Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 165/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Aufnahme der von ihr unter der Marke Actonel® vertriebenen Präparate Actonel 30 und Actonel 5/35 in einer im Internet zugänglichen sog. "Me-Too"-Liste.
Am 21.11.2005 schloss die Antragsgegnerin mit den Krankenkassen gemäß § 84 SGB eine "Vereinbarung über das Arznei- und Verbandmittelausgabenvolumen für das Kalenderjahr 2006" (Rheinisches Ärzteblatt 1/2006, 82 ff.), nach welcher das Ausgabenvolumen auf den Betrag von 2,68 Mrd. EUR festgelegt wurde (§ 2). Eine Zielvereinbarung sieht die Erhöhung des durch den jeweiligen Vertragsarzt verursachten arztgruppenbezogenen Versorgungsanteils des Brutto-Generikaumsatzes am generikafähigen Markt um 5 Prozentpunkte und die Reduzierung des durch den jeweiligen Vertragsarzt verursachten arztgruppenbezogenen Versorgungsanteils der Me-Too-Präparate ohne relevanten höheren therapeutischen Nutzen, aber mit höheren Kosten, am Gesamtmarkt um 5 Prozentpunkte vor. Eine individuelle Verantwortlichkeit des einzelnen Vertragsarztes für die Überschreitung des vereinbarten Ausgabenvolumens 2006 tritt ein, wenn das vereinbarte Ausgabenvolumen insgesamt überschritten wird und der einzelne Vertragsarzt sein für das Kalenderjahr 2006 maßgebliches Richtgrößenvolumen überschritten hat und der einzelne Vertragsarzt mindestens einen der nach § 4 vereinbarten Zielwerte nicht erreicht hat. Eine Saldierung zwischen den einzelnen Zielwerten findet nicht statt (§ 7 Abs. 1). In diesem Falle erhalten die nordrheinischen Krankenkassen/-verbände gegenüber den einzelnen Vertragsärzten jeweils einen Zielerreichungsbeitrag in Höhe von 4 % des für das Kalenderjahr 2006 für den jeweiligen Vertragsarzt anerkannten GKV-Gesamthonorars (§ 7 Abs. 2). Einreden aufgrund von Ergebnissen der Bewertung hinsichtlich der Ursachen der Überschreitung des Ausgabenvolumens 2006 gegen den Bestand von Ansprüchen der Krankenkassen nach § 7 Abs. 2 sowie die Durchführung von Anspruchsprüfungen können nicht erhoben werden (§ 7 Abs. 3 der Vereinbarung). Eine Liste patentgeschützter Analogpräparate ("Me-Too-Liste") veröffentlicht die Antragsgegnerin auf ihrer Internet-Website (www.kvno.de/importiert/me too.pdf; aktueller Stand: 25.08.2006). Dort sind auch die Präparate Actonel 30 und Actonel 5/35 (Wirkstoff Risedronsäure, Arzneimittelgruppe Bisphosphonat) benannt.
Am 17.07.2006 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Darmstadt den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Mit Beschluss vom 21.07.2006 - S 0 AR 00/00 ER - hat sich dieses Gericht für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Düsseldorf verwiesen.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, es gebe bereits keine Ermächtigungsgrundlage, mit Hilfe der "Me-Too"-Liste den Absatz von Actonel 30 und Actonel 5/35 zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung auszuschließen. Diese Liste verletze zudem die Grundsätze der Transparenzrichtlinie 89/105/EWG und das Recht auf fairen Wettbewerb. Darüber hinaus stelle Actonel auch unter Zugrundelegung der Begriffsdefinitionen der Antragsgegnerin kein "Analogpräparat" dar und hätte bereits aus diesem Grunde nicht in die Liste aufgenommen werden dürfen. Würden die Vertragsärzte unter dem Druck der Sanktionen ihre Me-Too-Quote und damit auch den Actonel 30- und Actonel 5/35-Umsatz um die Hälfte reduzieren, bedeutete dies einen Umsatzverlust für den Bereich der KV Nordrhein von ca. 3,4 Mio. EUR.
