L 6 SB 3116/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 2000/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 3116/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Juni 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB).

Mit Bescheid vom 22. August 2000 stellte das Versorgungsamt Karlsruhe (VA) in Ausführung des im Rahmen des Klageverfahrens S 9 SB 4650/99 vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) angenommenen Anerkenntnisses für die am 9. Juli 1964 geborene Klägerin den GdB mit 50 fest und berücksichtigte dabei eine Arthritis und Spondarthritis psoriatica, eine Fibromyalgie, Veränderungen am linken Kniegelenk und psoriatische Hautveränderungen als Funktionsbehinderungen. Dem hatten die vom SG eingeholten sachverständigen Zeugenauskünfte des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. S. vom 4. März 2000 und des Arztes für Innere Medizin und Rheumatologie Dr. D. vom 14. März 2000, mehrere von diesen Ärzten und vom Kläger vorgelegte Arztbriefe sowie die versorgungsärztliche (vä) Stellungnahme von Dr. B. vom 26. Juni 2000 zugrunde gelegen.

Am 20. Februar 2002 beantragte die Klägerin die Neufeststellung ihres GdB und gab an, alle Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis hätten sich verschlimmert und verschiedene Begleiterkrankungen ("Hand, cerebrale Anfälle, Epilepsie, Sicca-Syndrom Augen, usw.") seien neu aufgetreten. Das VA holte den Befundbericht des Dr. D. vom 4. März 2002 ein (Diagnosen: Arthritis und Spondarthritis psoriatica, Verdacht auf Morbus Crohn, erhebliches Sicca-Syndrom, generalisierte Tendomyopathie [Fibromyalgie], Immunglobulinmangel [IgG] bei Hypogammaglobulinämie). Dr. C. brachte in der vä Stellungnahme vom 20. März 2002 ein Fibromyalgiesyndrom, eine entzündlich rheumatische Erkrankung, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, eine Schuppenflechte mit Gelenkbeteiligung und Darmstörungen als Funktionsbeeinträchtigungen in Ansatz und bewertete den Gesamt-GdB mit 50. Hierauf gestützt lehnte das VA eine Neufeststellung des GdB mit Bescheid vom 28. März 2002 ab.

Hiergegen erhob die Klägerin am 12. April 2002 Widerspruch. Verschlechtert hätten sich die degenerativen Wirbelsäulenprobleme. Hierfür erscheine ein Teil-GdB von 30 bis 40 angemessen. Aufgrund der psoriatischen Polyarthritis habe sich eine sekundäre Fibromyalgie ausgeprägt, die zu massiven Einschränkungen geführt habe. Es bestünden Schmerzen am gesamten Körper, Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Schlaf- und Konzentrationsstörungen. Hierfür scheine ein Teil-GdB von 40 bis 50 angemessen. Weiter bestehe seit Jahren der Verdacht auf Morbus Crohn. Hierfür sei ein Teil-GdB von 20 zu vergeben. Aufgrund des multiplen Krankheitsbildes erscheine ein Gesamt-GdB von 60 bis 70 angemessen. Das VA zog den Arztbrief der Ärztin für Innere Medizin und Rheumatologie W./Dr. D./Prof. Dr. L. vom 17. August 2001 über die vom 27. Juni bis zum 26. Juli 2001 im Rheumazentrum B.-B. durchgeführte stationäre Behandlung (Diagnosen: Psoriasisarthritis, sekundäre Fibromyalgie) bei. In der vä Stellungnahme vom 5. Juni 2002 wurden eine Schuppenflechte mit Gelenkbeteiligung (Teil-GdB 30), ein Fibromyalgiesyndrom und eine entzündlich rheumatische Erkrankung (Teil-GdB 30), eine Sehbeeinträchtigung (Teil-GdB 10) und ein Morbus Crohn (Teil-GdB 10) als Funktionsbeeinträchtigungen in Ansatz gebracht und der Gesamt-GdB weiterhin mit 50 bewertet. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2002 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 13. Juni 2002 Klage. Im Wesentlichen wiederholte sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren, hielt aber für die chronische Schmerzstörung und ihre Folgewirkungen einen Teil-GdB von 50 für angebracht. Das SG holte zunächst die sachverständigen Zeugenauskünfte des Dr. S. vom 5. August 2002, Dr. D. vom 5. August 2002 und des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 26. September 2002, welchen mehrere Arztbriefe beigefügt waren, ein. Der Beklagte legte die vä Stellungnahme von Dr. W. vom 7. Januar 2003 vor, in welchem zusätzlich für degenerative Veränderungen der Wirbelsäule ein Teil-GdB von 20 in Ansatz gebracht, aber der Gesamt-GdB weiterhin mit 50 bewertet wurde.

