Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 14 U 113/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 248/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 24/06 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 14.10.2005 geändert und unter Aufhebung des Bescheides vom 06.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2003 festgestellt, dass die am 05.07.2002 erlittene Kopfverletzungen des Klägers Folgen eines Arbeitsunfalls sind. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung eines Unfalles vom 05.07.2002 als Arbeitsunfall.
Der am 00.00.1964 geborene Kläger ist als Tischler beschäftigt in einem Betrieb, der etwa 1 km von seiner Wohnung entfernt ist. Am 05.07.2002 befand er sich zur Einnahme eines verspäteten Mittagessens zwischen 16.00 und 16.30 Uhr in seiner Wohnung. Da er um 17 Uhr einen Kunden zwecks Materiallieferung und Beratung aufsuchen sollte, beabsichtigte er, alsbald wieder zum Betriebssitz zu fahren. Dazu stieg er gegen 16.30 Uhr in seinen Privat-PKW, Typ BMW Z 3, ein und stellte nach wenigen Metern fest, dass der Wagen ein schleifendes Geräusch abgab. Er stieg aus, um nachzusehen. Da das Fahrzeug sehr tief liegt, holte er den Wagenheber aus dem Kofferraum und bockte den Wagen auf. Alsdann ging er zur Inspektion mit dem Kopf unter das Auto. Als dieses sich plötzlich senkte, wurde er eingequetscht und erlitt eine Schädelbasisfraktur, deretwegen er bis zum 23.07.2002 stationär behandelt wurde.
Mit Bescheid vom 06.03.2003 und Widerspruchsbescheid vom 18.06.2003 lehnte die Beklagte die Feststellung eines Arbeitsunfalles mit der Begründung ab, dass Verrichtungen, die der Instandhaltung des eigenen Beförderungsmittels dienten, grundsätzlich eigenwirtschaftlich und daher nicht versichert seien; anders könne dies sein, wenn die Reparatur - wie hier - unvorhergesehen notwendig werde; es sei dem Kläger jedoch zuzumuten gewesen, den relativ kurzen Weg zum Betriebssitz zu Fuß zurückzulegen.
Die am 11.07.2003 erhobene Klage, mit der der Kläger erneut geltend gemacht hat, dass es sich bei der unfallbringenden Tätigkeit lediglich um eine Kontrollmaßnahme und nicht um eine Reparatur gehandelt habe, hat das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 14.10.2005 abgewiesen und sich im wesentlichen der Argumentation der Beklagten angeschlossen; auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.
Gegen das ihm am 03.11.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.11.2005 Berufung eingelegt. Er trägt vor: Die Kontrolle der Verkehrssicherheit des Fahrzeuges habe nur eine geringfügige Unterbrechung bedeutet. Der Zusammenhang des Weges mit der Betriebstätigkeit sei nicht beseitigt worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Detmold vom 14.10.2005 zu ändern und unter Aufhebung des Bescheides vom 06.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2003 festzustellen, dass seine am 05.07.2002 erlittenen Kopfverletzungen Folgen eines Arbeitsunfalles sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer Auffassung fest und bezieht sich auch auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung.
Im Termin vom 02.05.2006, auf dessen Sitzungsniederschrift im übrigen verwiesen wird, ist der Kläger eingehend gehört worden. Er hat bekundet, dass er das Schleifen am Auto erstmals bei der Rückfahrt gehört habe; er sei zunächst zurückgesetzt, habe den Wagen aber dann wieder vorwärts etwa in die alte Position gefahren, um dann dem Geräusch nachzugehen; das alles habe sich noch auf dem Hof seiner Wohnstätte abgespielt; er habe angenommen, der Ast eines Baumes habe sich unter dem Fahrzeug verklemmt; er wisse nicht, warum er nicht direkt unter den Wagen geschaut, sondern sofort den Wagenheber zu Hilfe genommen habe.
