L 2 U 374/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 1 U 5016/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 374/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 23. Juli 2004 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

I.
Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Vater der Klägerin am 30.03.2002 einen Arbeitsunfall erlitt und an den Folgen am 14.04.2002 verstarb, so dass der Klägerin Waisenrente zusteht.

Der 1960 geborene Versicherte (V) wollte am 30.03.2002 ein Starkstromkabel im Keller seines Wohnhauses in den angrenzenden Stall verlegen. Seine Schwester half ihm dabei. Sie befand sich im angrenzenden Raum und zog an dem Plastikleerrohr, das V mit großer Kraftanstrengung durch ein Loch in der Betonwand zu schieben versuchte. Bei diesem Vorgang verspürte V plötzlich einen heftigen linksseitigen Flankenschmerz. Seine Schwester hörte seinen Aufschrei. V begab sich sofort ins Krankenhaus R ... Der Durchgangsarzt Dr. R. stellte keinerlei äußere Verletzungszeichen und keinen nennenswerten Druckschmerz im Bereich der linken Flanke fest. Er äußerte den Verdacht auf eine stattgehabte Nierenkolik bzw. auf eine Flankenzerrung. V wurde am folgenden Tag aus der stationären Beobachtung entlassen. Am 14.04.2002 wurde V vom Notarzt in das Kreiskrankenhaus R. gebracht, wo er nach vergeblichen Reanimationsversuchen kurze Zeit nach der Einlieferung verstarb. Die Obduktion ergab, dass V an den Folgen eines perforierten Milz-Arterien-Aneurysmas mit ausgedehnten Blutungen und hämorrhagischem Schock verstarb.

Auf den Antrag der Klägerin, ihr Waisenrente zu gewähren, holte die Beklagte eine Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. N. ein, der am 12.07.2002 zum Ergebnis kam, Ursache für den plötzlichen Tod sei der nachgewiesene arterielle Gefäßschaden gewesen. Eine Mitverursachung in Folge der Kraftanstrengung beim Kabelverlegen am 30.03.2002 sei unwahrscheinlich. Die Perforation der Arterie habe sich schicksalhaft entwickelt.

Mit Bescheid vom 08.08.2002 lehnte die Beklagte es ab, der Klägerin Waisenrente zu gewähren. Im dagegen erhobenen Widerspruch brachte die Klägerin vor, ihr Vater habe sich ohne Zweifel beim Verlegen des Plastikleerrohrs verletzt und sich - wie auch die Beklagte anerkannt habe - eine Flankenzerrung zugezogen. Dadurch sei der Milzarterienriss entstanden. Die Beklagte beauftragte Professor Dr. B. , Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik M. , ein Gutachten nach Aktenlage zu erstatten. Am 19.01.2003 führte dieser aus, die vom Pathologen beschriebene Veränderung passe weder zu einem Trauma noch zu einer degenerativen Gefäßwandschädigung. Vielmehr gehöre die vorgefundene Veränderung zum Formenkreis der idiopathischen Medianekrose, die sich durch einen reaktionslosen Schwund von Muskelfaserzellen der Gefäßwand auszeichne. Solche Gefäßwandsschädigungen verursachten typischerweise - auch schon im mittleren Alter - Aneurysmen der großen Körperarterien. Zwischen dem Grundleiden, das zum Tod geführt habe, und dem Vorgang am 30.03.2002 bestehe keinerlei Zusammenhang. Am 10.04.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Die Klage mit dem Antrag, Waisenrente zu gewähren, hat das Sozialgericht Landshut (SG) mit Urteil vom 23.07.2004 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der Anspruch der Klägerin scheitere schon daran, dass ein Unfall nicht beweisbar sei. Selbst wenn man einen solchen zu Gunsten der Klägerin unterstellen wollte, könne ein unmittelbarer oder mittelbarer Ursachenzusammenhang zwischen dem Ereignis und dem Tod nicht begründet werden. Denn bei der Art der bei V bestandenen Erkrankung habe eine Ruptur der Milzarterie jederzeit auftreten können und zwar ohne jeden äußeren Einfluss, wie Professor Dr. B. überzeugend und schlüssig dargelegt habe.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie meint, das SG habe den Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt. Ihr Vater sei nämlich bei dem Versuch, das Stromkabel zu verlegen, gestürzt und habe infolgedessen starke Schmerzen im Bereich der linken Flanke verspürt. Es liege somit eindeutig ein Unfall vor. Ein Ursachenzusammenhang mit der späteren Ruptur könne durch ein noch einzuholendes Sachverständigengutachten belegt werden.

Der Senat hat darauf hingewiesen, dass er keine weitere Beweiserhebung beabsichtige. Die Klägerin hat ein Gutachten des Professor Dr. H. vorgelegt, das dieser im Zivilrechtsstreit gegen die A. Lebensversicherungs AG vor dem Landgericht S. am 01.06.2003 erstattet hatte. Der Sachverständige erläuterte darin, Hinweise auf das Vorliegen einer traumatischen Ursache der Ruptur ergäben sich aus den vorhandenen Unterlagen nicht. Jedoch sei die Ruptur, die bei der Größe des Aneurysmas auch spontan hätte auftreten können, durch die körperliche Anstrengung begünstigt worden.

