Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 359/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 3492/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Anerkennung der Erkrankungen der Klägerin als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1302 und Nr. 1317 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Die Klägerin ist 1948 geboren und war ab 3. Januar 1977 in der G. M. GmbH & Co., Industrietechnik, als Produktionsarbeiterin im Bereich Pumpengehäuse beruflich tätig. Sie hatte beim Bearbeiten von Metallteilen (Stanzen, Kontrollieren und Entgraten) Umgang mit Perchlorethylen (PER).
Am 22. Dezember 1998 erstattete der Betriebsarzt Dr. K., B.A.D Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik GmbH, die ärztliche Anzeige über das Vorliegen einer BK. Er gab an, die Klägerin klage u.a. über Abgeschlagenheit, Herzklopfen und Gesichtsschmerzen (Trigeminusneuralgie seit 2 Jahren). Auf Nachfrage der Beklagten übersandte er zusätzlich den betriebsärztlichen Bericht vom 1. Februar 1999 und teilte mit Schreiben vom 2. März 1999 mit, sein Bericht vom 1. Februar 1999 und die BK-Anzeige beruhten nur auf den Angaben der Klägerin, die seit Ende Januar 1998 arbeitsunfähig sei. Er selbst sei erst seit Juni 1998 als Betriebsarzt für den Beschäftigungsbetrieb zuständig.
Im Fragebogen zur Feststellung einer BK gab die Klägerin unter dem 13. Januar 1999 an, vor 2 Jahren (Frühjahr 1997) hätten Zahn- und Ohrenschmerzen begonnen. Der Hals-Nasen-Ohren(HNO)-Arzt Dr. W. bescheinigte unter dem 4. Februar 1999 neuralgiforme Beschwerden im Bereich des linken Oberkiefers, der HNO-ärztliche Befund sei unauffällig gewesen. Er überließ den Bericht vom 18. Februar 1998 über die Computertomographie des NNH-Systems am 16. Februar 1998 (leichtgradige rechtsseitige Sinusitis maxillaris; geringe chronisch entzündliche Veränderungen in einzelnen wenigen Siebbeinzellen, jedoch keine ausgeprägte Sinusitis ethmoidalis, keine linksseitige Sinusitis, keine Sinusitis sphlenoidalis oder frontalis). Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C. bescheinigte unter dem 4. Februar 1999 einen Verdacht auf Trigeminusneuropathie links und berichtete über die von der Klägerin bei der Konsultation am 3. Februar 1998 geklagten neuralgiformen Schmerzen. Beigefügt war der Bericht über die am 10. August 1998 durchgeführte Kernspintomographie des Schädels, in welchem als Diagnose der Verdacht auf eine Trigeminusneuropathie links, therapieresistent, aufgeführt war. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. S. berichtete unter dem 25. Februar 1999 unter Beifügung zahlreicher Arztbriefe zusätzlich über einen allgemeinen Erschöpfungszustand bei starker psychischer Belastung (häuslicher Pflegefall bis 1997). Von der Beklagten wurde weiter der Orthopäde Dr. R. (Fragebogen vom 10. April 2000) sowie der Arzt für Orthopädie Dr. M. (Fragebogen vom 20. April 2000) befragt.
Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse bei. Der Beschäftigungsbetrieb teilte der Beklagten unter dem 5. März 1999 u.a. mit, nach dem Bericht der Sicherheitsfachkraft des Betriebs werde seit 1990 kein PER mehr eingesetzt. Beigefügt war dessen Stellungnahme vom 19. Februar 1999.
Der Technische Aufsichtsdienst (TAD), Technischer Aufsichtsbeamter (TAB) Dipl.-Ing. T. teilte nach Erhebungen im Beschäftigungsbetrieb und einem Telefonat mit der Klägerin in seinem Bericht (mit Bildmappe) vom 19. Mai 1999 zusammenfassend mit, von einer Exposition gegenüber PER müsse für den Zeitraum von Januar 1977 bis April 1994 ausgegangen werden. Erst dann sei PER durch einen anderen Stoff ersetzt worden. Es sei nicht davon auszugehen, dass die zulässigen Grenzwerte dauerhaft sicher eingehalten worden seien. Es sei daher von einer gesundheitlichen Gefährdung der Klägerin auszugehen.
Dr. K. legte den Reha-Entlassbericht vom 3. Januar 2000 über die vom 24. November bis 22. Dezember 1999 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme in der Abteilung Psychosomatik der S.-Klinik B.-B. vor. Als Diagnosen wurde eine Somatisierungsstörung, ein Carpaltunnelsyndrom rechts leichtgradig sowie ein Halswirbelsäulen(HWS)-Syndrom aufgeführt.
Der Rentenversicherungsträger legte mit Bezugsschreiben vom 18. Mai 2000 die im Rahmen eines Rentenverfahrens wegen Erwerbsunfähigkeit eingeholten bzw. übersandten ärztlichen Unterlagen vor, insbesondere das sozialmedizinische Gutachten der Internistin Dr. M. vom 3. August 1999. Diese diagnostizierte eine psychophysische Erschöpfung mit Somatisierungsstörung, eine leichte Fehlstatik der HWS und leichte, das Altersmaß nicht übersteigende degenerative Veränderungen der Wirbelsäule ohne wesentliche Bewegungseinschränkung und ohne neurologische Ausfallserscheinungen. Ergänzend führte sie aus, dass bei der Klägerin zu keiner Zeit objektive Symptome oder Befunde festgestellt worden seien, die für Vergiftungserscheinungen mit Lösemitteln sprechen würden. Insbesondere sei zu keinem Zeitpunkt PER oder ein Abbauprodukt dieser Substanz im Urin oder Blut nachgewiesen worden. Auch habe noch nie eine Erhöhung der Leberwerte festgestellt werden können. Auch sei der Zeitraum zwischen Expositionsende und Auftreten der Erkrankung zu beachten, was ebenfalls gegen eine Verursachung der Beschwerden durch Lösemittel spreche. Der Verdachtsdiagnose des Betriebsarztes könne daher nicht gefolgt werden.
