Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 623/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 256/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.04.2005 sowie der Bescheid vom 22.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2004 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld ab 09.04.2004 zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger nach dem Bezug von Übergangsgeld weiterhin Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) gegen die Beklagte hat.
Der Kläger bezog vom 01.08.1999 bis 14.01.2000 von der Beklagten Alg (167 Tage). Vom 15.01.2000 bis 29.06.2003 übte er eine selbstständige Tätigkeit aus. Auf Anfrage gab die Beklagte dem Kläger am 23.05.2000 die schriftliche Auskunft, dass der Restanspruch auf Alg (493 Tage) am 02.08.2003 erlösche.
Am 30.06.2003 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte Alg. Diese Leistung bezog er bis 17.03.2004 (Restanspruch 231 Tage). Anschließend (ab 18.03.2004) erhielt er bis 08.04.2004 wegen einer von der BfA geförderten medizinischen Reha-Maßnahme (Klinik W. , S.) Übergangsgeld. Mit Bescheid vom 19.03.2004 hob die Beklagte ihre Leistungsbewilligung ab 18.03.2004 auf.
Den erneuten Antrag auf Alg vom 08.04.2004 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22.04.2004 ab, weil der am 01.08.1999 entstandene Alg-Anspruch nach Ablauf von 4 Jahren nicht mehr geltend gemacht werden könne. Einen neuen Alg-Anspruch habe der Kläger nicht erworben.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor: Der ursprüngliche Alg-Anspruch sei nach seinem Ruhen während der Reha-Maßnahme wieder aufgelebt. Einer Aufhebung der Leistungsbewilligung ab 18.03.2004 hätte es nicht bedurft. Deshalb sei der Bescheid vom 19.03.2004 fehlerhaft. Gemäß § 44 SGB X werde daher seine Überprüfung beantragt. Auf das nach Ansicht der Beklagten eingetretene Erlöschen des Anspruchs während der Kur hätte diese hinweisen müssen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.06.2004 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.04.2004 zurück. Innerhalb der maßgeblichen Rahmenfrist (08.04.2001 bis 07.04.2004) habe der Kläger nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Den gemäß § 44 SGB X gestellten Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 19.03.2004 wies die Beklagte durch Bescheid vom 19.07.2004/Widerspruchsbescheid ohne Datum zurück. Es sei weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden.
Sowohl gegen den Bescheid vom 22.04.2004/Widerspruchsbescheid vom 22.06.2004 (Schriftsatz vom 28.06.2004) als auch gegen den Bescheid vom 19.07.2004/Widerspruchsbescheid ohne Datum (Schriftsatz vom 06.12.2004) hat der Kläger am 29.06.2004/ 08.12.2004 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Die Beklagte verkenne, dass der Alg-Anspruch während des Bezugs von Übergangsgeld lediglich geruht habe, so dass das Stammrecht erhalten geblieben sei. Es wäre ihm ohne Weiteres möglich gewesen, die Reha-Maßnahme erst nach dem Ende des Alg-Bezugs in Angriff zu nehmen.
In der mündlichen Verhandlung des SG vom 05.04.2004 stellte der Kläger lediglich den Klageantrag aus dem Schriftsatz vom 28.06.2004.
Mit Urteil vom 05.04.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Alg-Anspruch sei am 08.04.2004 bereits erloschen gewesen, denn die Vierjahresfrist des § 147 Abs 2 SGB III habe mit dem 01.08.2003 geendet. Hierüber habe die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 23.05.2000 aufgeklärt. Auch beim Ruhen des Leistungsanspruchs trete die Erlöschenswirkung des § 147 Abs 2 SGB III automatisch ein. Eine Pflicht, Versicherte von ihrer geplanten Lebensgestaltung (zB einer medizinischen Reha-Maßnahme) aus leistungsrechtlichen Gründen abzuraten, habe die Beklagte nicht. Die Aufhebung der Leistungsbewilligung auch für die Vergangenheit mit Bescheid vom 19.03.2004 sei gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X zu Recht ergangen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen: Mit Bescheid vom 19.03.2004 habe die Beklagte lediglich deklaratorisch festgestellt, dass sie während des Ruhens zur Zahlung nicht verpflichtet sei. Damit lebe der bereits entstandene Alg-Anspruch wieder auf, denn das Stammrecht habe nicht aufgehoben werden können. Hierauf habe er vertrauen dürfen, zumal es sich bei ihm nur um eine befristete Reha-Maßnahme gehandelt habe. Auch das SG gehe irrig von einem Entzug des Stammrechts aus.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.04.2005 aufzuheben sowie den Bescheid vom 22.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2004 und den Bescheid vom 19.07.2004 in der Gestalt des dazu ergangenen Widerspruchsbescheides ohne Datum aufzuheben und dem Kläger ab 09.04.2004 Alg zu gewähren.
