L 4 KR 106/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 10 KR 24/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 106/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 31. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Kosten für die Beschaffung des Präparats Wobenzym zu erstatten sowie Kosten für Reisen nach Thailand während der Winterzeit.

Am 09.06.1999 erreichte die Beklagte ein Brief des Klägers mit Antrag auf Kostenübernahme privater Ausgaben. Dazu legte der Kläger zwei quittierte Rezeptkopien vom 11.03. und 07.04.1999 über jeweils 73,27 DM vor für das Präparat Wobenzym. Auch solle die Beklagte ihm Kosten erstatten für die Reisen nach Thailand während der Winterzeit. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.06.1999 ab, weil durch die vom Kläger ergriffenen Maßnahmen seine Krankheiten (Morbus Meniére und Depression) nicht richtig behandelt würden. Der Kläger begründete seinen Widerspruch damit, dass Wobenzym seine Hörbeschwerden beachtlich gelindert habe. Der Ortswechsel im Winter verhelfe ihm zu einem beschwerdefreien Leben, welches während der Winterzeit hier in Deutschland zu führen, nicht möglich sei. Die Beklagte blieb in ihrem Widerspruchsbescheid vom 11.01.2001, den sie am 12.01.2001 zur Post gab, bei ihrer ablehnenden Haltung.

Am 06.03.2001 erhob der Kläger Klage gegen die Verweigerung der Leistungen unter Hinweis auf seine Depressionen und seine Allergien und gab an, den Widerspruchsbescheid erst "heute" (die Klageschrift trägt das Datum 02.04.2001 erhalten zu haben.

Das Sozialgericht befragte den behandelnden HNO-Arzt Dr.P. und Dr.F. vom Bezirkskrankenhaus W. über die klägerischen Beschwerden. Mit Gerichtsbescheid vom 31.07.2003 ist die Klage abgewiesen worden. Sie sei verspätet erhoben und damit unzulässig.

Hiergegen hat der Kläger am 19.08.2003 Berufung eingelegt und erneut auf die heilende Wirkung von Wobenzym hingewiesen. Der Aufenthalt in Thailand verschaffe ihm bei seinen Allergien Beschwerdefreiheit. Nach Erörterung mit der Beklagten und dem Berichterstatter hat der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 31.07.2003 und den zugrundeliegenden Bescheid der Beklagten vom 24.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten für zwei Großpackungen Wobenzym sowie die Reise- und Aufenthaltskosten für seinen Aufenthalt in Thailand zu erstatten.

Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, dass über den Streit ohne mündliche Verhandlung entschieden wird.

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Der Kläger hat noch eine Rechnung vom 14.10.2003 über seine Behandlung vom gleichen Tage in Thailand über 2.435,00 Baht dem Senat übersandt. Ferner hat er mit Schreiben vom 30.08.die Kostenübernahme eines zukünftigen Daueraufenthaltes in Thailand gefordert.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie beinhaltet zwei Streitgegenstände, einmal die Kostenerstattung für das Präparat Wobenzym und zum anderen Kostenerstattung für Reisen und Aufenthalte nach bzw. in Thailand. Damit wird die Beschwerdegrenze von 500,00 EUR des § 144 SGG überschritten.

In der Sache selbst ist die Berufung bezüglich beider Forderungen unbegründet. Allerdings ist vorauszuschicken, dass die Klage zum Sozialgericht nicht schon deswegen abzuweisen war, weil sie verspätet erhoben worden sei. Wie aus den Akten ersichtlich und auch von der Beklagten eingeräumt, wurde der Widerspruchsbescheid am 12.01.2001 mit einfachem Brief zur Post gegeben. Dies war im Jahre 2001 ein zulässiges Zustellungsverfahren, denn § 85 SGG schrieb in seinem Abs.3 auch in der damals vom 01.06.1998 bis 30.06.2002 geltenden Fassung des Gesetzes vom 30.03.1998 (BGBl.1 S.638) vor, dass ein Widerspruchsbescheid schriftlich zu erlassen, zu begründen und den Beteiligten bekannt zu geben sei. Damit war eine besondere Zustellungsform nicht vorgeschrieben. Insofern lag dem gerichtlichen Schreiben vom 13.04.2004 eine nicht zutreffende Fassung dieser Vorschrift zugrunde, die das Gericht zur falschen Annahme veranlasst hatte, es sei damals eine förmliche Zustellung vorgeschrieben gewesen. Die Bekanntgabe selbst konnte damals nach § 37 SGB X auch durch einfachen Brief erfolgen, mit der Fiktion, dass dieser drei Tage nach Postaufgabe spätestens dem Empfänger zugehen würde. Der Kläger hat aber mit der Klageschrift vom 02.04.2001 (gemeint ist offensichtlich der 02.03.2001) vorgetragen, er habe den Brief erst an diesem Tage erhalten. Damit war die Dreitagefiktion widerlegt, zumal auch die Beklagte dem nicht widersprochen hat. Folglich war die am 06.03.2001 erhobene Klage nicht verspätet, denn der Kläger hat die einmonatige Klagefrist, beginnend mit dem 02.03.2001, eingehalten.