Die Beklagte hat die Ausführungen des Prof. Dr. H. nicht für geeignet gehalten, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem angeschuldigten Vorgang vom 30.03.2002 und dem Tod des V am 14.04.2002 wahrscheinlich zu machen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 23.07.2004 und den Bescheid vom 08.08.2002 i. d. F. des Widerspruchsbescheids vom 10.04.2003 aufzuheben und ihr Waisenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 23.07.2004 zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit schriftlicher Entscheidung einverstanden erklärt.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird gem. § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.
Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet. Im Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat gem. § 124 Abs. 2 SGG im schriftlichen Verfahren entscheiden.

Zutreffend gelangte das SG zum Ergebnis, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Waisenrente nach § 63 Absatz 1 Satz 1 Nrn. 3 und Satz 2 des Siebten Sozialgesetzbuchs (SGB VII) hat, weil der Tod ihres Vaters nicht Folge eines Arbeitsunfalles i. S. des § 8 Abs. 1 SGB VII ist. Im Hinblick auf die umfassende Darlegung der Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil des SG sieht der Senat gem. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung ab.

Ergänzend ist auszuführen, dass es einer weiteren Beweiserhebung, wie von der Klägerin angeregt, nicht bedurfte. Insbesondere war nicht weiter aufzuklären, ob der Versicherte am 30.03.2002 gestürzt war und seine Schmerzen im Bereich der linken Flanke von dem Sturz herrührten. Denn selbst wenn man einen solchen Sturz unterstellen wollte, lässt sich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem solchen Ereignis bzw. dessen Folgen und dem Tod des V am 14.04.2002 nicht wahrscheinlich machen.

Das von der Klägerin vorgelegte Gutachten des Prof. Dr. H. kann nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Zum einen erklärte der Sachverständige, dass Anzeichen für einen traumatischen Schaden bei der durchgeführten Obduktion nicht zu finden waren, und zum anderen wies er darauf hin, dass sich die Ruptur auch ohne äußeren Anlass hätte ereignen können. Daraus folgt, dass eine Sturzverletzung, gleich welcher Art, keine wesentliche Ursache für die ausgedehnte innere Blutung war, die am 14.04.2002 zum Tode des V führte.

Nach der im Unfallversicherungsrecht geltenden Kausallehre sind nur die Bedingungen rechtlich wesentlich, die unter Abwägen ihres verschiedenen Wertes zu dem Schaden - hier zum Tod des V - in eine besonders enge Beziehung treten und so zu seinem Entstehen wesentlich beigetragen haben (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzl. Unfallversicherung, § 8 Rdnr. 8.2.2). Der Anspruch der Klägerin hängt somit davon ab, ob die körperliche Belastung durch den Arbeitsvorgang, die für sich genommen als äußere Einwirkung für das Vorliegen eines Unfalls ausreichen würde bzw. der behauptete Sturz, den Tod des V auch i. S. der gesetzlichen Unfallversicherung verursacht hat. Dem Arbeitsvorgang bzw. dem Sturz müsste dann im Vergleich zu der weiteren Mitbedingung, nämlich der vorbestandenen Gefäßwandschädigung, der Stellenwert einer rechtlich wesentlichen Mitursache für den Tod des V zukommen. Daran fehlt es, wenn die Gefäßwandveränderung so schwer war und die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte (Bundessozialgericht , Urteil vom 02.05.2001- B 2 U 18/00 R m. w. N.). Diese ursächliche Bedeutung für den Tod hat eine Krankheitsanlage dann, wenn die akuten Erscheinungen zu derselben Zeit auch ohne äußere Einwirkungen auftreten konnten oder auch jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zum Tod geführt hätten.

Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Prof. Dr. H. kommt der Senat zum Ergebnis, dass nach den Vorgaben des BSG dem Arbeitsvorgang bzw. einem Sturz mit Flankenzerrung keine wesentliche Mitursache neben den ohne Zweifel vorhandenen Gefäßschäden zukommen kann. Insoweit führte Prof. Dr. H. aus, die Ruptur hätte auch spontan und ohne äußeren Anlass auftreten können. Damit wird deutlich, dass der anlagebedingten Gefäßerkrankungen die überragende Bedeutung zukommt und die - zu Gunsten der Klägerin unterstellte - Mitursache im versicherten Bereich, nämlich die Kraftanstrengung beim Kabelverlegen und/oder der behauptete Sturz, verdrängt.

Der Senat kommt damit, wie vor ihm das SG, zum Ergebnis, dass ein ursächlicher Zusammenhang im Sinne der im Unfallversicherungsrecht geltenden Kausallehre zwischen dem angeschuldigten Ereignis vom 30.03.2002 und dem Tod des Vaters der Klägerin am 14.04.2002 nicht zu begründen ist. Die Klägerin hat daher keinen Anspruch auf Waisenrente. Ihre Berufung gegen das Urteil des SG vom 23.07.2004 war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Gründe i. S. des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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