Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 52 AS 129/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 72/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 19. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Arbeitslosengeldes II (Alg II) streitig.
Der 1960 geborene Kläger beantragte am 23.09.2004 die Bewilligung von Alg II. Mit Schreiben vom 05.01.2005 übersandte er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) vom 09.02.2004 bis 03.01.2005. Die AU-Bescheinigung hätte, so der Kläger, bis zum 31.01.2005 ausgestellt werden müssen. Am 07.02. 2005 teilte er mit, dass er Leistungen bei der Pflegekasse beantragt habe, welche ihm jedoch wahrscheinlich nicht gewährt werden würden, da er nicht täglich Hilfe für die Dauer von mehr als 1,5 Stunden benötige. Er beantrage eine Haushaltshilfe, die ein- bis zweimal wöchentlich vorbeikommen solle. Notwendige Aufgaben wären das Reinigen der Wohnung und gelegentliche Hilfe beim Einkauf. Hierzu teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die beantragten Leistungen nur im Rahmen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) beantragt werden könnten.
Mit Bescheid vom 10.12.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg II für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2005 in Höhe von monatlich 778,34 EUR (Regelsatz 345,00 EUR und Kosten für Unterkunft und Heizung von 433,34 EUR).
Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, der Regelsatz habe sich seit 01.01.2005 erhöht und sei nicht berücksichtigt worden. Berücksichtigt worden sei ebenfalls nicht der mündlich beantragte 15-prozentige Zuschuss zum Regelsatz im Rahmen der Grundsicherung. Unberücksichtigt sei ebenfalls der weitere Zuschuss in Höhe von 20 v.H. zusätzlich zum Regelsatz geblieben, da er einen höheren Grad der Behinderung (GdB) als 60 habe und das Merkzeichen "G". Zudem sei er seit Januar 2000 durchgehend arbeitsunfähig krankgeschrieben. Es werde auf die AU-Bescheinigung verwiesen, wonach er vom 09.02.2004 bis 28.02.2005 krankgeschrieben sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Gemäß § 5 Abs.2 SGB II schließe der Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII aus. Beim Kläger läge eine volle und dauerhafte Erwerbsminderung nicht vor. Somit bestehe grundsätzlich ein vorrangiger Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Leistungen nach diesem Gesetzbuch erhalte nach § 7 Abs.1 SGB II, wer zwischen 15 und 65 Jahre alt, erwerbsfähig und hilfebedürftig sei, sowie seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland habe. Erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II sei, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außer Stande sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Erwerbstätigkeit sei nicht mit der Arbeitsfähigkeit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne gleichzusetzen. Auch häufige krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeitszeiten würden nicht automatisch einen Zustand der vollen Erwerbsminderung darstellten (BSG 26.09.1975 - 12 RJ 208/74 = SozR 2.200 § 1247 Nr.12). Bei der Prüfung, ob der Kläger auf absehbare Zeit nicht in der Lage sei, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, sei ein Zeitraum von sechs Monaten zu Grunde zu legen. Aus den vorliegenden Unterlagen gehe eine nachgewiesene voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis 02.03.2005 hervor. Da der Sechsmonatszeitraum erst mit Inkrafttreten des SGB II beginnen könne, liege derzeit keine Arbeitsunfähigkeit auf absehbare Zeit, also über den 01.07.2005 hinaus, vor. Somit sei der Kläger im Sinne des SGB II erwerbsfähig. Als Alleinstehender erhalte er die für ihn maßgebliche Regelleistung von 345,00 EUR gemäß § 20 Abs.2 SGB II. Dies sei in der Bedarfsberechnung korrekt berücksichtigt worden. Ein Zuschuss von 15 v.H. zum Regelsatz sei bei den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II nicht vorgesehen. Somit sei die Berechnung richtig erfolgt. Ein Mehrbedarf für Schwerbehinderte könne nach § 21 Abs.4 SGB II nur dann gewährt werden, wenn der behinderte erwerbsfähige Hilfebedürftige Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) oder eine sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben erhalte. Da der Kläger derzeit nicht an einer solchen Maßnahme teilnehme, sei die Gewährung eines Mehrbedarfs auf Grund seiner Schwerbehinderung nicht möglich. Ein Mehrbedarf von 20 v.H. der Regelleistung auf Grund einer vorliegenden Schwerbehinderung und des Merkzeichens "G" im Schwerbehindertenausweis sei nur in Verbindung mit einer dauerhaften vollen Erwerbsunfähigkeit nach dem SGB XII möglich. Da der Kläger Leistungen nach dem SGB II erhalte, könne dieser Mehrbedarf nicht gewährt werden.
