L 20 R 40/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 17 RJ 630/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 40/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13/4 R 365/06 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.11.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1958 geborene Kläger ist im August 1989 aus Rumänien nach Deutschland übergesiedelt; er ist Inhaber des Vertriebenenausweises A. Nach seinen Angaben hat er in Rumänien den Beruf eines Fräsers erlernt (Ausbildung vom 03.11.1974 bis 25.07.1975) und war zuletzt in Deutschland in diesem Beruf bis zur Erkrankung mit Arbeitsunfähigkeit am 20.04.1993 beschäftigt. Nach einer Auskunft der Fa. H. vom 06.11.1995 war der Kläger dort als Universalfräser beschäftigt; es habe sich um eine Facharbeitertätigkeit gehandelt, die nach der Lohngruppe 8 des Tarifvertrags der Bayer. Metallindustrie vergütet wurde.

Ein erster Rentenantrag des Klägers vom 15.08.1994 ist von der Beklagten mit Bescheid vom 28.03.1995 und Widerspruchsbescheid vom 20.07.1995 abgelehnt worden. Die dagegen gerichtete Klage hat der Kläger am 11.03.1998 zurückgenommen.

Am 09.02.1999 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Rente wegen Berufs- (BU) bzw. Erwerbsunfähigkeit (EU). Die Beklagte ließ ihn untersuchen durch den Chirurgen Dr.L. , die Nervenärztin Dr.N. und den Sozialmediziner Dr.H. , die übereinstimmend zu dem Ergebnis kamen, dass der Kläger noch körperlich leichte Tätigkeiten in Vollschicht verrichten könne.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 21.04.1999 ab, da der Kläger nicht berufs- oder erwerbsunfähig sei. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, er sei zumindest vorübergehend erwerbsunfähig. Er bezog sich auf ein Attest des Neurochirurgen Dr.Z. vom 09.06.1999, in dem ihm EU auf Zeit bescheinigt wurde. Die Beklagte ließ den Kläger erneut untersuchen durch die Nervenärztin Dr.B. , die zur Schmerzbewältigung und damit zur Erhaltung einer vollschichtigen Erwerbsfähigkeit die Durchführung eines stationären Heilverfahrens empfahl. Die Reha-Maßnahme wurde vom 02.02. bis 01.03.2000 in der K.-Klinik in Bad D. durchgeführt. Die Entlassung aus der Maßnahme erfolgte als arbeitsunfähig für den Fräserberuf; ansonsten sollte der Kläger im Umfang von halb- bis untervollschichtig für leichte Arbeiten einsetzbar sein. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 19.06.2000 zurück. Der Kläger sei weiterhin in der Lage, leichte Arbeiten im Wechselrhythmus in Vollschicht zu verrichten. Er sei auch als Facharbeiter verweisbar auf sonstige Ausbildungsberufe (Anlernberufe) sowie auf solche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, die sich durch besondere Merkmale (z.B. erhöhte Verantwortung) aus dem Kreis der ungelernten Arbeiten hervorheben und tariflich Anlerntätigkeiten gleichstehen. Als geeignete Berufe dieser Art kämen für den Kläger u.a. in Betracht: Telefonist, Pförtner, Prüfer bzw. Kontrolleur in der Eingangs-, Zwischen- und Endkontrolle in der metallverarbeitenden Industrie.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 06.07.2000 Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und geltend gemacht, er sei aufgrund seiner jahrelangen schmerzvollen Leidensgeschichte erwerbsunfähig. Das SG hat Befundberichte der Allgemeinärztin Dr.I. und des Neurologen Dr.Z. zum Verfahren beigenommen und eine Arbeitgeberauskunft eingeholt. Auf Veranlassung des SG hat der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.J. das Gutachten vom 22.06.2001 erstattet. Er hat den Kläger für fähig erachtet, unter üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes in Vollschicht tätig zu sein; als Fräser sollte er nicht mehr arbeiten. Alle Arbeiten, welche überwiegend dem Anforderungsprofil leichter Tätigkeiten entsprächen, seien ihm zumutbar. Mit Urteil vom 20.11.2001 hat das SG die Klage - gerichtet auf Gewährung von Rente wegen EU, hilfsweise wegen BU - abgewiesen. Der Kläger könne noch in Vollschicht leichte Arbeiten verrichten. Im Vordergrund seiner Beschwerden stehe das Wirbelsäulenleiden, weswegen er als Fräser nicht mehr eingesetzt werden könne. Er sei jedoch auch als Facharbeiter verweisbar auf die Tätigkeit eines Telefonisten (unter Hinweis auf das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts -LSG- vom 26.05.2000).