Er regt an, die Revision zuzulassen.
Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie regt an, die Berufung zuzulassen.
Die Berufung sei nicht begründet. Der am 30.06.2003 rechtzeitig wieder geltend gemachte bereits am 01.08.1999 entstandene Anspruch auf Alg habe mit dem Bezug von Übergangsgeld vom 18.03.2004 bis 08.04.2004 gemäß § 142 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III geruht, so dass eine Unterbrechung des Leistungsbezugs eingetreten sei. Damit greife § 147 Abs 2 SGB III, so dass der Anspruch nach Ablauf von 4 Jahren seit der Entstehung nicht mehr geltend gemacht werden könne. Die Verfallfrist laufe auch während des Ruhens eines im Stammrecht weiter existierenden Alg-Anspruchs weiter. Bei der Aufhebung der Leistungsbewilligung (Bescheid vom 19.03.2004) spielten Vertrauensschutzgründe keine Rolle.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Soweit die Berufung den Bescheid vom 22.04.2004/Widerspruchsbescheid vom 22.06.2004 betrifft, ist sie begründet; im Übrigen ist sie unbegründet.
Gegenstand des Klageverfahrens waren zuletzt laut Niederschrift des SG vom 05.04.2005 nur noch die o.a. Bescheide. Die Klage gegen den gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren (SGB X) ergangenen Bescheid vom 19.07.2004 hat der Kläger stillschweigend zurückgenommen, indem er seinen Klageantrag beschränkt hat. Eine derartige Klagerücknahme ist wirksam, denn eine ausdrückliche Rücknahmeerklärung ist nicht erforderlich (vgl Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl 2005, RdNr 218; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl 2005 § 102 RdNr 76 mwN zur Rspr). Mit der Klagerücknahme war die Hauptsache insoweit erledigt (§ 102 Satz 2 SGG). Im Übrigen blieb der Rechtsstreit jedoch anhängig (Leitherer aaO RdNr 10 a).
Entgegen der Ansicht des SG hat der Kläger ab 09.04.2004 dem Grunde nach Anspruch auf Alg gemäß § 117 SGB III. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift (Arbeitslosigkeit, Arbeitslosmeldung und Erfüllung der Anwartschaftszeit) sind ab 09.04.2004 für die Dauer von 231 Leistungstagen erfüllt. Dem Alg-Anspruch steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte die frühere Alg-Bewilligung mit Bescheid vom 19.03.2004 ohne Einschränkungen aufgehoben hat.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Restanspruch des Klägers auf Alg nicht nach § 147 Abs 2 SGB III erloschen.
Diese Vorschrift regelt, dass der Anspruch auf Alg nicht mehr geltend gemacht werden kann, wenn nach seiner Entstehung 4 Jahre verstrichen sind. Der Anspruch des Klägers war am 01.08.1999 entstanden, denn der Kläger erfüllte an diesem Tag alle Anspruchsvoraussetzungen iS von § 117 SGB III.
Als Folge der Entstehung des Alg-Anspruchs am 01.08.1999 ergibt sich aus § 147 Abs 2 SGB III, dass der Kläger diesen Anspruch oder verbliebene Teile nur bis zum 02.08.2003 geltend machen konnte. Der Kläger hat seinen Anspruch auf Alg rechtzeitig iS des § 147 Abs 2 SGB III geltend gemacht. Denn nachdem er sich ab 15.01.2000 wegen Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit aus dem Leistungsbezug abgemeldet und diese Tätigkeit zum 29.06.2003 aufgegeben hatte, hat sich der Kläger bereits am 30.06.2003 wiederum arbeitslos gemeldet und Alg beantragt. Diesem Antrag hat die Beklagte zu Recht entsprochen und Alg aus dem am 01.08.1999 entstandenen Anspruch bewilligt.
