Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AL 126/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 16/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und die Erstattung von 3.625,61 EUR streitig.
Die 1955 geborene, verheiratete Klägerin war vom 12.02.1986 bis 28.02.2002 als Maschinenhilfskraft beschäftigt. In der zur Berechnung des Alg vorgelegten Arbeitsbescheinigung sind die Monatslöhne ab 01.03.2001 für das ganze Jahr 2001 in DM und für die Monate Januar und Februar 2002 in Euro aufgeführt. Die Summe des versicherungspflichtigen Arbeitsentgelts ist in Euro mit 11.015,45 EUR angegeben. Die Klägerin verrichtete eine Teilzeittätigkeit von 20 Stunden in der Woche. Sie erzielte im Januar 2002 ein Bruttoentgelt von 883,61 EUR und im Februar 2002 von 770,09 EUR. In den Monaten zuvor hatte sie z.B. im Juli 2001 2.764,00 DM und im November 2001 2.462,00 DM brutto erhalten. Im Übrigen lagen die Monatsverdienste zwischen 1.506,00 DM und 1.728,00 DM.
Die Klägerin meldete sich am 04.03.2002 arbeitslos und beantragte Alg. Die Frage, ob ihre Vermittlungsfähigkeit nach Tätigkeit oder Arbeitsstunden eingeschränkt sei, verneinte sie. Sie legte eine Lohnsteuerkarte mit der Lohnsteuerklasse V vor. Gleichzeitig legte sie eine Bescheinigung über Nebeneinkommen, erzielt bei ihrem früheren Arbeitgeber, für März 2002 von 325,00 EUR brutto vor.
Bei der Berechnung des Alg rechnete die Beklagte die in der Ar- beitsbescheinigung angegebene Summe des versicherungspflichti- gen Arbeitsentgelts von 11.015,45 EUR in 21.544,36 DM um und errechnete ein Bemessungsentgelt von 414,31 DM. In der letzten Spalte des Berechnungsblattes wurde dieses Bemessungsentgelt in 211,83 EUR umgerechnet. Bei der Bewilligung des Alg am 16.05.2002 wurde aber dann ein Bemessungsentgelt von 414,31 EUR zugrunde gelegt. Am 16.05.2002 wurde für die Zeit vom 04.03.2002 bis 30.04.2002 für 58 Kalendertage ein Betrag von 783,58 EUR überwiesen, später monatliche Beträge von 418,00 EUR bis 439,00 EUR. Der Leistungssatz betrug wöchentlich 94,57 EUR.
Mit Teilaufhebungsbescheid vom 24.05.2002 wurde das Nebeneinkommen von 325,00 EUR in Höhe von 88,64 EUR (20,46 EUR wöchentlich) angerechnet.
Ab 16.06.2003 gab die Klägerin die Nebenbeschäftigung wegen Teilnahme an einer Trainingsmaßnahme vom 16.06.2003 bis 01.09.2003 auf.
Am 03.08.2003 beantragte die Klägerin Arbeitslosenhilfe (Alhi), die die Beklagte mit Bescheid vom 02.10.2003 ablehnte, weil das anzurechnende Einkommen des Ehemannes den zustehenden Betrag von 60,69 EUR überschreite.
Bei der Prüfung des Alhi-Antrages war der Beklagten aufgefallen, dass das Alg falsch bemessen worden war. Denn am 25.09.2003 führte die Beklagte gemäß § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ein Anhörungsverfahrens durch. Dabei gab die Klägerin an, sie habe ordnungsgemäß ihre gesamten Unterlagen mit dem Antrag auf Alg abgegeben. In der gesamten Zeit seien ihr ein Bewilligungsbescheid und drei Änderungsbescheide zugegangen. Sie sei von der ordnungsgemäßen Berechnung ausgegangen, da sie von der Berechnungsart des Alg keine Ahnung habe. Auch habe sie ihre Nebentätigkeit ordnungsgemäß und rechtzeitig gemeldet. Durch diese Bescheide (alle mit Euro) hätte der Fehler bei vier Berechnungen der Beklagten bemerkt werden müssen.
Mit Bescheid vom 27.10.2003 hob die Beklagte die Bewilligung des Alg (Bescheide vom 16.05.2002, 29.05.2002, 16.01.2003 und 25.06.2003) für die Zeit vom 04.03.2002 bis 31.12.2002 teilweise in Höhe von 48,51 EUR wöchentlich und für die Zeit vom 01.01.2003 bis 15.06.2003 in Höhe von 48,02 EUR wöchentlich auf. Durch einen Berechnungsfehler seien die der Leistung zugrunde liegenden Berechnungsdaten nicht von DM-Beträgen in Euro-Beträge umgerechnet worden, so dass das Alg in fast doppelter Höhe bewilligt worden sei. Die Klägerin habe die Überzahlung zwar nicht verursacht, dennnoch habe sie aufgrund der Höhe der bewilligten Leistung mit einfachsten und ganz naheliegenden Überlegungen erkennen können, dass Alg in dieser Höhe nicht zu- stehe, da das bewilligte Bemessungsentgelt nicht höher sein könne als das versicherungspflichtige Entgelt, das die Klägerin vorher erzielt habe. Sofern sie den Fehler nicht erkannt habe, weil sie das ausgehändigte Merkblatt nicht gelesen habe, sei dies als grobe Fahrlässigkeit zu bewerten. Sie habe Alg in Höhe von 3.725,61 EUR zu erstatten.
Mit dem Widerspruch machte die Klägerin geltend, den Fehler nicht erkannt zu haben. Sie habe das Merkblatt gelesen, doch sei es ihr nicht möglich gewesen, hieraus eine ordnungsgemäße Berechnung zu erstellen. Die Beklagte habe ihr vier Bescheide mit jeweils anderen Berechnungen zugesandt. Im Übrigen sei die Forderung zu hoch und nicht nachvollziehbar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Klägerin in den letzten 52 Wochen bis 28.02.2002 ein Bruttoarbeitsentgelt von durchschnittlich 414,31 DM wöchentlich erzielt habe. Bei Beachtung der Ausführungen zum Arbeitsentgelt als Bemessungsgrundlage im Merkblatt 1 für Arbeitslose (S.31), sei die offensichtliche Verwechslung von DM- und Euro-Beträgen leicht erkennbar gewesen. Sogar aus der einfachen Hochrechnung des bewilligten wöchentlichen Bemessungsentgelts von 415,00 EUR x 4,33 Wochen auf 1.796,95 EUR hätte die Klägerin im Vergleich mit den im Januar und Februar 2002 erzielten Monatsentgelten von 883,61 EUR und 770,09 EUR den Irrtum bemerken müssen. Demnach habe sie die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsentscheidung grob fahrlässig nicht erkannt.
