L 2 U 308/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 300/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 308/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 4. August 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob das Ereignis vom 28. Juni 2001 als Arbeitsunfall anzuerkennen ist und dem Kläger hieraus Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren sind.

Der 1961 geborene Kläger ist Inhaber des Unternehmens "Pizza B." in W ... Er wurde gemäß dem Ermittlungsbericht der Polizeiinspektion W. am 28. Juni 2001 um 00.14 Uhr von dem US-Soldaten J. S. in seiner Imbiss-Gaststätte angegriffen. Dieser versetzte ihm einen Faustschlag an den Kopf, so dass er mit seinem Kopf gegen die Wand schlug und besinnungslos zu Boden fiel. Auf Befragung der zum Tatort gerufenen Polizei gab Frau S. an, sie habe sich mit dem Kläger, der neben ihr auf einem Barhocker Platz genommen hatte, unterhalten. Plötzlich sei ihr Ehemann hereingestürmt und habe nach einem kurzen Wortwechsel dem Kläger einen Faustschlag versetzt. In der polizeilichen Zeugen-Vernehmung vom 5. Juli 2001 erklärte sie, sie kenne den Kläger seit ca. drei Monaten. Sie habe ihn in dem Pizza-Lieferservice häufig besucht, weil sie sich in ihn verliebt habe. Davon habe ihr Mann bisher nichts gewusst. Plötzlich sei ihr Mann hereingestürmt, habe ihr den Unterarm um den Hals gelegt und in englischer Sprache geschrien: "Was, du schmust da herin umher?". Schließlich habe er in Richtung zum Kläger geschrien: "Du machst mit meiner Frau herum, du mother-fucker!" und habe ihm mit der rechten Faust ins Gesicht geschlagen.

Im Aktenvermerk der Polizeiinspektion W. vom 1. Juli 2001 ist festgehalten, J. S. habe berichtet, er sei zuhause von einem Bekannten angerufen und aufgefordert worden, in die Gaststätte zu kommen, "weil dort seine Frau mit einem anderen Mann herumschmuse." Er sei daraufhin sofort mit seinem Pkw hingefahren und habe durch das Schaufenster gesehen, dass seine Frau und der Kläger tatsächlich "geschmust" hätten. Er sei deshalb in das Lokal gestürmt und habe aus Eifersucht dem Kläger einen Faustschlag ins Gesicht versetzt.

Der gelegentlich in der Pizzeria aushelfende Zeuge S. gab bei seiner Vernehmung vom 5. Juli 2001 an, der Kläger habe auf einem Barhocker am Ende der Theke gesessen, neben ihm mit dem Rücken zur Eingangstür Frau S ... Sie habe sich in den letzten Wochen öfter im Geschäft aufgehalten. Während er sich unterhalten habe, habe er plötzlich gehört, wie jemand in das Lokal gekommen sei und mit lauter Stimme in englischer Sprache einige Wort gerufen habe. Er habe so etwas wie "my girl" verstanden.

Der Kläger erlitt infolge des Faustschlages im Wesentlichen eine Kolottenfraktur mit einer traumatischen Subarachnoidalblutung und einem Hirnödem. Nach Abschluss der Heilbehandlung verblieben dauerhafte Störungen, wie Gedächtnisausfälle und Verhaltensstörungen, sowie eine Schwäche und ein Zittern im rechten Arm.

Mit Bescheid vom 13. Mai 2004 lehnte die Beklagte eine Entschädigung für das Ereignis ab, da ein innerer, ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Ereignis und der versicherten Tätigkeit nicht bestehe. Nach dem Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen sei der Kläger von Herrn S. aus Eifersucht zusammengeschlagen worden. Ein Arbeitsunfall liege deshalb nicht vor. Mit Widerspruch brachte der Kläger vor, er kenne Frau S. nicht. Ihr Ehemann habe plötzlich im Lokal auf die Frau ohne ersichtlichen Grund eingeschlagen. Er habe sich dazwischen gestellt und diesen zum sofortigen Verlassen des Lokals aufgefordert. Ohne Vorwarnung habe ihn ein Schlag ins Gesicht getroffen. Das Eingreifen bei einer grundlos von einem Gast provozierten Schlägerei sei eine typische Tätigkeit eines Mitarbeiters in einem Lokal. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. September 2004 zurück.