Auf der Grundlage dieses Alg-Anspruchs steht dem Kläger nach Beendigung der Reha-Maßnahme ab 09.04.2004 der Zahlungsanspruch automatisch wieder zu, dh ohne dass es einer erneuten Arbeitslosmeldung bedurft hätte. Denn die Wirkung der Arbeitslosmeldung vom 30.06.2003 war nicht erloschen und eines erneuten Geltendmachens des Alg-Anspruchs iS des § 147 Abs 2 SGB III bedurfte es nicht. Es sind weder durch die Teilnahme an der medizinischen Reha-Maßnahme noch durch den Ablauf der Vierjahresfrist nach § 147 Abs 2 SGB III am 02.08.2003 tatsächliche Umstände eingetreten, die eine erneute persönliche Arbeitslosmeldung zur Begründung eines Leistungsanspruchs ab 09.04.2004 erforderlich gemacht hätten.
Die Fortwirkung der Arbeitslosmeldung vom 30.06.2003 trotz Unterbrechung der Arbeitslosigkeit durch die Teilnahme an der medizinischen Reha-Maßnahme folgt aus § 122 Abs 2 SGB III. Hiernach erlischt die Wirkung der Arbeitslosmeldung bei einer mehr als sechswöchigen Unterbrechung der Arbeitslosigkeit (Nr 1) sowie mit der Aufnahme einer dem Arbeitsamt nicht unverzüglich mitgeteilten Beschäftigung oder Tätigkeit (Nr 2).
An der Fortwirkung der am 30.06.2003 erfolgten Arbeitslosmeldung ändert auch nicht, dass der Anspruch auf Alg während der Dauer der Reha-Maßnahme wegen des Bezugs von Übergangsgeld nach § 142 Abs 1 Nr 2 SGB III geruht hat. Dieser Ruhenstatbestand führt nicht zu einer Anwendung der Verfallfristregelung des § 147 Abs 2 SGB III. Durch § 122 Abs 2 SGB III soll ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 13/4941, S 176) eindeutig geregelt werden, dass die Wirkung einer persönlichen Meldung nur dann, aber auch immer dann erlischt, wenn die Arbeitslosigkeit für einen zusammenhängenden Zeitraum von mehr als 6 Wochen unterbrochen war.
In Anwendung des § 122 Abs 2 Nr 1 SGB III macht nicht mehr jede Unterbrechung des Leistungsbezugs eine neue Arbeitslosmeldung erforderlich. Die materiell-rechtliche Wirkung der Arbeitslosmeldung wird erst dann beseitigt, wenn die Unterbrechung über 6 Wochen (42 Kalendertage) andauert. Dabei ist der Grund für die Unterbrechung unerheblich, weil der Gesetzgeber alle kurzfristigen Unterbrechungen begünstigen wollte.
Dies bedeutet, dass die persönliche Arbeitslosmeldung des Klägers vom 30.06.2003 auch während des Unterbrechungszeitraums der Reha-Maßnahme (18.03.2004 - 08.04.2004) weiter wirkte. Deshalb bedurfte es nach Beendigung dieser Unterbrechung keiner erneuten Arbeitslosmeldung und im Hinblick auf § 323 Abs 1 Satz 2 SGB III auch keines erneuten Leistungsantrags. § 323 Abs 1 Satz 2 SGB III bestimmt, dass Alg mit der persönlichen Arbeitslosmeldung als beantragt gilt, wenn der Arbeitslose keine andere Erklärung abgibt. Mit Wiedereintritt der Verfügbarkeit, also nach der Entlassung des Klägers aus der Reha-Maßnahme als arbeitsfähig, und der Rückkehr des Kläger zum Wohnort waren sämtliche Voraussetzungen für den geltend gemachten Leistungsanspruch wieder erfüllt und es stand dem Kläger der Anspruch für die noch nicht verbrauchte Restdauer zu. Die Wirkung der Meldung iS § 122 Abs 2 SGB III war nicht erloschen, da die Unterbrechung 6 Wochen nicht überschritten hatte.