Mit ihrer dagegen zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, dass sie die Bescheide und auch die Berechnungsmethodik nicht verstanden habe. Sie sei davon ausgegangen, dass die wiederholten Bescheide richtig seien, insbesondere auch deshalb, weil aufgrund der Lohnsteuerklasse V erhebliche steuerliche Abzüge erfolgt seien, die im Rahmen der Alg-Berechnung nicht berücksichtigt würden. Im Vertrauen auf die Richtigkeit der Bescheide habe sie das Geld für die Lebenshaltung verbraucht.
Mit Urteil vom 14.12.2005 hat das SG den Bescheid vom 27.10.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2004 aufgehoben. Die Voraussetzungen zur Rücknahme eines begünstigenden Dauerverwaltungsaktes für die Vergangenheit lägen nicht vor. Die Klägerin habe nicht grob fahrlässig gehan- delt. Es sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin beruflich als Maschinenhilfskraft tätig gewesen sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass ein Leistungsempfänger lediglich verpflichtet sei, den Bewilligungsbescheid zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen. Grundsätzlich sei ein Leistungsempfänger nicht verpflichtet, Bewilligungsbescheide des Näheren auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, insbesondere könne ihm nicht vorgehalten werden, dass er es unterlassen habe, komplizierte Berechnungen durchzuführen. Im Übrigen sei die Klägerin durch die im Bewilligungsbescheid nachfolgenden Änderungsbescheide in ihrem Vertrauen bestärkt worden. Hinzuweisen sei auch darauf, dass die Beklagte - wenn auch nur verwaltungsintern - zunächst von einem "Amts- verschulden" ausgegangen sei.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung der Berufung trägt sie vor, der Bewilligungsbescheid vom 16.05.2002 und der Änderungsbescheid vom 29.05.2002 hätten nicht nur auf der ersten Seite die bewilligte Leistung mit ihren Werten ausgewiesen, sondern auch ver- ständliche Hinweise zum Bemessungsentgelt, der Zuordnung zur Leistungsgruppe, des Leistungsentgelts mit entsprechender Berechnung als auch des Prozentsatzes des Alg aufgewiesen. Bei kritischer Betrachtungsweise würde sich dem Bescheidempfänger zunächst die Frage aufwerfen, ob dies seinen bisherigen Einkommensverhältnissen aus dem vorangegangenen Beschäftigungsverhältnis entspreche. Darüber hinaus wären auch weitere Fragen naheliegend. Vom Empfänger sei eine einfache Plausibilitätsprüfung zu erwarten. Naheliegend wäre es gewesen, dass z.B. ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 415,00 EUR x 4 Wochen einen Betrag von 1.660,00 EUR und dass ein Leistungs- und Zahlungsbetrag von 94,95 EUR x 4 Wochen einen solchen von 378,28 EUR ergebe. Bereits anhand dieser Werte hätte die Klägerin erkennen müssen, dass ihr bisheriges Einkommen von beispielsweise im Januar 2002 in Höhe von 883,61 EUR brutto = rund 500,00 EUR netto nicht der bewilligten Leistung entsprochen habe bzw. auch nicht habe entsprechen können. Gleiches gelte für den Februar 2002 mit einem Bruttolohn von 770,09 EUR = rund 460,00 EUR netto. Ein offensichtliches Missverhältnis hätte auch hier jedem Laien auffallen müssen. Unter Berücksichtigung des erzielten Nebeneinkommens habe die Klägerin annähernd das ausgezahlt erhalten, was sie zuletzt als Nettoeinkommen aus der regulären Beschäftigung erzielt habe.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14.12.2005 auf- zuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 27.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2004 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin weist darauf hin, dass sie als Maschinenhilfskraft tätig gewesen sei und die Bemessungsgrundlagen und die tatsächliche Bemessung des Alg ihr weder bekannt noch nachvollziehbar gewesen seien. Auch habe die Währungsumstellung die Situation und Erkennbarkeit für sie nicht gerade gefördert. Die Verunsicherung sei im fraglichen Zeitraum sicherlich in breiten Schichten der Bevölkerung gegeben gewesen. Auch müsse ihr zuge- standen werden, dass sie auf die Sachkompetenz der Sachbearbeitung bei der Beklagten vertraut habe, insbesondere, da das ihr zuerkannte Alg mehrfach abgeändert und damit stets einer erneuten Prüfung unterzogen worden sei. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass sie nicht "exorbitant" hohe Beträge erhalten habe, die es ihr sichtbar gemacht hätten, dass eine fehlerhafte Bewilligung erfolgt sei. Weiter hat die Klägerin vorgetragen, dass sie sich den Leistungsbezug nicht genau angeschaut habe. Sie sei zunächst einfach über ihre Arbeitslosigkeit entäuscht gewesen. Sie habe nicht von ihrem Geld leben müssen, sondern zum Einkommen des Ehemannes hinzuverdient.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); ein Ausschließungs- grund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.
Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 14.12.2005 den Bescheid der Beklagten vom 27.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2004 aufgehoben.
Denn die Beklagte war nicht berechtigt, die Bescheide vom 16.05.2002, 29.05.2002, 16.01.2003 und 25.06.2003 teilweise aufzuheben und die Erstattung zu Unrecht erhaltener Leistungen in Höhe von insgesamt 3.625,61 EUR zu fordern. Zwar haben die genannten Bescheide rechtswidrig einen Vorteil der Klägerin be- gründet. Die bewilligten Leistungen waren objektiv zu hoch.
Die Voraussetzungen für die teilweise Aufhebung gemäß § 330 Abs.2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.V.m. § 45 Ab- sätze 1, 2, 4 Satz 3 SGB X liegen aber nicht vor. Von den Tatbeständen der rückwirkenden Aufhebung des § 45 Abs.2 Satz 3 SGB X kommt thematisch nur § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 SGB X in Be- tracht, da die Klägerin weder unrichtige noch unvollständige Angaben gemacht hat (a.a.O. Nr.2) noch die Bewilligung durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (a.a.O. Nr.1). Die Klägerin hat aber die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides nicht gekannt. Diese Nichtkenntnis beruht auch nicht auf grober Fahrlässigkeit. Für eine positive Kenntnis der Fehlerhaftigkeit ergeben sich nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens keinerlei Anhaltspunkte. Der fehlerhafte Berechnungsbogen auf Seite 7 der Akte der Beklagten ist ein Verwaltungsinternum das im bekanntgegebenen Bescheid vom 16.05.2002 keine Umsetzung im Einzelnen erfahren hat. Insbesondere lässt sich der Fehler in der vorletzten Zeile, das Einsetzen eines DM-Betrages als Euro-Betrag, ohne genaues Studium der Beklagtenakte nicht erkennen.
