernahme höherer Mietkosten Widerspruch ein.

Mit weiterem Bescheid vom 21.09.2005 wurden für die Zeit vom 01.06.2005 bis zum 30.09.2005 617,- EUR monatlich und für die Zeit vom 01.10.2005 bis zum 30.11.2005 600,22 EUR bewilligt. Die Reduzierung der monatlichen Leistungen wurde deswegen vorgenommen, weil der Antragsteller entgegen der Aufforderung der Antragsgegnerin keine Nachweise über die Unvermeidbarkeit der Kosten für den Tiefgaragenstellplatz vorgelegt hatte.

Daraufhin beantragte der Antragsteller am 11.11.2005 beim Sozialgericht Freiburg (SG) die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Zur Begründung gab er an, dass ohne einstweilige Regelung sein sozialer Besitzstand gefährdet sei.

Das SG hat den Antragsteller dazu aufgefordert, Nachweise zur Unabwendbarkeit der für den Tiefgaragenstellplatz entstehenden Kosten vorzulegen.

Der Antragsteller hat daraufhin eine Vereinbarung mit seinem Vermieter vorgelegt, dass die Kündigung des Tiefgaragenstellplatzes nur im Zusammenhang mit der Kündigung des gemieteten Wohnraums zulässig ist. Weiter hat der Antragsteller ausgeführt, dass seine Versuche, den Stellplatz in der Tiefgarage weiterzuvermieten, trotz Aushängen am Schwarzen Brett und auch in der Öffentlichkeit erfolglos geblieben seien.

Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 20.12.2005 abgelehnt (S 8 AS 4711/05 ER). Ob ein Anordnungsanspruch bestehe, erscheine nach summarischer Prüfung offen. Der Antragsteller habe hinsichtlich der von ihm behaupteten Versuche, den Stellplatz weiterzuvermieten, keine Nachweise vorgelegt. Zu der Höhe der Unterkunftskosten habe die Antragsgegnerin mitgeteilt, dass noch weitere Unterlagen erforderlich seien. Insoweit sei zum Zeitpunkt der Entscheidung ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch das Drohen erheblicher oder nicht irreparabler Nachteile bestehen könnte, nicht ersichtlich. Die verbleibende Nebenkostennachforderung in Höhe von 110,17 EUR stelle keinen gegenwärtige Notlage im Sinne von § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dar. Da es sich um eine einmaligen Zahlungsverzug gegenüber dem Vermieter handele, bestehe insoweit kein Kündigungsrecht des Vermieters (unter Hinweis auf Palandt, BGB, 64, Aufl. 2005, § 543 Rdnr. 23). Auch hinsichtlich der Mieterhöhung ab Oktober 2005 liege keine existenzielle Gefährdung vor. Im Übrigen könne der Antragsteller die noch ausstehenden Widerspruchsentscheidungen der Antragsgegnerin beschleunigen, wenn er die geforderten Unterlagen vorlege.

Der Antragsteller hat am 19.01.2006 beim SG Beschwerde eingelegt, mit der er die Erstattung der Nebenkostennachforderung (110,17 EUR) sowie höhere monatliche Zahlungen von 11,22 EUR (wegen der Mieterhöhung) und zusätzlich 25,56 EUR (wegen des Tiefgaragenstellplatzes) verlangte. Die höhere monatliche Gesamtmiete werde von ihm derzeit teilweise durch seinen Regelsatz bestritten, der hierdurch auf 293,21 EUR vermindert werde. Dies stelle eine unzumutbare Einschränkung dar.

Mit Beschluss vom 13.02.2006 (S 8 AS 317/06 ER-B) hat das SG der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Im Beschwerdeverfahren hat die Antragsgegnerin mit Änderungsbescheiden vom 04.05.2006 rückwirkend ab dem 01.10.2005 die Kosten für den Tiefgaragenstellplatz übernommen sowie den Warmwasserabzug ab diesem Datum vermindert (von 9,- EUR auf 6,23 EUR); die sich ergebende Nachzahlung wurde auf das Konto des Antragstellers überwiesen. Danach hat die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheiden vom 27.06.2006 und vom 05.07.2006, gegen die der Antragsteller inzwischen Klage beim SG erhoben hat, den darüber hinaus gehenden Widerspruch des Antragstellers als unbegründet zurückgewiesen, weil die dem Antragsteller monatlich gewährten 606,78 EUR der Rechtslage nach dem SGB II entsprächen (Regelsatz von 345,- EUR zuzüglich Miete 179,72 EUR, Mietnebenkosten 40,82 EUR, Heizkostenvorauszahlung 37,- EUR, und Müllgebühren von 10,47 EUR abzüglich 6,23 EUR Energieabzug).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.

II.

Die nach § 172 Abs. 1 SGG zulässige, insbesondere auch fristgerecht eingelegte Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag 1. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,

2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, 3. in den Fällen des § 86 a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.

Soweit ein Fall des Abs. 1 der Vorschrift nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift sieht vor, dass einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig sind, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Vorliegend kommt nur der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht. Eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt einen Anordnungsanspruch (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) und einen Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsanspruch sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -). Der Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn bei der im Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, wobei auch wegen der mit der einstweiligen Regelung verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache ein strenger Maßstab anzulegen ist (Bundesverwaltungsgericht, Buchholz 310 § 123 Nr. 15). Denn grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz - GG -), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69 , 74 m.w.N.).

Hinsichtlich der Übernahme der Nebenkostennachforderung hat das SG zutreffend festgestellt, dass der Antragsteller die Befriedigung eines in der Vergangenheit entstandenen Bedarfs begehrt, für den grundsätzlich ein Anordnungsgrund im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes zu verneinen ist. Einstweilige Anordnungen, die sich auf vergangene Zeiträume beziehen, scheiden grundsätzlich aus. Daher kann im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zum Beispiel eine Übernahme von in der Vergangenheit aufgelaufenen Energiekostenrückständen nicht erreicht werden (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 26.10.2005 - L 7 AS 65/05 ER - m.w.N.; juris).

Soweit der Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine vorläufige Übernahme höherer Unterkunftskosten erreichen will, ist ein Anordnungsgrund nicht ersichtlich. Insoweit reicht es nicht aus, dass der Antragsteller seinen "sozialen Besitzstand" als gefährdet ansieht. Denn dies bedingt keine Eilbedürftigkeit, die eine Klärung der Ansprüche im Hauptverfahren als unzumutbar im Sinne der oben genannten Rechtsprechung erscheinen ließe. So trägt auch der Antragsteller nicht vor, nicht zur weiteren Bestreitung seines Lebensunterhaltes mit den derzeitigen Leistungen der Antragsgegnerin in der Lage zu sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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