L 2 U 2774/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 2089/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 2774/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 26. Mai 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Verletztenrente auf Grund der als Berufskrankheit (BK) festgestellten Lärmschwerhörigkeit.

Der am 16. Juni 1946 geborene Kläger war wie folgt lärmbelastet tätig: vom 14. Mai 1969 bis 30. September 1990 als Schweißer bei M.-B. Omnibusbau (heute E.-B. M. GmbH) mit 96 dB(A) und nach Umsetzung bis 20. Juni 1994 bei D. M. im Kabelsatzbau mit (82 dB(A). Unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers ermittelte der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten (TAD) einen äquivalenten Dauerschallpegel von mehr als 90 dB(A) für 21,4 (richtig wohl 21,3) Jahre.

Am 12. September 2002 zeigte die behandelnde Ärztin für Hals-Nasen-Ohren(HNO)-Heilkunde Dr. E. den Verdacht an, dass die Hörminderung des Klägers als BK anzuerkennen sei. Hierbei legte sie u. a. Tonaudiogramme vom 5. September 2002 bei, deren Auswertung durch die Beklagte einen prozentualen Hörverlust rechts von 15% und links von 30% ergab und nach dem Königsteiner Merkblatt (4. Aufl. 1995) zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 0 v.H. führte. Mit Bescheid am 8. Januar 2003 anerkannte die Beklagte eine "beginnende Lärmschwerhörigkeit beiderseits" als BK nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV), nicht dagegen die Hörschädigung im Tieftonbereich. Einen Anspruch auf Rente wegen der BK lehnte sie ab. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Die Beklagte zog daraufhin die Schwerbehindertenakten des Klägers bei. Hierbei wurden u. a. die Tonaudiogramme vom 24. September 1982 und 7. Juni 1995 aktenkundig. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die beim Kläger bestehenden Folgen der BK rechtfertigten lediglich eine MdE von weniger als 20 vom Hundert (v.H.).

Am 1. August 2003 hat der Kläger zum Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben, in deren Verlauf die Beklagte das HNO-fachärztliche Gutachten des Dr. Z., H., vom 20. November 2003 vorgelegt hat. Darin hat der Gutachter bestätigt, dass eine beginnende Lärmschwerhörigkeit Folge der BK sei, dagegen seien die Tieftonschwerhörigkeit und der Tinnitus nicht lärmbedingt; die MdE nach der Tabelle von Feldmann betrage 0 v.H. Mit Gerichtsbescheid vom 26. Mai 2004 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat es u. a. ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Verletztenrente, weil keine berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit vorliege, die wenigstens eine MdE von 20 v.H. ergebe.

Gegen den am 9. Juni 2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 8. Juli 2004 Berufung eingelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 26. Mai 2004 aufzuheben sowie unter Abänderung des Bescheids der Beklagten vom 8. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Juli 2003 die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen der berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit (BK 2301) Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 vom Hundert zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Sachverständigengutachten von Facharzt für HNO Dr. R. eingeholt. In seinem Gutachten vom 13. März 2005 hat dieser u. a. ausgeführt, aus dem Tonaudiogramm von 1995 ergebe sich nach der Tabelle nach Feldmann eine MdE von 15 v.H. bei einem Hörverlust von rechts 23% und links von 31% und nach dem dort ermittelten Hörverlust von beidseitig bis 55% ergebe sich nach der Tabelle von Feldmann ein theoretischer Wert einer MdE von 15 v.H. Aus dem Tonaudiogramm von 1982 ergebe sich ein Hörverlust von 96% rechts und 83% links, welcher mit einer MdE von 70 bis 80 v.H. zu bewerten sei. Der anlässlich der gutachtlichen Untersuchung ermittelte Hörverlust ergebe eine MdE von 30 v.H. Welche MdE hier festzustellen sei, sei Aufgabe des Gerichts.

Die Beklagte hat hierzu die Stellungnahme des Facharztes für HNO-Heilkunde B. vom 9. August 2005 vorgelegt. Dieser hat u. a. ausgeführt, es sei nicht maßgebend, welche Befunde Dr. R. bei seiner Untersuchung erhoben habe, maßgebend sei vielmehr, dass bereits bei der Anfertigung des Tonaudiogramms 1995 keine Lärmarbeit mehr geleistet worden sei, mithin eine Verschlechterung letztlich Lärm fremd sei, andererseits der 1995 bestehende Hörschaden als geringfügig einzuordnen sei. Hieraus ergebe sich eine MdE von 0 v.H.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verletztenrente auf Grund der berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit.