Gegen dieses Urteil richtet sich die am 17.01.2002 beim SG Nürnberg eingegangene Berufung des Klägers. Dieser verlangt weiterhin die Gewährung von Rente wegen EU, hilfsweise wegen BU. Der vom SG angehörte Sachverständige sei dem Kläger gegenüber voreingenommen gewesen; eine weitere Begutachtung werde ergeben, dass der Kläger nicht mehr in der Lage sei, auch nur leichte Arbeiten in Vollschicht zu leisten. Jedenfalls bestehe beim Kläger BU, da dieser nicht zumutbar auf die Tätigkeit eines Telefonisten verwiesen werden könne. Die Beklagte hält den Kläger weiterhin nicht für berufsunfähig. Die Tätigkeit eines Telefonisten sei dem Kläger gesundheitlich wie sozial zumutbar. Zudem hält die Beklagte den Kläger für verweisbar auf Tätigkeiten als Kontrolleur in der Eingangs-, Zwischen- und Endkontrolle in der metallverarbeitenden Industrie.

Der Senat hat einen Befundbericht der Allgemeinärztin Dr.M. zum Verfahren beigenommen und den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.W. zum ärztlichen Sachverständigen bestellt. Dieser hat das Gutachten vom 22.07.2003 nach ambulanter Untersuchung des Klägers erstattet. Der Kläger leide an einer Anpassungsstörung mit anhaltender somatoformer Schmerzstörung, Lumbalgien bei degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule nach Operation eines Bandscheibenvorfalls rechts mit leichter chronischer Wurzelschädigung der Nervenwurzel L5 rechts, Cervikalgien bei degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule und Spannungskopfschmerzen. Der Kläger könne noch leichte Arbeiten, gelegentlich auch mittelschwere Arbeiten, möglichst im Wechselrhythmus in Vollschicht ausüben. Der Orthopäde Dr.R. hat das weitere Gutachten vom 21.08.2003 erstattet. Beim Kläger stünden Wirbelsäulenbeschwerden im Vordergrund. Auch Dr.R. ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten insgesamt in Vollschicht leisten könne, z.B. bei Tätigkeiten wie Montierer, Sortierer, Pförtner, Bürobote oder Telefonist. Auf Antrag des Klägers hat die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr.O. das Gutachten vom 30.01.2004 erstattet. Sie hat beim Kläger eine Neurasthenie sowie eine andauernde Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom, verbunden mit somatoformer Schmerzstörung diagnostiziert. Der Kläger sei nur noch in der lage, körperlich leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus zu erbringen (vorwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit zum eigenverantwortlichen Positionswechsel). Die Leistungsgrenze liege bei stundenweiser bzw. unregelmäßiger Tätigkeit. Diese weitreichende Leistungseingrenzung sei ab dem Zeitpunkt der Begutachtung im Januar 2004 anzunehmen. Die Beklagte hat zu dem Gutachten eine Stellungnahme ihres ärztlichen Dienstes - Nervenärztin Dr.B. - vorgelegt und erachtet den Kläger weiterhin für vollschichtig leistungsfähig für leichte Arbeiten. Beim Kläger sei eine krankheitsbedingte belangvolle Minderung der Willensfreiheit nicht zu erkennen. Ebenfalls auf Antrag des Klägers (§ 109 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) hat der Orthopäde Dr.M. das Gutachten vom 04.04.2005 erstattet. Der Kläger leide nicht an sozialmedizinisch relevanten Störungen des orthopädischen Fachgebiets; es bestünden mäßige Verschleißerscheinungen der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte ohne manifeste neurologische Störungen und ohne nachweisbares funktionelles Defizit. Aus orthopädischer Sicht könne weiterhin nicht von einer untervollschichtigen Leistungsfähigkeit des Versicherten ausgegangen werden, der auch körperlich mittelschwere Arbeiten durchaus verrichten könnte. Auf Veranlassung des Senats hat der Arzt für Psychiatrie und Neurologie Dr.H. vom Klinikum N. das weitere Gutachten vom 15.10.2005 erstattet. Er hat als Diagnosen genannt: Anhaltende somatoforme Schmerzstörung, rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelgradige Episode, degeneratives Wirbelsäulen-Syndrom und Zustand nach Bandscheiben-Operation (LWK 4/5 im Jahre 1993). Der Kläger könne noch leichte Tätigkeiten vorzugsweise im Sitzen sowie im Wechsel zwischen Sitzen und Stehen verrichten, und zwar in vollschichtigem Umfang. Bei ihm seien noch nicht sämtliche therapeutischen Bemühungen für eine Besserung der Leistungsfähigkeit ausgeschöpft. Dies betreffe auch und insbesondere im Hinblick auf die depressiven Anteile der Störung die Durchführung medikamentöser Maßnahmen (Laborkontrollen hatten ergeben, dass von keinem der vom Kläger angegebenen, eingenommenen Medikamente aufgrund der im Serum nachweisbaren Mengen ein irgendwie gearteter Therapieerfolg erwartet werden konnte). Es könne trotz des langen Verlaufs und der durchaus angeführten Vermutungen einer Verfestigung der zugrunde liegenden Fehlhaltung nicht davon ausgegangen werden, dass eine schwere, unkorrigierbare und unbehandelbare Störung vorhanden sei. Die Beklagte hält den Kläger in Kenntnis dieses Gutachtens weiterhin für verweisbar auf die Tätigkeit eines Telefonisten, eines Registrators, eines Mitarbeiters in der Poststelle, wobei es sich durchwegs um leichte körperliche Tätigkeiten handle, die überwiegend im Sitzen oder im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen verrichtet werden könnten. Sie entsprächen damit dem festgestellten Restleistungsvermögen des Klägers. Der Kläger hat mitgeteilt, dass er sich einer weiteren Behandlung in einer psychiatrischen Akut-Klinik und einer konsequenten pharmakologischen Behandlung nicht widersetze.