Nichts anderes folgt daraus, dass die Vierjahresfrist bereits am 02.08.2003 abgelaufen war. Hierin liegt kein weiterer rechtlicher Erlöschensgrund. In den Gesetzesmaterialien hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass unter Geltung der Neuregelung den Arbeitslosen keine Nachteile dadurch entstehen sollen, dass der Leistungsbezug lediglich kurzfristig unterbrochen wird. Dies wäre aber der Fall, wenn gerade infolge einer solchen kurzfristigen Unterbrechung die Erlöschensregelung des § 147 Abs 2 SGB III griffe, bei fortlaufendem Leistungsbezug jedoch nicht.
Schließlich wurde eine erneute Antragstellung und Arbeitslosmeldung des Kläger auch nicht deshalb erforderlich, weil die Beklagte die ursprüngliche Alg-Bewilligung mit Bescheid vom 19.03.2004 ohne Einschränkungen aufgehoben hat. Mit der auf § 48 Abs 1 SGB X gestützten Aufhebung der Leistungsbewilligung hat die Beklagte zutreffend dem Umstand Rechnung getragen, dass die Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg ab 18.03.2004 nicht mehr vorgelegen haben. Damit war der Bescheid vom 19.03.2004 materiell rechtmäßig.
Der Senat schließt sich bzgl. der o.a. Rechtsfragen der im Urteil des BSG vom 25.05.2005 - Az: B 11a/11 AL 61/04 R -; SozR 4-4300 § 147 Nr 4 zum Ausdruck gekommenen Rechtsauffassung an.
Auf die Berufung des Klägers war daher das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.04.2005 sowie der Bescheid vom 22.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 09.04.2004 Alg dem Grunde nach weiter zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat auf Anregung der Beteiligten die Revision zugelassen, weil die o.a. Rechtsprechung des BSG auf Kritik gestoßen ist (vgl z.B. Haase in AuB 10/2005 S 315) und die Beklagte nach Angabe ihres Sitzungsvertreters das Urteil des BSG vom 25.05.2005 in der Praxis nicht vollständig umsetzt (DA zu §§ 122, 147 SGB III).
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger nach dem Bezug von Übergangsgeld weiterhin Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) gegen die Beklagte hat.
Der Kläger bezog vom 01.08.1999 bis 14.01.2000 von der Beklagten Alg (167 Tage). Vom 15.01.2000 bis 29.06.2003 übte er eine selbstständige Tätigkeit aus. Auf Anfrage gab die Beklagte dem Kläger am 23.05.2000 die schriftliche Auskunft, dass der Restanspruch auf Alg (493 Tage) am 02.08.2003 erlösche.
Am 30.06.2003 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte Alg. Diese Leistung bezog er bis 17.03.2004 (Restanspruch 231 Tage). Anschließend (ab 18.03.2004) erhielt er bis 08.04.2004 wegen einer von der BfA geförderten medizinischen Reha-Maßnahme (Klinik W. , S.) Übergangsgeld. Mit Bescheid vom 19.03.2004 hob die Beklagte ihre Leistungsbewilligung ab 18.03.2004 auf.
Den erneuten Antrag auf Alg vom 08.04.2004 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22.04.2004 ab, weil der am 01.08.1999 entstandene Alg-Anspruch nach Ablauf von 4 Jahren nicht mehr geltend gemacht werden könne. Einen neuen Alg-Anspruch habe der Kläger nicht erworben.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor: Der ursprüngliche Alg-Anspruch sei nach seinem Ruhen während der Reha-Maßnahme wieder aufgelebt. Einer Aufhebung der Leistungsbewilligung ab 18.03.2004 hätte es nicht bedurft. Deshalb sei der Bescheid vom 19.03.2004 fehlerhaft. Gemäß § 44 SGB X werde daher seine Überprüfung beantragt. Auf das nach Ansicht der Beklagten eingetretene Erlöschen des Anspruchs während der Kur hätte diese hinweisen müssen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.06.2004 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.04.2004 zurück. Innerhalb der maßgeblichen Rahmenfrist (08.04.2001 bis 07.04.2004) habe der Kläger nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Den gemäß § 44 SGB X gestellten Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 19.03.2004 wies die Beklagte durch Bescheid vom 19.07.2004/Widerspruchsbescheid ohne Datum zurück. Es sei weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden.