Mit der zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm den Zuschuss von 15 v.H. zum Regelsatz und einen Mehrbedarf für Schwerbehinderte zu gewähren. Da es sich bei der Beklagten um die Geschäftsform einer GmbH handle, habe diese weder die Befugnis noch das hoheitliche Recht gehabt, einen Widerspruchsbescheid zu erlassen, der zudem nicht den gesetzlichen Vorgaben entspreche. Er bitte deshalb um Hinweis bezüglich der zuständigen Gerichtsbarkeit.
Die Beklagte hat ausgeführt, hinsichtlich des Zuschlags von 15 v.H. meine der Kläger offensichtlich den Aufschlag zur Abgeltung einmaliger Bedürfnisse, der bisher bei Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz zu Grunde gelegt worden sei. Dieses Gesetz sei aber zum 31.12.2004 weggefallen. Weder im SGB XII noch im SGB II sei dieser Aufschlag vorgesehen. Ein Mehrbedarf für Schwerbehinderte könne nach § 21 Abs.4 SGB II nur gewährt werden, wenn der Behinderte an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX teilnehme, was beim Kläger nicht der Fall sei. Nach den vorliegenden ärztlichen Attesten sei der Kläger nur zeitlich befristet arbeitsunfähig - derzeit bis 05.04.2005 -. Er sei in absehbarer Zeit erwerbsfähig und habe somit einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Im Übrigen seien eventuelle Leistungen nach dem SGB XII nicht höher.
Das SG hat dem Kläger mitgeteilt, dass Bedenken gegen seine Zuständigkeit nicht ersichtlich seien.
Mit Gerichtsbescheid vom 19.10.2005 hat es die Klage abgewiesen. Nach § 44b Abs.1 Satz 1 SGB II würden die Träger der Leistungen nach dem SGB II durch privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verträge Arbeitsgemeinschaften errichten. Diese seien berechtigt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide zu erlassen. Im Übrigen sehe das SG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil es der Begründung des Widerspruchsbescheides folge.
Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor, der Gerichtsbescheid enthalte Unrichtigkeiten und sei mangel- bzw. fehlerhaft und somit ihm gegenüber schwebend unwirksam. Nach einigermaßen eingetretener Besserung seines derzeit desolaten körperlichen Gesundheitszustandes werde er auf Wunsch eine weitere Begründung abgeben, wobei allerdings mindestens eine Wartezeit von ein bis zwei Monaten zu berücksichtigen sei. Eine weitere Begründung erfolgte in der Folgezeit nicht.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 19.10. 2005 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 10.12. 2004 in der Gestalt vom 08.03.2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.01.2005 einen Zuschuss von 15 v.H. zum Regelsatz und einen Mehrbedarf für Schwerbehinderte zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf ihr bisheriges Vorbringen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
Das Rechtsmittel erweist sich (zumindest zum jetzigen Zeitpunkt) als unbegründet. Insoweit ist der Gerichtsbescheid des SG München vom 19.10.2005 nicht zu beanstanden, da der Bescheid der Beklagten vom 10.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2005 der Sach- und Rechtslage entspricht.