Der Kläger beantragt, die mündliche Verhandlung zu vertagen und den Rechtsstreit auszusetzen, bis ein von Dr.H. empfohlenes Heilverfahren durchgeführt sein wird. Hilfsweise beantragt er für den Fall, dass dem Aussetzungsantrag nicht gefolgt wird, die Einholung eines weiteren Gutachtens bei einem Arzt für Psychiatrie und Neurologie gemäß § 109 SGG. Er werde den entsprechenden Arzt binnen einer Frist von vier Wochen benennen. Äußerst hilfsweise beantragt er für den Fall, dass den vorhergehenden Anträgen nicht entsprochen wird, das Urteil des SG Nürnberg vom 20.11.2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21.04.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen EU, hilfweise wegen BU ab 01.02.1999 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten, die Prozessakten des SG Nürnberg und die Schwerbehinderten-Akte des Versorgungsamtes N. (GdB = 50 mit Merkzeichen G) vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich aber als nicht begründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass dem Kläger Rentenleistungen nicht zustehen, weil er nicht berufsunfähig und auch nicht erwerbsunfähig nach §§ 43, 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung ist; dies gilt gleichermaßen für die Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach der seit Januar 2001 geltenden Neuregelung. Das SG hat die bestehenden Gesundheitsstörungen des Klägers auf orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet im Einzelnen berücksichtigt und leistungsmäßig bewertet. In Auswertung der Sachverständigengutachten ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger zwar seinen erlernten und bis 1993 ausgeübten Beruf des Fräsers nicht mehr verrichten kann, dass er aber zumutbar auf die Berufstätigkeit eines Telefonisten zu verweisen ist.