Sowohl gegen den Bescheid vom 22.04.2004/Widerspruchsbescheid vom 22.06.2004 (Schriftsatz vom 28.06.2004) als auch gegen den Bescheid vom 19.07.2004/Widerspruchsbescheid ohne Datum (Schriftsatz vom 06.12.2004) hat der Kläger am 29.06.2004/ 08.12.2004 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Die Beklagte verkenne, dass der Alg-Anspruch während des Bezugs von Übergangsgeld lediglich geruht habe, so dass das Stammrecht erhalten geblieben sei. Es wäre ihm ohne Weiteres möglich gewesen, die Reha-Maßnahme erst nach dem Ende des Alg-Bezugs in Angriff zu nehmen.
In der mündlichen Verhandlung des SG vom 05.04.2004 stellte der Kläger lediglich den Klageantrag aus dem Schriftsatz vom 28.06.2004.
Mit Urteil vom 05.04.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Alg-Anspruch sei am 08.04.2004 bereits erloschen gewesen, denn die Vierjahresfrist des § 147 Abs 2 SGB III habe mit dem 01.08.2003 geendet. Hierüber habe die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 23.05.2000 aufgeklärt. Auch beim Ruhen des Leistungsanspruchs trete die Erlöschenswirkung des § 147 Abs 2 SGB III automatisch ein. Eine Pflicht, Versicherte von ihrer geplanten Lebensgestaltung (zB einer medizinischen Reha-Maßnahme) aus leistungsrechtlichen Gründen abzuraten, habe die Beklagte nicht. Die Aufhebung der Leistungsbewilligung auch für die Vergangenheit mit Bescheid vom 19.03.2004 sei gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X zu Recht ergangen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen: Mit Bescheid vom 19.03.2004 habe die Beklagte lediglich deklaratorisch festgestellt, dass sie während des Ruhens zur Zahlung nicht verpflichtet sei. Damit lebe der bereits entstandene Alg-Anspruch wieder auf, denn das Stammrecht habe nicht aufgehoben werden können. Hierauf habe er vertrauen dürfen, zumal es sich bei ihm nur um eine befristete Reha-Maßnahme gehandelt habe. Auch das SG gehe irrig von einem Entzug des Stammrechts aus.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.04.2005 aufzuheben sowie den Bescheid vom 22.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2004 und den Bescheid vom 19.07.2004 in der Gestalt des dazu ergangenen Widerspruchsbescheides ohne Datum aufzuheben und dem Kläger ab 09.04.2004 Alg zu gewähren.
Er regt an, die Revision zuzulassen.
Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie regt an, die Berufung zuzulassen.
Die Berufung sei nicht begründet. Der am 30.06.2003 rechtzeitig wieder geltend gemachte bereits am 01.08.1999 entstandene Anspruch auf Alg habe mit dem Bezug von Übergangsgeld vom 18.03.2004 bis 08.04.2004 gemäß § 142 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III geruht, so dass eine Unterbrechung des Leistungsbezugs eingetreten sei. Damit greife § 147 Abs 2 SGB III, so dass der Anspruch nach Ablauf von 4 Jahren seit der Entstehung nicht mehr geltend gemacht werden könne. Die Verfallfrist laufe auch während des Ruhens eines im Stammrecht weiter existierenden Alg-Anspruchs weiter. Bei der Aufhebung der Leistungsbewilligung (Bescheid vom 19.03.2004) spielten Vertrauensschutzgründe keine Rolle.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Soweit die Berufung den Bescheid vom 22.04.2004/Widerspruchsbescheid vom 22.06.2004 betrifft, ist sie begründet; im Übrigen ist sie unbegründet.
Gegenstand des Klageverfahrens waren zuletzt laut Niederschrift des SG vom 05.04.2005 nur noch die o.a. Bescheide. Die Klage gegen den gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren (SGB X) ergangenen Bescheid vom 19.07.2004 hat der Kläger stillschweigend zurückgenommen, indem er seinen Klageantrag beschränkt hat. Eine derartige Klagerücknahme ist wirksam, denn eine ausdrückliche Rücknahmeerklärung ist nicht erforderlich (vgl Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl 2005, RdNr 218; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl 2005 § 102 RdNr 76 mwN zur Rspr). Mit der Klagerücknahme war die Hauptsache insoweit erledigt (§ 102 Satz 2 SGG). Im Übrigen blieb der Rechtsstreit jedoch anhängig (Leitherer aaO RdNr 10 a).
