L 5 B 1311/05 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 63 AS 5905/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 B 1311/05 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. November 2005 wird zurückgewiesen. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwältin M B wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten noch um die Übernahme von Mietschulden.

Die seit dem 01. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) beziehenden, 1954 bzw. 1964 geborenen Antragsteller bewohnen gemeinsam mit dem im Oktober 1973 geborenen Sohn der Antragstellerin zu 1.), P M, die Wohnung N Straße. Bis zum 31. März 2005 überwies die Antragsgegnerin die komplette Miete für die genannte Wohnung an die zuständige Hausverwaltung. Mit Bescheid vom 22. Februar 2005 informierte sie die Antragstellerin zu 1.), dass der dritte Miet-/Heizkostenanteil aus der Akte ihres Sohnes ausgezahlt werde und dieser seinen Miet-/Heizkostenanteil an die Hausverwaltung überweisen müsse. Im Übrigen erkannte sie für die Antragsteller die Regelsätze in Höhe von je 311,00 EUR an und berücksichtigte bei der Antragstellerin zu 1.) das ihr von der Bundesagentur für Arbeit seit dem 01. Januar 2005 für 534 Kalendertage in Höhe von täglich 7,86 EUR (Leistungsbetrag) gewährte Arbeitslosengeld I.

Am 01. April 2005 kam der Antragsteller zu 2.) in Untersuchungshaft. Mit Bescheid vom 01. Juli 2005 gewährte die Antragsgegnerin der Antragstellerin zu 1.) daraufhin ab demselben Tage bis zum 30. November 2005 unter Berücksichtigung ihres Einkommens (Arbeitslosengeld I) die Regelleistung für den Haushaltsvorstand in Höhe von 345,00 EUR sowie die Hälfte der anfallenden Kosten für Unterkunft und Heizung.

Am 12. Juli 2005 hat die Antragstellerin zu 1.) beim Sozialgericht Berlin sinngemäß beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr ab dem 01. Juli 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 857,00 EUR abzgl. tatsächlich gezahlter 235,80 EUR zu gewähren. Ihr stehe der Regelsatz des Haushaltsvorstandes in Höhe von 345,00 EUR sowie die volle Miete von 512,00 EUR zu. Einkommen sei zu Unrecht abgezogen worden. Sie habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I. Weiter hat sie die – jedenfalls darlehensweise - Auszahlung von 473,11 EUR an ihren Vermieter begehrt. In dieser Höhe seien Mietrückstände aufgelaufen.

Mit Bescheid vom 25. August 2005 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin zu 1.) ab dem 01. April 2005 für die Dauer der Inhaftierung des Antragstellers zu 2.) den Regelsatz für Alleinstehende in Höhe von 345,00 EUR und wieder den Mietanteil des Antragstellers zu 2.). Nachdem die Beteiligten das Verfahren daraufhin übereinstimmend als teilweise erledigt betrachtet hatten, hat das Sozialgericht Berlin den verbleibenden Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Mietschulden der Antragsteller in Höhe von 473,11 EUR durch Überweisung an den Vermieter zu übernehmen, hilfsweise dieselbe Leistung als Darlehen zu erbringen, mit Beschluss vom 17. November 2005 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass dahinstehen könne, ob für das Begehren im SGB II abgesehen von dem nicht einschlägigen § 22 Abs. 5 SGB II überhaupt eine Anspruchsgrundlage existiere. Denn jedenfalls sei ein Anordnungsgrund nicht mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Es sei bereits zweifelhaft, ob überhaupt die gesetzlichen Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a) des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorlägen, nachdem die Antragsteller auf die vom Vermieter geltend gemachten Mietschulden in Höhe von 923,11 EUR eine Zahlung in Höhe von 450,00 EUR geleistet hätten. Denn danach liege ein zur fristlosen Kündigung berechtigender wichtiger Grund nur dann vor, wenn der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug sei. Gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB sei der rückständige Teil der Miete nur dann als nicht unerheblich im Sinne der vorgenannten Vorschrift anzusehen, wenn er die Miete für einen Monat übersteige. Die derzeitige Miete betrage 512,00 EUR, so dass die noch offene Forderung von 473,11 EUR nicht zur Kündigung berechtigte. Jedenfalls aber hätten die Antragsteller nicht alle zur Verfügung stehenden Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft. Dazu gehöre nämlich auch, sich bei dem Gläubiger zunächst auch um eine angemessene Ratenzahlungsvereinbarung unter Beibehaltung des Mietverhältnisses zu bemühen.

Gegen diesen ihnen am 22. November 2005 zugestellten Beschluss richtet sich die am 23. November 2005 eingelegte Beschwerde der Antragsteller, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgen und die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beantragen. Das SGB II enthalte in § 23 Abs. 1 Satz 1 eine Anspruchsgrundlage für die Übernahme von Mietschulden. Weiter sei eine Übernahme des Mietanteils des Antragstellers zu 2.) in Betracht zu ziehen. Im Übrigen sei mit der Hausverwaltung der Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung nicht möglich, da diese als profitorientierte Hausverwaltung ausländischer Investoren entsprechend handeln müsse. Es sei daher als löblich und eher zufällig anzusehen, dass sie das Mietverhältnis noch nicht gekündigt habe, zumal der Vermieter das Mietverhältnis jedenfalls fristgerecht wegen unregelmäßiger bzw. nicht vollständiger Mietzinszahlungen kündigen könne. Diese Möglichkeit gefährde das Mietverhältnis akut und gewähre einen Anordnungsgrund.

