Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 2918/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 3593/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 27. Juni 2006 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab 1. August 2006 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe von monatlich 80,48 EUR zu gewähren. Die einstweilige Anordnung ergeht unter dem Vorbehalt des Fortbestandes des Hilfebedürftigkeit und wird zeitlich befristet bis längstens 31. Dezember 2006.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Gründe:
Wegen der bevorstehenden Entlassung des Antragstellers aus einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme und des aus den Ermittlungen des Gerichtes sich ergebenden Sachstandes, aus welchem sich ein Leistungsanspruch des Antragstellers ergibt, ist eine Dringlichkeit im Sinne des § 155 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegeben. Infolge von Urlaubsabwesenheit zweier Richter ist der Senat derzeit nicht vollständig besetzt. Die Entscheidung ist dringlich und wird deshalb vom Vorsitzenden allein getroffen.
Die rechtzeitig schriftlich erhobene Beschwerde (§ 173 SGG), der das Sozialgericht Freiburg (SG) nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Es bestehen sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).
Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht (Sicherungsanordnung (Abs. 2 Satz 1 a.a.O.)), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht (vgl. dazu Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Auflage, § 86b Rdnrn. 25 ff.; Funke-Kaiser in Bader u.a., Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 3. Auflage, § 123 Rdnrn. 7, 11). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Buchholz 421.21 Hochschulzulassungsrecht Nr. 37; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO § 123 Rdnrn. 64, 73 ff., 80 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO § 123 Rdnrn. 78 ff.). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Dabei sind die diesbezüglichen Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f.; Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 = NVwZ 2005, 927 ff.); Funke-Kaiser in Bader u.a., VwGO, 3. Auflage, § 123 Rdnr. 58; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O. Rdnrn. 95, 99 ff.). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ggf. ist eine Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. BVerfG NVwZ 1997, a.a.O.; NVwZ 2005, a.a.O.). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B -(juris), 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B -, FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B -, FEVS 57, 164 (jeweils m.w.N. aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung); Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O. Rdnrn. 165 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O. Rdnr. 79; Funke-Kaiser in Bader u.a., a.a.O. Rdnr. 62).
Eine einstweilige Anordnung kann vorliegend auch ergehen, obwohl die Leistungsablehnung der Antragsgegnerin mit fehlender Mitwirkung begründet ist (§ 66 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I -), was einen eigenständigen Versagungsgrund darstellt, der nicht voraussetzt, dass die Anspruchsvoraussetzungen der begehrten Leistung zu verneinen sind, weshalb eine Leistungsklage nicht zulässig erhoben werden kann, solange der Ablehnungsbescheid Wirksamkeit entfaltet. Diese Sperrwirkung der Ablehnung nach § 66 Abs. 1 SGB I darf jedoch nicht auf das einstweilige Rechtsschutzverfahren übertragen werden. Dies gebietet der Anspruch des Antragstellers auf effektiven Rechtsschutz - auch und gerade im Bereich existenzsichernder Leistungen (vgl. Beschluss des Senats vom 12. Januar 2006 - L 7 AS 5532/05 ER-B - (juris)).
Der Antragsteller hat Anspruch auf ergänzende Leistungen der Grundsicherung, weil sein eigenes Einkommen den nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) zu errechnenden Bedarf nicht deckt. Es ist nach den Ermittlungen in diesem Verfahren auch kein Vermögen vorhanden, mit welchem er vorrangig seinen Bedarf befriedigen könnte, wodurch seine Hilfebedürftigkeit entfiele (§§ 2 Abs. 1 , 90 SGB XII).