Im Auftrag der Beklagten erstellte Prof. Dr. H. das arbeitsmedizinische Gutachten vom 26. Juli 2000. Dieser diagnostizierte einen Gesichtsschmerz unklarer Genese, fragliche Trigeminusneuralgie, eine obstruktive Atemwegserkrankung bei Typ I-Allergie gegen Baum-, Gras-, Getreide- und Kräuterpollen sowie Hausstaubmilben und Tier-Epithelien, eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität sowie ein atopisches Ekzem. Bei der Hauterkrankung handle es sich nicht um eine BK nach Nr. 5101 der Anlage zur BKV. Die von der Klägerin geklagten Atembeschwerden seien in ursächlichem Zusammenhang mit einer Typ I-Allergie gegenüber verschiedenen Umweltallergenen zu sehen. Aufgrund einer im Jahr 1994 durchgeführten Inhalationstestung habe eine Überempfindlichkeitsreaktion gegen Arbeitsmaterialien ausgeschlossen werden können. In Übereinstimmung mit allen früher erhobenen neurologischen Befunden hätten sich aber auch jetzt keine Anhaltspunkte dafür finden lassen, dass eine toxisch bedingte Störung des zentralen oder peripheren Nervensystems vorliege. Der von der Klägerin geklagte Kopf- bzw. Gesichtsschmerz könne weder als Ausdruck einer Enzephalopathie noch einer Polyneuropathie gedeutet werden. Vielmehr sei von einer Somatisierungsstörung auszugehen. Eine toxisch bedingte Erkrankung sei schon deshalb auszuschließen, weil sich ein zeitlicher Zusammenhang mit dem Auftreten des Kopf- und Gesichtsschmerzes nicht herstellen lasse. Zu dem Zeitpunkt, in dem die Beschwerden aufgetreten seien, habe die Klägerin bereits mehrere Monate nicht mehr mit PER gearbeitet. Beigefügt war dem Gutachten der Bericht über eine Allergietestung sowie eine Kurzbegutachtung der Hautärztin Dr. S. vom 18. Juli 2000 im Auftrag von Prof. Dr. H ...
Nach Einholung einer Stellungnahme des Staatlichen Gewerbearztes lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. Oktober 2000 die Gewährung von Leistungen wegen einer BK nach Nr. 1302, wegen einer anderen BK oder wegen des Vorliegens einer Erkrankung, die nach § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) wie eine BK anzuerkennen sei, ab.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, ein Zusammenhang ihrer Erkrankungen mit der Einwirkung von PER sei nicht völlig auszuschließen, was ausreichen müsse, um eine BK anzuerkennen.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2001 den Widerspruch zurück.
Dagegen erhob die Klägerin am 12. Februar 2001 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG). Das SG befragte die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. C. führte unter dem 6. April 2001 u.a. aus, dass auch aus seiner Sicht kein Zusammenhang zwischen den geklagten Beschwerden und der PER-Exposition bestehe. Entsprechendes führte Dr. S. unter dem 6. April 2001 aus. Dr. K. wies unter dem 10. April 2001 u.a. darauf hin, dass Prof. Dr. H. nicht auf mögliche Spätfolgen einer jahrelangen PER-Exposition eingegangen sei.
Im Auftrag des SG erstellte unter dem 21. Januar 2002 Prof. Dr. Dr. L., Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität E.-N. ein arbeitsmedizinisch-internistisches Fachgutachten. Dieser kam zusammenfassend zum Schluss, bei der Klägerin liege eine obstruktive Atemwegserkrankung bei Typ-I Allergie gegen Pollen sowie Hausstaubmilben und Tierepithelien mit einem unter antientzündlicher und antiobstruktiver Therapie ungenügenden Behandlungserfolg, ein atopisches Ekzem, unter derzeitiger lokaler Corticoid-Behandlung gut therapiert sowie Kopf- und Gesichtsschmerz mit Verdacht auf Trigeminus-Neuralgie vor. Es bestehe kein Zusammenhang der Erkrankungen mit der beruflichen Exposition gegenüber PER.
Das SG zog medizinische Unterlagen aus dem Rentenrechtsstreit der Klägerin S 10 RJ 3172/00 bei, u. a. die sachverständige Zeugenauskunft von Oberarzt PD Dr. S., Neurologische Klinik der Universitätsklinik T., vom 23. Juli 2002. Dieser führte aus, die Klägerin leide unter einem atypischen Gesichtsschmerz. Beigefügt war der Bericht über die Untersuchungen der Klägerin vom 23./24. April 2002 und vom 8. April 2002.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstellte unter dem 21. Juli 2003 Prof. Dr. H., Internist, ein internistisch-umweltmedizinisches Fachgutachten. Dieser führte als Diagnosen auf eine Enzephalopathie II A, Zustand nach PER-Belastung, ausgeprägte Kopf- und Gesichtsschmerzen, Verdacht auf koronare Herzerkrankung sowie Zustand nach stummem Vorderwandinfarkt. Für einen Zusammenhang der geklagten Beschwerden mit der PER-Belastung am Arbeitsplatz spreche die Langzeitspeicherung von PER im Fettgewebe. Die kardiale Symptomatik sei nicht berufsbedingt. Zusammenfassend führte er aus, eine BK nach Nr. 1302 der Anlage zur BKV liege nicht vor, aber eine BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV. Die hierdurch bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bewerte er mit 20 v.H. Die Enzephalopathie liege seit Januar 1996 vor. Zur Begründung führt er aus, d. B. habe in seiner Promotion im Jahr 2001 Nachweise für eine Langzeitspeicherung von PER mehrere Jahre nach der letzten beruflichen Exposition und bei Ausschluss jeglicher Re-Exposition erbracht. Diese Ergebnisse rechtfertigten die Bewertung, dass auch nach Beendigung der Exposition Symptome der Langzeitbelastung durch PER bestünden. Die geringe Durchblutung des Fettgewebes führe zu einer großen Speicherkapazität. Dabei handle es sich um neue Erkenntnisse.
Die Beklagte legte das arbeits- und sozialmedizinische Fachgutachten nach Aktenlage von Prof. Dr. D., Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität E.-N. vom 15. Oktober 2003 vor. Dieser führte u.a. aus, eine Analyse der genannten Dissertation habe ergeben, dass bei einzelnen Patienten nach lange zurückliegender beruflicher Exposition Trichlorethen (TRI), Toluol oder Acetonitril in der Ausatemluft habe nachgewiesen werden können. Der Nachweis von Tetrachlorethylen sei d. B. gerade nicht gelungen, so dass auch kein Nachweis einer Langzeitspeicherung erbracht sei. D. B. habe letztlich seine Auffassung, dass eine Langzeitspeicherung von TRI möglich sei, auch nur auf das Ergebnis der Untersuchung einer Person gestützt, während er weiter beschrieben habe, dass bei 90% aller untersuchten Patienten eine derartige Langzeitspeicherung nicht habe nachgewiesen werden können. Selbst wenn bei einem Patienten eine Langzeitspeicherung von TRI nachgewiesen worden sei, sei über eine Langzeitspeicherung von PER damit keine Aussage getroffen worden. Daher seien die Schlussfolgerungen von Prof. Dr. H. fehlerhaft, der im übrigen auch nicht nachgewiesen habe, dass bei der Klägerin überhaupt eine Langzeitspeicherung von PER vorliege. Prof. Dr. H. habe auch nicht beachtet, dass im Merkblatt zur BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV beschrieben sei, dass eine Progredienz der Enzephalopathie nach mehrwöchiger Expositionskarenz gegen eine Verursachung durch Lösemittel spreche.