Mit Bescheid vom 10. November 2005 hat die Antragsgegnerin, die der Antragstellerin zu 1.) zwischenzeitlich weiter Leistungen einschließlich des Mietanteils des Antragstellers zu 2.) bis zum 31. Mai 2006 gewährt hat, die Übernahme der Mietrückstände abgelehnt. Die Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II lägen nicht vor, da keine Beschäftigung konkret in Aussicht stehe, deren Aufnahme durch Obdachlosigkeit verhindert werden könnte. Hingegen könnten die Voraussetzungen nach §§ 5 Abs. 2 SGB II und 34 des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XII) vorliegen, so dass ein entsprechender Antrag beim zuständigen Bezirksamt – Abteilung Sozialwesen – nahe gelegt werde.

II.

1.) Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. November 2005 ist gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, konnte in der Sache jedoch keinen Erfolg haben.

Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin ihren Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihre Mietschulden in Höhe von 473,11 EUR durch Überweisung an den Vermieter zu übernehmen, hilfsweise dieselbe Leistung als Darlehen zu erbringen, abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Senat vermag weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch zu erkennen. Hinsichtlich der Eilbedürftigkeit wird insoweit auf die überzeugenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss Bezug genommen, denen der Senat sich nach eigener Prüfung zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt insoweit keine andere Entscheidung. Ob die für die Wohnung der Antragsteller zuständige Hausverwaltung profitorientiert handelt oder nicht, ist gänzlich irrelevant. Entscheidend ist, dass auch sie an die gesetzlichen Kündigungsvoraussetzungen gebunden ist, sodass das Zuwarten mit einer fristlosen Kündigung kaum auf ein besonders löbliches oder zufälliges Verhalten, sondern vielmehr auf eine realistische Einschätzung der rechtlichen Kündigungsvoraussetzungen zurückzuführen sein dürfte. Das theoretische Drohen einer fristgerechten Kündigung vermag hingegen keine besondere Eilbedürftigkeit zu rechtfertigen.

Insbesondere aber ist zur Überzeugung des Senats auch kein Anordnungsanspruch ersichtlich. Es ist nicht davon auszugehen, dass den Antragstellern im Hauptsacheverfahren gegen die Antragsgegnerin voraussichtlich ein Anspruch auf Übernahme der Mietschulden in Höhe von 473,11 EUR zugesprochen werden wird. Soweit die Antragsteller offenbar meinen, dass die Antragsgegnerin nicht die ihnen nach § 22 Abs. 1 SGB II zustehenden Kosten für Unterkunft und Heizung gewährt hat, trifft dies nicht zu. Von dem aktuellen Mietzins in Höhe von 512,80 EUR übernimmt die Antragsgegnerin 354,05 EUR, mithin gut zwei Drittel. Ein weitergehender Anspruch steht den Antragstellern nicht zu. Ihre Ausführungen zur angeblich unberechtigten Kürzung gehen an der Sache vorbei. Hier sind die Kosten für Unterkunft und Heizung nicht wegen Unangemessenheit gekürzt worden. Vielmehr ist die nicht vollumfängliche Übernahme der Kosten zugunsten der beiden Antragsteller allein darauf zurückzuführen, dass sie die Wohnung nicht alleine bewohnen, sondern zusammen mit dem volljährigen Sohn der Antragstellerin zu 1.), P M, in einer Haushaltsgemeinschaft leben. Der verbleibende (dritte) Mietanteil ist daher aus den diesem - ebenfalls durch die Antragsgegnerin – gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu zahlen, worauf die Antragsteller bereits mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Februar 2005 hingewiesen worden waren.

Auch steht den Antragstellern kein weitergehender Mietanteil für den Antragsteller zu 2.) zu, da die Antragsgegnerin dessen Mietanteil seit Beginn seiner Untersuchungshaft am 01. April 2005 übernommen hat. Warum hier gleichwohl ein weitergehender Anspruch bestehen sollte, ist weder nachvollziehbar dargetan noch sonst ersichtlich.

Da ein Anspruch mithin nicht aus § 22 Abs. 1 SGB II folgen kann, käme allein § 22 Abs. 5 SGB II in Betracht, dessen Voraussetzungen jedoch offensichtlich aus den Gründen des Bescheides der Antragsgegnerin vom 10. November 2005 nicht vorliegen.

Soweit die Antragsteller schließlich meinen, ein Anspruch ließe sich aus § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II herleiten, kann ihnen nicht gefolgt werden. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II kann die Agentur für Arbeit dann, wenn im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes weder durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 noch auf andere Weise gedeckt werden kann, bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung erbringen und dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen gewähren. Voraussetzung für die Anerkennung eines "abweichenden Bedarfs" ist mithin, dass es sich um einen von der Regelleistung umfassten Bedarf handelt. Dazu zählen die Leistungen nach den §§ 21, 22, 23 Abs. 3 und insbesondere aufgrund der Regelung des § 5 Abs. 2 SGB II die nach § 34 SGB XII zu gewährenden Darlehen bei Mietschulden nicht. Die Übernahme von Mietschulden – auch als Darlehen – kann daher nicht auf § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II gestützt werden. Zu Recht hat die Antragsgegnerin die Antragsteller mithin in ihrem Bescheid vom 10. November 2005 darauf verwiesen, einen Antrag beim zuständigen Bezirksamt - Abteilung Sozialwesen – zu stellen.

2.) Da die Beschwerde von Anfang keine hinreichende Erfolgsaussicht hatte, war auch die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin B abzulehnen (§ 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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