L 13 R 673/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 RJ 870/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 673/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Dezember 2004 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Vorverlegung des für die Rente wegen Erwerbsminderung maßgeblichen Leistungsfalls; umstritten ist die Rechtzeitigkeit der Berufungseinlegung.

Der am 16. S. geborene Kläger, von Beruf Kraftfahrzeug-Mechaniker, war seit 1994 arbeitslos. Er beantragte erstmals im März 1995 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Gegen die ablehnenden Entscheidungen der Beklagten (Bescheid vom 6. November 1995, Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 1996) erhob er Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG - S 4 RJ 1819/96). Nach Einholung mehrerer Gutachten wies das SG durch Urteil vom 18. August 1998 die Klage ab. Das Landessozialgericht (LSG - L 1 RJ 3622/98) wies durch Urteil vom 18. April 2000 die Berufung zurück. Auf den neuen Rentenantrag vom Dezember 2000 ließ die Beklagte den Kläger am 17./18. April 2001 auf ihrer Klinischen Beobachtungsstation internistisch und nervenärztlich begutachten. Aufgrund der Ergebnisse der Gutachten bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 8. Juni 2001 Rente wegen voller Erwerbsminderung nach einem Leistungsfall vom 15. Dezember 2000 ab 1. Januar 2001 in Höhe von anfänglich monatlich DM 1550,23.

Im Oktober 2003 stellte der Kläger einen Zugunstenantrag nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Er begehrte die Vorverlegung des Leistungsfalls auf den 22. Oktober 1993, den Tag eines Wegeunfalls. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 27. Oktober 2003 ab. Den Widerspruch hiergegen wies sie nach Einholung einer sozialmedizinischen Stellungnahme Dr. L. vom 17. Dezember 2003 durch Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2004 zurück. Der Unfall vom 22. Oktober 1993 habe nach gesicherten medizinischen Erkenntnissen keine Erwerbsminderung im rentenrechtlichen Sinne bewirkt.

Mit der am 9. März 2004 zum SG erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und vorgebracht, bei Berücksichtigung aller greifbaren ärztlichen Befunde und sonstigen Unterlagen werde sich ergeben, dass er seit 1993 erwerbsunfähig sei. Insbesondere sei ein Gutachten des Prof. Dr. R., Heidelberg, vom 5. Januar 2002 aus einem Verfahren gegen die HUK-Coburg vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe (14 U 43/00) zu beachten. Die ergangenen Bescheide seien im übrigen wegen Formfehlern nichtig und er werde in Grundrechten verletzt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Im Tatbestand des Urteils vom 15. Dezember 2004 ist der Antrag des Klägers versehentlich dahingehend formuliert worden, er begehre einen Leistungsfall vom "22.10.2003". Durch Urteil vom 15. Dezember 2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf diejenige des Widerspruchsbescheids Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, gegen die auf umfangreichen Begutachtungen gründenden früheren Urteile seien keine Einwendungen ersichtlich. Auch das Gutachten Prof. Dr. R. bringe keine neuen Erkenntnisse. Verfahrensfehler, die zur Nichtigkeit von Bescheiden führten, oder die Verletzung von Grundrechten seien nicht ersichtlich.

Das Urteil ist an den Kläger mit Einschreiben vom 21. Dezember 2004 zur Post gegeben worden. Am folgenden Tag hat er mit Telefax gerügt, er begehre nicht einen Leistungsfall vom 22. Oktober 2003, sondern richtig 1993. Das SG hat durch Berichtigungsbeschluss vom 27. Dezember 2004 diesem Antrag stattgeben. Dieser Beschluss ist an den Kläger am 28. Dezember 2004 zur Post gegeben worden. Nachdem die zurückgeforderte Urteilsausfertigung am 3. Januar 2005 eingegangen war, hat das SG das Urteil mit Berichtigungsvermerk am 4. Januar 2005 mit Einschreiben zur Post gegeben; der Kläger hat es nach eigener Angabe (Schriftsatz vom 21. März 2005) am 5. Januar 2005 zugestellt erhalten.

Am 11. Februar 2005 sind beim SG per Telefax Berufung sowie Beschwerde gegen den Berichtigungsbeschluss eingegangen. Beigefügt gewesen ist zunächst ein Schreiben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 4. Februar 2005, in welchem dieses seine Zuständigkeit bereits wegen fehlender Erschöpfung des Rechtswegs verneint hat. Der Kläger hatte dort eine "Eingabe vom 7. bis 26. Januar 2005" angebracht. Ferner hat er ein Schreiben vom 31. Januar 2005 an den 2. Senat des LSG im laufenden Berufungsverfahren L 2 U 3050/02 vorgelegt, in welchem er - handschriftlich als "Nachtrag" mit 11. Februar 2005 datiert - rein fürsorglich Berufung in der hier streitigen Sache - sowie Beschwerde gegen den Berichtigungsbeschluss - eingelegt habe. Im übrigen hat der Kläger umfangreich zur Sache vorgetragen und sein bisheriges Vorbringen wiederholt.

