L 6 U 1684/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 1926/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1684/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15. März 2005 abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 31.05.2002.

Der 1944 geborene Kläger war als Bauhelfer versicherungspflichtig beschäftigt. Am 31.05.2002 (Freitag) stürzte er nachmittags gegen 14:30 Uhr vom Gerüst und zog sich dabei u. a. Verletzungen im Bereich der linken Schulter zu. Am Morgen des 03.06.2002 suchte er den Chirurgen Dr. K. auf, der den Verdacht auf eine Rotatorenmanschettenruptur am linken Schultergelenk, ein Schmerzsyndrom sowie Schürfungen am linken Unterarm und am rechten Becken diagnostizierte. Die Röntgenaufnahme des linken Schultergelenks ergab keinen Hinweis für eine frische knöcherne Verletzung (Durchgangsarztbericht vom 03.06.2002). Bei der von Dr. K. veranlassten Kernspintomographie der linken Schulter wurde am 07.06.2002 eine komplette Ruptur der Supraspinatussehne, eine Ansatztendinopathie der Subscapularissehne, eine Omarthrose sowie eine aktivierte AC-Gelenksarthrose festgestellt. Das Labrum glenoidale war regelrecht, eine Bankart-Läsion konnte nicht festgestellt werden (vgl. Bericht des Radiologen Dr. S. vom 27.06.2002). Nach dem Zwischenbericht von Dr. K. vom 05.07.2002 war die Beweglichkeit des linken Schultergelenks bis auf eine residuale Bewegungseinschränkung beim Schürzen- und Nackengriff wieder hergestellt. Für die Ausführung einer schweren Tätigkeit als Maurer hielt er den Kläger noch für weitere 2 bis 4 Wochen für nicht in der Lage. Auf Anfrage der Beklagten teilte Dr. K. unter dem 11.07.2002 mit, dass nach seinem Dafürhalten kein Zweifel an der traumatischen Genese der Supraspinatussehnenruptur bestehe. Das primäre Trauma müsse durchaus erheblich gewesen sein, die Anamnese bezüglich des linken Schultergelenkes sei leer. Der Kläger sei ihm seit September 1990 bekannt. Bis zum Unfallzeitpunkt sei er auch in der Lage gewesen, als Bauarbeiter eine körperlich schwere Arbeit auszuführen. Objektive Anhaltspunkte für eine Vorerkrankung lägen nicht vor. Einen ersten Arbeitsversuch am 15./16.07.2002 musste der Kläger wegen zunehmender Schmerzen im linken Schultergelenk abbrechen (Bericht Dr. K. vom 17.07.2002). Nachdem trotz krankengymnastischer Behandlung keine wesentliche Besserung erzielt werden konnte, befand sich der Kläger vom 05.09. bis 11.10.2002 in der stationären Behandlung der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. (BG-Klinik). Dort wurde am 25.09.2002 eine diagnostische Arthroskopie der linken Schulter mit nachfolgender offener Refixation der Rotatorenmanschette sowie eine Akromioplastik durchgeführt (vgl. Bericht der BG-Klinik vom 15.10.2002).

Mit Schreiben vom 19.08.2002 wandte sich der Kläger an die Beklagte und machte geltend, er sei mit den Angaben seiner Arbeitgeberin hinsichtlich der Verantwortlichkeit für den Arbeitsunfall nicht einverstanden. Er sei damit beschäftigt gewesen, mit dem Stromhammer Betonüberreste von der Wand abzuschlagen. Er sei mit der linken Körperseite zur Wand auf dem Gerüst gestanden. Plötzlich sei das Gerüst unter seinen Füßen komplett mit einer Seite quer herunter gerutscht, im letzten Moment habe er noch den Stromhammer von sich wegwerfen können. Er habe zwei heftige Schläge in den Oberarm und die linke Seite der linken Hand bekommen und sich Abschürfungen an der ganzen linken Seite von der Schulter bis zur Hüfte zugezogen. Die Schulter habe etwas geschmerzt, aber er habe den Arbeitstag (Freitag) bis Ende gearbeitet. Am Wochenende seien die Schmerzen unerträglich gewesen, ohne Schmerzmittel habe es ihn gefröstelt. Am Montag sei er dann zu Dr. K. gegangen.