Die Antragstellerin beantragt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes,
1. der Antragsgegnerin vorläufig zu untersagen, im Zusammenhang mit ihrer Arzneimittelvereinbarung 2006 in ihrer Liste patentgeschützter Analogpräparate Actonel 30 und Actonel 5/35 mit dem Wirkstoff Risedronsäure aufzuführen und die Liste in dieser Form den Vertragsärzten der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein in Schriftform oder auf ihrem Internet-Angebot zugänglich zu machen und
2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, alle ihre Vertragsärzte über die Herausnahme von Actonel 30 und Actonel 5/35 aus dieser Liste zu unterrichten.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag vom 13.07.2006 - Eingang bei ihr nach Verweisung durch das Sozialgericht Darmstadt am 27.07.2006 - zurückzuweisen.
Sie sieht weder Anordnungsgrund noch -anspruch.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war zurückzuweisen.
Rechtsgrundlage für die begehrte einstweilige Anordnung ist § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG. Hiernach sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Durch das am 02.01.2002 in Kraft getretene 6. SGG-Änderungsgesetz (BGBl. I, 2144 ff.) ist der einstweilige Rechtsschutz im SGG in Anlehnung an §§ 80 ff. VwGO geregelt worden. Dies rechtfertigt es, die zu §§ 80, 80a, 123 VwGO entwickelten Grundsätze auf das sozialgerichtliche Verfahren zu übertragen (LSG NRW, Beschluss vom 23.08.2002 - L 10 B 12/02 KA ER -; vgl. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 86b Rn. 12 ff.; Düring, in: Jansen (Hrsg.), SGG, Kommentar, Freiburg/Berlin 2003, § 86b Rn. 9). Danach entspricht es einer verfassungsrechtlich unbedenklichen verwaltungsgerichtlichen Praxis, die Gewährleistung vorläufigen Rechtsschutzes davon abhängig zu machen, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft macht (BVerfGE 79, 69, 74). Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren. Etwas anderes gilt nur dann, wenn dem ausnahmsweise überwiegende und besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfGE 93, 1 ff.). Andererseits sind die Gerichte angesichts der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nötigenfalls gehalten, Rechtsfragen nicht vertiefend zu behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung zu treffen (BVerfG NJW 1997, 479, 480; LSG NRW, Beschlüsse vom 17.04.2002 - L 11 KA 37/02 ER -, vom 16.04.2003 - L 10 B 2102 KA ER -).
Nach diesen Maßgaben besteht keine Veranlassung zum Erlass einer einstweiligen Anordnung. Es fehlt bereits an einem Anordnungsgrund, also der Notwendigkeit einer Eilbedürftigkeit der Angelegenheit.
Die Antragstellerin befürchtet zwar Umsatzrückgänge, die sie für den Bereich der Antragsgegnerin mit ca. 3,4 Mio. EUR beziffert. Unabhängig von der Frage, ob die den Vertragsärzten pauschal aufgegebene Verringerung der Me-Too-Quote um 5 Prozentpunkte tatsächlich dazu führen sollte, dass diese ihr Verordnungsverhalten gerade auf eine hälftige Reduzierung der Actonel-Präparate ausrichteten, begründete auch ein Umsatzrückgang von 3,4 Mio. EUR keinen Anordnungsgrund.
Die aus der Übernahme der S Q GmbH hervorgegangene Antragstellerin (http://www.QundH.de/unternehmen/standorte/X shtml) ist Teil eines weltweit tätigen Konzerns, der nach Firmenangaben im Bereich Pharma im Jahre 2004 einen weltweiten Umsatz von 1,525 Mrd. EUR und in Deutschland einen Umsatz von 61,4 Mio. EUR erzielt hatte (http://www.vfa.de/de/vfa/mitgliedsunternehmen/QundHpharma.html). Auch wenn man allein auf die Umsätze in Deutschland abstellen sollte, führte ein Umsatzrückgang von 3,4 Mio. EUR durch die Benennung von Actonel auf der "Me-Too"-Liste zu Umsatzeinbrüchen in der Größenordnung von nur ca. 5 %. Damit sind schwere und unzumutbare Nachteile nicht verbunden, sondern ist ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache, in der allen Rechtsfragen und tatsächlichen Gegebenheiten umfassend nachgegangen werden kann, zumutbar. Ggf. eintretende finanzielle Nachteile der Antragstellerin könnten im Übrigen durch Sekundäransprüche (Amtshaftungsansprüche) kompensiert werden.