Die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf den Inhalt dieser Akten und den der Streitakten wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil ist zu ändern. Die am 05.07.2002 erlittenen Kopfverletzungen des Klägers sind Folge eines Arbeitsunfalls.
Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Eine versicherte Tätigkeit ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurückliegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalles der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zur Zeit des Unfalls ausgeübten Verrichtung ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26.10.2004, B 2 U 24/03 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 9, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Maßgeblich ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten, soweit sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (Urteil des BSG vom 28.04.2004, B 2 U 26/03, SozR 4-2700 § 8 Nr. 5, m.w.N.).
Der Kläger stand als Beschäftigter gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII generell und gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch bei der unfallbringenden Tätigkeit unter Versicherungsschutz. Diese rechtliche Beurteilung knüpft an einen Sachverhalt an, der sich aus den von der Beklagten eingeholten Auskünften sowie den konsistenten und glaubhaften Angaben des auch im Termin vor dem Senat glaubwürdig erscheinenden Klägers festzustellen ist und der sich wie folgt darstellt: Der Kläger ist am Morgen des Unglückstages mit seinem Pkw von seiner Wohnstätte zu der ca. 1 km entfernten Betriebsstätte gefahren. Er hat gegen 07:30 Uhr seine Tätigkeit aufgenommen und - ohne die übliche Mittagspause - bis in den Nachmittag hinein durchgeführt. Gegen 16:00 Uhr ist er mit seinem Pkw nach Hause gefahren, wo er eine Mahlzeit einnahm. Anschließend wollte er sich wieder zur Betriebsstätte begeben, von wo aus er gegen 17:00 Uhr einen Kunden seines Arbeitgebers beliefern sollte. Unmittelbar nach Ingangsetzen seines Pkw bemerkte er ein Schleifgeräusch, hielt den Wagen an und bockte ihn mit einem Wagenheber auf, um nach der Ursache zu suchen. Dabei ging er davon aus, dass sich der Ast eines Baumes unter dem Wagen verklemmt hatte. Tatsächlich war eine Aufhängung des Auspuffs gerissen, so dass dieser auf dem Boden auflag. Durch den abrutschenden Wagenheber senkte sich der Wagen, so das der Kläger erhebliche Kopfverletzungen erlitt.
Bei dieser Sachlage ist zunächst festzuhalten, dass der Kläger bei Antritt seines Weges zu seiner Arbeitsstätte gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versichert war, der Vorschrift, die das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach dem Ort der Tätigkeit unter Versicherungsschutz stellt, auch wenn ein solcher Weg am Tage mehrfach z.B. wie hier wegen einer Nahrungsaufnahme anfällt (vgl. BSG, Urteil vom 22.11.1984, 2 RU 50/83, SozR 2200 § 550 Nr. 68; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 5. Auflage, § 8 Nr. 12.10). Das wird von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen. Entgegen ihrer Auffassung hat der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit bei der unfallbringenden Handlung des Klägers fortbestanden.
Allerdings sind Maßnahmen etwa zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit eines Kraftfahrzeugs, das - wie hier - kein Arbeitsgerät ist (§ 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII), als sog. vorbereitende Tätigkeiten unversichert, auch wenn das Fahrzeug in nicht unbeträchtlichem Umfang zu Wegen von und zur Arbeitsstätte benutzt wird (ständige Rechtsprechung des BSG vgl BSGE 16, 245; Urteile des BSG vom 26.06.1985 - 2 RU 50/84 - und vom 28.09.1999 - B 2 U 33/98 R -; Bereiter-Hahn/Mehrtens a.a.O. § 8 Nr. 12.28). Dem folgt der Senat ebenso wie der weiteren Rechtsprechung des BSG zu Ausnahmen von diesem Grundsatz. So kann bei Maßnahmen wegen einer unvorhergesehen bei der Fahrt aufgetretenen Störung der Versicherungsschutz fortbestehen (vgl. BSG a.a.O.; Bereiter-Hahn/Mertens a.a.O.; Brackmann/Krasney, SGB VII § 8 RdNr. 212 m.w.N.). So liegt der Sachverhalt nach den oben getroffenen Feststellungen hier. Ist bei einer an objektiven Umständen orientierten Betrachtung des Versicherten eine Maßnahme nicht notwendig, weil auch ohne sie das Ziel ohne Gefährdung des Versicherten bzw. anderer Verkehrsteilnehmer und ohne die Gefahr eines (weiteren) Schadens für das Fahrzeug erreicht werden kann, so scheidet der Versicherungsschutz allerdings aus. Dasselbe gilt für Fälle, in denen der Versicherte von vornherein erkennen muss, dass der Schaden von ihm an Ort und Stelle gar nicht behoben werden kann, so dass weitere Handlungen etwa nur der Feststellung des Schadensumfang, nicht aber dem Zurückliegen des Weges dienen können. Keine dieser Konstellationen ist hier gegeben. Der Kläger hat angenommen und annehmen dürfen, dass sein Fahrzeug nicht mehr betriebssicher war und dass er den Schaden durch einige Handgriffe wie etwa das Entfernen eines verklemmten Gegenstandes beheben konnte.