Ob vorliegend noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder die des am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) zur Anwendung kommen, ist nicht entscheidungserheblich, da die hier anzuwendenden Regelungen (§§ 551, 580 ff. RVO; §§ 7, 9, 26 ff. SGB VII) durch das neue Recht keine sich hier auswirkende Änderung erfahren haben; der Einfachheit halber werden deshalb die Vorschriften des SGB VII zitiert.

Nach § 26 SGB VII haben Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vorschriften Anspruch auf Leistungen. Grundvoraussetzung für die Gewährung einer Rente ist gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, dass die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche (RVO 13. Woche) nach dem Versicherungsfall hinaus, um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Nach § 7 Abs. 1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und BK en. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind BK en Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als Bk en bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden; dazu zählt nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV auch eine Lärmschwerhörigkeit.

Zwischen den Beteiligten ist unumstritten, dass der Kläger als Schweißer eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, die grundsätzlich geeignet war, einen Hörschaden hervorzurufen. Deswegen hat die Beklagte zu Recht im angefochtenen Bescheid beim Kläger eine Lärmschwerhörigkeit nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV als BK anerkannt. Der geltend gemachte Anspruch scheitert aber daran, dass die - anerkannte - Lärmschwerhörigkeit keine MdE um wenigstens 20 v.H. begündet. Der Senat stützt seine Entscheidung auf das Gutachten von Dr. Z. sowie die gutachtliche Stellungnahme des Facharztes für HNO-Heilkunde B ... Der Gutachter hat zunächst in Übereinstimmung mit der behandelnden Ärztin Dr. E. zutreffend darauf hingewiesen, dass vorliegend für die Ermittlung des prozentualen Hörverlustes die Heranziehung der Sprachaudiogramme ungeeignet ist, da der Kläger der deutschen Sprache nur unzureichend mächtig ist. Maßgebend für die Ermittlung des prozentualen Hörverlustes ist daher das Tonaudiogramm (vgl. Königsteiner Merkblatt 4. Aufl. 1996 4.4.2) und hier das nach der Beendigung der lärmbelastenden Tätigkeit (1990) erste Tonaudiogramm vom 7. Juni 1995. Danach beträgt der Hörverlust nach der herangezogenen Drei-Frequenz-Tabelle (Röser 1980) rechts 15% und links 15%. Dementsprechend ist nach den zutreffenden Ausführungen des Dr. Z. und des HNO-Arztes B. nach der Tabelle von Feldmann eine MdE von 0 v.H. gegeben. Ferner ist das Ohrgeräusch nach der überzeugender Darstellung des Gutachters Dr. Z. und des HNO-Arztes B. nicht lärmbedingt. Dieses Ohrgeräusch lässt sich mit einem Frequenzgemisch von 500 bis 4000 Hz rechts bei 40dB und links bei 30dB verdecken. Diese Verdeckbarkeit ist - so Dr. Z. - für einen lärmbedingten Tinnitus untypisch, der regelhaft im Punctum maximum der Hörverminderung verdeckbar ist. Der Gutachter hat weiter dargelegt, dass zusätzlich lärmuntypische Zeichen im Tieftonbereich vorliegen (solitäre Tieftonsenke), sodass nicht von einem lärmbedingten Tinnitus ausgegangen werden kann. Die bestehende Schwerhörigkeit im Tieftonbereich, die in unterschiedlicher Ausprägung vorgelegen hat, ist - anders als die im Hochtonbereich - auch nicht als beruflich bedingt, d. h. lärmbedingt, anzusehen. Dieser in den Tonaudiogrammen von 1982, 1995, 2002 und 2003 feststellbare Wechsel der Ausprägung ist nach überzeugender Darstellung des Gutachters als für eine lärmbedingte Schwerhörigkeit untypisch zu bezeichnen. Dem Gutachten von Dr. R. vermochte sich der Senat nicht anzuschließen. Seine Ausführungen sind in weiten Teilen nicht entscheidungserheblich, weil die von ihm im Wesentlichen. diskutierte Frage, ob ein lärmbedingter Hörschaden vorliegt, von der Beklagten im angefochtenen Bescheid bereits zugunsten des Klägers beantwortet worden ist. Soweit Dr. R. zu einer MdE von 15 v.H. kommt, kann die Richtigkeit dieser Beurteilung dahinstehen, weil damit eine rentenberechtigende MdE von mindestens 20 v.H. ebenfalls nicht erreicht wird. Darüber hinaus hat HNO-Arzt Brill in seiner Stellungnahme zu Recht daraufhin gewiesen, dass die zum Untersuchungszeitpunkt festgestellte Hörminderung nicht maßgeblich sein kann, weil eine mögliche, nach Aufgabe der lärmbelastenden Tätigkeit weitere Verschlechterung, nicht berufliche Ursachen haben kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die gesetzlichen Voraussetzungen der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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