Das vom SG gefundene Ergebnis ist hinsichtlich der medzinischen Befunde durch die Beweiserhebung im Berufungsverfahren bestätigt worden. Zur Frage der Leistungsfähigkeit des Klägers, der seit 1993 keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgegangen ist, liegen zahlreiche Gutachten vor, überwiegend auf neurologisch-psychiatrischem, aber auch orthopädischem Fachgebiet. Im Berufungsverfahren haben der Nervenarzt Dr.W. wie auch der Orthopäde Dr.R. ein vollschichtiges Leistungsvermögen des Klägers für leichte bis gelegentlich (unterhalbschichtig) mittelschwere Arbeiten beschrieben, z.B. auch für Berufe wie Pförtner, Telefonist, Montierer. Die Nervenärztin Dr.O. hat auf Antrag des Klägers das Gutachten vom 30.01.2004 erstattet und ein praktisch aufgehobenes Leistungsvermögen des Klägers beschrieben mit einem anzunehmenden Beginn der Leistungsminderung ab Januar 2004 (Tag der Untersuchung). Danach hat der Orthopäde Dr.M. , wiederum auf Antrag des Klägers, im Gutachten vom 04.04.2005 herausgestellt, dass dieser nicht an sozialmedizinisch relevanten Gesundheitsstörungen seines Fachgebiets leidet. Es bestehen lediglich mäßige Verschleißveränderungen der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte ohne manifeste neurologische Störungen und ohne nachweisbares funktionelles Defizit. Der Kläger kann danach auch noch mittelschwere Arbeiten im Wechselrhythmus in Vollschicht (ohne betriebsunübliche Pausen und ohne Einschränkung der Wegefähigkeit) verrichten. Lediglich im Beruf des Fräsers soll er wegen zu erwartender andauernder Zwangshaltungen nicht mehr eingesetzt werden. Der Nervenarzt Dr.H. hat im Gutachten vom 15.10.2005 im Wesentlichen die Befunderhebung und die Leistungsbeurteilung aus dem Gutachten von Dr.W. bestätigt; er hat jedoch hervorgehoben, dass die therapeutischen Bemühungen zur Verbesserung der langen Leidensgeschichte noch nicht ausgeschöpft sind. Insbesondere nach Auswertung durchgeführter Laborkontrollen ist er davon ausgegangen, dass der Kläger die angegebenen Medikamente entweder nicht oder nicht in wirkungsvollem Umfang einnimmt (die Laborproben hatten keine Wirksamkeit auf Medikamenteneinnahme ergeben). Der Senat stimmt im Wesentlichen den Gutachten von Dr.M. und Dr.H. zu, die sich mit sämtlichen vorausgegangenen Gutachten auseinandergesetzt und ihre Leistungseinschätzung überzeugend begründet haben. Danach ist der Kläger trotz anhaltender somatoformer Schmerzstörung und rezidivierender depressiver Störung sowie bestehender, degenerativer Wirbelsäulenveränderungen weiterhin in der Lage, in vollschichtigem Umfang leichte Arbeiten, zeitweise auch mittelschwere, vorzugsweise im Sitzen sowie im Wechselrhythmus zu verrichten. Der Kläger wird als insgesamt normintelligent beschrieben, es ist jedoch von einer verringerten psychischen Belastbarkeit auszugehen. Vermieden werden sollen deswegen Tätigkeiten mit besonderer Beanspruchung des Konzentrations- und Reaktionsvermögens sowie Arbeiten unter Zeitdruck. Die davon abweichende Leistungseinschätzung durch Dr.O. mit einer praktisch aufgehobenen Erwerbsfähigkeit ist durch die davor und danach erstellten Gutachten, insbesondere von Dr.W. und Dr.H. , mit überzeugender Begründung widerlegt.

Hinsichtlich des Berufsbildes ist der Kläger vom SG zutreffend als Facharbeiter beurteilt worden. Wenn er auch im zweiten Rentenantrag nur eine kurzdauernde (weniger als ein Jahr) Ausbildung zum Fräser in Rumänien angegeben hat, so hat er doch eine Gleichstellungsbestätigung der IHK N. für dieses Berufsbild vorgelegt (ohne dass ihm Fertigkeiten und Kenntnisse nach der Ausbildungsordnung zum Fräser bestätigt werden) und ist vom letzten Arbeitgeber als Facharbeiter (Universalfräser) geführt worden mit einer Einstufung zuletzt in die Lohngruppe 8 nach dem Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer der Bayer. Metallindustrie.

Bei den gesundheitlichen Gegebenheiten ist der Kläger zwar nicht mehr in der Lage, seinen Beruf als Fräser weiterhin auszuüben, was unter den Beteiligten auch nicht streitig ist. Bei dieser Berufstätigkeit fallen auch langdauernde Arbeiten unter Zwangshaltungen an und nicht nur kurzfristig mittelschwere körperliche Anforderungen, die dem Kläger nicht mehr abverlangt werden können.

