L 6 SB 2776/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SB 1454/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 2776/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 7. Juni 2005 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob beim Kläger der Nachteilsausgleich "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) festzustellen ist.

Bei dem 1942 geborenen Kläger stellte der Beklagte zuletzt mit Bescheid vom 01.10.1999 den Grad der Behinderung (GdB) ab 11.08.1999 mit 100 fest, wobei folgende Funktionsbeeinträchtigungen berücksichtigt wurden (in Klammern jeweils die zugrunde gelegten Einzel-GdB-Werte): "Sehminderung rechts (30). Asthmoide Bronchitis mit Lungenfunktionsstörung (20). Verbildende Veränderungen der Wirbelsäule mit wiederkehrenden Reizerscheinungen (20). Koronare Herzkrankheit, Herzmuskelschaden mit Herzleistungsminderung (30). Schlaganfallfolgen, Halbseitenteillähmung links (70). Zuckerkrankheit (mit Diät und oralen Antidiabetika einstellbar [20])". Im Mai 2001 beantragte der Kläger die Feststellung der Nachteilsausgleiche "aG" und "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht). Diesen Antrag lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 17.10.2001, Widerspruchsbescheid vom 29.01.2002). Am 26.06.2003 beantragte der Kläger rückwirkend die Feststellung der Nachteilsausgleiche "aG" und "RF". Durch eine im Mai und Juni 2003 durchgeführte Reha-Maßnahme habe die außergewöhnliche Gehbehinderung nicht verbessert werden können. Der Beklagte übersandte dem Kläger einen Formularantrag, der am 14.07.2003 beim Beklagten einging und mit dem der Kläger die Feststellung der Nachteilsausgleiche "B", "aG" und "RF" beantragte. Der vom Beklagten um einen Befundbericht gebetene Dr. M. übersandte stattdessen den Entlassungsbericht der Kliniken S. vom 30.06.2003 über die stationäre Behandlung vom 13.05. bis 17.06.2003.

Mit Bescheid vom 15.08.2003 stellte der Beklagte das Merkzeichen "B" fest. Mit Bescheid vom 18.08.2003 lehnte er den Antrag auf Erteilung eines Rücknahmebescheides hinsichtlich des Bescheides vom 17.10.2001 gem. § 44 Sozialgesetzbuch (SGB) X ab, da die damalige Entscheidung, die Nachteilsausgleiche "aG" und "RF" nicht festzustellen, nicht rechtswidrig gewesen sei. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 06.11.2003 zurück, wobei er darauf hinwies, dass über den Neuantrag vom 14.07.2003 hinsichtlich der Nachteilsausgleiche "aG" und "RF" noch gesondert entschieden werde.

Im Hinblick auf diese anstehende Entscheidung bat der Beklagte Dr. M. erneut um einen Befundbericht. Dieser teilte unter dem 10.11.2003 mit, dass sich der Befund gegenüber dem im Bericht der Kliniken S. über den stationären Aufenthalt vom Mai/Juni 2003 nicht wesentlich verändert habe. Ergänzend holte der Beklagte von dem Arzt für Innere Medizin Dr. B. das internistische Gutachten vom 09.03.2004 ein, in dem die Voraussetzungen für die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung oder für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht verneint wurden. Auch die vom Beklagten bislang zugrunde gelegten Einzel-GdB-Werte wurden im wesentlichen bestätigt, lediglich hinsichtlich der Halbseitensymptomatik links nach Schlaganfall legte Dr. B. einen Einzel-GdB von 80 (statt bisher 70) zugrunde.

Mit Bescheid vom 29.03.2004 lehnte der Beklagte daraufhin die Feststellung der beantragten Nachteilsausgleiche "aG" und "RF" ab. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29.04.2004).

Dagegen erhob der Kläger am 17.05.2004 Klage vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG). Das SG holte von Dr. M. die sachverständige Zeugenauskunft vom 28.06.2004 mit ergänzender Stellungnahme vom 05.07.2004 ein. Dr. M. teilte mit, aufgrund der seit Jahren bestehenden Halbseitenlähmung links sei der Kläger in seiner Mobilität doch erheblich beeinträchtigt. Selbstständiges Gehen sei mit Mühe bis zu einer Strecke von 20 m am Stück möglich. Gegenüber dem neurologischen Befund der S. Kliniken sei sicher keine schwerwiegende Verschlechterung eingetreten, allerdings scheine ihm die im Entlassungsbericht beschriebene Gehstrecke von maximal 1 - 2 km sehr optimistisch. Für diese Strecke benötige der Kläger heute, wenn sie ihm überhaupt möglich sei, sicherlich eine Stunde. Flüssiges Gehen sei dem Kläger nicht möglich, die Gehstrecke ohne Abstützen und ohne Stehenbleiben liege bei ca. 20 m. Längere Gehstrecken seien nur unter großer Mühe mit Hilfe der Ehefrau und häufigem Stehenbleiben zu bewältigen.