Denn (bislang) wurde eine volle und dauerhafte Erwerbsminderung des Klägers nicht festgestellt. Dies wäre aber Voraussetzung für eine Leistungsgewährung nach dem SGB XII. Nachdem dies nicht der Fall ist, besteht somit grundsätzlich ein vorrangiger Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Häufige, krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeitszeiten stellen nicht automatisch einen Zustand der vollen Erwerbsminderung dar. Bei der Prüfung aber, ob der Kläger auf absehbare Zeit außer Stande ist, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, ist ein Zeitraum von sechs Monaten zu Grunde zu legen (vgl. K § 8 Rdz.11, Hauck/Noftz, Grundsicherung für Arbeitsuchende, Kommentar). Neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die eine Arbeitsunfähigkeit über den 05.04. 2005 hinaus ausweisen, wurden vom Kläger weder im Klage- noch im Berufungsverfahren vorgelegt. Da der Sechs-Monatszeitraum erst mit Inkrafttreten des SGB II beginnen kann, liegt derzeit keine Arbeitsunfähigkeit auf absehbare Zeit, also über den 01.07.2005 hinaus, vor. Von daher ist der Kläger (bislang) im Sinne des SGB II als erwerbsfähig anzusehen.
Zutreffend ist die ablehnende Gewährung eines Zuschusses von 15 v.H. zum Regelsatz, da dies im SGB II nicht vorgesehen ist. Nicht zu beanstanden ist auch die Ablehnung der Gewährung eines Mehrbedarfs für Schwerbehinderte nach § 21 Abs.4 SGB II. Denn dieser kann nur gewährt werden, wenn der behinderte erwerbsfähige Hilfebedürftige Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX oder eine sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben erhält. Ein Mehrbedarf von 20 v.H. der Regelleistung auf Grund einer vorliegenden Schwerbehinderung und des Merkzeichens "G" im Schwerbehindertenausweis ist nur in Verbindung mit einer dauerhaften vollen Erwerbsunfähigkeit nach dem SGB XII möglich. Da der Kläger aber - zu Recht - Leistungen nach dem SGB II erhält, kann dieser Mehrbedarf nicht gelten.
Somit war die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG München vom 19.10.2005 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Arbeitslosengeldes II (Alg II) streitig.
Der 1960 geborene Kläger beantragte am 23.09.2004 die Bewilligung von Alg II. Mit Schreiben vom 05.01.2005 übersandte er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) vom 09.02.2004 bis 03.01.2005. Die AU-Bescheinigung hätte, so der Kläger, bis zum 31.01.2005 ausgestellt werden müssen. Am 07.02. 2005 teilte er mit, dass er Leistungen bei der Pflegekasse beantragt habe, welche ihm jedoch wahrscheinlich nicht gewährt werden würden, da er nicht täglich Hilfe für die Dauer von mehr als 1,5 Stunden benötige. Er beantrage eine Haushaltshilfe, die ein- bis zweimal wöchentlich vorbeikommen solle. Notwendige Aufgaben wären das Reinigen der Wohnung und gelegentliche Hilfe beim Einkauf. Hierzu teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die beantragten Leistungen nur im Rahmen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) beantragt werden könnten.
Mit Bescheid vom 10.12.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg II für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2005 in Höhe von monatlich 778,34 EUR (Regelsatz 345,00 EUR und Kosten für Unterkunft und Heizung von 433,34 EUR).
Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, der Regelsatz habe sich seit 01.01.2005 erhöht und sei nicht berücksichtigt worden. Berücksichtigt worden sei ebenfalls nicht der mündlich beantragte 15-prozentige Zuschuss zum Regelsatz im Rahmen der Grundsicherung. Unberücksichtigt sei ebenfalls der weitere Zuschuss in Höhe von 20 v.H. zusätzlich zum Regelsatz geblieben, da er einen höheren Grad der Behinderung (GdB) als 60 habe und das Merkzeichen "G". Zudem sei er seit Januar 2000 durchgehend arbeitsunfähig krankgeschrieben. Es werde auf die AU-Bescheinigung verwiesen, wonach er vom 09.02.2004 bis 28.02.2005 krankgeschrieben sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Gemäß § 5 Abs.2 SGB II schließe der Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII aus. Beim Kläger läge eine volle und dauerhafte Erwerbsminderung nicht vor. Somit bestehe grundsätzlich ein vorrangiger Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Leistungen nach diesem Gesetzbuch erhalte nach § 7 Abs.1 SGB II, wer zwischen 15 und 65 Jahre alt, erwerbsfähig und hilfebedürftig sei, sowie seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland habe. Erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II sei, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außer Stande sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Erwerbstätigkeit sei nicht mit der Arbeitsfähigkeit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne gleichzusetzen. Auch häufige krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeitszeiten würden nicht automatisch einen Zustand der vollen Erwerbsminderung darstellten (BSG 26.09.1975 - 12 RJ 208/74 = SozR 2.200 § 1247 Nr.12). Bei der Prüfung, ob der Kläger auf absehbare Zeit nicht in der Lage sei, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, sei ein Zeitraum von sechs Monaten zu Grunde zu legen. Aus den vorliegenden Unterlagen gehe eine nachgewiesene voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis 02.03.2005 hervor. Da der Sechsmonatszeitraum erst mit Inkrafttreten des SGB II beginnen könne, liege derzeit keine Arbeitsunfähigkeit auf absehbare Zeit, also über den 01.07.2005 hinaus, vor. Somit sei der Kläger im Sinne des SGB II erwerbsfähig. Als Alleinstehender erhalte er die für ihn maßgebliche Regelleistung von 345,00 EUR gemäß § 20 Abs.2 SGB II. Dies sei in der Bedarfsberechnung korrekt berücksichtigt worden. Ein Zuschuss von 15 v.H. zum Regelsatz sei bei den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II nicht vorgesehen. Somit sei die Berechnung richtig erfolgt. Ein Mehrbedarf für Schwerbehinderte könne nach § 21 Abs.4 SGB II nur dann gewährt werden, wenn der behinderte erwerbsfähige Hilfebedürftige Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) oder eine sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben erhalte. Da der Kläger derzeit nicht an einer solchen Maßnahme teilnehme, sei die Gewährung eines Mehrbedarfs auf Grund seiner Schwerbehinderung nicht möglich. Ein Mehrbedarf von 20 v.H. der Regelleistung auf Grund einer vorliegenden Schwerbehinderung und des Merkzeichens "G" im Schwerbehindertenausweis sei nur in Verbindung mit einer dauerhaften vollen Erwerbsunfähigkeit nach dem SGB XII möglich. Da der Kläger Leistungen nach dem SGB II erhalte, könne dieser Mehrbedarf nicht gewährt werden.
Mit der zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm den Zuschuss von 15 v.H. zum Regelsatz und einen Mehrbedarf für Schwerbehinderte zu gewähren. Da es sich bei der Beklagten um die Geschäftsform einer GmbH handle, habe diese weder die Befugnis noch das hoheitliche Recht gehabt, einen Widerspruchsbescheid zu erlassen, der zudem nicht den gesetzlichen Vorgaben entspreche. Er bitte deshalb um Hinweis bezüglich der zuständigen Gerichtsbarkeit.
Die Beklagte hat ausgeführt, hinsichtlich des Zuschlags von 15 v.H. meine der Kläger offensichtlich den Aufschlag zur Abgeltung einmaliger Bedürfnisse, der bisher bei Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz zu Grunde gelegt worden sei. Dieses Gesetz sei aber zum 31.12.2004 weggefallen. Weder im SGB XII noch im SGB II sei dieser Aufschlag vorgesehen. Ein Mehrbedarf für Schwerbehinderte könne nach § 21 Abs.4 SGB II nur gewährt werden, wenn der Behinderte an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX teilnehme, was beim Kläger nicht der Fall sei. Nach den vorliegenden ärztlichen Attesten sei der Kläger nur zeitlich befristet arbeitsunfähig - derzeit bis 05.04.2005 -. Er sei in absehbarer Zeit erwerbsfähig und habe somit einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Im Übrigen seien eventuelle Leistungen nach dem SGB XII nicht höher.