Dennoch ist der Kläger nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 SGB VI a.F. Auch wenn er seinen bisherigen Facharbeiterberuf nicht mehr ausüben kann, ist BU im Sinne des Gesetzes nur gegeben, wenn er auch auf zumindest eine andere, gesundheitlich und sozial zumutbare Berufstätigkeit nicht mehr verwiesen werden kann. Mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen muss sich der Kläger auch als Facharbeiter - entsprechend dem vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschema zur Einteilung der Arbeiterberufe - auf qualifizierte Anlerntätigkeiten bei entsprechender tariflicher Entlohnung verweisen lassen. Der Kläger ist nicht berufsunfähig, da er auch nach der Überzeugung des Senats auf die vom Erstgericht genannte Berufstätigkeit eines Telefonisten zumutbar zu verweisen ist.

Die körperlichen Anforderungen an das Einsatzgebiet des Telefonisten sind sowohl im angefochtenen Urteil des SG wie insbesondere auch in dem vom SG herangezogenen Urteil des Hess. LSG vom 26.05.2000, Az: L 13 RJ 411/98, ausführlich beschrieben. Auch der 20. Senat des Bayer. LSG hat im Urteil vom 15.12.2004, Az: L 20 RJ 500/02, Ausführungen zu den gesundheitlichen Anforderungen und der sozialen Zumutbarkeit für den Beruf des Telefonisten gemacht. Danach umfasst die Tätigkeit eines Telefonisten die Bedienung von Telefon- bzw. Fernsprechzentralen, die Erteilung von Auskünften, die Registrierung von Gesprächen, die Entgegenahme und Weitergabe von Telegrammen, Telefaxen u.ä. sowie die Entgegennahme und Niederschrift von kürzeren Nachrichten für Teilnehmer, die vorübergehend abwesend sind. Je nach Art des Betriebes bzw. der Behörde können diese Tätigkeiten auch mit der Verrichtung von einfachen Bürotätigkeiten und / oder dem Empfangen und Anmelden von Besuchern verbunden sein. Die Arbeit des Telefonisten verlangt nur leichte körperliche Anforderungen und ist, auch insoweit ist dem angefochtenen Urteil des SG zuzustimmen, nicht mit andauernden Zwangshaltungen verbunden; je nach Organisation des Betriebs und des einzelnen Arbeitsplatzes ist beim Telefonisten im Bedarfsfall ein Wechsel der Körperhaltung möglich, auch ohne dass dazu der Arbeitsplatz verlassen werden muss. Im Übrigen ist der Kläger nach den Ausführungen sowohl von Dr.W. und Dr.R. , wie auch von Dr.M. und Dr.H. , die für den Senat überzeugend sind, in der Lage, zumindest leichte Arbeiten zu verrichten, die überwiegend im Sitzen oder im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen ausgeführt werden können. Nach Auffassung des Senats ist der Kläger befähigt, die körperlichen, aber auch die geistigen Anforderungen an den Einsatz als Telefonist zu erfüllen, einschließlich dabei evtl. anfallender, geringfügiger schriftlicher Arbeiten. Dem Kläger wurde in allen Gutachten ein zumindest durchschnittliches intellektuelles Leistungsniveau bescheinigt. Bei der Begutachtung durch Dr.W. wie auch bei Dr.H. waren keine belangvollen Beeinträchtigungen der Konzentrationsfähigkeit und des Gedächtnisses beim Kläger zu verzeichnen. Die Sachverständigen Dr.W. und Dr.R. haben, jeweils bezogen auf ihr Fachgebiet, neben anderen Berufen auch den des Telefonisten ausdrücklich für den Kläger als zumutbar bezeichnet. Nicht unberücksichtigt darf in diesem Zusammenhang bleiben, dass der Kläger über eine Berufsausbildung zum Facharbeiter verfügt und Facharbeitertätigkeiten jahrelang ausgeübt hat. Aufgrund seiner Vorkenntnisse und seiner intellektuellen Ausstattung ist der Kläger nach der Überzeugung des Senats in der Lage, sich auf neue berufliche Anforderungen umzustellen und benötigt für den Einsatz als Telefonist auch keine über den Zeitraum von drei Monaten hinausgehende Einweisungs- oder Anlernzeit. Die Berufstätigkeiten eines Telefonisten werden nach dem zitierten Urteil des Hess. LSG (und dem zugrundeliegend die dort erwähnten Auskünfte des Landesarbeitsamtes) sowohl von gelernten oder angelernten Arbeitskräften wie auch gelegentlich von ungelernten Arbeitern ausgeübt. Es handelt sich dabei zwar weder um einen sonstigen Ausbildungsberuf noch um eine Tätigkeit, die eine echte betriebliche Ausbildung von wenigstens drei Monaten Dauer erfordert. Die Tätigkeit des Telefonisten wird jedoch wegen ihrer Qualität wie sonstige Ausbildungsberufe bewertet und tariflich eingestuft, was ihre soziale Zumutbarkeit als Verweisungstätigkeit ebenfalls begründet (Urteil des Hess. LSG aaO, mwN). Dies gilt sowohl für Telefonistentätigkeiten nach den Vergütungsgruppen des Bundesangestelltentarifs (BAT) mit dem vorgegebenen Aufstieg von der Lohngruppe IX nach der Lohngruppe VIII, aber auch für Telefonistentätigkeiten nach dem Gehaltstarifvertrag und Lohnvertrag für den hessischen Einzelhandel, nach dem bereits die tarifvertragliche Einordnung einfacher Telefonisten gemäß § 3B in die Gruppe der Angestellten mit abgeschlossener kaufmännischer oder technischer Ausbildung, somit in jedem Falle in eine Gehaltsgruppe für Angestellte mit einem sonstigen Ausbildungsberuf erfolgt. Unter Bezugnahme auf die weiter im Urteil des Hess. LSG angeführten Tarifbeispiele (Gehaltstarif für den Berliner Einzelhandel oder für den Berliner Groß- und Außenhandel) geht auch der Senat davon aus, dass die Tätigkeit des Telefonisten tarifvertraglich überwiegend zumindest als angelernte Tätigkeit, in einigen Fällen sogar als Facharbeitertätigkeit eingestuft wird und einem Versicherten, der Berufsschutz als Facharbeiter genießt, sozial zumutbar ist. Diese tariflich bestimmte Wertigkeit des Telefonistenberufs eröffnet einen Einsatz des Klägers für diese Tätigkeiten in sozial zumutbarer Weise.