Die Beklagte zog von der Innungskrankenkasse H. den Auszug aus dem Leistungsverzeichnis vom 16.07.2002 bei und bat Prof. Dr. W. von der BG-Klinik um eine Zusammenhangsbeurteilung. Dieser wies in seinem Zwischenbericht vom 12.11.2002 darauf hin, dass seit dem Sturz am 31.05.2002 mit einem nicht genau definierbaren Krafteinwirkungsmechanismus auf das linke Schultergelenk eine lückenlose Brückensymptomatik mit nachfolgend festgestellter Rotatorenmanschettenläsion bestehe. Das Unfallereignis sei nach Art und Schwere mit alltäglichen Einwirkungen im Beruf des Klägers nicht vergleichbar, sondern gehe weit darüber hinaus. Auch die histologische Untersuchung anlässlich der Operation vom 25.09.2002 sei mit einem Trauma vom 31.05.2002 vereinbar, obwohl hier bereits degenerative Veränderungen festgestellt worden seien. Soweit es aus bisheriger Sicht zu eruieren sei, sei es wahrscheinlich, dass die Zusammenhangstrennung der Rotatorenmanschette am 31.05.2002 bei degenerativen Veränderungen, die aber als Schadensanlage zu werten seien, stattgefunden habe. Es bestehe mit Wahrscheinlichkeit ein Unfallzusammenhang. Die BG-Klinik legte ergänzend den Operations- und den Arthroskopiebericht vom 25.09.2002 sowie den Befund des Pathologen Prof. Dr. B. vom 27.09.2002 vor. Die Beklagte holte daraufhin von Dr. K. das aufgrund ambulanter Untersuchung des Klägers am 04.02.2003 erstellte unfallchirurgische Zusammenhangsgutachten vom 06.02.2003 ein. Bei der Untersuchung gab der Kläger an, er habe bei dem Sturz noch versucht, sich mit der linken Hand festzuhalten, dabei sei er gegen die Mauer gestoßen. Nach dem Unfall habe er zunächst unter Schock gestanden und sei einige Minuten hin- und hergelaufen. Dann habe er geholfen, das Gerüst wieder aufzubauen. Den linken Arm habe er nur eingeschränkt einsetzen können, er habe auch die linke Schulter nicht mehr richtig bewegen können. Alsbald sei Feierabend gewesen, dann sei er nach Hause gefahren. Dr. K. vertrat die Auffassung, dass es zu einer direkten Gewalteinwirkung auf den linken Unterarm gekommen sei. Darüber hinaus sei eine indirekte Gewalteinwirkung auf das linke Schultergelenk im Sinne einer Abduktion/Anteversion ohne weiteres denkbar. Die zu vermutenden Mechanismen könnten allerdings nach dem derzeitigen Stand traumatologischer Erkenntnisse nicht als geeignet angesehen werden, die Rotatorenmanschette unter Stress zu setzen. Nach Analyse des angeschuldigten Geschehensablaufes sei deshalb der Unfallzusammenhang zu verneinen. In den Begutachtungsempfehlungen des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom November 1999 werde außerdem ausgeführt, dass jede schwerere Schulterverletzung zu erheblichen Schmerzen führe. Bei Verletzungen, die so schwer seien, dass sie mit einer Zusammenhangstrennung der Rotatorenmanschette einhergingen, sei deshalb üblicherweise sofort oder spätestens am Folgetag die Arbeitseinstellung und ein erster Arztbesuch zu erwarten. Wichtigstes Kriterium für die Annahme einer frischen Rotatorenmanschettenruptur sei der unmittelbar mit oder nach dem Unfall bestehende drop arm. Ein vergleichbares Schadensbild könne beim Kläger weder nach Aktenlage noch nach dessen Angaben angenommen werden. Auch dem Durchgangsarztbericht von Dr. K. lasse sich keine Funktionsstörung des linken Schultergelenkes entnehmen. Dr. K. habe ausgeführt, dass der Jobe-Test links fraglich positiv sei. Hierbei handle es sich um einen Impingement-Test, wobei durch Abduktion und Innenrotation im Schultergelenk ein Konflikt der Supraspinatussehne mit dem Acromion provoziert werde. Wenn der Test nur fraglich positiv gewesen sei, müsse der Kläger am 03.06.2002 auch in der Lage gewesen sein, seinen Arm mindestens um 90 Grad zu abduzieren. Damit fehle das wichtigste Kriterium für die Annahme einer traumatisch bedingten Rotatorenmanschettenruptur. Auch das Schadensbild lasse keine andere Beurteilung zu. Begleitschäden an anderen Strukturen des Schultergelenkes lägen nicht vor. Außerdem bestünden beim Kläger arthrotische Veränderungen des Schultergelenkes und des Schultereckgelenkes. Dies spreche gegen einen Unfallzusammenhang. Darüber hinaus bestehe beim Kläger ein Acromionsporn, also ein Schadensbild, das die Supraspinatussehne unter Stress zu setzen pflege. Die entscheidungsrelevanten Fakten - inadäquater Geschehensablauf, Verhalten des Versicherten und verletzungsunspezifisches Schadensbild - sprächen somit gegen eine unfallbedingte Genese der Rotatorenmanschettenruptur. Dem Unfallereignis komme nur der Stellenwert eines Anlassgeschehens zu.

Mit Bescheid vom 07.03.2003 anerkannte die Beklagte als Folgen des Arbeitsunfalls vom 31.05.2002 multiple Prellungen und Schürfungen am linken Arm und der linken Hüfte. Die darüber hinaus bestehenden Beschwerden (Ruptur der Supraspinatussehne) seien nicht ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Aufgrund der Unfallfolgen habe keine Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bestanden. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 27.06.2003).

Dagegen erhob der Kläger am 16.07.2003 Klage vor dem Sozialgericht Mannheim (SG). Er machte geltend, die Rotatorenmanschettenruptur sei Unfallfolge. Er habe deshalb Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 v. H.

Das SG holte von Dr. K. die sachverständige Zeugenauskunft vom 09.09.2003, von Prof. Dr. L. das orthopädische Gutachten vom 12.12.2003 und - auf Antrag des Klägers gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - von dem Orthopäden Dr. H. das Gutachten vom 12.10.2004 ein. Dr. K. teilte u. a. mit, der Kläger arbeite seit 10.03.2003 wieder 8 Stunden täglich. Dem Gutachten von Dr. K. sei zu widersprechen. Er halte einen Unfallzusammenhang für gegeben. Prof. Dr. L. teilte mit, dass der Kläger angegeben habe, er habe bei dem Sturz wohl versucht, sich festzuhalten und sei mit der linken Körperhälfte irgendwie aufgeschlagen. An den genauen Ereignisablauf könne er sich nicht mehr erinnern. Prof. L. beschrieb beim Kläger eine Narbenbildung, diskrete Muskelminderung und schmerzhafte Bewegungseinschränkung der linken Schulter bei operativ versorgter Schädigung der Rotatorenmanschette sowie eine beginnende Schultergelenksarthrose mit knöchernem Engpass, außerdem einen knöchernen Engpass unter dem rechten Schulterdach ohne subjektive Beschwerden oder funktionelle Beeinträchtigungen. Die im Bereich der linken Schulter feststellbaren Gesundheitsstörungen seien überwiegend auf alterungs- und verschleißbedingte Veränderungen zurückzuführen, dem Unfallgeschehen komme dabei nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Auch gegenüber Dr. H. gab der Kläger an, dass er versucht habe sich festzuhalten bzw. abzustützen, nähere Angaben konnte der Kläger jedoch nicht mehr machen. Dr. H. vertrat die Auffassung, dass die im Bereich der linken Schulter vorliegenden Gesundheitsstörungen überwiegend durch den Arbeitsunfall verursacht worden seien. Die traumatische Verletzung der Rotatorenmanschette sei nahezu immer von degenerativen Veränderungen begleitet. Mit zunehmendem Alter steige die Inzidenz der atraumatisch bedingten partiellen und kompletten Rotatorenmanschettenrupturen signifikant an. Zwischen den beiden Extrempunkten einer traumatisch bedingten Rotatorenmanschettenruptur und einer rein degenerativ bedingten Rotatorenmanschettenruptur lägen die Fälle, in denen das Verletzungsereignis eine bereits degenerativ veränderte, jedoch noch nicht wesentlich geschädigte Rotatorenmanschette betreffe. Das Unfallereignis könne hier auch zu einer Ausdehnung eines vorbestehenden