Grobe Fahrlässigkeit nach der zweiten Alternative des § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 SGB X ist nur gegeben, wenn die Klägerin als Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hätte. Dazu ist zunächst festzustellen (vgl. Urteil des BSG vom 8. Februar 2001, Az: B 11 AL 21/00 R = SozR 3-1300 § 45 Nr 45), dass die Klägerin die Bewilligungsbescheide nur mit ihren Zahlbeträgen zur Kenntnis genommen hat. Weiter ist festzustellen, dass die Klägerin die Bewilligungsbescheide des Näheren nicht auf ihre Richtigkeit überprüft hat. Dies ergibt sich aus ihren schriftlichen Einlassungen, insbesondere aber aus ihren glaubhaften Bekundungen in der mündlichen Ver- handlung, wonach sie sich den Leistungsbezug nicht genau angeschaut habe. Sie sei zunächst einfach über ihre Arbeitslosig- keit enttäuscht gewesen. Dies passt auch zu der Tatsache, dass die Klägerin mit der Höhe des Leistungsbezugs zufrieden gewesen war, weil sie nicht von dieser Lohnersatzleistung leben musste, sondern lediglich zum Einkommen des Ehemannes hinzuverdient hat.
Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSGE 42, 184, 187; BSGE 62, 32, 35); dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273, zuletzt Urteil vom 05.02.2006, Az.: B 70 AL 58/05 R). Bezugspunkt für das grob fahrlässige Nichtwissen ist schon nach dem Wortlaut des § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 SGB X die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes - also das Ergebnis der Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung durch die Behörde. Allerdings können "Fehler im Bereich der Tatsachenermittlung oder im Bereich der Rechtsanwendung", wenn sie nicht Bezugspunkt des grob fahrlässigen Nichtwissens sind (vgl. BSGE 62, 103, 106 = SozR 1300 § 48 Nr.39), Anhaltspunkt für den Begünstigten sein, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes selbst zu erkennen. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich die tatsächlichen oder rechtlichen Mängel aus dem Bewilligungsbescheid oder anderen Umständen ergeben und unter Zugrundelegung des Einsichtsvermögens des Betroffenen ohne weiteres erkennbar sind.
Die Angaben in dem Bewilligungsbescheid für sich selbst lassen eine Unrichtigkeit nicht ohne weiteres erkennen. Ausgangspunkt ist das Bemessungsentgelt, aus dem sich ein Leistungssatz und daraus wiederum schließlich ein wöchentlicher bzw. täglicher Zahlbetrag ergibt. Auf welche Weise ein Bemessungsentgelt von 414,31 EUR errechnet wurde, wird in dem Bescheid vom 16.05.2002 nicht erläutert.
Das von der Beklagten vorgelegte Bescheidmuster enthält über zwei Seiten Erläuterungen zu Bemessungsentgelt und Leistungsentgelt sowie den Prozentsatz, mit dem sich die Leistung hieraus errechnet. Dennoch kann jedenfalls von der Klägerin, die bezüglich dieser Berechnungsart keine Vorkenntnisse besitzt, nicht erwartet werden, dass sie hätte erkennen müssen, dass das Bemessungsentgelt falsch berechnet worden ist. In den Hinweisen zum Bescheid wird erläutert, dass bei der Berechnung des Bemes- sungsentgelts "grundsätzlich" das in den letzten 52 Wochen vor Eintritt der Arbeitslosigkeit erzielte und bei dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis bereits abgerechnete (Bemessungszeitraum) beitragspflichtige Arbeitsentgelt zugrunde gelegt wird ("Regelbemessung"). Schon die Hinweise "grundsätzlich" und "Regelbemessung" verschaffen nicht die erforderliche Gewissheit über das zustehende Entgelt. Hier ist u.a. zu be- rücksichtigen, dass die Klägerin zuletzt eine Teilzeittätigkeit von 20 Stunden pro Woche verrichtete, sich aber nunmehr für eine Vollzeittätigkeit zur Verfügung stellte, so dass sie durchaus der Meinung sein konnte, dies habe eine Abweichung von der "Regelbemessung" zur Folge. Es kann von der Klägerin, die als Maschinenhilfskraft in keinem Büroberuf tätig gewesen ist, nicht verlangt werden, dass sie selbst das in den letzten 52 Wochen erzielte Arbeitsentgelt zu- sammenrechnet, in Euro umrechnet und hieraus das richtige Bemessungsentgelt errechnet. Nach den Hinweisen im Bescheid der Beklagten hätte die Klägerin zudem das bescheinigte Entgelt durch die Zahl der Wochen teilen müssen, für die es bezahlt wurde. Das sich hieraus errechnete wöchentliche Entgelt hätte dann auf den nächsten durch fünf teilbaren Betrag gerundet werden müssen, um das wöchentliche Bemessungsentgelt zu ergeben. Schon allein mit der Umsetzung dieser komplizierten sprachlichen Berechnungsanweisung im Sinne einer Textaufgabe ist ein durchschnittlicher gewerblicher Arbeitnehmer erheblich gefor- dert. Ohne jegliches Berechnungsbeispiel kann das Nachvollziehen eines solchen Berechnungsvorgangs in der Regel nicht erwartet werden. Das Ausmaß einer schweren Obliegenheitsverletzung im Sinne einer groben Fahrlässigkeit nach § 45 Abs.2 Nr.3 2. Alt. SGB X (Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße) wird bei der Klägerin durch die Verkennung der Fehlerhaftigkeit des Berechnungsentgelts jedenfalls nicht erreicht. Die gleichen Überlegungen gelten für das von der Beklagten zugrunde gelegte Leistungsentgelt. Dies beruht zum einen auf dem Berechnungsentgelt und verlangt zum anderen nach Ziff. 4 der oben genannten Hinweise weitere komplizierte Erwägungen, zumal, wie bereits dargelegt, schon aufgrund der Belehrung der Beklagten eine Abweichung von der "Regelbemessung" denkbar war.
Zwar besteht eine von der Klägerin - wie oben festgestellt - nicht verletzte Obliegenheit, Bewilligungsbescheide zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen, auch wenn dies nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist. In verschiedenen Zusammenhängen hat das BSG aus dem Sozialrechtsverhältnis hergeleitet, dass die Beteiligten "sich gegenseitig vor vermeidbarem, das Versicherungsverhältnis betreffenden Schaden zu bewahren" haben (vgl. BSGE 34, 124, 127; BSGE 77, 175, 180, SozR 3-130 § 45 Nr. 45). Allerdings ist ein Antragsteller, der zutreffende Angaben gemacht hat, im Allgemeinen nicht zugunsten der Fachbehörde ge- halten, Bewilligungsbescheide des Näheren auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Der Antragsteller darf davon ausgehen, dass eine Fachbehörde nach den für die Leistung erheblichen Tatsachen fragt und seine wahrheitsgemäßen Angaben zutreffend umsetzt. Dies gilt auch, soweit Antragsteller über ihre Rechte und Pflichten durch Merkblätter aufgeklärt werden, die abstrakte Erläuterungen über Voraussetzungen von Ansprüchen und deren Bemessung enthalten. Andernfalls würde Begünstigten durch Merkblätter das Risiko für die sachgerechte Berücksichtigung von eindeutigen Tatsachen durch eine Fachbehörde aufgebürdet. Auch bei Berücksichtigung der Vielfalt von Aufgaben und der Vielzahl der zu bearbeitenden Vorgänge ist es aber gerade die Aufgabe der Fachbehörde, wahrheitsgemäße tatsächliche Angaben von Antragstellern rechtlich einwandfrei umzusetzen und dies Betroffenen in der Begründung des Bescheides deutlich zu machen.