In seiner Replik vom 4. März 2004 führte Prof. Dr. H. aus, es spiele für die Beurteilung, ob eine Langzeitspeicherung erfolge, keine Rolle, ob der fragliche Stoff TRI oder PER sei, da bei der Lipophilität keine Unterschiede bestünden. Die Langzeitspeicherung über Jahre von lipophilen Stoffen sei schon vor der Dissertation von d. B. bekannt gewesen. Neu sei aber der Befund, dass auch flüchtige lipophile Substanzen einer Langzeitspeicherung unterliegen könnten. Die Freisetzung aus Tiefenspeichern bedeute eine endogene Re-Exposition mit entsprechenden toxikologischen Konsequenzen. Dies bedeute, dass in solchen Fällen nach Expositionsende das gespeicherte Neurotoxin weiter kontinuierlich über Jahre freigesetzt werde und neurotoxisch wirksam werden könne. Eine Progredienz, auch der Schäden, könne eintreten. Das von Prof. Dr. D. genannte Merkblatt zur BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV entspreche nicht mehr dem aktuellen Stand der Wissenschaft.
Unter dem 18. Mai 2004 erwiderte Prof. Dr. D. u.a., Prof. Dr. H. sei nach wie vor die Begründung schuldig geblieben, warum die Ergebnisse zur Langzeitspeicherung von TRI auf PER übertragen werden könnten. Diesen Nachweis habe d. B. gerade nicht erbracht. Darauf erwiderte Prof. Dr. H. unter dem 3. Dezember 2004, darauf Prof. Dr. D. unter dem 21. Februar 2005.
Durch Urteil vom 20. Juli 2005 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, es liege keine BK nach Nr. 1302 der Anlage zur BKV vor. Dies beruhe zum einen darauf, dass toxische Wirkungen durch den langjährigen Umgang mit PER in Bezug auf das in Betracht kommende Organsystem bei der Klägerin nicht nachweisbar seien. Zum anderen bestünden an Leber und Nieren keine pathologischen Veränderungen, mögliche Symptome im Bereich des Nervensystems seien nicht im Zusammenhang mit der Exposition berichtet worden. Auch die obstruktive Atemwegserkrankung sei nicht beruflich bedingt, ebenso nicht das atopische Hautekzem. Es liege aber auch keine BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV vor, wie Prof. Dr. L. und Prof. Dr. D. nachvollziehbar dargestellt hätten. Es sei nicht nachgewiesen, dass bei der Klägerin tatsächlich eine toxische Enzephalopathie bestehe.
Gegen das am 29. Juli 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23. August 2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie im wesentlichen aus, es sei inzwischen allgemeiner medizinischer Kenntnisstand, dass sich eine Enzephalopathie nicht bereits während der Expositionszeit entwickeln müsse, sondern sich auch erst nach Expositionsende entwickeln könne. Da sie während ihrer beruflichen Tätigkeit erheblich PER ausgesetzt gewesen sei und auch das fragliche Krankheitsbild bei ihr vorliege, müsse in Übereinstimmung mit Prof. Dr. H. eine BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV bejaht werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20. Juli 2005 sowie den Bescheid vom 26. Oktober 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Januar 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Anerkennung einer BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV, hilfsweise nach Nr. 1302 der Anlage zur BKV, eine Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf das Gutachten von Prof. Dr. L. sowie die Ausführungen von Prof. Dr. D ...
Das Gericht hat die Akten im Verfahren L 10 RJ 193/03 um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beigezogen. Im dortigen Verfahren ist u.a. das pneumologische Gutachten von Prof. Dr. H., Klinik L., vom 8. April 2005 sowie das neurologisch-psychiatrische Gutachten von Dr. N., Facharzt für Neurologie, Chefarzt der Neurologischen Abteilung der V. v. P. Hospital gGmbH, R., vom 26. September 2005 eingeholt worden. Prof. Dr. H. hat ausgeführt, bei der Klägerin liege ein leichtgradiges gemischtförmiges Asthma bronchiale sowie ein Zustand nach exogen-allergischer Alveolitis mit persistierender leichter Diffusionsstörung ohne klinische und röntgenologische Zeichen einer Lungenfibrose vor. Daneben liege ein chronisches Schmerzsyndrom im Sinne einer somatoformen Schmerzstörung, der Verdacht auf Anteroseptalinfarktnarbe sowie eine atope Dermatitis vor. In seinen weiteren Ausführungen hat sich Prof. Dr. H. auch mit den von Prof. Dr. H. in seinem Gutachten aufgeführten Symptomen auseinandergesetzt und dabei ausgeführt, dass Prof. Dr. H. neben den auch bei den anderen Gutachtern beschriebenen Schmerzen im Kopf-, Hals- und Thoraxbereich sowie Müdigkeit, Schlappheit und Atemnot auch nervöse Magen-Darm-Störungen, leichte Erregbarkeit, Merkfähigkeitsstörungen, Konzentrationsstörungen und Kurzzeitgedächtnisprobleme aufgeführt habe. Diese Beschwerden seien aber vorher nie beschrieben und auch ihm gegenüber von der Klägerin nicht geäußert worden, so dass sie anzuzweifeln seien. Im Übrigen sei seine Diagnose einer Enzephalopathie IIa durch die von ihm erhobenen körperlichen und technischen Befunde nicht belegt. Daher gehe auch sein Streit mit Prof. Dr. D. über mögliche Langzeitfolgen einer Exposition gegenüber organischen Lösemitteln an der Sache vorbei, da schon keine Enzephalopathie nachgewiesen sei und das chronische Schmerzsyndrom nicht als chronische zentralnervöse Störung aufgefasst werden könne. Dr. N., der auch ein EEG durchgeführt hat (Ergebnis: Alpha-EEG, Normalbefund), hat als Diagnosen einen ursächlich unklaren Gesichtsschmerz, den Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung sowie einen essentiellen Haltetremor gestellt. Er hat weiter ausgeführt, dass er bei der neurologischen Untersuchung, wie bereits im Jahr 2001 für das SG im erstinstanzlichen Verfahren, einen weitgehend unauffälligen Befund erhoben habe. Insbesondere liege keine Polyneuropathie vor. In psychischer Hinsicht habe die Klägerin in der Untersuchungssituation völlig unauffällig gewirkt, es habe keine Hinweise auf kognitive Beeinträchtigungen ergeben. Es blieben somit nur eine Reihe von Befindlichkeitsstörungen und Schmerzen ohne relevantes Organkorrelat. Es liege somit weiterhin eine somatoforme Schmerzstörung vor.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten, der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen Akte im Verfahren L 10 RJ 193/03 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet. Bei der Klägerin liegt weder eine BK nach Nr. 1302 noch nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV vor.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [(SGB VII)]. Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).
Nach Nr. 1302 der Anlage zur BKV sind Berufskrankheiten Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe, nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische.
Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wobei die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen sind, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um mindestens 10 v.H. mindern (§ 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII). Dabei richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22).
Für die Gewährung einer Rente wegen einer BK ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für die Beurteilung des Zusammenhangs zwischen versicherter Einwirkung und Erkrankung gilt bei einer Berufskrankheit ebenso wie beim Arbeitsunfall die Theorie der wesentlichen Bedingung. Danach genügt abweichend von einer naturwissenschaftlich-philosophischen Kausalitätsbetrachtung nach der Bedingungs- und Äquivalenztheorie nicht jedes Glied in einer Ursachenkette, um die Verursachung zu bejahen, weil dies zu einem unendlichen Ursachenzusammenhang führt. Als kausal und im Sozialrecht erheblich werden vielmehr nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zu dem Gesundheitsschaden zu dessen Eintritt "wesentlich" beigetragen haben. Das heißt, dass nicht jeder Gesundheitsschaden, der durch ein Ereignis naturwissenschaftlich verursacht wird, im Sozialrecht als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit anerkannt wird, sondern nur derjenige, der "wesentlich" durch das Ereignis verursacht wurde. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden (so schon BSGE 1, 72, 76; 1, 150; 13, 175).
Eine BK nach Nr. 1302 der Anlage zur BKV liegt nicht vor, da bei der Klägerin keine Erkrankungen nachgewiesen sind, die durch Halogenkohlenwasserstoffe, zu denen auch PER zu zählen ist, hervorgerufen werden.
Halogenkohlenwasserstoffe (HKW) besitzen eine organspezifische Schädigungspotenz. Wie Prof. Dr. L. in seinem Gutachten für das SG in Übereinstimmung mit der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung (vgl. dazu Schönberger/ Mehrtens/ Perlebach, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, S. 1311 ff) ausgeführt hat, manifestieren sich die toxischen Wirkungen der HKW vorwiegend am zentralen Nervensystem, aber auch an Herz, Leber und Nieren, ganz ausnahmsweise auch im Bereich der Atemwege und Lungen (dazu Schönberger et al. aaO).
Die bei der Klägerin bestehende Erkrankung der Atmungsorgane ist aber nicht beruflich bedingt. Vielmehr liegt, wie letztlich auch Prof. Dr. H. im Verfahren L 10 RJ 193/03 sowie Prof. Dr. H. mit Dr. S. im Verwaltungsverfahren ausgeführt haben, ein leichtgradiges gemischtförmiges Asthma bronchiale vor, das nicht durch die Belastung der Atemluft mit PER hervorgerufen oder wesentlich verschlimmert worden ist. Die bei der Klägerin im Juli 2003 diagnostizierte allergische Alveolitis hatte sich nach der Entfernung eines Papageis aus der häuslichen Umgebung gebessert, so dass bei einem Kontroll-CT im November 2003 die Zeichen einer Alveolitis ohne Fibrosezeichen verschwunden waren. Die von Prof. Dr. H. festgestellte, noch verbliebene Diffussionsverminderung ist auf diese, durch Belastungen im häuslichen Bereich verursachte Alveolitis zurückzuführen und damit ebenfalls nicht beruflich bedingt.
An Leber und Niere liegen bei der Klägerin keine pathologischen Befunde vor.
Soweit Herzerkrankungen durch HKW hervorgerufen werden können, vermindern diese die Erregungsreizschwelle des Herzens und erhöhen so seine Empfindlichkeit gegenüber Sympathikusreizen. Als einziger der gehörten Ärzte hat Dr. H. einen Anlass zu der Prüfung gesehen, ob Erkrankungen von Seiten des Herz-Kreislaufsystems durch schädigende Einwirkungen i. S. der BK nach der Nr. 1302 der Anlage zur BKV hervorgerufen worden sind. Er hat diese Frage aber - für den Senat insoweit überzeugend - verneint.
Soweit HKW Erkrankungen im Zentralen Nervensystem, insbesondere auch eine toxische Enzephalopathie hervorrufen können, steht der Bejahung einer BK nach Nr. 1302 der Anlage zur BKV, aber auch einer BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV entgegen, dass keine Enzephalopathie bei der Klägerin nachzuweisen ist. Vielmehr ist der Senat in Übereinstimmung mit allen Ärzten, die auf dem Fachgebiet der Neurologie und Psychiatrie tätig sind und mit dem Gesundheitszustand der Klägerin befasst waren, der Auffassung, dass eine somatoforme Schmerzstörung vorliegt. Der Senat stützt sich dabei in erster Linie auf das Gutachten von Dr. N. im Rentenverfahren, der sich auch mit den Ausführungen von Prof. Dr. H., insbesondere dessen Diagnose einer Enzephalopathie IIa, auseinandergesetzt und diese Erkrankung nachvollziehbar verneint hat. Dr. N. hat schlüssig dargelegt, dass bei der neurologischen Untersuchung ein weitgehend unauffälliger Befund erhoben werden konnte. Die Sensibilität im Gesicht war normal, auch die Sensibilität an Händen und Füßen. Bei der Prüfung des Vibrationsempfindens gab die Klägerin zwar an den Händen wie auch an den Füßen Defizite an. Der Verdacht auf eine bestehende Polyneuropathie hatte sich bei der anschließenden elektroneurographischen Untersuchung aber nicht bestätigen lassen. Auch neurologische Defizite, die auf eine zentralnervöse Funktionsstörung hinweisen könnten, waren nicht auffällig. Die von der Klägerin (erst auf gezieltes Nachfragen) geklagten Gedächtnisstörungen waren ebenfalls nicht von solcher Art oder solchem Gewicht, dass ihnen Krankheitswert zukommen würde oder sie als nicht mehr altersentsprechend bezeichnet werden könnten. Daraus hat Dr. N. auch für den Senat nachvollziehbar - und letztlich übereinstimmend mit der Beurteilung des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. C. - nicht nur ein BK-relevantes Krankheitsbild, sondern auch einen Zusammenhang zwischen möglichen Erkrankungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet und der Exposition gegenüber HWK verneint. Dr. N. hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass Prof. Dr. H. die von ihm gestellte Diagnose nicht begründet hat, insbesondere keine Untersuchungen vorgenommen hat, die eine entsprechende Diagnose begründen könnten. Die von Prof. Dr. H. anamnestisch aufgeführten Beschwerden der Klägerin hat diese nicht nur gegenüber Dr. N., sondern auch gegenüber keinem anderen der in das Verfahren einbezogenen Ärzte wiederholt. Die von Prof. Dr. H. aufgeführte Diagnose sowie die daraus gezogenen Schlussfolgerungen vermögen den Senat daher nicht zu überzeugen.
Den Streit zwischen Prof. Dr. H. und Prof. Dr. D. über die Langzeitspeicherung von TRI oder PER konnte der Senat deshalb ebenso offen lassen wie die Frage, ob das Auftreten einer neurologischen Erkrankung erst zeitlich nach Expositionsende einen Zusammenhang dieser Erkrankung mit der Exposition gegenüber HWK ausschließt oder nicht.
Anlass zu weiterer Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen bestand nicht. Insbesondere hat der Senat keinen Anlass gesehen, das von der Klägerin angeregte radiologische Gutachten mit bildgebenden Verfahren SPECT und PET von Amts wegen einzuholen, da der Sachverhalt umfassend medizinisch aufgeklärt ist und die vorgeschlagenen Untersuchungsmethoden nicht beweiskräftig für das Vorliegen einer Enzephalopathie sind. Diese zeigen keine enge Korrelation von Befund und Symptomatik, da es sich nur um funktionsabbildende nuklearmedizinische Verfahren handelt (vgl. Schönberger/Mehrtens aaO S. 332 mwN).
Daher war die Berufung zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Anerkennung der Erkrankungen der Klägerin als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1302 und Nr. 1317 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Die Klägerin ist 1948 geboren und war ab 3. Januar 1977 in der G. M. GmbH & Co., Industrietechnik, als Produktionsarbeiterin im Bereich Pumpengehäuse beruflich tätig. Sie hatte beim Bearbeiten von Metallteilen (Stanzen, Kontrollieren und Entgraten) Umgang mit Perchlorethylen (PER).
Am 22. Dezember 1998 erstattete der Betriebsarzt Dr. K., B.A.D Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik GmbH, die ärztliche Anzeige über das Vorliegen einer BK. Er gab an, die Klägerin klage u.a. über Abgeschlagenheit, Herzklopfen und Gesichtsschmerzen (Trigeminusneuralgie seit 2 Jahren). Auf Nachfrage der Beklagten übersandte er zusätzlich den betriebsärztlichen Bericht vom 1. Februar 1999 und teilte mit Schreiben vom 2. März 1999 mit, sein Bericht vom 1. Februar 1999 und die BK-Anzeige beruhten nur auf den Angaben der Klägerin, die seit Ende Januar 1998 arbeitsunfähig sei. Er selbst sei erst seit Juni 1998 als Betriebsarzt für den Beschäftigungsbetrieb zuständig.
Im Fragebogen zur Feststellung einer BK gab die Klägerin unter dem 13. Januar 1999 an, vor 2 Jahren (Frühjahr 1997) hätten Zahn- und Ohrenschmerzen begonnen. Der Hals-Nasen-Ohren(HNO)-Arzt Dr. W. bescheinigte unter dem 4. Februar 1999 neuralgiforme Beschwerden im Bereich des linken Oberkiefers, der HNO-ärztliche Befund sei unauffällig gewesen. Er überließ den Bericht vom 18. Februar 1998 über die Computertomographie des NNH-Systems am 16. Februar 1998 (leichtgradige rechtsseitige Sinusitis maxillaris; geringe chronisch entzündliche Veränderungen in einzelnen wenigen Siebbeinzellen, jedoch keine ausgeprägte Sinusitis ethmoidalis, keine linksseitige Sinusitis, keine Sinusitis sphlenoidalis oder frontalis). Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C. bescheinigte unter dem 4. Februar 1999 einen Verdacht auf Trigeminusneuropathie links und berichtete über die von der Klägerin bei der Konsultation am 3. Februar 1998 geklagten neuralgiformen Schmerzen. Beigefügt war der Bericht über die am 10. August 1998 durchgeführte Kernspintomographie des Schädels, in welchem als Diagnose der Verdacht auf eine Trigeminusneuropathie links, therapieresistent, aufgeführt war. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. S. berichtete unter dem 25. Februar 1999 unter Beifügung zahlreicher Arztbriefe zusätzlich über einen allgemeinen Erschöpfungszustand bei starker psychischer Belastung (häuslicher Pflegefall bis 1997). Von der Beklagten wurde weiter der Orthopäde Dr. R. (Fragebogen vom 10. April 2000) sowie der Arzt für Orthopädie Dr. M. (Fragebogen vom 20. April 2000) befragt.
Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse bei. Der Beschäftigungsbetrieb teilte der Beklagten unter dem 5. März 1999 u.a. mit, nach dem Bericht der Sicherheitsfachkraft des Betriebs werde seit 1990 kein PER mehr eingesetzt. Beigefügt war dessen Stellungnahme vom 19. Februar 1999.
Der Technische Aufsichtsdienst (TAD), Technischer Aufsichtsbeamter (TAB) Dipl.-Ing. T. teilte nach Erhebungen im Beschäftigungsbetrieb und einem Telefonat mit der Klägerin in seinem Bericht (mit Bildmappe) vom 19. Mai 1999 zusammenfassend mit, von einer Exposition gegenüber PER müsse für den Zeitraum von Januar 1977 bis April 1994 ausgegangen werden. Erst dann sei PER durch einen anderen Stoff ersetzt worden. Es sei nicht davon auszugehen, dass die zulässigen Grenzwerte dauerhaft sicher eingehalten worden seien. Es sei daher von einer gesundheitlichen Gefährdung der Klägerin auszugehen.
Dr. K. legte den Reha-Entlassbericht vom 3. Januar 2000 über die vom 24. November bis 22. Dezember 1999 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme in der Abteilung Psychosomatik der S.-Klinik B.-B. vor. Als Diagnosen wurde eine Somatisierungsstörung, ein Carpaltunnelsyndrom rechts leichtgradig sowie ein Halswirbelsäulen(HWS)-Syndrom aufgeführt.
Der Rentenversicherungsträger legte mit Bezugsschreiben vom 18. Mai 2000 die im Rahmen eines Rentenverfahrens wegen Erwerbsunfähigkeit eingeholten bzw. übersandten ärztlichen Unterlagen vor, insbesondere das sozialmedizinische Gutachten der Internistin Dr. M. vom 3. August 1999. Diese diagnostizierte eine psychophysische Erschöpfung mit Somatisierungsstörung, eine leichte Fehlstatik der HWS und leichte, das Altersmaß nicht übersteigende degenerative Veränderungen der Wirbelsäule ohne wesentliche Bewegungseinschränkung und ohne neurologische Ausfallserscheinungen. Ergänzend führte sie aus, dass bei der Klägerin zu keiner Zeit objektive Symptome oder Befunde festgestellt worden seien, die für Vergiftungserscheinungen mit Lösemitteln sprechen würden. Insbesondere sei zu keinem Zeitpunkt PER oder ein Abbauprodukt dieser Substanz im Urin oder Blut nachgewiesen worden. Auch habe noch nie eine Erhöhung der Leberwerte festgestellt werden können. Auch sei der Zeitraum zwischen Expositionsende und Auftreten der Erkrankung zu beachten, was ebenfalls gegen eine Verursachung der Beschwerden durch Lösemittel spreche. Der Verdachtsdiagnose des Betriebsarztes könne daher nicht gefolgt werden.
Im Auftrag der Beklagten erstellte Prof. Dr. H. das arbeitsmedizinische Gutachten vom 26. Juli 2000. Dieser diagnostizierte einen Gesichtsschmerz unklarer Genese, fragliche Trigeminusneuralgie, eine obstruktive Atemwegserkrankung bei Typ I-Allergie gegen Baum-, Gras-, Getreide- und Kräuterpollen sowie Hausstaubmilben und Tier-Epithelien, eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität sowie ein atopisches Ekzem. Bei der Hauterkrankung handle es sich nicht um eine BK nach Nr. 5101 der Anlage zur BKV. Die von der Klägerin geklagten Atembeschwerden seien in ursächlichem Zusammenhang mit einer Typ I-Allergie gegenüber verschiedenen Umweltallergenen zu sehen. Aufgrund einer im Jahr 1994 durchgeführten Inhalationstestung habe eine Überempfindlichkeitsreaktion gegen Arbeitsmaterialien ausgeschlossen werden können. In Übereinstimmung mit allen früher erhobenen neurologischen Befunden hätten sich aber auch jetzt keine Anhaltspunkte dafür finden lassen, dass eine toxisch bedingte Störung des zentralen oder peripheren Nervensystems vorliege. Der von der Klägerin geklagte Kopf- bzw. Gesichtsschmerz könne weder als Ausdruck einer Enzephalopathie noch einer Polyneuropathie gedeutet werden. Vielmehr sei von einer Somatisierungsstörung auszugehen. Eine toxisch bedingte Erkrankung sei schon deshalb auszuschließen, weil sich ein zeitlicher Zusammenhang mit dem Auftreten des Kopf- und Gesichtsschmerzes nicht herstellen lasse. Zu dem Zeitpunkt, in dem die Beschwerden aufgetreten seien, habe die Klägerin bereits mehrere Monate nicht mehr mit PER gearbeitet. Beigefügt war dem Gutachten der Bericht über eine Allergietestung sowie eine Kurzbegutachtung der Hautärztin Dr. S. vom 18. Juli 2000 im Auftrag von Prof. Dr. H ...
Nach Einholung einer Stellungnahme des Staatlichen Gewerbearztes lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. Oktober 2000 die Gewährung von Leistungen wegen einer BK nach Nr. 1302, wegen einer anderen BK oder wegen des Vorliegens einer Erkrankung, die nach § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) wie eine BK anzuerkennen sei, ab.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, ein Zusammenhang ihrer Erkrankungen mit der Einwirkung von PER sei nicht völlig auszuschließen, was ausreichen müsse, um eine BK anzuerkennen.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2001 den Widerspruch zurück.
Dagegen erhob die Klägerin am 12. Februar 2001 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG). Das SG befragte die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. C. führte unter dem 6. April 2001 u.a. aus, dass auch aus seiner Sicht kein Zusammenhang zwischen den geklagten Beschwerden und der PER-Exposition bestehe. Entsprechendes führte Dr. S. unter dem 6. April 2001 aus. Dr. K. wies unter dem 10. April 2001 u.a. darauf hin, dass Prof. Dr. H. nicht auf mögliche Spätfolgen einer jahrelangen PER-Exposition eingegangen sei.
Im Auftrag des SG erstellte unter dem 21. Januar 2002 Prof. Dr. Dr. L., Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität E.-N. ein arbeitsmedizinisch-internistisches Fachgutachten. Dieser kam zusammenfassend zum Schluss, bei der Klägerin liege eine obstruktive Atemwegserkrankung bei Typ-I Allergie gegen Pollen sowie Hausstaubmilben und Tierepithelien mit einem unter antientzündlicher und antiobstruktiver Therapie ungenügenden Behandlungserfolg, ein atopisches Ekzem, unter derzeitiger lokaler Corticoid-Behandlung gut therapiert sowie Kopf- und Gesichtsschmerz mit Verdacht auf Trigeminus-Neuralgie vor. Es bestehe kein Zusammenhang der Erkrankungen mit der beruflichen Exposition gegenüber PER.
Das SG zog medizinische Unterlagen aus dem Rentenrechtsstreit der Klägerin S 10 RJ 3172/00 bei, u. a. die sachverständige Zeugenauskunft von Oberarzt PD Dr. S., Neurologische Klinik der Universitätsklinik T., vom 23. Juli 2002. Dieser führte aus, die Klägerin leide unter einem atypischen Gesichtsschmerz. Beigefügt war der Bericht über die Untersuchungen der Klägerin vom 23./24. April 2002 und vom 8. April 2002.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstellte unter dem 21. Juli 2003 Prof. Dr. H., Internist, ein internistisch-umweltmedizinisches Fachgutachten. Dieser führte als Diagnosen auf eine Enzephalopathie II A, Zustand nach PER-Belastung, ausgeprägte Kopf- und Gesichtsschmerzen, Verdacht auf koronare Herzerkrankung sowie Zustand nach stummem Vorderwandinfarkt. Für einen Zusammenhang der geklagten Beschwerden mit der PER-Belastung am Arbeitsplatz spreche die Langzeitspeicherung von PER im Fettgewebe. Die kardiale Symptomatik sei nicht berufsbedingt. Zusammenfassend führte er aus, eine BK nach Nr. 1302 der Anlage zur BKV liege nicht vor, aber eine BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV. Die hierdurch bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bewerte er mit 20 v.H. Die Enzephalopathie liege seit Januar 1996 vor. Zur Begründung führt er aus, d. B. habe in seiner Promotion im Jahr 2001 Nachweise für eine Langzeitspeicherung von PER mehrere Jahre nach der letzten beruflichen Exposition und bei Ausschluss jeglicher Re-Exposition erbracht. Diese Ergebnisse rechtfertigten die Bewertung, dass auch nach Beendigung der Exposition Symptome der Langzeitbelastung durch PER bestünden. Die geringe Durchblutung des Fettgewebes führe zu einer großen Speicherkapazität. Dabei handle es sich um neue Erkenntnisse.
Die Beklagte legte das arbeits- und sozialmedizinische Fachgutachten nach Aktenlage von Prof. Dr. D., Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität E.-N. vom 15. Oktober 2003 vor. Dieser führte u.a. aus, eine Analyse der genannten Dissertation habe ergeben, dass bei einzelnen Patienten nach lange zurückliegender beruflicher Exposition Trichlorethen (TRI), Toluol oder Acetonitril in der Ausatemluft habe nachgewiesen werden können. Der Nachweis von Tetrachlorethylen sei d. B. gerade nicht gelungen, so dass auch kein Nachweis einer Langzeitspeicherung erbracht sei. D. B. habe letztlich seine Auffassung, dass eine Langzeitspeicherung von TRI möglich sei, auch nur auf das Ergebnis der Untersuchung einer Person gestützt, während er weiter beschrieben habe, dass bei 90% aller untersuchten Patienten eine derartige Langzeitspeicherung nicht habe nachgewiesen werden können. Selbst wenn bei einem Patienten eine Langzeitspeicherung von TRI nachgewiesen worden sei, sei über eine Langzeitspeicherung von PER damit keine Aussage getroffen worden. Daher seien die Schlussfolgerungen von Prof. Dr. H. fehlerhaft, der im übrigen auch nicht nachgewiesen habe, dass bei der Klägerin überhaupt eine Langzeitspeicherung von PER vorliege. Prof. Dr. H. habe auch nicht beachtet, dass im Merkblatt zur BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV beschrieben sei, dass eine Progredienz der Enzephalopathie nach mehrwöchiger Expositionskarenz gegen eine Verursachung durch Lösemittel spreche.
In seiner Replik vom 4. März 2004 führte Prof. Dr. H. aus, es spiele für die Beurteilung, ob eine Langzeitspeicherung erfolge, keine Rolle, ob der fragliche Stoff TRI oder PER sei, da bei der Lipophilität keine Unterschiede bestünden. Die Langzeitspeicherung über Jahre von lipophilen Stoffen sei schon vor der Dissertation von d. B. bekannt gewesen. Neu sei aber der Befund, dass auch flüchtige lipophile Substanzen einer Langzeitspeicherung unterliegen könnten. Die Freisetzung aus Tiefenspeichern bedeute eine endogene Re-Exposition mit entsprechenden toxikologischen Konsequenzen. Dies bedeute, dass in solchen Fällen nach Expositionsende das gespeicherte Neurotoxin weiter kontinuierlich über Jahre freigesetzt werde und neurotoxisch wirksam werden könne. Eine Progredienz, auch der Schäden, könne eintreten. Das von Prof. Dr. D. genannte Merkblatt zur BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV entspreche nicht mehr dem aktuellen Stand der Wissenschaft.
Unter dem 18. Mai 2004 erwiderte Prof. Dr. D. u.a., Prof. Dr. H. sei nach wie vor die Begründung schuldig geblieben, warum die Ergebnisse zur Langzeitspeicherung von TRI auf PER übertragen werden könnten. Diesen Nachweis habe d. B. gerade nicht erbracht. Darauf erwiderte Prof. Dr. H. unter dem 3. Dezember 2004, darauf Prof. Dr. D. unter dem 21. Februar 2005.
Durch Urteil vom 20. Juli 2005 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, es liege keine BK nach Nr. 1302 der Anlage zur BKV vor. Dies beruhe zum einen darauf, dass toxische Wirkungen durch den langjährigen Umgang mit PER in Bezug auf das in Betracht kommende Organsystem bei der Klägerin nicht nachweisbar seien. Zum anderen bestünden an Leber und Nieren keine pathologischen Veränderungen, mögliche Symptome im Bereich des Nervensystems seien nicht im Zusammenhang mit der Exposition berichtet worden. Auch die obstruktive Atemwegserkrankung sei nicht beruflich bedingt, ebenso nicht das atopische Hautekzem. Es liege aber auch keine BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV vor, wie Prof. Dr. L. und Prof. Dr. D. nachvollziehbar dargestellt hätten. Es sei nicht nachgewiesen, dass bei der Klägerin tatsächlich eine toxische Enzephalopathie bestehe.
Gegen das am 29. Juli 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23. August 2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie im wesentlichen aus, es sei inzwischen allgemeiner medizinischer Kenntnisstand, dass sich eine Enzephalopathie nicht bereits während der Expositionszeit entwickeln müsse, sondern sich auch erst nach Expositionsende entwickeln könne. Da sie während ihrer beruflichen Tätigkeit erheblich PER ausgesetzt gewesen sei und auch das fragliche Krankheitsbild bei ihr vorliege, müsse in Übereinstimmung mit Prof. Dr. H. eine BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV bejaht werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20. Juli 2005 sowie den Bescheid vom 26. Oktober 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Januar 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Anerkennung einer BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV, hilfsweise nach Nr. 1302 der Anlage zur BKV, eine Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf das Gutachten von Prof. Dr. L. sowie die Ausführungen von Prof. Dr. D ...
Das Gericht hat die Akten im Verfahren L 10 RJ 193/03 um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beigezogen. Im dortigen Verfahren ist u.a. das pneumologische Gutachten von Prof. Dr. H., Klinik L., vom 8. April 2005 sowie das neurologisch-psychiatrische Gutachten von Dr. N., Facharzt für Neurologie, Chefarzt der Neurologischen Abteilung der V. v. P. Hospital gGmbH, R., vom 26. September 2005 eingeholt worden. Prof. Dr. H. hat ausgeführt, bei der Klägerin liege ein leichtgradiges gemischtförmiges Asthma bronchiale sowie ein Zustand nach exogen-allergischer Alveolitis mit persistierender leichter Diffusionsstörung ohne klinische und röntgenologische Zeichen einer Lungenfibrose vor. Daneben liege ein chronisches Schmerzsyndrom im Sinne einer somatoformen Schmerzstörung, der Verdacht auf Anteroseptalinfarktnarbe sowie eine atope Dermatitis vor. In seinen weiteren Ausführungen hat sich Prof. Dr. H. auch mit den von Prof. Dr. H. in seinem Gutachten aufgeführten Symptomen auseinandergesetzt und dabei ausgeführt, dass Prof. Dr. H. neben den auch bei den anderen Gutachtern beschriebenen Schmerzen im Kopf-, Hals- und Thoraxbereich sowie Müdigkeit, Schlappheit und Atemnot auch nervöse Magen-Darm-Störungen, leichte Erregbarkeit, Merkfähigkeitsstörungen, Konzentrationsstörungen und Kurzzeitgedächtnisprobleme aufgeführt habe. Diese Beschwerden seien aber vorher nie beschrieben und auch ihm gegenüber von der Klägerin nicht geäußert worden, so dass sie anzuzweifeln seien. Im Übrigen sei seine Diagnose einer Enzephalopathie IIa durch die von ihm erhobenen körperlichen und technischen Befunde nicht belegt. Daher gehe auch sein Streit mit Prof. Dr. D. über mögliche Langzeitfolgen einer Exposition gegenüber organischen Lösemitteln an der Sache vorbei, da schon keine Enzephalopathie nachgewiesen sei und das chronische Schmerzsyndrom nicht als chronische zentralnervöse Störung aufgefasst werden könne. Dr. N., der auch ein EEG durchgeführt hat (Ergebnis: Alpha-EEG, Normalbefund), hat als Diagnosen einen ursächlich unklaren Gesichtsschmerz, den Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung sowie einen essentiellen Haltetremor gestellt. Er hat weiter ausgeführt, dass er bei der neurologischen Untersuchung, wie bereits im Jahr 2001 für das SG im erstinstanzlichen Verfahren, einen weitgehend unauffälligen Befund erhoben habe. Insbesondere liege keine Polyneuropathie vor. In psychischer Hinsicht habe die Klägerin in der Untersuchungssituation völlig unauffällig gewirkt, es habe keine Hinweise auf kognitive Beeinträchtigungen ergeben. Es blieben somit nur eine Reihe von Befindlichkeitsstörungen und Schmerzen ohne relevantes Organkorrelat. Es liege somit weiterhin eine somatoforme Schmerzstörung vor.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten, der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen Akte im Verfahren L 10 RJ 193/03 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet. Bei der Klägerin liegt weder eine BK nach Nr. 1302 noch nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV vor.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [(SGB VII)]. Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).
Nach Nr. 1302 der Anlage zur BKV sind Berufskrankheiten Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe, nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische.
Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wobei die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen sind, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um mindestens 10 v.H. mindern (§ 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII). Dabei richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22).
Für die Gewährung einer Rente wegen einer BK ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für die Beurteilung des Zusammenhangs zwischen versicherter Einwirkung und Erkrankung gilt bei einer Berufskrankheit ebenso wie beim Arbeitsunfall die Theorie der wesentlichen Bedingung. Danach genügt abweichend von einer naturwissenschaftlich-philosophischen Kausalitätsbetrachtung nach der Bedingungs- und Äquivalenztheorie nicht jedes Glied in einer Ursachenkette, um die Verursachung zu bejahen, weil dies zu einem unendlichen Ursachenzusammenhang führt. Als kausal und im Sozialrecht erheblich werden vielmehr nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zu dem Gesundheitsschaden zu dessen Eintritt "wesentlich" beigetragen haben. Das heißt, dass nicht jeder Gesundheitsschaden, der durch ein Ereignis naturwissenschaftlich verursacht wird, im Sozialrecht als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit anerkannt wird, sondern nur derjenige, der "wesentlich" durch das Ereignis verursacht wurde. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden (so schon BSGE 1, 72, 76; 1, 150; 13, 175).
Eine BK nach Nr. 1302 der Anlage zur BKV liegt nicht vor, da bei der Klägerin keine Erkrankungen nachgewiesen sind, die durch Halogenkohlenwasserstoffe, zu denen auch PER zu zählen ist, hervorgerufen werden.
Halogenkohlenwasserstoffe (HKW) besitzen eine organspezifische Schädigungspotenz. Wie Prof. Dr. L. in seinem Gutachten für das SG in Übereinstimmung mit der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung (vgl. dazu Schönberger/ Mehrtens/ Perlebach, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, S. 1311 ff) ausgeführt hat, manifestieren sich die toxischen Wirkungen der HKW vorwiegend am zentralen Nervensystem, aber auch an Herz, Leber und Nieren, ganz ausnahmsweise auch im Bereich der Atemwege und Lungen (dazu Schönberger et al. aaO).
Die bei der Klägerin bestehende Erkrankung der Atmungsorgane ist aber nicht beruflich bedingt. Vielmehr liegt, wie letztlich auch Prof. Dr. H. im Verfahren L 10 RJ 193/03 sowie Prof. Dr. H. mit Dr. S. im Verwaltungsverfahren ausgeführt haben, ein leichtgradiges gemischtförmiges Asthma bronchiale vor, das nicht durch die Belastung der Atemluft mit PER hervorgerufen oder wesentlich verschlimmert worden ist. Die bei der Klägerin im Juli 2003 diagnostizierte allergische Alveolitis hatte sich nach der Entfernung eines Papageis aus der häuslichen Umgebung gebessert, so dass bei einem Kontroll-CT im November 2003 die Zeichen einer Alveolitis ohne Fibrosezeichen verschwunden waren. Die von Prof. Dr. H. festgestellte, noch verbliebene Diffussionsverminderung ist auf diese, durch Belastungen im häuslichen Bereich verursachte Alveolitis zurückzuführen und damit ebenfalls nicht beruflich bedingt.
An Leber und Niere liegen bei der Klägerin keine pathologischen Befunde vor.
Soweit Herzerkrankungen durch HKW hervorgerufen werden können, vermindern diese die Erregungsreizschwelle des Herzens und erhöhen so seine Empfindlichkeit gegenüber Sympathikusreizen. Als einziger der gehörten Ärzte hat Dr. H. einen Anlass zu der Prüfung gesehen, ob Erkrankungen von Seiten des Herz-Kreislaufsystems durch schädigende Einwirkungen i. S. der BK nach der Nr. 1302 der Anlage zur BKV hervorgerufen worden sind. Er hat diese Frage aber - für den Senat insoweit überzeugend - verneint.
Soweit HKW Erkrankungen im Zentralen Nervensystem, insbesondere auch eine toxische Enzephalopathie hervorrufen können, steht der Bejahung einer BK nach Nr. 1302 der Anlage zur BKV, aber auch einer BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV entgegen, dass keine Enzephalopathie bei der Klägerin nachzuweisen ist. Vielmehr ist der Senat in Übereinstimmung mit allen Ärzten, die auf dem Fachgebiet der Neurologie und Psychiatrie tätig sind und mit dem Gesundheitszustand der Klägerin befasst waren, der Auffassung, dass eine somatoforme Schmerzstörung vorliegt. Der Senat stützt sich dabei in erster Linie auf das Gutachten von Dr. N. im Rentenverfahren, der sich auch mit den Ausführungen von Prof. Dr. H., insbesondere dessen Diagnose einer Enzephalopathie IIa, auseinandergesetzt und diese Erkrankung nachvollziehbar verneint hat. Dr. N. hat schlüssig dargelegt, dass bei der neurologischen Untersuchung ein weitgehend unauffälliger Befund erhoben werden konnte. Die Sensibilität im Gesicht war normal, auch die Sensibilität an Händen und Füßen. Bei der Prüfung des Vibrationsempfindens gab die Klägerin zwar an den Händen wie auch an den Füßen Defizite an. Der Verdacht auf eine bestehende Polyneuropathie hatte sich bei der anschließenden elektroneurographischen Untersuchung aber nicht bestätigen lassen. Auch neurologische Defizite, die auf eine zentralnervöse Funktionsstörung hinweisen könnten, waren nicht auffällig. Die von der Klägerin (erst auf gezieltes Nachfragen) geklagten Gedächtnisstörungen waren ebenfalls nicht von solcher Art oder solchem Gewicht, dass ihnen Krankheitswert zukommen würde oder sie als nicht mehr altersentsprechend bezeichnet werden könnten. Daraus hat Dr. N. auch für den Senat nachvollziehbar - und letztlich übereinstimmend mit der Beurteilung des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. C. - nicht nur ein BK-relevantes Krankheitsbild, sondern auch einen Zusammenhang zwischen möglichen Erkrankungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet und der Exposition gegenüber HWK verneint. Dr. N. hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass Prof. Dr. H. die von ihm gestellte Diagnose nicht begründet hat, insbesondere keine Untersuchungen vorgenommen hat, die eine entsprechende Diagnose begründen könnten. Die von Prof. Dr. H. anamnestisch aufgeführten Beschwerden der Klägerin hat diese nicht nur gegenüber Dr. N., sondern auch gegenüber keinem anderen der in das Verfahren einbezogenen Ärzte wiederholt. Die von Prof. Dr. H. aufgeführte Diagnose sowie die daraus gezogenen Schlussfolgerungen vermögen den Senat daher nicht zu überzeugen.
Den Streit zwischen Prof. Dr. H. und Prof. Dr. D. über die Langzeitspeicherung von TRI oder PER konnte der Senat deshalb ebenso offen lassen wie die Frage, ob das Auftreten einer neurologischen Erkrankung erst zeitlich nach Expositionsende einen Zusammenhang dieser Erkrankung mit der Exposition gegenüber HWK ausschließt oder nicht.
Anlass zu weiterer Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen bestand nicht. Insbesondere hat der Senat keinen Anlass gesehen, das von der Klägerin angeregte radiologische Gutachten mit bildgebenden Verfahren SPECT und PET von Amts wegen einzuholen, da der Sachverhalt umfassend medizinisch aufgeklärt ist und die vorgeschlagenen Untersuchungsmethoden nicht beweiskräftig für das Vorliegen einer Enzephalopathie sind. Diese zeigen keine enge Korrelation von Befund und Symptomatik, da es sich nur um funktionsabbildende nuklearmedizinische Verfahren handelt (vgl. Schönberger/Mehrtens aaO S. 332 mwN).
Daher war die Berufung zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind.
Rechtskraft
Aus
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