Hinzu kommt, dass es ein besonderes Anliegen des Gesetzgebers ist, die Arzneimittelausgaben zu steuern. Im Jahre 2005 sind die Arzneimittelausgaben - bereinigt um die Rückführung des Herstellerrabatts - um rund 2,5 Mrd. EUR gestiegen (s. die Begründung zum Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung, BT-Drucks. 16/194, 6). In dieser Steigerung der Arzneimittelausgaben sieht der Gesetzgeber einen Verstoß sowohl gegen das Wirtschaftlichkeitsprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung als auch gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität (a.a.O.). Wie § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V zeigt, erwartet der Gesetzgeber auch ein sofortiges Reagieren der Kassenärztlichen Vereinigungen auf sich abzeichnende Überschreitungen des vereinbarten Ausgabenvolumens. Hiermit wäre nicht zu vereinbaren, wenn Steuerungsinstrumenten auch schon vorläufig ihre Wirkung genommen wird. Im Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung vom 26.04.2006 (BGBl. I, 984) hat der Gesetzgeber nunmehr in § 84 Abs. 7 a SGB V den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung aufgegeben, Durchschnittskosten je definierter Dosiereinheit auf Bundesebene zu vereinbaren, die Bestandteil der Vereinbarung nach § 84 Abs. 1 SGB V sind, wenn die nicht die regionalen Vertragspartner eine abweichende adäquate Regelung zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit Arzneimittelversorgung treffen (§ 84 Abs. 4 a SGB V i.d.F. des Gesetzes vom 26.04.2006). Der Gesetzgeber geht bei dieser Regelung von erheblichen Wirtschaftlichkeitsreserven insbesondere bei der therapiegerechten Auswahl von Wirkstoffen und Wirkstoffklassen aus. Dies zeigt die Bedeutung der Einhaltung der in der Arzneimittelvereinbarung getroffenen Wirtschaftlichkeitsziele. Die Erhaltung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Gemeinwohlbelang von hohem Rang (BVerfGE 68, 193, 218; 82, 201, 230). Von daher wiegt das Interesse der Antragsgegnerin an der Umsetzung der Arzneimittelvereinbarung und dem Erreichen der Wirtschaftlichkeitsziele schwer (LSG NRW, Beschlüsse vom 27.06.2006 - L 11 B 30/06 und 31/06 KA ER -). Besteht somit kein Anordnungsgrund, so bedurfte es keiner Prüfung des Anordnungsanspruchs mehr.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 183 SGG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des 6. SGG-ÄndG sowie § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 VwGO.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Aufnahme der von ihr unter der Marke Actonel® vertriebenen Präparate Actonel 30 und Actonel 5/35 in einer im Internet zugänglichen sog. "Me-Too"-Liste.
Am 21.11.2005 schloss die Antragsgegnerin mit den Krankenkassen gemäß § 84 SGB eine "Vereinbarung über das Arznei- und Verbandmittelausgabenvolumen für das Kalenderjahr 2006" (Rheinisches Ärzteblatt 1/2006, 82 ff.), nach welcher das Ausgabenvolumen auf den Betrag von 2,68 Mrd. EUR festgelegt wurde (§ 2). Eine Zielvereinbarung sieht die Erhöhung des durch den jeweiligen Vertragsarzt verursachten arztgruppenbezogenen Versorgungsanteils des Brutto-Generikaumsatzes am generikafähigen Markt um 5 Prozentpunkte und die Reduzierung des durch den jeweiligen Vertragsarzt verursachten arztgruppenbezogenen Versorgungsanteils der Me-Too-Präparate ohne relevanten höheren therapeutischen Nutzen, aber mit höheren Kosten, am Gesamtmarkt um 5 Prozentpunkte vor. Eine individuelle Verantwortlichkeit des einzelnen Vertragsarztes für die Überschreitung des vereinbarten Ausgabenvolumens 2006 tritt ein, wenn das vereinbarte Ausgabenvolumen insgesamt überschritten wird und der einzelne Vertragsarzt sein für das Kalenderjahr 2006 maßgebliches Richtgrößenvolumen überschritten hat und der einzelne Vertragsarzt mindestens einen der nach § 4 vereinbarten Zielwerte nicht erreicht hat. Eine Saldierung zwischen den einzelnen Zielwerten findet nicht statt (§ 7 Abs. 1). In diesem Falle erhalten die nordrheinischen Krankenkassen/-verbände gegenüber den einzelnen Vertragsärzten jeweils einen Zielerreichungsbeitrag in Höhe von 4 % des für das Kalenderjahr 2006 für den jeweiligen Vertragsarzt anerkannten GKV-Gesamthonorars (§ 7 Abs. 2). Einreden aufgrund von Ergebnissen der Bewertung hinsichtlich der Ursachen der Überschreitung des Ausgabenvolumens 2006 gegen den Bestand von Ansprüchen der Krankenkassen nach § 7 Abs. 2 sowie die Durchführung von Anspruchsprüfungen können nicht erhoben werden (§ 7 Abs. 3 der Vereinbarung). Eine Liste patentgeschützter Analogpräparate ("Me-Too-Liste") veröffentlicht die Antragsgegnerin auf ihrer Internet-Website (www.kvno.de/importiert/me too.pdf; aktueller Stand: 25.08.2006). Dort sind auch die Präparate Actonel 30 und Actonel 5/35 (Wirkstoff Risedronsäure, Arzneimittelgruppe Bisphosphonat) benannt.