Dagegen erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Regensburg. Zur Begründung brachte er vor, er sei bei einem Streit zwischen den Eheleuten S. als Inhaber und Betreiber des Imbisses sofort eingeschritten. Er habe den Mann aufgefordert, die Räumlichkeiten zu verlassen. Erst nach dieser Aufforderung und nachdem er von der kurzen Seite der Theke nach vorne zur langen Seite gegangen war, habe Herr S. zugeschlagen. Es sei nicht zutreffend, dass er mit Frau S. ein Verhältnis gehabt habe. Der Angriff gegen ihn sei erfolgt, als er einem Gast zu Hilfe gekommen sei. Ein Stillhalten oder ein Abwarten sei nicht angebracht gewesen, da es den Anschein gehabt hätte, als würde der Schläger weiter auf die Frau einprügeln.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 4. August 2005 ab. Grundsätzlich seien ein Streit bzw. eine Tätigkeit dann versichert, wenn sie unmittelbar aus der Arbeit erwachsen. Im vorliegenden Fall sei der Kläger jedoch von einem eifersüchtigen Ehemann niedergeschlagen worden. Aus der Akte der Staatsanwaltschaft W. ergebe sich unstreitig, dass zwischen dem Kläger und Frau S. eine enge Beziehung bestand, auf die deren Ehemann durch einen anonymen Anruf aufmerksam gemacht wurde. Deshalb sei dieser in das Lokal gestürmt und habe den Kläger niedergeschlagen. Der Auslöser für das Verhalten des Soldaten S. sei allein im Verhalten von dessen Frau zu suchen.

Dagegen legte der Kläger Berufung ein, die nicht begründet wurde.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Regensburg vom 4. August 2005 und des Bescheides vom 13. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2004 zu verurteilen, festzustellen, dass der Unfall am 28. Juni 2001 ein Arbeitsunfall war.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 4. August 2005 zurückzuweisen.

Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der Akte der Beklagten, der beigezogenen Akte der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht W. sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.

Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da dieser ordnungsgemäß geladen war und in der Ladung auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen worden war (§ 110 Abs. 1 S. 2 SGG).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund der am 28. Juni 2001 erlittenen Verletzungen, da kein Arbeitsunfall nach §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) vorliegt. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit, § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Ein Unfall stellt gemäß § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis dar, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt. Das äußere Ereignis muss mit der die Versicherteneigenschaft begründenden Tätigkeit rechtlich wesentlich zusammenhängen. Dabei bedürfen alle rechtserheblichen Tatsachen des vollen Beweises, d.h., sie müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorgelegen haben (BSGE 45, 285). Die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt nur insoweit, als der ursächliche Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden und zum Unfall führenden Verrichtung und dem Unfall selbst sowie der Zusammenhang betroffen ist, der im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen dem Arbeitsunfall und der maßgebenden Verletzung bestehen muss (Krasney, VSSR 1993, 81, 114).

Zutreffend führte das Sozialgericht unter Bezugnahme auf das Ermittlungsergebnis der Polizeiinspektion W. bzw. der Staatsanwaltschaft W. in der Oberpfalz aus, dass der innere Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem äußeren Ereignis nicht gegeben ist. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage deshalb abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Insbesondere ist die Einlassung des Klägers, er kenne Frau S. nicht und habe nur weiteren Schaden von einem Gast bei einem Streit abwenden wollen, nicht glaubhaft. Insoweit stehen die eindeutigen Aussage von Frau S. , die Angaben des Täters J. S. , wie dem Aktenvermerk der PI W. vom 1. Juli 2001 zu entnehmen ist, zum Tatmotiv Eifersucht sowie die Aussage des Zeugen S. vom 5. Juli 2001 entgegen. Letzterer bestätigte, dass der Kläger auf einem Barhocker am Ende der Theke saß, neben ihm Frau S. mit dem Rücken zur Eingangstür. Frau S. hatte sich in den letzten Wochen öfter im Geschäft aufgehalten. Der Zeuge konnte aus den Worten des Herrn S. in englischer Sprache auch die Worte "my girl" verstehen. Da auch Frau S. die Beziehung zu dem Kläger bestätigte, ist der Senat davon überzeugt, dass als Tatmotiv Eifersucht anzunehmen ist. Im Vordergrund stehen damit betriebsfremde Beziehungen zwischen dem Täter und dem Kläger; die Beweggründe des Täters liegen im persönlichen Bereich der Beteiligten. Ein Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung besteht hierfür nicht.

Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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