Der Anspruch ist nicht bestandkräftig abgelehnt, sodass es nicht darauf ankommt, wie lang in die Zukunft eine solche Ablehnung überhaupt wirken könnte. Der Widerspruchsbescheid, der den - verspäteten - Widerspruch des Antragsteller als unzulässig zurückgewiesen hat, dürfte nämlich schon deshalb rechtswidrig sein, weil die Antragsgegnerin zu Unrecht keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt hat. Es ist zum einen schon nicht klar, wann der Ausgangsbescheid vom 15. März 2006 dem Antragsteller zugegangen ist. In den Akten der Antragsgegnerin fehlt ein Abgangsvermerk und auch jeglicher Zustellungsnachweis. Unabhängig davon ergibt sich aber aus dem auch der Antragsgegnerin bekannten nervenfachärztlichen Gutachten des Dr. Merz vom 9. Mai 2006 und der daraufhin erfolgten Bestellung einer Betreuerin, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt des möglichen Zugangs des Bescheides nicht in der Lage war, seine Angelegenheiten zu besorgen. Damit steht auch fest, dass ihm ein Verschulden bei der Fristversäumnis (vgl. § 67 Abs. 1 SGG) wohl kaum vorgehalten werden kann. Das bedeutet aber, dass die Antragsgegnerin nach wie vor auf der Grundlage des Antrages vom Februar 2006 zu Leistungen verpflichtet ist. Der Bedarf des Antragstellers errechnet sich nach den Ermittlungen der Antragsgegnerin auf insgesamt 738,80 EUR. Dabei sind die Kosten der Unterkunft in voller Höhe einberechnet und dürften dies auch in Zukunft werden müssen, da es für die Annahme der Antragsgegnerin, die Wohnung sei um 9,66 EUR pro Monat überteuert keine Anhaltspunkte gibt. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass sich im Falle des Antragstellers im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand die Frage der Zumutbarkeit eines Umzuges stellt - ganz zu schweigen von der Frage der Wirtschaftlichkeit angesichts der vermeintlichen Differenz in einer Höhe von unter 10,00 EUR pro Monat.
Die Antragsgegnerin darf weiterhin zu Recht von einem eigenen Einkommen des Antragstellers aus Renten in Höhe von 658,32 EUR ausgehen. Darin enthalten ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und die zusätzliche Rente, die vierteljährlich ausbezahlt wird und auf monatlich 78,82 EUR zu berechnen ist.
Nicht vorhanden ist ein den Hilfeanspruch ausschließendes Vermögen. Das von der Antragsgegnerin in ihrer Anforderung vom 2. März 2006 in den Raum gestellte Barvermögen von 73.580,97 EUR aus dem Jahr 1998 - ein Anhaltspunkt für diese Annahme ist in den vorgelegten Akten nicht zu entnehmen - ist schon deshalb nicht mehr als vorhanden anzusehen, weil mit Beschluss des Amtsgerichts Freiburg vom 17. Juni 2005 über das Vermögen des Antragstellers ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Aus dem Beschluss ergibt sich die zu diesem Zeitpunkt vorhandene Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers. Bei dieser Sachlage erscheint eine weitere Nachforschung nach früherem Vermögen nicht notwendig. Dazu kommt, dass der Antragsteller auf verschiedene Anforderungen auch schon in früheren Verfahren ausreichend Kontoauszüge für seine Konten bei der C. bank und der P. bank vorgelegt hat, aus denen sich ergibt, dass dort keine Guthaben mehr existieren. Die Anforderung weiterer Nachweise oder Belege durch die Antragsgegnerin erscheint bei dieser Sachlage - auch angesichts der Vorgeschichte von drei Ablehnungen - wenig nachvollziehbar.
Das zuletzt von der Antragsgegnerin in den Vordergrund gestellte Vermögen in Form eines Kraftfahrzeuges ist nach den in diesem summarischen Verfahren möglichen Ermittlungen wohl nicht vorhanden; jedenfalls ist es derzeit nicht zumutbar verwertbar. Bei dem auf den Antragsteller offenbar noch zugelassenen Kraftfahrzeug ist schon unklar, in welcher Höhe sein derzeitiger Wert überhaupt angesetzt werden kann. Die Antragsgegnerin geht hier von 3.100,00 EUR aus. Nach den über das Internet zugänglichen Tabellen der Deutschen Automobiltreuhand GmbH wäre das Fahrzeug bei einem vermuteten Kilometerstand von 140.000 km lediglich 1.900,00 EUR wert und läge damit unter dem Schonbetrag.
Unabhängig von der Beantwortung dieser Frage ist aber in diesem Verfahren ermittelt worden, dass ihm dieses Fahrzeug derzeit gar nicht zugänglich ist. Selbst wenn die wirkliche Situation etwas unklar erscheint, so ergibt sich doch aus der vorgelegten Anzeige bei der Polizei in Ungarn, dass dem Antragsteller das Fahrzeug im Augenblick faktisch nicht zur Verfügung steht und damit auch nicht in irgendeiner Form verwertet werden kann.
Bei diesem Sachstand steht fest, dass der Antragsteller einen ungedeckten Bedarf hat, wodurch sein Lebensunterhalt in einer den Anforderungen des § 28 SGB XII entsprechenden Weise gefährdet ist. Er ist auf die ergänzenden Leistungen angewiesen. Infolge der gesetzlichen Betreuung ist die von der Antragsgegnerin eingeforderte Regelung hinsichtlich der Zahlung des Mietzinses entbehrlich.
Das Gericht macht von dem in § 86b Abs. 2 SGG eingeräumten Ermessen dahingehend Gebrauch, dass die einstweilige Anordnung nicht mit Wirkung ab Eingang des Antrags bei Gericht, sondern erst ab dem Monat der Entscheidung erlassen wird. Dies beruht darauf, dass der Antragsteller sich offenbar im Mai noch sich in einer Klinik befunden hat und derzeit auch in einer medizinischen Rehamaßnahme ist, wodurch der wesentliche Teil seines Lebensunterhaltes gedeckt ist. Bei dieser Sachlage ist im Augenblick ein im Wege der einstweiligen Anordnung zu regelnder Ergänzungsbedarf für die Vergangenheit nicht erkennbar. Nach der bevorstehenden Entlassung aus einer Rehabilitationsmaßnahme wird der Bedarf aber akut. Die zeitliche Befristung bis zum Jahresende entspricht der üblichen Praxis des Senats (Befristung auf maximal sechs Monate) und gewährleistet, dass in dieser Zeit das Hauptsacheverfahren entschieden werden kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Trotz der teilweisen Abweisung des Anspruches erscheint eine volle Kostenerstattung angemessen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Gründe:
Wegen der bevorstehenden Entlassung des Antragstellers aus einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme und des aus den Ermittlungen des Gerichtes sich ergebenden Sachstandes, aus welchem sich ein Leistungsanspruch des Antragstellers ergibt, ist eine Dringlichkeit im Sinne des § 155 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegeben. Infolge von Urlaubsabwesenheit zweier Richter ist der Senat derzeit nicht vollständig besetzt. Die Entscheidung ist dringlich und wird deshalb vom Vorsitzenden allein getroffen.
Die rechtzeitig schriftlich erhobene Beschwerde (§ 173 SGG), der das Sozialgericht Freiburg (SG) nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Es bestehen sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).
Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht (Sicherungsanordnung (Abs. 2 Satz 1 a.a.O.)), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht (vgl. dazu Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Auflage, § 86b Rdnrn. 25 ff.; Funke-Kaiser in Bader u.a., Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 3. Auflage, § 123 Rdnrn. 7, 11). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Buchholz 421.21 Hochschulzulassungsrecht Nr. 37; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO § 123 Rdnrn. 64, 73 ff., 80 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO § 123 Rdnrn. 78 ff.). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Dabei sind die diesbezüglichen Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f.; Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 = NVwZ 2005, 927 ff.); Funke-Kaiser in Bader u.a., VwGO, 3. Auflage, § 123 Rdnr. 58; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O. Rdnrn. 95, 99 ff.). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ggf. ist eine Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. BVerfG NVwZ 1997, a.a.O.; NVwZ 2005, a.a.O.). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B -(juris), 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B -, FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B -, FEVS 57, 164 (jeweils m.w.N. aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung); Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O. Rdnrn. 165 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O. Rdnr. 79; Funke-Kaiser in Bader u.a., a.a.O. Rdnr. 62).
Eine einstweilige Anordnung kann vorliegend auch ergehen, obwohl die Leistungsablehnung der Antragsgegnerin mit fehlender Mitwirkung begründet ist (§ 66 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I -), was einen eigenständigen Versagungsgrund darstellt, der nicht voraussetzt, dass die Anspruchsvoraussetzungen der begehrten Leistung zu verneinen sind, weshalb eine Leistungsklage nicht zulässig erhoben werden kann, solange der Ablehnungsbescheid Wirksamkeit entfaltet. Diese Sperrwirkung der Ablehnung nach § 66 Abs. 1 SGB I darf jedoch nicht auf das einstweilige Rechtsschutzverfahren übertragen werden. Dies gebietet der Anspruch des Antragstellers auf effektiven Rechtsschutz - auch und gerade im Bereich existenzsichernder Leistungen (vgl. Beschluss des Senats vom 12. Januar 2006 - L 7 AS 5532/05 ER-B - (juris)).
Der Antragsteller hat Anspruch auf ergänzende Leistungen der Grundsicherung, weil sein eigenes Einkommen den nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) zu errechnenden Bedarf nicht deckt. Es ist nach den Ermittlungen in diesem Verfahren auch kein Vermögen vorhanden, mit welchem er vorrangig seinen Bedarf befriedigen könnte, wodurch seine Hilfebedürftigkeit entfiele (§§ 2 Abs. 1 , 90 SGB XII).
Der Anspruch ist nicht bestandkräftig abgelehnt, sodass es nicht darauf ankommt, wie lang in die Zukunft eine solche Ablehnung überhaupt wirken könnte. Der Widerspruchsbescheid, der den - verspäteten - Widerspruch des Antragsteller als unzulässig zurückgewiesen hat, dürfte nämlich schon deshalb rechtswidrig sein, weil die Antragsgegnerin zu Unrecht keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt hat. Es ist zum einen schon nicht klar, wann der Ausgangsbescheid vom 15. März 2006 dem Antragsteller zugegangen ist. In den Akten der Antragsgegnerin fehlt ein Abgangsvermerk und auch jeglicher Zustellungsnachweis. Unabhängig davon ergibt sich aber aus dem auch der Antragsgegnerin bekannten nervenfachärztlichen Gutachten des Dr. Merz vom 9. Mai 2006 und der daraufhin erfolgten Bestellung einer Betreuerin, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt des möglichen Zugangs des Bescheides nicht in der Lage war, seine Angelegenheiten zu besorgen. Damit steht auch fest, dass ihm ein Verschulden bei der Fristversäumnis (vgl. § 67 Abs. 1 SGG) wohl kaum vorgehalten werden kann. Das bedeutet aber, dass die Antragsgegnerin nach wie vor auf der Grundlage des Antrages vom Februar 2006 zu Leistungen verpflichtet ist. Der Bedarf des Antragstellers errechnet sich nach den Ermittlungen der Antragsgegnerin auf insgesamt 738,80 EUR. Dabei sind die Kosten der Unterkunft in voller Höhe einberechnet und dürften dies auch in Zukunft werden müssen, da es für die Annahme der Antragsgegnerin, die Wohnung sei um 9,66 EUR pro Monat überteuert keine Anhaltspunkte gibt. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass sich im Falle des Antragstellers im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand die Frage der Zumutbarkeit eines Umzuges stellt - ganz zu schweigen von der Frage der Wirtschaftlichkeit angesichts der vermeintlichen Differenz in einer Höhe von unter 10,00 EUR pro Monat.
Die Antragsgegnerin darf weiterhin zu Recht von einem eigenen Einkommen des Antragstellers aus Renten in Höhe von 658,32 EUR ausgehen. Darin enthalten ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und die zusätzliche Rente, die vierteljährlich ausbezahlt wird und auf monatlich 78,82 EUR zu berechnen ist.