Letztlich steht auch der Auszahlungsbetrag von wöchentlich 94,57 EUR bzw. monatlich 409,80 EUR nicht in einem so krassen Missverhältnis zu dem im Januar 2002 erzielten Bruttoentgelt von 883,51 EUR und dem Gehalt im Februar 2002 von 770,09 EUR, dass dies zur Folge hätte, dass der Klägerin der Fehler "ins Auge springen" hätte müssen.
Bezugspunkt für das grob fahrlässige Nichtwissen ist nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes. Allerdings können Fehler im Bereich der Tatsachenermittlung - wie hier die verwaltungsinterne fehlerhafte Rechenvorgabe -, auch wenn sie nicht Bezugspunkt des grob fahrlässigen Nichtwissens sind, Anhaltspunkt für den Begünstigten sein, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes selbst zu erkennen. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich die tatsächlichen oder rechtlichen Mängel aus dem Bewilligungsbe- scheid oder anderen Umständen - wie hier der Höhe des Leis- tungsbezugs - ergeben und für das Einsichtsvermögen des Betroffenen ohne Weiteres erkennbar ("augenfällig") sind (BSG, SozR 3-1300 § 45 Nr. 45). Für die zurechenbare Kenntnis der Rechtswidrigkeit genügt eine entsprechende parallele Wertung in der Laiensphäre. Ein Kennenmüssen ist jedoch erst dann zu bejahen, wenn der Versicherte die Rechtswidrigkeit ohne Mühe erkennen konnte (BverwGE 40, 212). Das ist z.B. der Fall, wenn die Lohnersatzleistung höher als der vorherige Verdienst ist (vgl. von Wulffen, SGB X, Rndnr. 23 zu § 45). Bei komplizierten Be- rechnungen und maschineller Verschlüsselung und ohne einen erklärenden Langtext wird in der Regel nicht von einer groben Fahrlässigkeit ausgegangen werden können. Eine Verpflichtung zu Erkundigungen besteht nur, wenn sich dies aufdrängen musste (vgl. von Wulffen, a.a.O. Rdnr. 24).
Entscheidend sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, d.h. seine Urteils- und Kritikfähigkeit, sein Einsichtsvermögen und im Übrigen auch sein Verhalten. Wie oben bereits ausgeführt, handelt es sich bei der Klägerin um eine Arbeitnehmerin im ge- werblichen Bereich, die mit büromäßigen Verwaltungsvorgängen keinen gewöhnlichen Umgang hat. Die Klägerin hat darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung bekundet, ihren Leistungsbezug nicht kritisch hinterfragt zu haben, ohne dadurch, wie oben ausgeführt, die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt zu haben. Denn sie hat bei ihrer Befragung in der mündlichen Verhandlung glaubhaft versichert, dass zunächst der Umstand, plötzlich arbeitslos zu sein, in ihrer Gefühlswelt im Vordergrund gestanden habe. Besonders überzeugend in dieser Hinsicht ist auch, dass die Klägerin existenziell nicht auf die Leistung der Beklagten angewiesen war. Denn ihr Lebenszuschnitt war durch das Einkommen des Ehemanns gesichert. Sie selbst hat lediglich in Teilzeit hinzuverdient. Durch ihre steuerliche Veranlagung in Steuerklasse V war für die Klägerin auch das Verhältnis zwischen Brutto- und Nettoverdienst verzerrt, so dass sie u.U. auch einen entsprechenden Ausgleich durch das Be- messungsentgelt erwarten konnte. Dennoch bestand aber eine Differenz zwischen dem bezogenen Arbeitslosengeld und den vorangegangenen Nettoarbeitsentgelten, wenn beispielsweise bei einem Bruttobetrag von 1.580,00 DM für den Dezember 2001 berücksich- tigt wird, dass nach den Lohnsteuertabellen davon circa 400,OO DM Abzüge erfolgen und selbst unter Berücksichtigung von circa 20 % Sozialversicherungsabgaben für den Arbeitnehmer ein Nettobetrag von 860,00 DM verbleibt, wohingegen ein laienhaft errechneter wöchentlicher Leistungssatz von 94,57 Euro (mal vier, mal zwei) einen DM-Betrag von 756,00 DM ergeben würde. Dabei sind die Sonderzahlungen für Urlaubs- und Weihnachtsgeld in den Monaten Juli und November, die zu wesentlich höheren Nettoarbeitsentgelten geführt haben, noch nicht berücksichtigt. Zu berücksichtigen war auch, dass das Vertrauen der Klägerin in die Richtigkeit der von der Beklagten vorgenommenen Berechnung auch durch den Änderungsbescheid vom 24.05.2002 bestärkt wurde. In diesem Bescheid wurde im Zusammenhang mit der Berechnung von anzurechnendem Nebenverdienst ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Beklagte weiterhin von den bekannten Daten ausgehe. Auch unter Beachtung dieses besonderen Umstandes des vorliegen- den Falles ist jedenfalls nicht von einem grob fahrlässigen Nichtwissen der Rechtswidrigkeit der erfolgten Bewilligung aus- zugehen.
Etwas Anderes mag für Fallgruppen gelten, in denen der Leistungsempfänger bereits Zweifel an der Leistungshöhe (vgl. Urteil des LSG vom 17.05.2006, Az. L 9 AL 117/05) oder ein positiv festgestelltes, genaues Wissen von den Größenordnungen zwischen vorangegangenem Verdienst und Leistungsbezug hatte. Oder etwa, wenn ein Arbeitsloser bereits früher einen Bewilligungs- bescheid unter korrekter Angabe seines Bemessungsentgelts in Euro erhalten hatte und die Überzahlung durch die Verdoppelung der nach den Kontoauszügen gezahlten Leistung augenfällig war (vgl. Urteil des Schleswig-Holsteinisches Landessozialgerichts vom 24. Juni 2005, Az: L 3 AL 103/04).
Somit ist im vorliegenden Einzelfall festzustellen, dass die Klägerin mit ihrem Verhalten im Hinblick auf eine anzustrengen- de grobe Plausibilitätsprüfung hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Entgelt aus aktiver Beschäftigung und Bezug von Ar- beitslosengeld angesichts der vorliegenden subjektiven Umstände bezüglich der hier zumutbaren Sorgfalts- bzw. Überprüfungspflichten keinen Tatbestand im Sinne von 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Alt. SGB X erfüllt.
Somit war die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14.12.2005 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Klägerin hat in beiden Instanzen obsiegt. Der in Ziffer 2 des Tenors dieses Urteils bereits berücksichtigte Berichtigungsbeschluss vom 08.06.2006 ist zu beachten.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und die Erstattung von 3.625,61 EUR streitig.