Rotatorenmanschettendefektes führen. Unter Abwägung der für und gegen einen Unfallzusammenhang sprechenden Faktoren komme er zum Ergebnis, dass ein Unfallzusammenhang anzunehmen sei. Insbesondere sprächen die leere Anamnese im Bereich des Schultergelenkes, der seiner Einschätzung nach geeignete Unfallhergang, der nahe zum Unfallzeitpunkt gelegene erstmalige Arztbesuch, die ausgeprägte Schmerzsymptomatik, der intraoperative und der histologische Befund, die deutliche Progredienz der degenerativen Veränderungen am AC-Gelenk seit dem Unfallzeitpunkt und die Seitenlokalisation für einen Unfallzusammenhang. Die MdE bewertete Dr. H. für die ersten 6 Wochen nach dem Unfall mit 30 v. H., für die Zeit danach auf Dauer mit 20 v. H.

Mit Urteil vom 15.03.2005 verurteilte das SG die Beklagte, dem Kläger wegen den Folgen des Arbeitsunfalls ab 10.03.2003 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v. H. zu gewähren und wies die Klage im Übrigen - soweit Rente nach einer höheren MdE geltend gemacht wurde - ab. Dass Dr. K. den Unfallzusammenhang in erster Linie wegen des nicht geeigneten Unfallablaufes verneint habe, sei nicht plausibel, da der genaue Unfallablauf nicht mehr aufklärbar sei. Die von Dr. K. erhobenen Befunde deuteten darauf hin, dass der Sturz tatsächlich zu einer erheblichen Gewalteinwirkung geführt habe und nicht von leichter, bagatellartiger Natur gewesen sei. Die beim Kläger vorhandenen degenerativen Veränderungen seien für das plötzliche Auftreten der linksseitigen Rotatorenmanschettenruptur von untergeordneter Bedeutung, da auch rechtsseitig ähnliche degenerative Veränderungen (geringeren Ausmaßes) vorlägen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger Rechtshänder sei und viele Jahre lang auf dem Bau schwere Arbeiten verrichtet habe, ergebe sich daraus zwanglos, dass die degenerativen Veränderungen von untergeordneter Bedeutung gewesen seien. Die MdE sei, wie von Dr. H. dargelegt, ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit mit 20 v. H. auf Dauer zu bewerten. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen das ihr am 11.04.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27.04.2005 Berufung eingelegt. Dr. K. und Prof. Dr. L. hätten schlüssig dargelegt, weshalb der Riss der Rotatorenmanschette nicht unfallbedingt sei. Demgegenüber vermöge das Gutachten von Dr. H. nicht zu überzeugen. Das SG habe verkannt, dass mehr gegen den Unfallzusammenhang spreche als dafür. Soweit das SG davon ausgehe, der Unfallhergang sei nicht mehr genau aufklärbar, könne dieser Punkt zur Beurteilung des Unfallzusammenhangs nicht herangezogen und somit auch nicht positiv für den Kläger gewertet werden. Auch habe das SG unberücksichtigt gelassen, dass sowohl der Befund der Kernspintomographie wie auch das fortgeschrittene Alter des Klägers zum Unfallzeitpunkt gegen einen Zusammenhang sprächen. Der Kläger habe seine Arbeit auch nicht am selben oder nächsten Tag eingestellt und einen Arzt konsultiert. Dies sei erst nach dem Wochenende erfolgt

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15.03.2005 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Verbringens der Beteiligten wird auf die Akten des SG und des Senats sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist auch begründet.

Gem. § 56 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) wird eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe gewährt, wenn und solange ein Verletzter infolge eines Versicherungsfalls in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens 1/5 (20 vom Hundert [v.H.]) gemindert ist. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wenn dessen Folgen die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 SGB VII). Es kommt somit nicht auf die nach dem Unfall verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten im erlernten Beruf oder in der vor dem Arbeitsunfall ausgeübten Tätigkeit an. Für die Schätzung der MdE kommt es nicht entscheidend darauf an, welche Diagnosen im Einzelnen zu stellen sind, sondern darauf, wie sich unfallbedingte Krankheitszustände funktionell auf die Erwerbsfähigkeit des Versicherten auswirken. Bei der Bestimmung des Grades der MdE durch das Gericht bilden schlüssige ärztliche Schätzungen im Gutachten bedeutsame Anhaltspunkte, ohne dass das Gericht an diese Schätzungen gebunden wäre. Gutachter und Gericht orientieren sich dabei an sogenannten Rententabellen, die die allgemeinen Erfahrungssätze für die Bewertung der MdE in der gesetzlichen Unfallversicherung enthalten.

Folgen eines Arbeitsunfalls liegen nur dann vor, wenn die durch die versicherte Tätigkeit erlittene Schädigung mit Wahrscheinlichkeit wesentlich an der Entstehung der Gesundheitsstörung mitgewirkt hat. Nach der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausallehre von der wesentlichen Bedingung (vgl. BSGE 61, 127, 129) sind als Ursache und Mitursache im Rechtssinne unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes nur die Bedingungen anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehungen zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (BSG SozR 3 2200 § 548 Nr. 13; Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 12. Aufl., Band 3, Rdnrn. 309 ff zu § 8 SGB VII mwN). Haben mehrere Bedingungen gemeinsam zu einem Erfolg geführt, sind sie rechtlich nur dann wesentliche Bedingungen und damit Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges in gleichem Maße wesentlich sind (Krasney aaO Rdnr. 314). Kommt dagegen einer der Bedingungen gegenüber der oder den anderen eine überwiegende Bedeutung zu, so ist sie allein wesentliche Bedingung und damit Ursache im Rechtssinne (BSGE 12, 242, 245 f; 13, 175, 176; Brackmann aaO S 480k I mwN). Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlicher Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 285, 286), das heißt, es müssen die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (vgl. BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze geht der Senat gestützt vor allem auf das Gutachten von Prof. Dr. L. davon aus, dass die beim Kläger festgestellte Rotatorenmanschettenläsion nicht wesentlich durch den Arbeitsunfall vom 31.05.2002 verursacht worden ist.

Den isolierten, ausschließlich traumatischen Supraspinatussehnenriss gibt es nicht. In Frage kommt allein ein Verletzungsmechanismus im Sinne der wesentlichen Teilursache bei bestehender Degeneration. Eine isolierte Verletzung der Rotatorenmanschette ist dabei die Ausnahme. Wird jedoch das Schultergelenk in seiner Gesamtheit geschädigt, kann es zu Mitverletzungen der Rotatorenmanschette kommen (vgl. hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, Seite 506). Dabei ist grundsätzlich erforderlich, dass ein Verletzungsmechanismus vorliegt, der der Art nach geeignet ist, eine Verletzung der Supraspinatussehne im Zusammenwirken mit degenerativen Veränderungen herbeizuführen. Ist dies der Fall, kann ein ursächlicher Zusammenhang nur angenommen werden, wenn der Unfall in seiner Bedeutung und Tragweite für den Eintritt der Rotatorenmanschettenruptur wesentliche Bedingung war. Es genügt deshalb nicht, dass das Unfallereignis "conditio sine qua non" für die Entstehung der Ruptur war, sondern es muss im Hinblick auf eventuell vorbestehende Gesundheitsstörungen wertend ermittelt werden, ob dem Unfallereignis oder den vorbestehenden Gesundheitsstörungen wesentliche Bedeutung für die Rotatorenmanschettenruptur zukommt (Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO Seite 507; Weber, Empfehlungen zur Begutachtung von Schäden der Rotatorenmanschette in DGU Mitteilungen und Nachrichten 46/2002, S. 26 f).

Der genaue Unfallablauf kann nicht mehr festgestellt werden. Angaben zum Unfallhergang hat der Kläger erstmals in seinem Schreiben vom 19.08.2002 gemacht. Dabei hat er angegeben, dass er versucht habe, sich bei dem Sturz mit der linken Hand festzuhalten. Er hat lediglich von zwei heftigen Schlägen in den Oberarm und die linke Seite der linken Hand gesprochen. Gegenüber Dr. K. hat der Kläger erstmals angegeben, er habe nach dem Sturz versucht, sich mit der linken Hand festzuhalten, wobei er mit dem Ellenbogen und der Handinnenfläche an die Mauer gestoßen sei. Gegenüber Prof. Dr. L. hat der Kläger ebenfalls angegeben, er habe versucht, sich festzuhalten und sei mit der linken Körperhälfte irgendwie aufgeschlagen. Nähere Angaben konnte er - wie im übrigen auch gegenüber Dr. H. - nicht machen. Dr. K. hält den vom Kläger geschilderten Festhalteversuch nicht für einen Unfallhergang, der geeignet wäre, einen Riss der Supraspinatussehne zu verursachen. Professor Dr. L. hat dargelegt, dass bei dem Sturz ein geeigneter Verletzungsmechanismus nicht auszuschließen sei. Allerdings sei auf Grund der Schilderung des Klägers eher eine direkte Anprallverletzung anzunehmen, bei der es zu einer Prellung oder Schätzung der Schulterweichteile gekommen sein könnte, eine Zerreißung der Rotatorenmanschette durch Überdehnung sei demnach eher unwahrscheinlich.

Da sich der Unfallhergang nicht mit Sicherheit klären lässt, kann nicht von vornherein von einem ungeeigneten Unfallhergang ausgegangen und damit ausgeschlossen werden, dass der angeschuldigte Arbeitsunfall zu einer Läsion der Rotatorenmanschette geführt hat (vgl. hierzu auch Weber, aaO). Es ist deshalb, wie vor allem Prof. Dr. L. und Dr. H. dies getan haben, aufgrund der gesamten Umstände eine Wertung dahingehend vorzunehmen, ob der Arbeitsunfall mit Wahrscheinlichkeit zu dem festgestellten Gesundheitsschaden geführt hat. Dies verneint der Senat in Übereinstimmung mit Prof. Dr. L. und - im Ergebnis - auch mit Dr. K ...