Nicht vorhanden ist ein den Hilfeanspruch ausschließendes Vermögen. Das von der Antragsgegnerin in ihrer Anforderung vom 2. März 2006 in den Raum gestellte Barvermögen von 73.580,97 EUR aus dem Jahr 1998 - ein Anhaltspunkt für diese Annahme ist in den vorgelegten Akten nicht zu entnehmen - ist schon deshalb nicht mehr als vorhanden anzusehen, weil mit Beschluss des Amtsgerichts Freiburg vom 17. Juni 2005 über das Vermögen des Antragstellers ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Aus dem Beschluss ergibt sich die zu diesem Zeitpunkt vorhandene Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers. Bei dieser Sachlage erscheint eine weitere Nachforschung nach früherem Vermögen nicht notwendig. Dazu kommt, dass der Antragsteller auf verschiedene Anforderungen auch schon in früheren Verfahren ausreichend Kontoauszüge für seine Konten bei der C. bank und der P. bank vorgelegt hat, aus denen sich ergibt, dass dort keine Guthaben mehr existieren. Die Anforderung weiterer Nachweise oder Belege durch die Antragsgegnerin erscheint bei dieser Sachlage - auch angesichts der Vorgeschichte von drei Ablehnungen - wenig nachvollziehbar.
Das zuletzt von der Antragsgegnerin in den Vordergrund gestellte Vermögen in Form eines Kraftfahrzeuges ist nach den in diesem summarischen Verfahren möglichen Ermittlungen wohl nicht vorhanden; jedenfalls ist es derzeit nicht zumutbar verwertbar. Bei dem auf den Antragsteller offenbar noch zugelassenen Kraftfahrzeug ist schon unklar, in welcher Höhe sein derzeitiger Wert überhaupt angesetzt werden kann. Die Antragsgegnerin geht hier von 3.100,00 EUR aus. Nach den über das Internet zugänglichen Tabellen der Deutschen Automobiltreuhand GmbH wäre das Fahrzeug bei einem vermuteten Kilometerstand von 140.000 km lediglich 1.900,00 EUR wert und läge damit unter dem Schonbetrag.
Unabhängig von der Beantwortung dieser Frage ist aber in diesem Verfahren ermittelt worden, dass ihm dieses Fahrzeug derzeit gar nicht zugänglich ist. Selbst wenn die wirkliche Situation etwas unklar erscheint, so ergibt sich doch aus der vorgelegten Anzeige bei der Polizei in Ungarn, dass dem Antragsteller das Fahrzeug im Augenblick faktisch nicht zur Verfügung steht und damit auch nicht in irgendeiner Form verwertet werden kann.
Bei diesem Sachstand steht fest, dass der Antragsteller einen ungedeckten Bedarf hat, wodurch sein Lebensunterhalt in einer den Anforderungen des § 28 SGB XII entsprechenden Weise gefährdet ist. Er ist auf die ergänzenden Leistungen angewiesen. Infolge der gesetzlichen Betreuung ist die von der Antragsgegnerin eingeforderte Regelung hinsichtlich der Zahlung des Mietzinses entbehrlich.
Das Gericht macht von dem in § 86b Abs. 2 SGG eingeräumten Ermessen dahingehend Gebrauch, dass die einstweilige Anordnung nicht mit Wirkung ab Eingang des Antrags bei Gericht, sondern erst ab dem Monat der Entscheidung erlassen wird. Dies beruht darauf, dass der Antragsteller sich offenbar im Mai noch sich in einer Klinik befunden hat und derzeit auch in einer medizinischen Rehamaßnahme ist, wodurch der wesentliche Teil seines Lebensunterhaltes gedeckt ist. Bei dieser Sachlage ist im Augenblick ein im Wege der einstweiligen Anordnung zu regelnder Ergänzungsbedarf für die Vergangenheit nicht erkennbar. Nach der bevorstehenden Entlassung aus einer Rehabilitationsmaßnahme wird der Bedarf aber akut. Die zeitliche Befristung bis zum Jahresende entspricht der üblichen Praxis des Senats (Befristung auf maximal sechs Monate) und gewährleistet, dass in dieser Zeit das Hauptsacheverfahren entschieden werden kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Trotz der teilweisen Abweisung des Anspruches erscheint eine volle Kostenerstattung angemessen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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