Die 1955 geborene, verheiratete Klägerin war vom 12.02.1986 bis 28.02.2002 als Maschinenhilfskraft beschäftigt. In der zur Berechnung des Alg vorgelegten Arbeitsbescheinigung sind die Monatslöhne ab 01.03.2001 für das ganze Jahr 2001 in DM und für die Monate Januar und Februar 2002 in Euro aufgeführt. Die Summe des versicherungspflichtigen Arbeitsentgelts ist in Euro mit 11.015,45 EUR angegeben. Die Klägerin verrichtete eine Teilzeittätigkeit von 20 Stunden in der Woche. Sie erzielte im Januar 2002 ein Bruttoentgelt von 883,61 EUR und im Februar 2002 von 770,09 EUR. In den Monaten zuvor hatte sie z.B. im Juli 2001 2.764,00 DM und im November 2001 2.462,00 DM brutto erhalten. Im Übrigen lagen die Monatsverdienste zwischen 1.506,00 DM und 1.728,00 DM.
Die Klägerin meldete sich am 04.03.2002 arbeitslos und beantragte Alg. Die Frage, ob ihre Vermittlungsfähigkeit nach Tätigkeit oder Arbeitsstunden eingeschränkt sei, verneinte sie. Sie legte eine Lohnsteuerkarte mit der Lohnsteuerklasse V vor. Gleichzeitig legte sie eine Bescheinigung über Nebeneinkommen, erzielt bei ihrem früheren Arbeitgeber, für März 2002 von 325,00 EUR brutto vor.
Bei der Berechnung des Alg rechnete die Beklagte die in der Ar- beitsbescheinigung angegebene Summe des versicherungspflichti- gen Arbeitsentgelts von 11.015,45 EUR in 21.544,36 DM um und errechnete ein Bemessungsentgelt von 414,31 DM. In der letzten Spalte des Berechnungsblattes wurde dieses Bemessungsentgelt in 211,83 EUR umgerechnet. Bei der Bewilligung des Alg am 16.05.2002 wurde aber dann ein Bemessungsentgelt von 414,31 EUR zugrunde gelegt. Am 16.05.2002 wurde für die Zeit vom 04.03.2002 bis 30.04.2002 für 58 Kalendertage ein Betrag von 783,58 EUR überwiesen, später monatliche Beträge von 418,00 EUR bis 439,00 EUR. Der Leistungssatz betrug wöchentlich 94,57 EUR.
Mit Teilaufhebungsbescheid vom 24.05.2002 wurde das Nebeneinkommen von 325,00 EUR in Höhe von 88,64 EUR (20,46 EUR wöchentlich) angerechnet.
Ab 16.06.2003 gab die Klägerin die Nebenbeschäftigung wegen Teilnahme an einer Trainingsmaßnahme vom 16.06.2003 bis 01.09.2003 auf.
Am 03.08.2003 beantragte die Klägerin Arbeitslosenhilfe (Alhi), die die Beklagte mit Bescheid vom 02.10.2003 ablehnte, weil das anzurechnende Einkommen des Ehemannes den zustehenden Betrag von 60,69 EUR überschreite.
Bei der Prüfung des Alhi-Antrages war der Beklagten aufgefallen, dass das Alg falsch bemessen worden war. Denn am 25.09.2003 führte die Beklagte gemäß § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ein Anhörungsverfahrens durch. Dabei gab die Klägerin an, sie habe ordnungsgemäß ihre gesamten Unterlagen mit dem Antrag auf Alg abgegeben. In der gesamten Zeit seien ihr ein Bewilligungsbescheid und drei Änderungsbescheide zugegangen. Sie sei von der ordnungsgemäßen Berechnung ausgegangen, da sie von der Berechnungsart des Alg keine Ahnung habe. Auch habe sie ihre Nebentätigkeit ordnungsgemäß und rechtzeitig gemeldet. Durch diese Bescheide (alle mit Euro) hätte der Fehler bei vier Berechnungen der Beklagten bemerkt werden müssen.
Mit Bescheid vom 27.10.2003 hob die Beklagte die Bewilligung des Alg (Bescheide vom 16.05.2002, 29.05.2002, 16.01.2003 und 25.06.2003) für die Zeit vom 04.03.2002 bis 31.12.2002 teilweise in Höhe von 48,51 EUR wöchentlich und für die Zeit vom 01.01.2003 bis 15.06.2003 in Höhe von 48,02 EUR wöchentlich auf. Durch einen Berechnungsfehler seien die der Leistung zugrunde liegenden Berechnungsdaten nicht von DM-Beträgen in Euro-Beträge umgerechnet worden, so dass das Alg in fast doppelter Höhe bewilligt worden sei. Die Klägerin habe die Überzahlung zwar nicht verursacht, dennnoch habe sie aufgrund der Höhe der bewilligten Leistung mit einfachsten und ganz naheliegenden Überlegungen erkennen können, dass Alg in dieser Höhe nicht zu- stehe, da das bewilligte Bemessungsentgelt nicht höher sein könne als das versicherungspflichtige Entgelt, das die Klägerin vorher erzielt habe. Sofern sie den Fehler nicht erkannt habe, weil sie das ausgehändigte Merkblatt nicht gelesen habe, sei dies als grobe Fahrlässigkeit zu bewerten. Sie habe Alg in Höhe von 3.725,61 EUR zu erstatten.
Mit dem Widerspruch machte die Klägerin geltend, den Fehler nicht erkannt zu haben. Sie habe das Merkblatt gelesen, doch sei es ihr nicht möglich gewesen, hieraus eine ordnungsgemäße Berechnung zu erstellen. Die Beklagte habe ihr vier Bescheide mit jeweils anderen Berechnungen zugesandt. Im Übrigen sei die Forderung zu hoch und nicht nachvollziehbar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Klägerin in den letzten 52 Wochen bis 28.02.2002 ein Bruttoarbeitsentgelt von durchschnittlich 414,31 DM wöchentlich erzielt habe. Bei Beachtung der Ausführungen zum Arbeitsentgelt als Bemessungsgrundlage im Merkblatt 1 für Arbeitslose (S.31), sei die offensichtliche Verwechslung von DM- und Euro-Beträgen leicht erkennbar gewesen. Sogar aus der einfachen Hochrechnung des bewilligten wöchentlichen Bemessungsentgelts von 415,00 EUR x 4,33 Wochen auf 1.796,95 EUR hätte die Klägerin im Vergleich mit den im Januar und Februar 2002 erzielten Monatsentgelten von 883,61 EUR und 770,09 EUR den Irrtum bemerken müssen. Demnach habe sie die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsentscheidung grob fahrlässig nicht erkannt.