Mit Urteil vom 07.06.2005 stellte das SG unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide beim Kläger ab 14.07.2003 den Nachteilsausgleich "aG" fest. Hinsichtlich des ebenfalls beantragten Nachteilsausgleichs "RF" wies das SG die Klage ab. Gestützt auf die Angaben des Klägers und von Dr. M. ging das SG davon aus, dass er eine längere Gehstrecke als etwa 20 m nur unter großer Mühe, mit Hilfe seiner Ehefrau und häufigem Stehenbleiben bewältigen könne. Außerdem gebe es nach den glaubhaften Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung auch Tage, an denen er nur eine Wegstrecke von 5 m am Stück zurücklegen könne. Auch wenn im Entlassungsbericht der Kliniken S. ausgeführt worden sei, der Kläger könne eine Gehstrecke bis max. 1 bis 2 km, wenn auch bei unsicherem Gang, zurücklegen, spreche dies nicht gegen die begehrte Feststellung. In dem Bericht sei gerade nicht differenziert worden, ob der Kläger die Gehstrecke allein oder mit Hilfe Dritter zurücklegen könne. Der Kläger habe auch jetzt angegeben, eine längere Gehstrecke zurücklegen zu können, dies allerdings nur unter großer Mühe und mit Hilfe seiner Ehefrau.

Gegen das ihm am 15.06.2005 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 07.07.2005 Berufung eingelegt. Aufgrund der beim Kläger objektiv vorliegenden Befunde sei der Rückschluss auf eine außergewöhnliche Gehbehinderung nicht möglich. Bereits die Tatsache, dass Dr. B. in seinem versorgungsärztlichen Gutachten vom 09.03.2004 das Gangbild als einigermaßen zügig bei angedeutetem Wernickemuster ohne technische Hilfsmittel und eine Hilfsperson beschreibe, widerlege die Annahme, dass der Kläger schon auf den ersten Metern nur unter großer Mühe und nur unter Zuhilfenahme einer dritten Person gehen könne. Auch habe der Kläger gegenüber Dr. B. eine mögliche Gehstrecke von ca. 100 m genannt.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 07.06.2005 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat von Priv.-Doz. (PD) Dr. S. das neurologische Gutachten vom 29.11.2005 eingeholt. Bei der Untersuchung hat der Kläger angegeben, er bleibe beim Gehen mit dem Fuß am Boden hängen. Es trete immer wieder Schwankschwindel auf, er sei dann wackelig auf den Beinen und habe eine Fallneigung nach rechts. Seine aktuelle Gehstrecke liege bei ca. 15 m, dann müsse er stehen bleiben. Einen Rollator habe er nicht, ein Gehstock trage zur Verbesserung der Gehfähigkeit nicht bei. Vor allem der immer wieder auftretende Schwindel beeinträchtige ihn sehr, die Halbseitenlähmung links schränke seine Gehfähigkeit nicht so sehr ein. PD Dr. S. vertritt die Auffassung, dass der Kläger die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "aG" nicht erfüllt. Bei der Untersuchung habe er 50 m ohne Pause, ohne Hilfsmittel und ohne Hilfsperson gehen können. Das Gehen sei durch die vorliegende spastische Hemiparese mittelschwer beeinträchtigt, der Kläger zeige ein spastisch-ataktisches Gangbild. Die Gangbehinderung sei jedoch nicht so ausgeprägt, dass er sich dauernd nur noch mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen könne. Eine Beeinträchtigung der Gehfähigkeit durch rezidivierenden Schwankschwindel könne nicht nachvollzogen werden, zum Zeitpunkt der Untersuchung habe diesbezüglich keine Beeinträchtigung bestanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des SG und des Senats sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung ist auch begründet. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" liegen beim Kläger nicht vor. Das SG hat deshalb zu Unrecht den Nachteilsausgleich "aG" festgestellt.

Der Nachteilsausgleich "aG" steht nur Schwerbehinderten zu, die außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) oder anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften ist.

Die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" befreit den Behinderten von Beschränkungen des Haltens und Parkens im Straßenverkehr und eröffnet ihm besonders gekennzeichnete Parkmöglichkeiten. Darüber hinaus ist er als Halter eines Kraftfahrzeuges von der Kraftfahrzeugsteuer befreit (§ 3a Abs. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz). Nach der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO (vgl. BAnz 1976 Nr. 142 vom 31.07.1976 , S. 3. ff) sind als Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen: Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel oder armamputiert sind sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem vorstehend aufgeführten Personenkreis gleichzustellen sind.

Nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, Ausgabe 2004 (AP), die der Senat im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung anwendet (vgl. BSG 72, 285, 286; BSG SozR 3 3870 aaO; BSG, Urteil vom 18.09.2003 B 9 SB 3/02 R), ist von einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nur dann auszugehen, wenn die Fortbewegung auf das Schwerste eingeschränkt ist (Abschnitt 31 Abs. 4; vgl. auch BSG SozR 3870 § 3 SchwbG Nrn. 11, 18). Der begünstigte Personenkreis ist eng zu fassen, weil eine Ausweitung desselben die Verknappung des ortsnahen Parkraums der im übrigen nicht beliebig vermehrbar ist nach sich ziehen würde, wodurch dem gesamten begünstigten Personenkreis letztlich eine längere Wegstrecke zugemutet würde (vgl. BSG SozR 3870 § 3 SchwbG Nr. 28). Deshalb ist ein Betroffener mit der Gruppe der in der Verwaltungsvorschrift beispielhaft aufgeführten schwerbehinderten Menschen nur gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in der Vorschrift ausdrücklich aufgeführten Schwerbehinderten oder nur mit fremder Hilfe fortbewegen kann. Der vollständige Verlust des Gehvermögens ist daher nicht zu fordern. Das Restgehvermögen muss aber so weit eingeschränkt sein, dass es dem Betroffenen unzumutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen (BSG, Urteil vom 10.12.2002 B 9 SB 7/01 R). Einen exakten Beurteilungsmaßstab zur Abgrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises nach dem gesteigerten Energieaufwand beim Gehen gibt es nicht. Das BSG hält eine in Metern ausgedrückte Wegstrecke hierfür grundsätzlich nicht für tauglich. Die mögliche Weglänge bis zu den ersten auftretenden Zeichen der Erschöpfung ist aber ein gewichtiges Indiz für die Beurteilung des Restgehvermögens (vgl. BSG vom 10.12.2002 zu einer Gehpause wegen Erschöpfung nach 30 Metern). Aus dem Gebot, den begünstigten Personenkreis eng zu fassen, hat der Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. stellvertretend Urteil vom 27.09.2001 L 6 SB 1340/00 mwN) abgeleitet, dass die Sonderparkplätze in der Nähe von Behörden, anderen öffentlichen Einrichtungen oder Kliniken sowie die Sonderparkrechte vor Wohnungen und Arbeitsstätten denjenigen vorbehalten bleiben sollen, denen nur noch Wegstrecken zumutbar sind, die sie von diesen Sonderparkplätzen aus üblicherweise bis zum Eingang des zu erreichenden Gebäudes zurücklegen können. Solche Wegstrecken in die Eingangsbereiche der betreffenden Gebäude betragen in der Regel unter 100 m (vgl. LSG aaO; ebenso der 11. Senat des LSG Baden WürttemB. in seinem Urteil vom 19.03.2002 L 11 SB 942/01). Die Fähigkeit des Behinderten, Wegstrecken über 100 Meter ohne Erholungspausen und Zeichen der Überanstrengung in angemessener Zeit zurücklegen zu können, erachtet der Senat unter Berücksichtigung der Entscheidung des BSG vom 10.12.2002 in Fortentwicklung seiner bisherigen Rechtsprechung als gewichtiges Indiz für ein anspruchsausschließendes Restgehvermögen.

Unter Berücksichtigung dieser Vorschriften und Grundsätze kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass der Kläger außergewöhnlich gehbehindert ist. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass seine Gehfähigkeit praktisch vom ersten Schritt an (vgl. hierzu BSG vom 10.12.2002) so sehr beeinträchtigt ist wie bei den in der Verwaltungsvorschrift genannten Vergleichsgruppen von Behinderten, er sich also vom ersten Schritt an nur unter größter Anstrengung oder nur mit fremder Hilfe fortbewegen kann.

Zwar liegt beim Kläger aufgrund der Halbseitensymptomatik links eine Funktionsbeeinträchtigung im Bereich der Beine vor, die sich erheblich auf das Gehvermögen auswirkt. Bereits im Entlassungsbericht der Kliniken S. vom 30.06.2003 ist eine deutliche Gangstörung mit Minderung der Gehstrecke und Gangunsicherheit beschrieben. Allerdings hat der Kläger damals auch angegeben, seine Gehstrecke liege maximal bei 1 bis 2 km, Treppen lege er nur mit Hilfe des Geländers zurück. Durch die Maßnahmen während des stationären Aufenthalts konnte die Gehfähigkeit des Klägers und das Gleichgewicht verbessert werden. Der Kläger selbst gab bei Entlassung an, dass sich seine Gehfähigkeit verbessert habe. Dr. M. hat in seinem Befundbericht vom 10.11.2003 mitgeteilt, dass sich die Befunde gegenüber dem Entlassungsbericht der S. Kliniken nicht wesentlich verschlechtert hätten. Bei der Untersuchung durch Dr. B. gab der Kläger eine Gehstrecke von 100 m ohne Verwendung von Hilfsmitteln an. Allerdings brauche er außerhalb des Hauses Begleitung. Bei der Untersuchung zeigte sich über eine Strecke von 20 - 30 m, die ohne Hilfsmittel bewältigt wurde, ein "einigermaßen zügiges" Gangbild bei angedeutetem Wernickegangbild. Bei der Untersuchung durch PD Dr. S. konnte der Kläger eine Strecke von 50 m ohne Pause sowie ohne Hilfsmittel oder Hilfspersonen zurücklegen. Er hat außerdem angegeben, dass er weniger durch die Halbseitenlähmung als durch den Schwankschwindel in seiner Gehfähigkeit beeinträchtigt sei. Letzterer konnte durch Dr. S. nicht objektiviert werden. Abgesehen davon wird der Gefahr von Stürzen durch einen evtl. auftretenden Schwindel durch den vom Beklagten zuerkannten Nachteilsausgleich "B" ausreichend Rechnung getragen. Angesichts dieser Befunde geht auch der Senat davon aus, dass der Nachweis für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" nicht erbracht ist. Soweit das SG dargelegt hat, die Angabe der maximalen Gehstrecke von 1 bis 2 km im Entlassungsbericht der S. Kliniken könne deshalb nicht gegen das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung angeführt werden, weil nicht angegeben worden sei, ob diese Strecke nur mit fremder Hilfe und nur unter außergewöhnlicher Anstrengung zurückgelegt werden könne, vermag der Senat dies nicht nachzuvollziehen. Der Kläger hat ausdrücklich angegeben, dass er z. B. Treppen nur am Geländer bewältigen könne. Wäre die von ihm angegebene Gehstrecke ausschließlich mit fremder Hilfe möglich gewesen, hätte er dies mit großer Wahrscheinlichkeit auch angegeben. Abgesehen davon ist ausschlaggebend, dass weder Dr. B. noch Dr. S. Befunde mitgeteilt haben, die die vom Kläger gegenüber dem SG angegebene und von diesem für glaubhaft angesehene eingeschränkte Gehstrecke und die Notwendigkeit fremder Hilfe nachvollziehbar erscheinen lassen. Auch Dr. M. hat eingeräumt, dass gegenüber den objektiven Befunden, die im Entlassungsbericht der Kliniken S. mitgeteilt worden sind, zwischenzeitlich keine wesentliche Änderung eingetreten ist. Dann spricht aber auch objektiv nichts dafür, dass sich das Gehvermögen des Klägers seit dem stationären Aufenthalt wesentlich verschlechtert hat. Bei der Untersuchung durch Dr. S. konnte der Kläger mindestens 50 m - eine längere Gehstrecke wurde nicht geprüft - ohne fremde Hilfe und ohne Hilfsmittel zurücklegen, eine Pause war nicht erforderlich. Auch das Ergebnis dieser Untersuchung spricht nach Auffassung des Senats dafür, dass die Bewegungsfähigkeit des Klägers nicht bereits vom ersten Schritt an so wesentlich eingeschränkt ist, wie dies in der Vergleichsgruppe der Fall ist.

Auch im Hinblick auf die beim Kläger vorliegende Lungenfunktionseinschränkung und die koronare Herzkrankheit kommt die Feststellung des Nachteilsausgleichs "aG" nicht in Betracht.

Als Erkrankungen der inneren Organe, die eine Gleichstellung rechtfertigen, sind beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades (vgl. Abschnitt 31, Abs. 4 der AP) anzusehen. Eine Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades (Atemnot bereits bei leichtester Belastung oder in Ruhe, statische und dynamische Messwerte der Lungenfunktionsprüfung um mehr als 2/3 niedriger als die Sollwerte, respiratorische Globalinsuffizienz), die für sich genommen einen Einzel-GdB von mindestens 80 bedingt (vgl. AP Abschnitt 26.8), liegt beim Kläger weder nach dem Gutachten von Dr. B. noch nach den sonstigen aktenkundigen Befunden vor. Vielmehr bedingt die Einschränkung der Lungenfunktion nach wie vor einen Einzel-GdB von 20. Auch von Seiten der koronaren Herzkrankheit liegen keine schweren Dekompensationserscheinungen vor, so dass auch im Hinblick hierauf keine andere Entscheidung möglich ist.

Auf die Berufung des Beklagten war deshalb das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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