Der notwendige innere Zusammenhang entfällt zwar, wie das SG und die Beklagte (vgl. insbesondere Schriftsatz vom 14.04.2005) unter Hinweis auf einschlägige Rechtsprechung und Literatur dargelegt haben, wenn es dem Versicherten zuzumuten ist, den Weg ohne das betriebsunfähige Beförderungsmittel etwa zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortzusetzen (vgl. BSGE 16, 245; Brackmann/Krasney a.a.O. m.w.N.). Soweit in diesem Zusammenhang gefordert wird, die Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit dürfe nach Art und Zeitaufwand nicht einem Missverhältnis zur Dauer des Weges im Ganzen stehen (BSG a.a.O.; Brackmann/Krasney a.a.O.), wird auf die Handlungstendenz abgestellt, die bei einem solchen Missverhältnis in der Regel eher auf private als auf betriebliche Belange gerichtet ist. Ein solcher Sachverhalt liegt hier nicht vor. Seinen auch nach der Lebenserfahrung glaubhaften Angaben zufolge wollte der Kläger dem Geräusch auf die Spur kommen, um damit (auch) die Betriebssicherheit des Wagens festzustellen. Es ist dabei anzunehmen, dass er den Schaden zu beheben versucht hätte, wenn ihm dies kurzfristig - etwa durch Entfernen eines verklemmten Gegenstandes - möglich gewesen wäre. Es gibt aber keinen Anhalt dafür, dass er (von vornherein) eine längere Reparatur in Angriff nehmen wollte. Dagegen spricht bereits, dass er in Kürze wieder auf der Betriebsstätte zu erscheinen und dazu noch einen Termin mit einem Kunden wahrzunehmen hatte. Die somit bestenfalls auf einige Minuten angelegte Aktion stand in keinem Missverhältnis zum (weiteren) Weg, auch wenn dieser nur etwa 1000 Meter betragen hat. Denn es ist zum einen zu bedenken, dass er diese Strecke nach getaner Arbeit noch einmal hätte zurücklegen müssen. Dass ihm dies (für die Hinfahrt zeitgerecht und für die Rückfahrt zumutbar) mit öffentlichen Verkehrsmitteln möglich gewesen wäre, wird von der Beklagten (für die Hinfahrt) nicht behauptet und ist angesichts der ländlichen Umgebung, in der der Kläger wohnte, auch nicht anzunehmen. Zu berücksichtigen ist zum anderen, dass der Kläger seit den frühen Morgenstunden bis zur verspäteten Pause gegen 16:00 Uhr ununterbrochen gearbeitet hatte und diese Arbeit weiter fortsetzen sollte. Dies alles führt auch unter Berücksichtigung der Kürze der geplanten Maßnahme dazu, dass es dem Kläger nicht zumutbar war, nach Feststellen des Geräusches den Weg zur Arbeitsstätte ohne weiteres zu Fuß zurückzulegen, ohne die Chance der Fortsetzung mit dem Pkw zu nutzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 1 Nr. 1 SGG) die Revision zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung eines Unfalles vom 05.07.2002 als Arbeitsunfall.