Mit ihrer dagegen zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, dass sie die Bescheide und auch die Berechnungsmethodik nicht verstanden habe. Sie sei davon ausgegangen, dass die wiederholten Bescheide richtig seien, insbesondere auch deshalb, weil aufgrund der Lohnsteuerklasse V erhebliche steuerliche Abzüge erfolgt seien, die im Rahmen der Alg-Berechnung nicht berücksichtigt würden. Im Vertrauen auf die Richtigkeit der Bescheide habe sie das Geld für die Lebenshaltung verbraucht.
Mit Urteil vom 14.12.2005 hat das SG den Bescheid vom 27.10.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2004 aufgehoben. Die Voraussetzungen zur Rücknahme eines begünstigenden Dauerverwaltungsaktes für die Vergangenheit lägen nicht vor. Die Klägerin habe nicht grob fahrlässig gehan- delt. Es sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin beruflich als Maschinenhilfskraft tätig gewesen sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass ein Leistungsempfänger lediglich verpflichtet sei, den Bewilligungsbescheid zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen. Grundsätzlich sei ein Leistungsempfänger nicht verpflichtet, Bewilligungsbescheide des Näheren auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, insbesondere könne ihm nicht vorgehalten werden, dass er es unterlassen habe, komplizierte Berechnungen durchzuführen. Im Übrigen sei die Klägerin durch die im Bewilligungsbescheid nachfolgenden Änderungsbescheide in ihrem Vertrauen bestärkt worden. Hinzuweisen sei auch darauf, dass die Beklagte - wenn auch nur verwaltungsintern - zunächst von einem "Amts- verschulden" ausgegangen sei.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung der Berufung trägt sie vor, der Bewilligungsbescheid vom 16.05.2002 und der Änderungsbescheid vom 29.05.2002 hätten nicht nur auf der ersten Seite die bewilligte Leistung mit ihren Werten ausgewiesen, sondern auch ver- ständliche Hinweise zum Bemessungsentgelt, der Zuordnung zur Leistungsgruppe, des Leistungsentgelts mit entsprechender Berechnung als auch des Prozentsatzes des Alg aufgewiesen. Bei kritischer Betrachtungsweise würde sich dem Bescheidempfänger zunächst die Frage aufwerfen, ob dies seinen bisherigen Einkommensverhältnissen aus dem vorangegangenen Beschäftigungsverhältnis entspreche. Darüber hinaus wären auch weitere Fragen naheliegend. Vom Empfänger sei eine einfache Plausibilitätsprüfung zu erwarten. Naheliegend wäre es gewesen, dass z.B. ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 415,00 EUR x 4 Wochen einen Betrag von 1.660,00 EUR und dass ein Leistungs- und Zahlungsbetrag von 94,95 EUR x 4 Wochen einen solchen von 378,28 EUR ergebe. Bereits anhand dieser Werte hätte die Klägerin erkennen müssen, dass ihr bisheriges Einkommen von beispielsweise im Januar 2002 in Höhe von 883,61 EUR brutto = rund 500,00 EUR netto nicht der bewilligten Leistung entsprochen habe bzw. auch nicht habe entsprechen können. Gleiches gelte für den Februar 2002 mit einem Bruttolohn von 770,09 EUR = rund 460,00 EUR netto. Ein offensichtliches Missverhältnis hätte auch hier jedem Laien auffallen müssen. Unter Berücksichtigung des erzielten Nebeneinkommens habe die Klägerin annähernd das ausgezahlt erhalten, was sie zuletzt als Nettoeinkommen aus der regulären Beschäftigung erzielt habe.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14.12.2005 auf- zuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 27.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2004 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin weist darauf hin, dass sie als Maschinenhilfskraft tätig gewesen sei und die Bemessungsgrundlagen und die tatsächliche Bemessung des Alg ihr weder bekannt noch nachvollziehbar gewesen seien. Auch habe die Währungsumstellung die Situation und Erkennbarkeit für sie nicht gerade gefördert. Die Verunsicherung sei im fraglichen Zeitraum sicherlich in breiten Schichten der Bevölkerung gegeben gewesen. Auch müsse ihr zuge- standen werden, dass sie auf die Sachkompetenz der Sachbearbeitung bei der Beklagten vertraut habe, insbesondere, da das ihr zuerkannte Alg mehrfach abgeändert und damit stets einer erneuten Prüfung unterzogen worden sei. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass sie nicht "exorbitant" hohe Beträge erhalten habe, die es ihr sichtbar gemacht hätten, dass eine fehlerhafte Bewilligung erfolgt sei. Weiter hat die Klägerin vorgetragen, dass sie sich den Leistungsbezug nicht genau angeschaut habe. Sie sei zunächst einfach über ihre Arbeitslosigkeit entäuscht gewesen. Sie habe nicht von ihrem Geld leben müssen, sondern zum Einkommen des Ehemannes hinzuverdient.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); ein Ausschließungs- grund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.
Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 14.12.2005 den Bescheid der Beklagten vom 27.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2004 aufgehoben.
Denn die Beklagte war nicht berechtigt, die Bescheide vom 16.05.2002, 29.05.2002, 16.01.2003 und 25.06.2003 teilweise aufzuheben und die Erstattung zu Unrecht erhaltener Leistungen in Höhe von insgesamt 3.625,61 EUR zu fordern. Zwar haben die genannten Bescheide rechtswidrig einen Vorteil der Klägerin be- gründet. Die bewilligten Leistungen waren objektiv zu hoch.
Die Voraussetzungen für die teilweise Aufhebung gemäß § 330 Abs.2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.V.m. § 45 Ab- sätze 1, 2, 4 Satz 3 SGB X liegen aber nicht vor. Von den Tatbeständen der rückwirkenden Aufhebung des § 45 Abs.2 Satz 3 SGB X kommt thematisch nur § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 SGB X in Be- tracht, da die Klägerin weder unrichtige noch unvollständige Angaben gemacht hat (a.a.O. Nr.2) noch die Bewilligung durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (a.a.O. Nr.1). Die Klägerin hat aber die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides nicht gekannt. Diese Nichtkenntnis beruht auch nicht auf grober Fahrlässigkeit. Für eine positive Kenntnis der Fehlerhaftigkeit ergeben sich nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens keinerlei Anhaltspunkte. Der fehlerhafte Berechnungsbogen auf Seite 7 der Akte der Beklagten ist ein Verwaltungsinternum das im bekanntgegebenen Bescheid vom 16.05.2002 keine Umsetzung im Einzelnen erfahren hat. Insbesondere lässt sich der Fehler in der vorletzten Zeile, das Einsetzen eines DM-Betrages als Euro-Betrag, ohne genaues Studium der Beklagtenakte nicht erkennen.