Das SG holte das fachorthopädische Gutachten von Dr. P. vom 11. März 2003 ein. Dr. P. beschrieb eine Schuppenflechte mit Wirbelsäulenbeteiligung (Teil-GdB 30) und führte auf nicht-orthopädischem Fachgebiet eine Sehbehinderung (Teil-GdB 10), einen Morbus Crohn (Teil-GdB 10) und eine Stimmstörung (Teil-GdB 40) auf. Unter der Voraussetzung, dass es sich bei der Sehbehinderung um eine ständig, nicht nur vorübergehende Behinderung im Sinne des Schwerbehindertenrechts handle, es sich bei dem Morbus Crohn nicht nur um einen Verdacht handele und es sich auch bei der Stimmstörung um einen nicht nur vorübergehenden, regelwidrigen Zustand handle, der von dem für das Lebensalter typischen abweiche und mehr als sechs Monate andauere, betrage der Gesamt-GdB 60. Hierzu hat der Beklagte die vä Stellungnahme von Dr. F. vom 22. Mai 2003 vorgelegt, in welcher dieser unter Berücksichtigung einer Schuppenflechte, einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung der Wirbelsäule und eines chronisches Schmerzsyndroms (Teil-GdB 30), einer Sehbehinderung (Teil-GdB 10) sowie eines Morbus Crohn (Teil-GdB 10) von einem Gesamt-GdB von 30 ausging.

Die Klägerin trug vor, für die Stimmbandstörung sei eine Versteifung der Stimmbandgelenke ursächlich. Zwischenzeitlich sei jedoch eine Besserung bezüglich der Stimmstörung eingetreten.