Mit Schreiben des Senatsberichterstatters vom 17. März 2005 ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass - auch nach Einsicht in die Akten L 2 U 3050/02 - der "Nachtrag" zum Schreiben vom 31. Januar 2005 eindeutig nicht an diesem Tag, sondern erst am 11. Februar 2005 an das Sozialgericht gefaxt worden sei. Er hat sich daraufhin auf seine Korrespondenz mit dem BVerfG berufen; dessen Schreiben vom 4. Februar 2005 sei mit Poststempel vom 9. Februar 2005 übermittelt worden. Im übrigen führe er ein Verfahren beim Europäischen Gerichtshof.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Dezember 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2004 zu verpflichten, ihm unter Rücknahme der früheren Bescheide Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ausgehend von einem Leistungsfall vom 22. Oktober 1993 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten, der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der zitierten Akten der früheren Gerichtsverfahren Bezug genommen.

II.

Der Senat hat nach dem ihm eingeräumten Ermessen die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, weil sie nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt worden ist (vgl. § 158 Satz 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Auf diese Entscheidungsform sind die Beteiligten durch Schreiben des Senatsberichterstatters vom 17. März 2005 hingewiesen worden; der Kläger hat das Schreiben erhalten.

Gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird (Abs. 2 Satz 1).

Das angefochtene Urteil vom 15. Dezember 2004 ist an den Kläger nach Anbringung des Berichtigungsvermerks (hierauf kommt es zugunsten des Adressaten an, vgl. Beschluss des Bundessozialgerichts - BSG - vom 28. Januar 2004 - B 6 KA 95/03 B -, SozR 4-1500 § 151 Nr. 1) am Dienstag, 4. Januar 2005 mittels Übergabe-Einschreiben zur Post gegeben worden. Der Kläger hat eingeräumt, es bereits am Mittwoch, 5. Januar 2005 zugestellt erhalten zu haben. Nach der begünstigenden Zugangsfiktion des § 4 Abs. 2 Satz 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes gilt das Dokument (frühestens) am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, dies wäre hier Freitag, 7. Januar 2005. Die Berufungsfrist hat mithin mit dem Ablauf des gleichnamigen Tages des folgenden Monats, also hier Montag, 7. Februar 2005 geendet (vgl. § 64 Abs. 1, 2 und 3 SGG).

Der Kläger hat erst mit Telefax vom Freitag, 11. Februar 2005 beim SG Berufung eingelegt. Bei dieser Übermittlungsform sind unverschuldete Verzögerungen des Postlaufs auszuschließen. Der Versuch des Klägers, den handschriftlich mit 11. Februar 2005 datierten "Nachtrag" zum an den 2. Senat des LSG gerichteten Telefax vom 31. Januar 2005 als bereits mit letzterem Tag übermittelt darzustellen, ist widerlegt worden. Der Kläger hat diese Behauptung auch nicht weiter aufrechterhalten.

Die Monatsfrist ist auch nicht durch die Eingaben an das BVerfG vom Januar 2005, die mit Schreiben vom 4. Februar 2005, Poststempel 9. Februar 2005 beantwortet worden sind, gewahrt worden. Anders als bei der Klageerhebung in erster Instanz, die auch bei anderen Behörden möglich ist (vgl. § 91 Abs. 1 SGG), ist gemäß § 151 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGG die Berufungseinlegung nur beim Landessozialgericht oder beim Sozialgericht möglich. Hierüber ist der Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils unmissverständlich belehrt worden.

Anlass für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Verhinderung der Fristeinhaltung (vgl. § 67 Abs. 1 SGG) besteht nicht. Auch insoweit ist auf die eindeutige Rechtsmittelbelehrung zu verweisen. Der Kläger war in der Lage, im Verlauf des Januar 2005 sowohl mit dem BVerfG als auch mit dem 2. Senat des LSG in geordneter Form zu korrespondieren. Auch aus seinen gesundheitlichen Verhältnissen ergeben sich keine Anhaltspunkte für ein Hindernis, die Monatsfrist einzuhalten.

Nach alledem ist der Senat an einer sachlichen Prüfung des Begehrens gehindert. Unabhängig hiervon ist auf das durch mehrere gerichtliche Entscheidungen bestätigte Ergebnis der medizinischen Ermittlungen hinzuweisen. Schließlich ist anzumerken, dass ein im Jahr 2003 gestellter Zugunstenantrag auch bei sachlichem Erfolg nur für vier Kalenderjahre, hier also auf einen Rentenbeginn mit 1. Januar 1999 zurückwirken könnte (§ 44 Abs. 4 SGB X).

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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