Grobe Fahrlässigkeit nach der zweiten Alternative des § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 SGB X ist nur gegeben, wenn die Klägerin als Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hätte. Dazu ist zunächst festzustellen (vgl. Urteil des BSG vom 8. Februar 2001, Az: B 11 AL 21/00 R = SozR 3-1300 § 45 Nr 45), dass die Klägerin die Bewilligungsbescheide nur mit ihren Zahlbeträgen zur Kenntnis genommen hat. Weiter ist festzustellen, dass die Klägerin die Bewilligungsbescheide des Näheren nicht auf ihre Richtigkeit überprüft hat. Dies ergibt sich aus ihren schriftlichen Einlassungen, insbesondere aber aus ihren glaubhaften Bekundungen in der mündlichen Ver- handlung, wonach sie sich den Leistungsbezug nicht genau angeschaut habe. Sie sei zunächst einfach über ihre Arbeitslosig- keit enttäuscht gewesen. Dies passt auch zu der Tatsache, dass die Klägerin mit der Höhe des Leistungsbezugs zufrieden gewesen war, weil sie nicht von dieser Lohnersatzleistung leben musste, sondern lediglich zum Einkommen des Ehemannes hinzuverdient hat.
Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSGE 42, 184, 187; BSGE 62, 32, 35); dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273, zuletzt Urteil vom 05.02.2006, Az.: B 70 AL 58/05 R). Bezugspunkt für das grob fahrlässige Nichtwissen ist schon nach dem Wortlaut des § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 SGB X die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes - also das Ergebnis der Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung durch die Behörde. Allerdings können "Fehler im Bereich der Tatsachenermittlung oder im Bereich der Rechtsanwendung", wenn sie nicht Bezugspunkt des grob fahrlässigen Nichtwissens sind (vgl. BSGE 62, 103, 106 = SozR 1300 § 48 Nr.39), Anhaltspunkt für den Begünstigten sein, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes selbst zu erkennen. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich die tatsächlichen oder rechtlichen Mängel aus dem Bewilligungsbescheid oder anderen Umständen ergeben und unter Zugrundelegung des Einsichtsvermögens des Betroffenen ohne weiteres erkennbar sind.
Die Angaben in dem Bewilligungsbescheid für sich selbst lassen eine Unrichtigkeit nicht ohne weiteres erkennen. Ausgangspunkt ist das Bemessungsentgelt, aus dem sich ein Leistungssatz und daraus wiederum schließlich ein wöchentlicher bzw. täglicher Zahlbetrag ergibt. Auf welche Weise ein Bemessungsentgelt von 414,31 EUR errechnet wurde, wird in dem Bescheid vom 16.05.2002 nicht erläutert.
Das von der Beklagten vorgelegte Bescheidmuster enthält über zwei Seiten Erläuterungen zu Bemessungsentgelt und Leistungsentgelt sowie den Prozentsatz, mit dem sich die Leistung hieraus errechnet. Dennoch kann jedenfalls von der Klägerin, die bezüglich dieser Berechnungsart keine Vorkenntnisse besitzt, nicht erwartet werden, dass sie hätte erkennen müssen, dass das Bemessungsentgelt falsch berechnet worden ist. In den Hinweisen zum Bescheid wird erläutert, dass bei der Berechnung des Bemes- sungsentgelts "grundsätzlich" das in den letzten 52 Wochen vor Eintritt der Arbeitslosigkeit erzielte und bei dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis bereits abgerechnete (Bemessungszeitraum) beitragspflichtige Arbeitsentgelt zugrunde gelegt wird ("Regelbemessung"). Schon die Hinweise "grundsätzlich" und "Regelbemessung" verschaffen nicht die erforderliche Gewissheit über das zustehende Entgelt. Hier ist u.a. zu be- rücksichtigen, dass die Klägerin zuletzt eine Teilzeittätigkeit von 20 Stunden pro Woche verrichtete, sich aber nunmehr für eine Vollzeittätigkeit zur Verfügung stellte, so dass sie durchaus der Meinung sein konnte, dies habe eine Abweichung von der "Regelbemessung" zur Folge. Es kann von der Klägerin, die als Maschinenhilfskraft in keinem Büroberuf tätig gewesen ist, nicht verlangt werden, dass sie selbst das in den letzten 52 Wochen erzielte Arbeitsentgelt zu- sammenrechnet, in Euro umrechnet und hieraus das richtige Bemessungsentgelt errechnet. Nach den Hinweisen im Bescheid der Beklagten hätte die Klägerin zudem das bescheinigte Entgelt durch die Zahl der Wochen teilen müssen, für die es bezahlt wurde. Das sich hieraus errechnete wöchentliche Entgelt hätte dann auf den nächsten durch fünf teilbaren Betrag gerundet werden müssen, um das wöchentliche Bemessungsentgelt zu ergeben. Schon allein mit der Umsetzung dieser komplizierten sprachlichen Berechnungsanweisung im Sinne einer Textaufgabe ist ein durchschnittlicher gewerblicher Arbeitnehmer erheblich gefor- dert. Ohne jegliches Berechnungsbeispiel kann das Nachvollziehen eines solchen Berechnungsvorgangs in der Regel nicht erwartet werden. Das Ausmaß einer schweren Obliegenheitsverletzung im Sinne einer groben Fahrlässigkeit nach § 45 Abs.2 Nr.3 2. Alt. SGB X (Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße) wird bei der Klägerin durch die Verkennung der Fehlerhaftigkeit des Berechnungsentgelts jedenfalls nicht erreicht. Die gleichen Überlegungen gelten für das von der Beklagten zugrunde gelegte Leistungsentgelt. Dies beruht zum einen auf dem Berechnungsentgelt und verlangt zum anderen nach Ziff. 4 der oben genannten Hinweise weitere komplizierte Erwägungen, zumal, wie bereits dargelegt, schon aufgrund der Belehrung der Beklagten eine Abweichung von der "Regelbemessung" denkbar war.
Zwar besteht eine von der Klägerin - wie oben festgestellt - nicht verletzte Obliegenheit, Bewilligungsbescheide zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen, auch wenn dies nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist. In verschiedenen Zusammenhängen hat das BSG aus dem Sozialrechtsverhältnis hergeleitet, dass die Beteiligten "sich gegenseitig vor vermeidbarem, das Versicherungsverhältnis betreffenden Schaden zu bewahren" haben (vgl. BSGE 34, 124, 127; BSGE 77, 175, 180, SozR 3-130 § 45 Nr. 45). Allerdings ist ein Antragsteller, der zutreffende Angaben gemacht hat, im Allgemeinen nicht zugunsten der Fachbehörde ge- halten, Bewilligungsbescheide des Näheren auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Der Antragsteller darf davon ausgehen, dass eine Fachbehörde nach den für die Leistung erheblichen Tatsachen fragt und seine wahrheitsgemäßen Angaben zutreffend umsetzt. Dies gilt auch, soweit Antragsteller über ihre Rechte und Pflichten durch Merkblätter aufgeklärt werden, die abstrakte Erläuterungen über Voraussetzungen von Ansprüchen und deren Bemessung enthalten. Andernfalls würde Begünstigten durch Merkblätter das Risiko für die sachgerechte Berücksichtigung von eindeutigen Tatsachen durch eine Fachbehörde aufgebürdet. Auch bei Berücksichtigung der Vielfalt von Aufgaben und der Vielzahl der zu bearbeitenden Vorgänge ist es aber gerade die Aufgabe der Fachbehörde, wahrheitsgemäße tatsächliche Angaben von Antragstellern rechtlich einwandfrei umzusetzen und dies Betroffenen in der Begründung des Bescheides deutlich zu machen.