Am 17.07.2006 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Darmstadt den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Mit Beschluss vom 21.07.2006 - S 0 AR 00/00 ER - hat sich dieses Gericht für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Düsseldorf verwiesen.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, es gebe bereits keine Ermächtigungsgrundlage, mit Hilfe der "Me-Too"-Liste den Absatz von Actonel 30 und Actonel 5/35 zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung auszuschließen. Diese Liste verletze zudem die Grundsätze der Transparenzrichtlinie 89/105/EWG und das Recht auf fairen Wettbewerb. Darüber hinaus stelle Actonel auch unter Zugrundelegung der Begriffsdefinitionen der Antragsgegnerin kein "Analogpräparat" dar und hätte bereits aus diesem Grunde nicht in die Liste aufgenommen werden dürfen. Würden die Vertragsärzte unter dem Druck der Sanktionen ihre Me-Too-Quote und damit auch den Actonel 30- und Actonel 5/35-Umsatz um die Hälfte reduzieren, bedeutete dies einen Umsatzverlust für den Bereich der KV Nordrhein von ca. 3,4 Mio. EUR.
Die Antragstellerin beantragt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes,
1. der Antragsgegnerin vorläufig zu untersagen, im Zusammenhang mit ihrer Arzneimittelvereinbarung 2006 in ihrer Liste patentgeschützter Analogpräparate Actonel 30 und Actonel 5/35 mit dem Wirkstoff Risedronsäure aufzuführen und die Liste in dieser Form den Vertragsärzten der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein in Schriftform oder auf ihrem Internet-Angebot zugänglich zu machen und
2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, alle ihre Vertragsärzte über die Herausnahme von Actonel 30 und Actonel 5/35 aus dieser Liste zu unterrichten.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag vom 13.07.2006 - Eingang bei ihr nach Verweisung durch das Sozialgericht Darmstadt am 27.07.2006 - zurückzuweisen.
Sie sieht weder Anordnungsgrund noch -anspruch.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war zurückzuweisen.
Rechtsgrundlage für die begehrte einstweilige Anordnung ist § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG. Hiernach sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Durch das am 02.01.2002 in Kraft getretene 6. SGG-Änderungsgesetz (BGBl. I, 2144 ff.) ist der einstweilige Rechtsschutz im SGG in Anlehnung an §§ 80 ff. VwGO geregelt worden. Dies rechtfertigt es, die zu §§ 80, 80a, 123 VwGO entwickelten Grundsätze auf das sozialgerichtliche Verfahren zu übertragen (LSG NRW, Beschluss vom 23.08.2002 - L 10 B 12/02 KA ER -; vgl. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 86b Rn. 12 ff.; Düring, in: Jansen (Hrsg.), SGG, Kommentar, Freiburg/Berlin 2003, § 86b Rn. 9). Danach entspricht es einer verfassungsrechtlich unbedenklichen verwaltungsgerichtlichen Praxis, die Gewährleistung vorläufigen Rechtsschutzes davon abhängig zu machen, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft macht (BVerfGE 79, 69, 74). Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren. Etwas anderes gilt nur dann, wenn dem ausnahmsweise überwiegende und besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfGE 93, 1 ff.). Andererseits sind die Gerichte angesichts der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nötigenfalls gehalten, Rechtsfragen nicht vertiefend zu behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung zu treffen (BVerfG NJW 1997, 479, 480; LSG NRW, Beschlüsse vom 17.04.2002 - L 11 KA 37/02 ER -, vom 16.04.2003 - L 10 B 2102 KA ER -).
Nach diesen Maßgaben besteht keine Veranlassung zum Erlass einer einstweiligen Anordnung. Es fehlt bereits an einem Anordnungsgrund, also der Notwendigkeit einer Eilbedürftigkeit der Angelegenheit.