Das SG holte auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das internistisch-rheumatologische Gutachten von Dr. H. vom 27. Oktober 2003 ein. Dieser beschrieb eine entzündlich-rheumatische Systemerkrankung (Teil-GdB 50), ein konkomittierendes Fibromyalgie-Syndrom (Teil-GdB 30), eine Kniegelenksarthrose beidseits, rechtsbetont (Teil-GdB 20), eine exzessive Fettleibigkeit (Teil-GdB 0) und eine ausgeprägte Neigung zu Durchfall (Teil-GdB 20) sowie auf nicht-internistisch-rheumatologischem Fachgebiet ein cerebrales Anfallsleiden (Teil-GdB 20), eine reaktive Herabgestimmtheit (Teil-GdB 20) und ein motorisches und sensibles Defizit im Bereich des linken Fußes (Teil-GdB 10) und beurteilte den Gesamt-GdB mit 70. Im Übrigen führte der Sachverständige aus, der im Gutachten von Dr. P. angegebene Teil-GdB für die Stimmstörung entfalle, da es sich dabei nur um eine vorübergehende Gesundheitsstörung gehandelt habe. Hierzu legte der Beklagte die vä Stellungnahme von Dr. K. vom 27. Januar 2004 vor. Dort wurde die Ansicht vertreten, die diagnostizierte entzündlich-rheumatische Systemerkrankung könne unter Einschluss des Schmerz-Syndroms bzw. des Fibromyalgie-Syndroms nur mit einem GdB von nach wie vor 30 eingestuft werden. Die Kniegelenksarthrose beiderseits begründe keinen messbaren GdB. Nach den rheumatologischerseits erhobenen Befunden des Bewegungsapparates könne nicht von einer erheblichen Funktionseinbuße oder von einer therapeutisch schwer beeinflussbaren entzündlichen Krankheitsaktivität der entzündlich-rheumatischen Krankheit gesprochen werden. Bei dem rheumatologischerseits erwähnten motorischen und sensiblen Defizit im Bereich des linken Fußes mit einem Teil-GdB von 10 ergebe sich keine wesentliche Änderung des GdB von 30 für die gesamte Situation des Bewegungsapparates. Des Weiteren wurde ausgeführt, nach der bisherigen Aktenlage sei für eine Verdachtsdiagnose des Anfallsleiden ein messbarer GdB nicht festzustellen. Der Auswirkung der Fettleibigkeit auf die Situation des Bewegungsapparats sei mit dem GdB von 30 Rechnung getragen. Hinsichtlich der internistischerseits erwähnten Neigung zu Durchfällen lägen keine konkreten Befunde für eine wesentliche Erhöhung des Teil-GdB von 10 vor.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 30. Juni 2004 ab. Das SG stütze sich dabei im Wesentlichen auf die vä Stellungnahme vom 27. Januar 2004 und das Gutachten von Dr. P. vom 11. März 2003. Dem internistisch-rheumatologischen Gutachten von Dr. H. vom 27. Oktober 2003 sei nicht zu folgen, da auch in diesem Gutachten beschrieben werde, dass die röntgenologischen Veränderungen eher von geringer Ausprägung seien und dem von Dr. P. erhobenen Befund zugestimmt worden sei, nach dem sich maßgebliche Einschränkungen der Beweglichkeit von unterer und oberer Extremität nicht hätten finden lassen. Außerdem sei in diesem Gutachten das Vollbild einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung anerkannt worden, ohne allerdings dafür objektive Belege bieten zu können. Dass die Klägerin noch an einer psychischen Beeinträchtigung im Sinne eines Herabgestimmtseins leide, führe jedenfalls nicht zu einer Erhöhung des GdB auf 70. Unter Berücksichtigung der orthopädischen Leiden könne höchstens noch ein Teil-GdB von 20 hinzutreten, was aber nicht zu einer Erhöhung des GdB führe. Auch das Anfallsleiden könne nicht herangezogen werden, um eine Höherbewertung zu rechtfertigen. Insoweit stehe nicht fest, ob es einer Behandlung zugeführt werden könne und damit als dauerhafte Gesundheitsbeeinträchtigung zu werten sei. Die Klägerin befinde sich diesbezüglich nicht in fachärztlicher Behandlung.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 23. Juli 2004 zugestellte Urteil des SG am 29. Juli 2004 Berufung eingelegt. Die Klägerin hat ausgeführt, die Leitlinien für die Begutachtung von Schmerzen, die auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie und Nervenheilkunde, der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und des Deutschen Kollegiums für Psychosomatische Medizin sowie der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie erstellt worden seien, hätten im Gutachten von Dr. P. keinerlei Beachtung gefunden, während das Gutachten von Dr. H. diesen Anforderungen genüge, sodass vor diesem Hintergrund selbstverständlich auch dessen Beurteilung der bei ihr bestehenden Einschränkungen und damit seine Beurteilung zur Feststellung des GdB überzeugend sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Juni 2004 und den Bescheid vom 28. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2002 aufzuheben und einen GdB von wenigstens 70 ab 20. Februar 2002 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Neue medizinische Unterlagen, die geeignet wären, das Berufungsbegehren zu stützen, seien nicht vorgelegt worden.

Auf Anfrage des Senats hat Dr. S. unter dem 4. Januar 2005 ausgeführt, die Klägerin sei bei ihm zuletzt im November 2003 in Behandlung gewesen. Bis dahin seien keine wesentlichen Änderungen seit seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom August 2002 eingetreten. Dr. D. hat unter dem 23. Dezember 2004 ausgeführt, im Verlauf der letzten beiden Jahre seien immer wieder entzündliche Aktivierungen eingetreten. Insgesamt habe er im Verlauf der letzten beiden Jahre eine weitere Verschlechterung auf entzündlich-immunologischem Gebiet beobachtet. Die Schmerzreaktionsstörungen seien unverändert vorhanden. Der Beklagte hat die vä Stellungnahme von Med. Dir. D. vom 17. März 2005 vorgelegt, in welcher dieser ausgeführt hat, konkrete Befunde und eine Beschreibung des aktuellen Zustandes fehlten, sodass für eine abweichende Einschätzung gegenüber der bisherigen Beurteilung keine ausreichenden Gesichtspunkte gegeben seien.