Letztlich steht auch der Auszahlungsbetrag von wöchentlich 94,57 EUR bzw. monatlich 409,80 EUR nicht in einem so krassen Missverhältnis zu dem im Januar 2002 erzielten Bruttoentgelt von 883,51 EUR und dem Gehalt im Februar 2002 von 770,09 EUR, dass dies zur Folge hätte, dass der Klägerin der Fehler "ins Auge springen" hätte müssen.
Bezugspunkt für das grob fahrlässige Nichtwissen ist nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes. Allerdings können Fehler im Bereich der Tatsachenermittlung - wie hier die verwaltungsinterne fehlerhafte Rechenvorgabe -, auch wenn sie nicht Bezugspunkt des grob fahrlässigen Nichtwissens sind, Anhaltspunkt für den Begünstigten sein, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes selbst zu erkennen. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich die tatsächlichen oder rechtlichen Mängel aus dem Bewilligungsbe- scheid oder anderen Umständen - wie hier der Höhe des Leis- tungsbezugs - ergeben und für das Einsichtsvermögen des Betroffenen ohne Weiteres erkennbar ("augenfällig") sind (BSG, SozR 3-1300 § 45 Nr. 45). Für die zurechenbare Kenntnis der Rechtswidrigkeit genügt eine entsprechende parallele Wertung in der Laiensphäre. Ein Kennenmüssen ist jedoch erst dann zu bejahen, wenn der Versicherte die Rechtswidrigkeit ohne Mühe erkennen konnte (BverwGE 40, 212). Das ist z.B. der Fall, wenn die Lohnersatzleistung höher als der vorherige Verdienst ist (vgl. von Wulffen, SGB X, Rndnr. 23 zu § 45). Bei komplizierten Be- rechnungen und maschineller Verschlüsselung und ohne einen erklärenden Langtext wird in der Regel nicht von einer groben Fahrlässigkeit ausgegangen werden können. Eine Verpflichtung zu Erkundigungen besteht nur, wenn sich dies aufdrängen musste (vgl. von Wulffen, a.a.O. Rdnr. 24).
Entscheidend sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, d.h. seine Urteils- und Kritikfähigkeit, sein Einsichtsvermögen und im Übrigen auch sein Verhalten. Wie oben bereits ausgeführt, handelt es sich bei der Klägerin um eine Arbeitnehmerin im ge- werblichen Bereich, die mit büromäßigen Verwaltungsvorgängen keinen gewöhnlichen Umgang hat. Die Klägerin hat darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung bekundet, ihren Leistungsbezug nicht kritisch hinterfragt zu haben, ohne dadurch, wie oben ausgeführt, die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt zu haben. Denn sie hat bei ihrer Befragung in der mündlichen Verhandlung glaubhaft versichert, dass zunächst der Umstand, plötzlich arbeitslos zu sein, in ihrer Gefühlswelt im Vordergrund gestanden habe. Besonders überzeugend in dieser Hinsicht ist auch, dass die Klägerin existenziell nicht auf die Leistung der Beklagten angewiesen war. Denn ihr Lebenszuschnitt war durch das Einkommen des Ehemanns gesichert. Sie selbst hat lediglich in Teilzeit hinzuverdient. Durch ihre steuerliche Veranlagung in Steuerklasse V war für die Klägerin auch das Verhältnis zwischen Brutto- und Nettoverdienst verzerrt, so dass sie u.U. auch einen entsprechenden Ausgleich durch das Be- messungsentgelt erwarten konnte. Dennoch bestand aber eine Differenz zwischen dem bezogenen Arbeitslosengeld und den vorangegangenen Nettoarbeitsentgelten, wenn beispielsweise bei einem Bruttobetrag von 1.580,00 DM für den Dezember 2001 berücksich- tigt wird, dass nach den Lohnsteuertabellen davon circa 400,OO DM Abzüge erfolgen und selbst unter Berücksichtigung von circa 20 % Sozialversicherungsabgaben für den Arbeitnehmer ein Nettobetrag von 860,00 DM verbleibt, wohingegen ein laienhaft errechneter wöchentlicher Leistungssatz von 94,57 Euro (mal vier, mal zwei) einen DM-Betrag von 756,00 DM ergeben würde. Dabei sind die Sonderzahlungen für Urlaubs- und Weihnachtsgeld in den Monaten Juli und November, die zu wesentlich höheren Nettoarbeitsentgelten geführt haben, noch nicht berücksichtigt. Zu berücksichtigen war auch, dass das Vertrauen der Klägerin in die Richtigkeit der von der Beklagten vorgenommenen Berechnung auch durch den Änderungsbescheid vom 24.05.2002 bestärkt wurde. In diesem Bescheid wurde im Zusammenhang mit der Berechnung von anzurechnendem Nebenverdienst ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Beklagte weiterhin von den bekannten Daten ausgehe. Auch unter Beachtung dieses besonderen Umstandes des vorliegen- den Falles ist jedenfalls nicht von einem grob fahrlässigen Nichtwissen der Rechtswidrigkeit der erfolgten Bewilligung aus- zugehen.
Etwas Anderes mag für Fallgruppen gelten, in denen der Leistungsempfänger bereits Zweifel an der Leistungshöhe (vgl. Urteil des LSG vom 17.05.2006, Az. L 9 AL 117/05) oder ein positiv festgestelltes, genaues Wissen von den Größenordnungen zwischen vorangegangenem Verdienst und Leistungsbezug hatte. Oder etwa, wenn ein Arbeitsloser bereits früher einen Bewilligungs- bescheid unter korrekter Angabe seines Bemessungsentgelts in Euro erhalten hatte und die Überzahlung durch die Verdoppelung der nach den Kontoauszügen gezahlten Leistung augenfällig war (vgl. Urteil des Schleswig-Holsteinisches Landessozialgerichts vom 24. Juni 2005, Az: L 3 AL 103/04).
Somit ist im vorliegenden Einzelfall festzustellen, dass die Klägerin mit ihrem Verhalten im Hinblick auf eine anzustrengen- de grobe Plausibilitätsprüfung hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Entgelt aus aktiver Beschäftigung und Bezug von Ar- beitslosengeld angesichts der vorliegenden subjektiven Umstände bezüglich der hier zumutbaren Sorgfalts- bzw. Überprüfungspflichten keinen Tatbestand im Sinne von 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Alt. SGB X erfüllt.
Somit war die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14.12.2005 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Klägerin hat in beiden Instanzen obsiegt. Der in Ziffer 2 des Tenors dieses Urteils bereits berücksichtigte Berichtigungsbeschluss vom 08.06.2006 ist zu beachten.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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