S 11 AL 56/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AL 56/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich im Überprüfungsverfahren gegen Aufhebung einer Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) nebst Erstattungsforderung.

Die Beklagte hob mit Bescheid vom 22.02.2005 die Alg-Bewilligung gegenüber dem am 00.00.1955 geborenen Kläger für die Zeit ab dem 20.12.2004 mit der Begründung auf, er habe ausweislich einer Bescheinigung seines Arbeitgebers vom 20.12.2004 bis zum 23.12.2004 18,5 Stunden und vom 27.12.2004 bis zum 31.12.2004 9,5 Stunden gearbeitet. Seinen am 02.03.2005 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, es habe sich um ein Probearbeitsverhältnis gehandelt. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 07.04.2005 zurück, der bestandskräftig wurde. Gegen den (auf 1540,31 Euro lautenden) Erstattungsbescheid vom11.04.2005 wandte der Kläger ein, es habe sich bei der Beschäftigung um ein selbstbeschaffte Eingliederungsmaßnahme gehandelt, weswegen die Beklagte ihm auch die entsprechenden Fahrtkosten erstatten solle. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 14.06.2005 zurück. Die dagegen gerichtete Klage (S 00 AL 0/00) nahm der Kläger angesichts der Bestandskraft des Aufhebungsbescheides zurück.

Am 06.02.2006 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag und führte zur Begründung aus, er habe lediglich zwischen Weihnachten und Neujahr 2004 wegen krankheitsbedingten Mehranfalls 18 Stunden gearbeitet, in den Folgewochen jedoch nur 15 Stunden wöchentlich. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 09.05.2006 mit der Begründung ab, sie sei weder von einem falschen Sachverhalt ausgegangen noch habe sie das Recht unrichtig angewandt. Den am 09.06.2006 erhobenen Widerspruch wies sie mit Bescheid vom 21.06.2006 zurück.

Hiergegen richtet sich die am 20.07.2006 erhobene Klage.

Der Kläger führt aus, die Arbeitszeitüberschreitung zwischen Weihnachten und Neujahr 2004 stelle sich bei der notwendigen Gesamtschau als unbeachtlicher Ausnahmefall dar.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.05.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2006 zu verurteilen, den Bescheid vom 22.02.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2005 und den Bescheid vom 11.04.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten sind nicht rechtswidrig im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der bestandskräftigen Bescheide im Wege eines Überprüfungsverfahren.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist.

Die Rechtswidrigkeit des Aufhebungsbescheides (und darauf beruhend auch des Erstattungsbescheides) ist vom Kläger (den insoweit die materielle Beweislast trifft, vgl. Wiesner, in: von Wulffen, SGB X, 5. Aufl., 2005, § 44, Rn. 10) nicht hinreichend dargetan. Der Kläger hat in seiner erneuten Arbeitslosmeldung vom 24.02.2005 sowie im Widerspruch gegen den Aufhebungsbescheid vorgetragen, das Beschäftigungsverhältnis habe nur bis Ende Dezember 2004 gedauert. Im Widerspruch gegen den Erstattungsbescheid hat er sich sogar darauf berufen, es habe sich in Wahrheit um eine selbstbeschaffte Eingliederungsmaßnahme gehandelt, weswegen die Beklagte ihm auch die entsprechenden Fahrtkosten erstatten solle. Sein Arbeitgeber hat in der Arbeitsbescheinigung vom 01.03.2005 ausdrücklich von einem Ende der Beschäftigung zum 31.12.2004 gesprochen. Erst mit Stellung des Überprüfungsantrages hat der Kläger vorgetragen, das Beschäftigungsverhältnis habe über den 31.12.2004 hinaus angedauert. Zwar sprechen auch die (nach Bestandskraft des Aufhebungsbescheides eingeholten) Bescheinigungen über Nebeneinkommen seit März 2005 von einem Beginn der Beschäftigung am 20.12.2004, hieraus ergibt sich jedoch gerade angesichts einer früheren anderslautenden Arbeitsbescheinigung keine dauerhafte Beschäftigung, die es ermöglicht, die vom Kläger geforderte Gesamtbetrachtung vorzunehmen.

Weitere Sachverhaltsaufklärung brauchte das Gericht nicht vorzunehmen, denn im Übrigen steht auch § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB X dem klägerischen Anspruch entgegen. Hiernach gilt § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Hinsicht unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

So liegt es hier. Der Kläger hätte bereits bei seinem Widerspruch gegen den Aufhebungsbescheid erklären können, das Beschäftigungsverhältnis dauere noch an, ohne dass es zu weiteren Überschreitungen der Zeitgrenze gekommen sei. Stattdessen hat er sich im Widerspruchsverfahren jedoch gerade darauf berufen, das Beschäftigungsverhältnis sei lediglich ein Probearbeitsverhältnis gewesen, und später sogar erklärt, es habe sich um eine Eingliederungsmaßnahme gehandelt. Die Beklagte konnte diese Äußerungen - in Zusammenschau mit der nach erneuter Arbeitslosmeldung ausgestellten Arbeitsbescheinigung vom 01.03.2005 - nur so verstehen, dass die Beschäftigung inzwischen beendet war. Angesichts all dessen muss das Gericht (unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrags im jetzigen Verfahren) davon ausgehen, dass der Kläger bei seinen Angaben gegenüber der Beklagten die Fortdauer seiner Beschäftigung bewußt und gewollt verschwiegen hat. Er kann er sich insbesondere nicht darauf berufen, die Beklagte habe ihn nicht nach einer Fortdauer des Beschäftigungsverhältnisses gefragt. Auf Vorsatz hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der auf diesen Angaben beruhenden Entscheidung kommt es nicht an (Waschull, in: LPK-SGB X, § 44, Rn. 37).

Es kann weiterhin dahinstehen, ob § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB X eine Verweisung auf § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X enthält und somit der Behörde Ermessensen einräumt (zum Streitstand Wiesner, a.a.O., Rn. 15). Speziell für das Arbeitsförderungsrecht entnimmt das Gericht § 330 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III), dass die Beklagte bereits dann über kein Ermessen verfügt, wenn § 44 Abs. 1 SGB X dem Grunde nach einschlägig ist (zumindest ähnlich Niesel, in: Niesel, SGB III, 3. Aufl., 2005, § 330, Rn. 18). Im Übrigen spricht auch die Zusammenschau mit § 330 Abs. 2 und 3 SGB III für dieses Ergebnis. Es ist nicht einzusehen, wieso der Beklagten gerade in Fällen wie dem vorliegenden Ermessen eingeräumt sein soll, wenn das Gesetz es für andere Konstellationen, in denen der Betroffene die Rechtswidrigkeit einer behördlichen Entscheidung zu vertreten hat, ausdrücklich ausschließt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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