Bei gegebener Verweisbarkeit des Klägers auf den Beruf des Telefonisten kann es dahinstehen, ob er auch den von der Beklagten noch benannten Verweisungsberuf als Kontrolleur in der Eingangs-, Zwischen- und Endkontrolle in der metallverarbeitenden Industrie verrichten kann. Über Kenntnisse und Fertigkeiten für diesen Beruf verfügt er aufgrund seiner Ausbildung und bisherigen Berufstätigkeit.

Mit dem vorstehend beschriebenen Leistungsvermögen und der aufgezeigten Verweisungsmöglichkeit ist der Kläger deshalb nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 SGB VI a.F. und hat keinen Anspruch auf die entsprechende Versichertenrente. Daraus folgt zugleich, dass auch ein Anspruch auf Rente wegen EU, § 44 SGB VI a.F., der an noch weitergehende Voraussetzungen anknüpft, nicht besteht.

Den weiteren Anträgen des Klägers war nicht zu entsprechen. Das berufliche Leistungsvermögen des Klägers - wie vorstehend beschrieben - steht für den Senat bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fest. Der Senat durfte den Rechtsstreit deswegen für entscheidungsreif ansehen, so dass eine Aussetzung des Verfahrens nicht in Betracht kommt. Im Übrigen hat der Sachverständige Dr.H. weniger ein stationäres Heilverfahren sondern in erster Linie die Intensivierung der Akut-Behandlung empfohlen. Auch dem Antrag, ein weiteres Gutachten gemäß § 109 SGG auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet einzuholen, war nicht zu entsprechen. Unabhängig davon, ob das Antragsrecht gemäß § 109 SGG bereits "verbraucht" ist, weil schon ein entsprechendes Gutachten im Berufungsverfahren erstattet wurde, ist der Antrag in der mündlichen Verhandlung verspätet gestellt worden. Dem Kläger ist mit der Zuleitung des Gutachtens Dr.H. eine Frist zur Stellungnahme bis zum 09.12.2005 gesetzt worden, die später noch bis zum 23.12.2005 verlängert wurde. Der erst in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag ist nach der Überzeugung des Gerichts aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden und war deshalb abzulehnen, § 109 Abs 2 SGG.

Die Berufung des Klägers war demnach zurückzuweisen mit der Folge, dass die Beteiligten einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten haben. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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