Der Kläger hat die Kosten, die er von der Beklagten erstattet haben will, nicht genau beziffert. Hinsichtlich der Präparate gilt jedoch, dass er dazu zwei quittierte Rezepte vorgelegt hat, aus denen sich die Forderung mit jeweils 73,27 DM errrechnen lässt, dass auch insoweit die Klage nicht unzulässig gewesen ist.

Unbegründet war die Klage hinsichtlich dieses Streitgegenstandes und ist damit auch die Berufung deswegen, weil die Versorgung mit diesem Präparat keine Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist. Nach § 31 Abs.1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SBG V ausgeschlossen sind. Dessen Abs.2 bis 5 enthalten Verordnungsermächtigungen zum Ausschluss von Arzneimitteln, die als unwirtschaftlich gelten. Der Verordnungsgeber hat auf der Grundlage von § 34 Abs.3 SGB V die Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung erlassen, die in abstrakter Form bestimmte Gruppen von Arzneimitteln aus der Versorgung ausschließen und gleichzeitig den Vertragsärzten deren Verordnung untersagen. Auf dieser Grundlage ist die von der Beklagten herangezogene "Negativliste" zu sehen, welche unter verschiedenen anderen Präparaten auch das streitige Wobenzym ausschließt (so die Übersicht des Bundesministers für Gesundheit vom 01.10.1991 im Bundesanzeiger Nr.184b vom 01.10.1991). Somit ist unabhängig von der subjektiven Wirkung beim Kläger die Verschaffung dieses Präparates nicht die Aufgabe der Krankenkasse und kann auch nicht zu einer Erstattung führen.

Schließlich kann die Krankenkasse eine derartige Erstattung nur auf der Grundlage des § 13 SGB V bewirken, die als Ausnahmeregel für besondere Fälle in Betracht kommt. Die dort genannten Voraussetzungen liegen aber ebenfalls nicht vor. Weder handelte es sich bei der privaten Beschaffung des Medikaments um einen Notfall, der sofortiges Handeln erfordert hätte, noch war eine (rechtsgrundlose) Weigerung der Kasse, den Kläger mit Wobenzym N2 zu versorgen, vorausgegangen. Der Kläger hatte sich nicht vor dem Kauf der Mittel an die Beklagte gewandt, nachdem er es vom behandelnden Arzt auf Privatrezept verschrieben erhalten hatte. Das wäre die Voraussetzung gewesen, um überhaupt eine Kostenerstattung erst zu ermöglichen (vgl. z.B. BSG vom 20.05.2003 - B 1 KR 9/03 R, abgedruck in Breithaupt 2004, S.182).

Eine tragfähige Anspruchsgrundlage fehlt auch für die mehr oder weniger allgemein gehaltene Forderung des Klägers auf Erstattung seiner Kosten für den Auslandsaufenthalt, wenn er im Winter dem unwirtlichen niederbayerischen Klima entflieht. Auch hier fehlt es an einer entsprechenden Anspruchsgrundlage. Zwar können unter bestimmten Umständen für Auslandsbehandlungen als solche von der Krankenkasse im Rahmen des § 18 SGB V Kosten übernommen werden, doch stehen derartige Maßnahmen hier nicht im Streit. Das bezieht sich auch auf die in Thailand erstellte Rechnung vom 14.10.2003, die mangels vorausgegangenen Verwaltungsverfahrens nicht Streitgegenstand geworden ist. Es geht dem Kläger insgesamt um Reisekosten, die er zwar als gesundheitsbedingt einschätzt, aber wie viele andere gesundheitserhaltenden Maßnahmen der in § 2 Abs.1 Satz 1 SGB V angesprochenen Eigenvorsorge zuzuordnen sind und nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen worden sind. Von daher war es auch unnötig, dem Kläger die Mühe aufzubürden, seine insoweit erhobene Forderung detailliert aufzurechnen und dafür entsprechende Belege vorzulegen.

Die nunmehr erhobene Forderung, zukünftig einen Daueraufenthalt in Thailand zu finanzieren, dürfte auch an diesen Überlegungen zu messen sein. Sie ist aber nicht Streitgegenstand, der allein die Bescheide von 1999 bzw. 2001 betrifft.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Für eine Revisionszulassung ergeben sich keine Anhaltspunkte.
Rechtskraft
Aus
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