Das SG hat dem Kläger mitgeteilt, dass Bedenken gegen seine Zuständigkeit nicht ersichtlich seien.
Mit Gerichtsbescheid vom 19.10.2005 hat es die Klage abgewiesen. Nach § 44b Abs.1 Satz 1 SGB II würden die Träger der Leistungen nach dem SGB II durch privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verträge Arbeitsgemeinschaften errichten. Diese seien berechtigt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide zu erlassen. Im Übrigen sehe das SG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil es der Begründung des Widerspruchsbescheides folge.
Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor, der Gerichtsbescheid enthalte Unrichtigkeiten und sei mangel- bzw. fehlerhaft und somit ihm gegenüber schwebend unwirksam. Nach einigermaßen eingetretener Besserung seines derzeit desolaten körperlichen Gesundheitszustandes werde er auf Wunsch eine weitere Begründung abgeben, wobei allerdings mindestens eine Wartezeit von ein bis zwei Monaten zu berücksichtigen sei. Eine weitere Begründung erfolgte in der Folgezeit nicht.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 19.10. 2005 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 10.12. 2004 in der Gestalt vom 08.03.2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.01.2005 einen Zuschuss von 15 v.H. zum Regelsatz und einen Mehrbedarf für Schwerbehinderte zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf ihr bisheriges Vorbringen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
Das Rechtsmittel erweist sich (zumindest zum jetzigen Zeitpunkt) als unbegründet. Insoweit ist der Gerichtsbescheid des SG München vom 19.10.2005 nicht zu beanstanden, da der Bescheid der Beklagten vom 10.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2005 der Sach- und Rechtslage entspricht.
Denn (bislang) wurde eine volle und dauerhafte Erwerbsminderung des Klägers nicht festgestellt. Dies wäre aber Voraussetzung für eine Leistungsgewährung nach dem SGB XII. Nachdem dies nicht der Fall ist, besteht somit grundsätzlich ein vorrangiger Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Häufige, krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeitszeiten stellen nicht automatisch einen Zustand der vollen Erwerbsminderung dar. Bei der Prüfung aber, ob der Kläger auf absehbare Zeit außer Stande ist, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, ist ein Zeitraum von sechs Monaten zu Grunde zu legen (vgl. K § 8 Rdz.11, Hauck/Noftz, Grundsicherung für Arbeitsuchende, Kommentar). Neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die eine Arbeitsunfähigkeit über den 05.04. 2005 hinaus ausweisen, wurden vom Kläger weder im Klage- noch im Berufungsverfahren vorgelegt. Da der Sechs-Monatszeitraum erst mit Inkrafttreten des SGB II beginnen kann, liegt derzeit keine Arbeitsunfähigkeit auf absehbare Zeit, also über den 01.07.2005 hinaus, vor. Von daher ist der Kläger (bislang) im Sinne des SGB II als erwerbsfähig anzusehen.
Zutreffend ist die ablehnende Gewährung eines Zuschusses von 15 v.H. zum Regelsatz, da dies im SGB II nicht vorgesehen ist. Nicht zu beanstanden ist auch die Ablehnung der Gewährung eines Mehrbedarfs für Schwerbehinderte nach § 21 Abs.4 SGB II. Denn dieser kann nur gewährt werden, wenn der behinderte erwerbsfähige Hilfebedürftige Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX oder eine sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben erhält. Ein Mehrbedarf von 20 v.H. der Regelleistung auf Grund einer vorliegenden Schwerbehinderung und des Merkzeichens "G" im Schwerbehindertenausweis ist nur in Verbindung mit einer dauerhaften vollen Erwerbsunfähigkeit nach dem SGB XII möglich. Da der Kläger aber - zu Recht - Leistungen nach dem SGB II erhält, kann dieser Mehrbedarf nicht gelten.
Somit war die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG München vom 19.10.2005 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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