Der am 00.00.1964 geborene Kläger ist als Tischler beschäftigt in einem Betrieb, der etwa 1 km von seiner Wohnung entfernt ist. Am 05.07.2002 befand er sich zur Einnahme eines verspäteten Mittagessens zwischen 16.00 und 16.30 Uhr in seiner Wohnung. Da er um 17 Uhr einen Kunden zwecks Materiallieferung und Beratung aufsuchen sollte, beabsichtigte er, alsbald wieder zum Betriebssitz zu fahren. Dazu stieg er gegen 16.30 Uhr in seinen Privat-PKW, Typ BMW Z 3, ein und stellte nach wenigen Metern fest, dass der Wagen ein schleifendes Geräusch abgab. Er stieg aus, um nachzusehen. Da das Fahrzeug sehr tief liegt, holte er den Wagenheber aus dem Kofferraum und bockte den Wagen auf. Alsdann ging er zur Inspektion mit dem Kopf unter das Auto. Als dieses sich plötzlich senkte, wurde er eingequetscht und erlitt eine Schädelbasisfraktur, deretwegen er bis zum 23.07.2002 stationär behandelt wurde.
Mit Bescheid vom 06.03.2003 und Widerspruchsbescheid vom 18.06.2003 lehnte die Beklagte die Feststellung eines Arbeitsunfalles mit der Begründung ab, dass Verrichtungen, die der Instandhaltung des eigenen Beförderungsmittels dienten, grundsätzlich eigenwirtschaftlich und daher nicht versichert seien; anders könne dies sein, wenn die Reparatur - wie hier - unvorhergesehen notwendig werde; es sei dem Kläger jedoch zuzumuten gewesen, den relativ kurzen Weg zum Betriebssitz zu Fuß zurückzulegen.
Die am 11.07.2003 erhobene Klage, mit der der Kläger erneut geltend gemacht hat, dass es sich bei der unfallbringenden Tätigkeit lediglich um eine Kontrollmaßnahme und nicht um eine Reparatur gehandelt habe, hat das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 14.10.2005 abgewiesen und sich im wesentlichen der Argumentation der Beklagten angeschlossen; auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.
Gegen das ihm am 03.11.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.11.2005 Berufung eingelegt. Er trägt vor: Die Kontrolle der Verkehrssicherheit des Fahrzeuges habe nur eine geringfügige Unterbrechung bedeutet. Der Zusammenhang des Weges mit der Betriebstätigkeit sei nicht beseitigt worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Detmold vom 14.10.2005 zu ändern und unter Aufhebung des Bescheides vom 06.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2003 festzustellen, dass seine am 05.07.2002 erlittenen Kopfverletzungen Folgen eines Arbeitsunfalles sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer Auffassung fest und bezieht sich auch auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung.
Im Termin vom 02.05.2006, auf dessen Sitzungsniederschrift im übrigen verwiesen wird, ist der Kläger eingehend gehört worden. Er hat bekundet, dass er das Schleifen am Auto erstmals bei der Rückfahrt gehört habe; er sei zunächst zurückgesetzt, habe den Wagen aber dann wieder vorwärts etwa in die alte Position gefahren, um dann dem Geräusch nachzugehen; das alles habe sich noch auf dem Hof seiner Wohnstätte abgespielt; er habe angenommen, der Ast eines Baumes habe sich unter dem Fahrzeug verklemmt; er wisse nicht, warum er nicht direkt unter den Wagen geschaut, sondern sofort den Wagenheber zu Hilfe genommen habe.
Die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf den Inhalt dieser Akten und den der Streitakten wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil ist zu ändern. Die am 05.07.2002 erlittenen Kopfverletzungen des Klägers sind Folge eines Arbeitsunfalls.
Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Eine versicherte Tätigkeit ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurückliegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalles der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zur Zeit des Unfalls ausgeübten Verrichtung ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26.10.2004, B 2 U 24/03 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 9, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Maßgeblich ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten, soweit sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (Urteil des BSG vom 28.04.2004, B 2 U 26/03, SozR 4-2700 § 8 Nr. 5, m.w.N.).
Der Kläger stand als Beschäftigter gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII generell und gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch bei der unfallbringenden Tätigkeit unter Versicherungsschutz. Diese rechtliche Beurteilung knüpft an einen Sachverhalt an, der sich aus den von der Beklagten eingeholten Auskünften sowie den konsistenten und glaubhaften Angaben des auch im Termin vor dem Senat glaubwürdig erscheinenden Klägers festzustellen ist und der sich wie folgt darstellt: Der Kläger ist am Morgen des Unglückstages mit seinem Pkw von seiner Wohnstätte zu der ca. 1 km entfernten Betriebsstätte gefahren. Er hat gegen 07:30 Uhr seine Tätigkeit aufgenommen und - ohne die übliche Mittagspause - bis in den Nachmittag hinein durchgeführt. Gegen 16:00 Uhr ist er mit seinem Pkw nach Hause gefahren, wo er eine Mahlzeit einnahm. Anschließend wollte er sich wieder zur Betriebsstätte begeben, von wo aus er gegen 17:00 Uhr einen Kunden seines Arbeitgebers beliefern sollte. Unmittelbar nach Ingangsetzen seines Pkw bemerkte er ein Schleifgeräusch, hielt den Wagen an und bockte ihn mit einem Wagenheber auf, um nach der Ursache zu suchen. Dabei ging er davon aus, dass sich der Ast eines Baumes unter dem Wagen verklemmt hatte. Tatsächlich war eine Aufhängung des Auspuffs gerissen, so dass dieser auf dem Boden auflag. Durch den abrutschenden Wagenheber senkte sich der Wagen, so das der Kläger erhebliche Kopfverletzungen erlitt.
Bei dieser Sachlage ist zunächst festzuhalten, dass der Kläger bei Antritt seines Weges zu seiner Arbeitsstätte gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versichert war, der Vorschrift, die das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach dem Ort der Tätigkeit unter Versicherungsschutz stellt, auch wenn ein solcher Weg am Tage mehrfach z.B. wie hier wegen einer Nahrungsaufnahme anfällt (vgl. BSG, Urteil vom 22.11.1984, 2 RU 50/83, SozR 2200 § 550 Nr. 68; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 5. Auflage, § 8 Nr. 12.10). Das wird von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen. Entgegen ihrer Auffassung hat der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit bei der unfallbringenden Handlung des Klägers fortbestanden.
Allerdings sind Maßnahmen etwa zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit eines Kraftfahrzeugs, das - wie hier - kein Arbeitsgerät ist (§ 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII), als sog. vorbereitende Tätigkeiten unversichert, auch wenn das Fahrzeug in nicht unbeträchtlichem Umfang zu Wegen von und zur Arbeitsstätte benutzt wird (ständige Rechtsprechung des BSG vgl BSGE 16, 245; Urteile des BSG vom 26.06.1985 - 2 RU 50/84 - und vom 28.09.1999 - B 2 U 33/98 R -; Bereiter-Hahn/Mehrtens a.a.O. § 8 Nr. 12.28). Dem folgt der Senat ebenso wie der weiteren Rechtsprechung des BSG zu Ausnahmen von diesem Grundsatz. So kann bei Maßnahmen wegen einer unvorhergesehen bei der Fahrt aufgetretenen Störung der Versicherungsschutz fortbestehen (vgl. BSG a.a.O.; Bereiter-Hahn/Mertens a.a.O.; Brackmann/Krasney, SGB VII § 8 RdNr. 212 m.w.N.). So liegt der Sachverhalt nach den oben getroffenen Feststellungen hier. Ist bei einer an objektiven Umständen orientierten Betrachtung des Versicherten eine Maßnahme nicht notwendig, weil auch ohne sie das Ziel ohne Gefährdung des Versicherten bzw. anderer Verkehrsteilnehmer und ohne die Gefahr eines (weiteren) Schadens für das Fahrzeug erreicht werden kann, so scheidet der Versicherungsschutz allerdings aus. Dasselbe gilt für Fälle, in denen der Versicherte von vornherein erkennen muss, dass der Schaden von ihm an Ort und Stelle gar nicht behoben werden kann, so dass weitere Handlungen etwa nur der Feststellung des Schadensumfang, nicht aber dem Zurückliegen des Weges dienen können. Keine dieser Konstellationen ist hier gegeben. Der Kläger hat angenommen und annehmen dürfen, dass sein Fahrzeug nicht mehr betriebssicher war und dass er den Schaden durch einige Handgriffe wie etwa das Entfernen eines verklemmten Gegenstandes beheben konnte.
Der notwendige innere Zusammenhang entfällt zwar, wie das SG und die Beklagte (vgl. insbesondere Schriftsatz vom 14.04.2005) unter Hinweis auf einschlägige Rechtsprechung und Literatur dargelegt haben, wenn es dem Versicherten zuzumuten ist, den Weg ohne das betriebsunfähige Beförderungsmittel etwa zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortzusetzen (vgl. BSGE 16, 245; Brackmann/Krasney a.a.O. m.w.N.). Soweit in diesem Zusammenhang gefordert wird, die Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit dürfe nach Art und Zeitaufwand nicht einem Missverhältnis zur Dauer des Weges im Ganzen stehen (BSG a.a.O.; Brackmann/Krasney a.a.O.), wird auf die Handlungstendenz abgestellt, die bei einem solchen Missverhältnis in der Regel eher auf private als auf betriebliche Belange gerichtet ist. Ein solcher Sachverhalt liegt hier nicht vor. Seinen auch nach der Lebenserfahrung glaubhaften Angaben zufolge wollte der Kläger dem Geräusch auf die Spur kommen, um damit (auch) die Betriebssicherheit des Wagens festzustellen. Es ist dabei anzunehmen, dass er den Schaden zu beheben versucht hätte, wenn ihm dies kurzfristig - etwa durch Entfernen eines verklemmten Gegenstandes - möglich gewesen wäre. Es gibt aber keinen Anhalt dafür, dass er (von vornherein) eine längere Reparatur in Angriff nehmen wollte. Dagegen spricht bereits, dass er in Kürze wieder auf der Betriebsstätte zu erscheinen und dazu noch einen Termin mit einem Kunden wahrzunehmen hatte. Die somit bestenfalls auf einige Minuten angelegte Aktion stand in keinem Missverhältnis zum (weiteren) Weg, auch wenn dieser nur etwa 1000 Meter betragen hat. Denn es ist zum einen zu bedenken, dass er diese Strecke nach getaner Arbeit noch einmal hätte zurücklegen müssen. Dass ihm dies (für die Hinfahrt zeitgerecht und für die Rückfahrt zumutbar) mit öffentlichen Verkehrsmitteln möglich gewesen wäre, wird von der Beklagten (für die Hinfahrt) nicht behauptet und ist angesichts der ländlichen Umgebung, in der der Kläger wohnte, auch nicht anzunehmen. Zu berücksichtigen ist zum anderen, dass der Kläger seit den frühen Morgenstunden bis zur verspäteten Pause gegen 16:00 Uhr ununterbrochen gearbeitet hatte und diese Arbeit weiter fortsetzen sollte. Dies alles führt auch unter Berücksichtigung der Kürze der geplanten Maßnahme dazu, dass es dem Kläger nicht zumutbar war, nach Feststellen des Geräusches den Weg zur Arbeitsstätte ohne weiteres zu Fuß zurückzulegen, ohne die Chance der Fortsetzung mit dem Pkw zu nutzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 1 Nr. 1 SGG) die Revision zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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