Nach der Auskunft der IKK sind beim Kläger vor dem angeschuldigten Ereignis keine Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Schulterbeschwerden aufgetreten. Auch Dr. K., der den Kläger seit September 1990 kennt, hat mitgeteilt, dass der Kläger bis zum Arbeitsunfall keine Schulterbeschwerden gehabt hat. Dies schließt zwar nicht aus, dass bereits vor dem Unfall degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette vorgelegen haben, beweist also nicht einen ursächlichen Zusammenhang. Jedoch kann im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung eine leere Schulteranamnese als Indiz für eine unfallbedingte Verursachung angesehen werden (vgl. insoweit auch Weber, aaO; ebenso Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO, Seite 513). Als Indiz für eine unfallbedingte Verletzung der Rotatorenmanschette mit Rotatorenmanschettenruptur sind auch klinische Zeichen eines frischen Risses ("akute Ruptur "), ein starker initial abklingender Schmerz, sofortige Arbeitsniederlegung, baldiger Arztbesuch, Reißgefühl, Pseudoparalyse, passiv freie Beweglichkeit bei unauffälliger Muskulatur zu werten (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO, Seite 513). Ein starker initialer Schmerz lag nach den Angaben des Klägers im Schreiben vom 19.08.2002 nicht vor. Dort hat der Kläger lediglich angegeben, die Schulter habe "etwas geschmerzt". Gegenüber Dr. K. hat der Kläger sogar angegeben, er habe nach einigen Schreckminuten geholfen, das Gerüst wieder aufzubauen. Der linken Arm habe er dabei allerdings nur eingeschränkt einsetzen können, auch habe er die linke Schulter nicht richtig bewegen können. Diese Angaben sprechen gegen einen starken initialen Schmerz, wie er bei einer Zerreißung der Rotatorenmanschette zu erwarten gewesen wäre. Andererseits hat sich, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat, der Unfall am Freitagnachmittag kurz vor Arbeitsende ereignet. Am nächsten und übernächsten Tag musste der Kläger nicht arbeiten und den verletzten Arm einsetzen. Nach dem Wochenende hat er vor Arbeitsbeginn Dr. K. aufgesucht und über starke Schmerzen im Bereich der linken Schulter geklagt. Dr. K. hat, worauf Dr. H. hingewiesen hat, umgehend eine Kernspintomografie der linken Schulter veranlasst. Nach Auffassung von Dr. H. spricht dies dafür, dass eine erhebliche Schmerzsymptomatik vorhanden war, ansonsten wäre eine solche Anordnung nicht bzw. nicht zu diesem Zeitpunkt erfolgt. Nach Schönberger/Mehrtens/Valentin haben schwere und mit einer Zusammenhangstrennung der Rotatorenmanschette einhergehende Verletzungen das Schmerzmaximum in den frühen Tagen und Wochen nach dem Ereignis (aaO Seite 509). Ausgehend hiervon kann das Verhalten des Klägers nach dem Arbeitsunfall nach Auffassung des Senats nicht ohne weiteres als Indiz gegen eine unfallbedingte Verursachung gewertet werden, sondern es ist - entgegen der Auffassung von Dr. K. - durchaus noch mit einer unfallbedingten Verletzung der Rotatorenmanschette vereinbar. Auch die im Kernspintomogramm vom 7.6.2002, also zeitnah zum Unfall, festgestellte komplette Ruptur der Supraspinatussehne spricht zunächst für einen Unfallzusammenhang.