Entgegen der Ansicht des SG hat der Kläger ab 09.04.2004 dem Grunde nach Anspruch auf Alg gemäß § 117 SGB III. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift (Arbeitslosigkeit, Arbeitslosmeldung und Erfüllung der Anwartschaftszeit) sind ab 09.04.2004 für die Dauer von 231 Leistungstagen erfüllt. Dem Alg-Anspruch steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte die frühere Alg-Bewilligung mit Bescheid vom 19.03.2004 ohne Einschränkungen aufgehoben hat.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Restanspruch des Klägers auf Alg nicht nach § 147 Abs 2 SGB III erloschen.
Diese Vorschrift regelt, dass der Anspruch auf Alg nicht mehr geltend gemacht werden kann, wenn nach seiner Entstehung 4 Jahre verstrichen sind. Der Anspruch des Klägers war am 01.08.1999 entstanden, denn der Kläger erfüllte an diesem Tag alle Anspruchsvoraussetzungen iS von § 117 SGB III.
Als Folge der Entstehung des Alg-Anspruchs am 01.08.1999 ergibt sich aus § 147 Abs 2 SGB III, dass der Kläger diesen Anspruch oder verbliebene Teile nur bis zum 02.08.2003 geltend machen konnte. Der Kläger hat seinen Anspruch auf Alg rechtzeitig iS des § 147 Abs 2 SGB III geltend gemacht. Denn nachdem er sich ab 15.01.2000 wegen Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit aus dem Leistungsbezug abgemeldet und diese Tätigkeit zum 29.06.2003 aufgegeben hatte, hat sich der Kläger bereits am 30.06.2003 wiederum arbeitslos gemeldet und Alg beantragt. Diesem Antrag hat die Beklagte zu Recht entsprochen und Alg aus dem am 01.08.1999 entstandenen Anspruch bewilligt.
Auf der Grundlage dieses Alg-Anspruchs steht dem Kläger nach Beendigung der Reha-Maßnahme ab 09.04.2004 der Zahlungsanspruch automatisch wieder zu, dh ohne dass es einer erneuten Arbeitslosmeldung bedurft hätte. Denn die Wirkung der Arbeitslosmeldung vom 30.06.2003 war nicht erloschen und eines erneuten Geltendmachens des Alg-Anspruchs iS des § 147 Abs 2 SGB III bedurfte es nicht. Es sind weder durch die Teilnahme an der medizinischen Reha-Maßnahme noch durch den Ablauf der Vierjahresfrist nach § 147 Abs 2 SGB III am 02.08.2003 tatsächliche Umstände eingetreten, die eine erneute persönliche Arbeitslosmeldung zur Begründung eines Leistungsanspruchs ab 09.04.2004 erforderlich gemacht hätten.
Die Fortwirkung der Arbeitslosmeldung vom 30.06.2003 trotz Unterbrechung der Arbeitslosigkeit durch die Teilnahme an der medizinischen Reha-Maßnahme folgt aus § 122 Abs 2 SGB III. Hiernach erlischt die Wirkung der Arbeitslosmeldung bei einer mehr als sechswöchigen Unterbrechung der Arbeitslosigkeit (Nr 1) sowie mit der Aufnahme einer dem Arbeitsamt nicht unverzüglich mitgeteilten Beschäftigung oder Tätigkeit (Nr 2).
An der Fortwirkung der am 30.06.2003 erfolgten Arbeitslosmeldung ändert auch nicht, dass der Anspruch auf Alg während der Dauer der Reha-Maßnahme wegen des Bezugs von Übergangsgeld nach § 142 Abs 1 Nr 2 SGB III geruht hat. Dieser Ruhenstatbestand führt nicht zu einer Anwendung der Verfallfristregelung des § 147 Abs 2 SGB III. Durch § 122 Abs 2 SGB III soll ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 13/4941, S 176) eindeutig geregelt werden, dass die Wirkung einer persönlichen Meldung nur dann, aber auch immer dann erlischt, wenn die Arbeitslosigkeit für einen zusammenhängenden Zeitraum von mehr als 6 Wochen unterbrochen war.