Der Senat hat unter dem 13. Mai 2005 Prof. Dr. K. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Unter dem 20. Juli 2005 hat die Klägerin mitgeteilt, aufgrund ihres sehr schlechten Gesundheitszustandes sei es ihr nicht zumutbar, sich einer weiteren Begutachtung zu unterziehen. Sie legte das diesbezügliche Attest von Dr. D. vom 28. Juni 2005 vor, in welchem dieser auf eine schwere entzündlich-rheumatische und Schmerzkrankheit mit erheblicher psychischer Alteration hingewiesen hat. Prof. Dr. K. hat unter dem 25. Oktober 2005 mitgeteilt, die von Dr. D. unter dem 28. Juni 2005 angegebene Gesundheitsverschlechterung sei anhand der ihm vorliegenden Daten nicht objektivierbar. In der Zusammenschau der Befunde sei somit keine Änderung der Befunde, die der Erteilung des Bescheides vom 25. Mai 1999 zugrunde gelegen hätten, erkennbar. Eine erneute gutachterliche Untersuchung sei somit zur Klärung der Höhe des bei der Klägerin bestehenden GdB unabdingbar. Eine Beurteilung allein nach Aktenlage sei nicht Erfolg versprechend. Daraufhin hat der Senat den Gutachtensauftrag zurückgenommen.

Die Beteiligten haben mit ihren Schriftsätzen vom 14. und 15. November 2005 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte den Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf einen höheren GdB als 50. Zu Recht hat der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 28. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2002 eine Aufhebung des Bescheides vom 22. August 2000 und damit eine Neufeststellung des GdB abgelehnt.

Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung die für den Rechtsstreit maßgeblichen Rechtsvorschriften zutreffend und umfassend dargestellt und ausgeführt, weshalb im vorliegenden Verfahren ein höherer GdB als 50 nicht festzustellen ist. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen an (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AP) als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen sind, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, und deshalb normähnliche Auswirkungen haben. Sie sind daher im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285, 286; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). In den AP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Sie ermöglichen somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnistand entsprechende Festsetzung des GdB. Die AP stellen dabei ein einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge dar (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22).

Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren ist gegenüber der angefochtenen Entscheidung des SG eine andere Beurteilung nicht gerechtfertigt.

Von Klägerseite nicht angegriffen wurde der von dem Beklagten veranschlagte Teil-GdB von 10 für die Sehbehinderung sowie von 10 für einen Morbus Crohn. Der Senat schließt sich der diesbezüglichen vä Einschätzung an. Für die zwischenzeitliche Stimmstörung der Klägerin ist kein Teil-GdB anzusetzen, da es sich hierbei nicht um eine dauerhafte Erkrankung gehandelt hat.

Auf orthopädischem Fachgebiet liegt nach Überzeugung des Senats ein Teil-GdB von 30 vor. Bei der Klägerin ließ sich im Rahmen der von Dr. P. im Februar 2003 durchgeführten Untersuchung eine Funktionsstörung der Brustwirbelsäule aufgrund einer entzündlichen rheumatischen Begleiterkrankung der Schuppenflechte objektivieren. Funktionsstörungen der Hals- und Lendenwirbelsäule sind nicht objektiviert. Die degenerativen Wirbelsäulenveränderungen überschritten das altersentsprechende Maß nicht. So befundete selbst Dr. H. einen relativ flüssigen Gang der Klägerin, einen Beckengeradstand sowie eine Dornfortsatzreihe der Wirbelsäule im Lot. Die Paravertebralmuskulatur war mäßiggradig verspannt und nicht ausgeprägt druckschmerzhaft. Zwar gab Dr. H. an, die Lendenwirbelsäule sei deutlich eingeschränkt entfaltbar gewesen. Die von Dr. H. mitgeteilten Bewegungsmaße belegen nach Ansicht des Senats diese Einschätzung jedoch nicht. Auch die Untersuchung der oberen Extremitäten war ohne wesentlichen pathologischen Befund. Dasselbe gilt für die Untersuchung der unteren Extremitäten. Insbesondere auch die im April 1996 durchgemachte Kniegelenksverletzung links ist ohne GdB-relevante Funktionsstörung verblieben. Im Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. P. war das linke Kniegelenk äußerlich unauffällig, frei beweglich und belastbar und wies keine Entzündungszeichen auf. Auch hat Dr. H. angegeben, bei den Kniegelenken hätten regelrechte Achsenverhältnisse, eine ausreichende und seitengleiche Ausprägung der Oberschenkelmuskulatur, keine Bandinstabilität, keine Überwärmung, keine Umfangsdifferenz und keine Hinweise auf intraartikuläre Volumenvermehrung bestanden. Auch die von ihm angegebenen Bewegungsmaße für die Kniegelenke mit 130/0/0 Grad bedingen unter Berücksichtigung der AP (Abschnitt 26.18, Seite 126) nicht den von ihm diesbezüglich ("Kniegelenksarthrose beidseits rechtsbetont") angenommenen Teil-GdB von 20.

Auch folgt der Senat nicht der Einschätzung des Dr. H., für eine entzündlich-rheumatische Systemerkrankung sei ein Teil-GdB von 50 und für ein konkomittierendes Fibromyalgie-Syndrom ein Teil-GdB von 30 zu veranschlagen. Dabei lässt es der Senat dahingestellt, ob die Klägerin überhaupt an einer Fibromyalgie oder einer ähnlichen Erkrankung leidet. Maßgeblich sind nämlich die hieraus gegebenenfalls resultierenden Funktionsbehinderungen. Zwar gab Dr. H. an, bei der Klägerin liege eine deutlich herabgesetzte Belastbarkeit bei Funktionstests sowie von oberer wie von unterer Extremität vor, wobei diese Beeinträchtigung sehr stark schmerzmoduliert sei. Auch liege ein durch den allgemeinen Trainingsmangel und die extreme Adipositas bedingter Zustand erheblicher Dekonditionierung seitens des Herz-Kreislauf-Systems vor. Dies hat nach Ansicht des Senats jedoch - da insoweit keine krankheitsbedingte Behinderung vorliegt - keine GdB-relevante Bedeutung. Hierauf hat Dr. K. in seiner vä Stellungnahme vom 27. Januar 2004 zu Recht hingewiesen. Auch hat bereits Dr. P. ausführlich und für den Senat überzeugend dargelegt, dass die weichteilrheumatische Erkrankung der Fibromyalgie nicht mit Funktionsstörungen verbunden ist. Da nach den AP (Abschnitt 26.18, Seite 112) der GdB für entzündlich-rheumatische Krankheiten der Gelenke und/oder der Wirbelsäule 10 ohne wesentliche Funktionseinschränkung mit leichten Beschwerden, 20 bis 40 mit geringen Auswirkungen (leichtgradige Funktionseinbußen und Beschwerden je nach Art und Umfang des Gelenkbefalls, geringe Krankheitsaktivität) und 50 bis 70 mit mittelgradigen Auswirkungen (dauernde erhebliche Funktionseinbußen und Beschwerden, therapeutisch schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität) beträgt, und bei der Klägerin - wie oben bereits dargelegt - allenfalls leichtgradige Funktionseinbußen und Beschwerden vorliegen, würde der Teil-GdB hierfür allenfalls 10 betragen.

Auf psychiatrischem und/oder neurologischem Fachgebiet ist keine Funktionsbeeinträchtigung nachgewiesen. Die Klägerin hat sich der vom Senat beabsichtigten Begutachtung nicht unterzogen. Die von Dr. H. beschriebene Somatisierungsstörung bzw. Herabgestimmtheit, welche dieser - insoweit fachfremd - mit einem Teil-GdB von 20 bewertete, ist für den Senat nicht ausreichend argumentativ begründet. Dasselbe gilt für das von Dr. H. beschriebene Anfallsleiden, welches er ebenfalls mit einem Teil-GdB von 20 bewertet hat. Die bloßen Hinweise von Dr. D. in seinen Arztbriefen, es sei zu cerebralen Ereignissen gekommen, sind nicht ausreichend objektiviert, zumal diesbezüglich eine regelmäßige fachärztliche Behandlung bisL. unterblieben ist. Insoweit stützt sich der Senat auf die Ausführungen von Prof. Dr. K. in seiner Stellungnahme vom 25. Oktober 2005. Im Übrigen haben Dr. B. in seinen Arztbriefen vom 31. Oktober 2001 und 7. März 2002 und der Radiologe Knust in seinem Arztbrief vom 2. November 2001 diesbezüglich keinen pathologischen Befund erhoben.

Unter Berücksichtigung der Einzel-GdB-Werte kommt nach Überzeugung des Senats kein höherer Gesamt-GdB als 50 in Betracht.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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