Allerdings konnten im Kernspintomogramm keine frische Bankart-Läsion und kein frischer Hill-Sachs-Defekt festgestellt werden, was gegen eine frische traumatische Rotatorenmanschettenläsion spricht, ebenso wie die beschriebene Omarthrose und die aktivierte AC-Gelenksarthrose (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO, Seite 510). Auch andere verletzungstypische Veränderungen, wie z. B. ein ausgedehnter blutiger Gelenkerguss oder eine Flüssigkeitsansammlung unter dem Schulterdach konnten, wie Prof. Dr. L. dargelegt hat, nicht festgestellt werden. Dagegen fanden sich nach dem Gutachten von Prof. Dr. L. auf den Röntgenaufnahmen vom 3.06.2002 mit einer erheblichen Einengung des Gleitraumes unter dem Schulterdach durch einen Acromionsporn Befunde, die für eine Schädigung der Rotatorenmanschette durch ein knöchernes Engpasssyndrom mit örtlicher Durchblutungsstörung typisch sind. Äußere Verletzungszeichen im Bereich der linken Schulter, die für ein erhebliches Weichteiltrauma sprechen könnten, konnten von Dr. K. bei der ersten Untersuchung des Klägers nicht festgestellt werden. Er hat lediglich eine flächige Schürfmarke im Bereich des körpernahen linken Unterarmes beschrieben, woraus Prof. Dr. L. den Schluss gezogen hat, dass der Anprall wohl nicht auf den ausgestreckten Arm oder den Ellbogen erfolgt sein kann. Dieser Befund ist auch angesichts des fraglich positiven Jobe-Testes (der nach Prof. Dr. L. auf eine gewisse Schwäche beim Halten des Armes in Schulterhöhe hindeutet) mit einer frischen traumatischen Zerreißung der Rotatorenmanschette nur schwer vereinbar, wie Prof. Dr. L. für den Senat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt hat. Der intraoperative und der histologische Befund können, wie Prof. Dr. L. ebenfalls nachvollziehbar dargelegt hat, im Hinblick auf den zeitlichen Abstand zum Arbeitsunfall nicht mehr als Indiz für oder gegen einen Unfallzusammenhang gewertet werden. Insoweit überzeugt es den Senat nicht, dass Dr. H. diese Befunde für einen Unfallzusammenhang gewertet hat. Auch der Hinweis von Dr. H., die deutliche Progredienz der degenerativen Veränderungen am AC-Gelenk im Vergleich zu den Vergleichsaufnahmen vom Unfallereignis spreche für einen Unfallzusammenhang, überzeugt den Senat nicht. Zwar ist sein Hinweis, dass der Kläger Rechtshänder sei und bei seiner beruflichen Tätigkeit zu erwarten gewesen wäre, dass vor allem die rechte Seite von degenerativen Veränderungen betroffen ist, nicht völlig von der Hand zu weisen, jedoch vermag der Senat diesem Argument angesichts der anderen, gegen einen Unfallzusammenhang sprechenden Umstände kein maßgebliches Gewicht beizumessen.

Der Senat folgt deshalb im Ergebnis der - mit Dr. K. übereinstimmenden - Beurteilung von Prof. Dr. L., dass dem Unfallereignis hier keine wesentliche Bedeutung für die Entstehung der Roatorenmanschettenruptur zukommt, da weder der anlässlich der Untersuchung durch Dr. K. erhobene Primärbefund auf eine schwerwiegende Schulterverletzung hinweist noch im Kernspintomogramm vom 07.06.2002 verletzungstypische Veränderungen der linken Schulter erkennbar sind, andererseits zum Unfallzeitpunkt deutliche degenerative Vorschäden vorgelegen haben. Insofern ist es für den Senat nachvollziehbar, dass der Arbeitsunfall lediglich Beschwerden ausgelöst hat, die angesichts des strukturellen Befundes jederzeit in gleichem Ausmaß durch eine willkürliche Kraftanstrengung oder durch ein Bagatellereignis hätten ausgelöst werden können. Dass es sich bei dem Unfall tatsächlich nicht um ein alltägliches Ereignis gehandelt hat - so zutreffend Prof. Dr. W. - , ändert an der Beurteilung nichts.

Da somit zur Überzeugung des Senats mehr gegen einen ursächlichen Zusammenhang als dafür spricht, ist davon auszugehen, dass die beim Kläger bestehende Rotatorenmanschettenläsion nicht wesentlich durch den Arbeitsunfall verursacht worden ist.

Der Kläger hat deshalb keinen Anspruch auf Rente, weshalb die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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