Die Antragstellerin befürchtet zwar Umsatzrückgänge, die sie für den Bereich der Antragsgegnerin mit ca. 3,4 Mio. EUR beziffert. Unabhängig von der Frage, ob die den Vertragsärzten pauschal aufgegebene Verringerung der Me-Too-Quote um 5 Prozentpunkte tatsächlich dazu führen sollte, dass diese ihr Verordnungsverhalten gerade auf eine hälftige Reduzierung der Actonel-Präparate ausrichteten, begründete auch ein Umsatzrückgang von 3,4 Mio. EUR keinen Anordnungsgrund.
Die aus der Übernahme der S Q GmbH hervorgegangene Antragstellerin (http://www.QundH.de/unternehmen/standorte/X shtml) ist Teil eines weltweit tätigen Konzerns, der nach Firmenangaben im Bereich Pharma im Jahre 2004 einen weltweiten Umsatz von 1,525 Mrd. EUR und in Deutschland einen Umsatz von 61,4 Mio. EUR erzielt hatte (http://www.vfa.de/de/vfa/mitgliedsunternehmen/QundHpharma.html). Auch wenn man allein auf die Umsätze in Deutschland abstellen sollte, führte ein Umsatzrückgang von 3,4 Mio. EUR durch die Benennung von Actonel auf der "Me-Too"-Liste zu Umsatzeinbrüchen in der Größenordnung von nur ca. 5 %. Damit sind schwere und unzumutbare Nachteile nicht verbunden, sondern ist ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache, in der allen Rechtsfragen und tatsächlichen Gegebenheiten umfassend nachgegangen werden kann, zumutbar. Ggf. eintretende finanzielle Nachteile der Antragstellerin könnten im Übrigen durch Sekundäransprüche (Amtshaftungsansprüche) kompensiert werden.
Hinzu kommt, dass es ein besonderes Anliegen des Gesetzgebers ist, die Arzneimittelausgaben zu steuern. Im Jahre 2005 sind die Arzneimittelausgaben - bereinigt um die Rückführung des Herstellerrabatts - um rund 2,5 Mrd. EUR gestiegen (s. die Begründung zum Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung, BT-Drucks. 16/194, 6). In dieser Steigerung der Arzneimittelausgaben sieht der Gesetzgeber einen Verstoß sowohl gegen das Wirtschaftlichkeitsprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung als auch gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität (a.a.O.). Wie § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V zeigt, erwartet der Gesetzgeber auch ein sofortiges Reagieren der Kassenärztlichen Vereinigungen auf sich abzeichnende Überschreitungen des vereinbarten Ausgabenvolumens. Hiermit wäre nicht zu vereinbaren, wenn Steuerungsinstrumenten auch schon vorläufig ihre Wirkung genommen wird. Im Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung vom 26.04.2006 (BGBl. I, 984) hat der Gesetzgeber nunmehr in § 84 Abs. 7 a SGB V den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung aufgegeben, Durchschnittskosten je definierter Dosiereinheit auf Bundesebene zu vereinbaren, die Bestandteil der Vereinbarung nach § 84 Abs. 1 SGB V sind, wenn die nicht die regionalen Vertragspartner eine abweichende adäquate Regelung zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit Arzneimittelversorgung treffen (§ 84 Abs. 4 a SGB V i.d.F. des Gesetzes vom 26.04.2006). Der Gesetzgeber geht bei dieser Regelung von erheblichen Wirtschaftlichkeitsreserven insbesondere bei der therapiegerechten Auswahl von Wirkstoffen und Wirkstoffklassen aus. Dies zeigt die Bedeutung der Einhaltung der in der Arzneimittelvereinbarung getroffenen Wirtschaftlichkeitsziele. Die Erhaltung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Gemeinwohlbelang von hohem Rang (BVerfGE 68, 193, 218; 82, 201, 230). Von daher wiegt das Interesse der Antragsgegnerin an der Umsetzung der Arzneimittelvereinbarung und dem Erreichen der Wirtschaftlichkeitsziele schwer (LSG NRW, Beschlüsse vom 27.06.2006 - L 11 B 30/06 und 31/06 KA ER -). Besteht somit kein Anordnungsgrund, so bedurfte es keiner Prüfung des Anordnungsanspruchs mehr.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 183 SGG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des 6. SGG-ÄndG sowie § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 VwGO.
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