In Anwendung des § 122 Abs 2 Nr 1 SGB III macht nicht mehr jede Unterbrechung des Leistungsbezugs eine neue Arbeitslosmeldung erforderlich. Die materiell-rechtliche Wirkung der Arbeitslosmeldung wird erst dann beseitigt, wenn die Unterbrechung über 6 Wochen (42 Kalendertage) andauert. Dabei ist der Grund für die Unterbrechung unerheblich, weil der Gesetzgeber alle kurzfristigen Unterbrechungen begünstigen wollte.
Dies bedeutet, dass die persönliche Arbeitslosmeldung des Klägers vom 30.06.2003 auch während des Unterbrechungszeitraums der Reha-Maßnahme (18.03.2004 - 08.04.2004) weiter wirkte. Deshalb bedurfte es nach Beendigung dieser Unterbrechung keiner erneuten Arbeitslosmeldung und im Hinblick auf § 323 Abs 1 Satz 2 SGB III auch keines erneuten Leistungsantrags. § 323 Abs 1 Satz 2 SGB III bestimmt, dass Alg mit der persönlichen Arbeitslosmeldung als beantragt gilt, wenn der Arbeitslose keine andere Erklärung abgibt. Mit Wiedereintritt der Verfügbarkeit, also nach der Entlassung des Klägers aus der Reha-Maßnahme als arbeitsfähig, und der Rückkehr des Kläger zum Wohnort waren sämtliche Voraussetzungen für den geltend gemachten Leistungsanspruch wieder erfüllt und es stand dem Kläger der Anspruch für die noch nicht verbrauchte Restdauer zu. Die Wirkung der Meldung iS § 122 Abs 2 SGB III war nicht erloschen, da die Unterbrechung 6 Wochen nicht überschritten hatte.
Nichts anderes folgt daraus, dass die Vierjahresfrist bereits am 02.08.2003 abgelaufen war. Hierin liegt kein weiterer rechtlicher Erlöschensgrund. In den Gesetzesmaterialien hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass unter Geltung der Neuregelung den Arbeitslosen keine Nachteile dadurch entstehen sollen, dass der Leistungsbezug lediglich kurzfristig unterbrochen wird. Dies wäre aber der Fall, wenn gerade infolge einer solchen kurzfristigen Unterbrechung die Erlöschensregelung des § 147 Abs 2 SGB III griffe, bei fortlaufendem Leistungsbezug jedoch nicht.
Schließlich wurde eine erneute Antragstellung und Arbeitslosmeldung des Kläger auch nicht deshalb erforderlich, weil die Beklagte die ursprüngliche Alg-Bewilligung mit Bescheid vom 19.03.2004 ohne Einschränkungen aufgehoben hat. Mit der auf § 48 Abs 1 SGB X gestützten Aufhebung der Leistungsbewilligung hat die Beklagte zutreffend dem Umstand Rechnung getragen, dass die Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg ab 18.03.2004 nicht mehr vorgelegen haben. Damit war der Bescheid vom 19.03.2004 materiell rechtmäßig.
Der Senat schließt sich bzgl. der o.a. Rechtsfragen der im Urteil des BSG vom 25.05.2005 - Az: B 11a/11 AL 61/04 R -; SozR 4-4300 § 147 Nr 4 zum Ausdruck gekommenen Rechtsauffassung an.
Auf die Berufung des Klägers war daher das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.04.2005 sowie der Bescheid vom 22.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 09.04.2004 Alg dem Grunde nach weiter zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat auf Anregung der Beteiligten die Revision zugelassen, weil die o.a. Rechtsprechung des BSG auf Kritik gestoßen ist (vgl z.B. Haase in AuB 10/2005 S 315) und die Beklagte nach Angabe ihres Sitzungsvertreters das Urteil des BSG vom 25.05.2005 in der Praxis nicht vollständig umsetzt (DA zu §§ 122, 147 SGB III).
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved