S 8 KR 387/04

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Leipzig (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 8 KR 387/04
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Tätigkeit einer hauswirtschaftliche Familienbetreuerin, die nicht nur für einen Pflegedienst tätig ist, ist regelmäßig als selbstständig zu bewerten.
I. Der Bescheid vom 19.12.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2004 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, festzustellen, dass die Klägerin ab 25.03.2002 als selbstständige Auftragnehmerin tätig geworden ist.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Der Streitwert wird auf 5000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist eine Statusfeststellung.

Die ... Klägerin nahm zunächst eine Reisegewerbetätigkeit auf. Durch Be-scheid vom 12.10.1999 befreite sie die Bundesknappschaft rückwirkend ab 01.01.1999 von der Rentenversicherungspflicht. Ab 25.03.2002 übte die Klägerin eine Tätigkeit in der hauswirtschaftlichen Familienbetreuung aus.

Am 28.03.2002 beantragte sie bei der Beklagten die Statusfeststellung. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis liege nicht vor, weil sie frei in der Entscheidung sei, wo, wann und bei wem sie einen Auftrag annehme.

Unter dem 30.07.2002 hörte die Beklagte sie zur beabsichtigten Feststellung eines abhän-gigen, und damit sozialversicherungspflichtigen, Beschäftigungsverhältnisses zu der Bei-geladenen, die einen privaten Pflegedienst betreibt, an.

Nach Stellungnahmen der Klägerin und der Beigeladenen stellte die Beklagte mit Bescheid vom 19.12.2002 die Versicherungspflicht der Klägerin in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung fest. Sie sei in die Arbeitsorganisation der Auftraggeberin, der Beigeladenen, eingebunden und unterliege deren Weisungen, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit sowie Art und Weise der Durchführung betreffend. Es bestehe daher ein persön-liches Abhängigkeitsverhältnis als hauswirtschaftliche Betreuerin und Pflegekraft.

Hiergegen legte die Klägerin am 14.01.2003 Widerspruch ein. Weder unterliege sie den Weisungen der Beigeladenen, noch bestehe zu dieser ein dauerhaftes Vertragsverhältnis.

Auch die Beigeladene legte gegen den ihr mit Schriftsatz vom 23.01.2003 bekannt gegebe-nen Bescheid am 27.01.2003 Widerspruch ein. Sie erteile keine Vorgaben an ihre Auftrag-nehmer. Teilweise seien der Auftragnehmerin auf Nachfrage, teilweise auch auf ihre Initia-tive hin, Aufträge angeboten worden. Sie gebe vorab Informationen über den Auftrag. Die Auftragnehmerin habe die Kunden selbst aufsuchen und sich ein Bild von der Lage ma-chen können. Sie sei in der Auftragsannahme frei gewesen, ohne dass Weisungen bei Ausübung der Tätigkeit erteilt worden seien. Diese richte sich vielmehr aus an den Bedürf-nissen der Kunden, wobei die Auftragnehmerin ihre Arbeitszeit frei einteilen und eigene Angestellte oder Vertreter habe einsetzen und die Höhe der Honorare habe nachverhandeln können.

Durch Widerspruchsbescheid vom 18.06.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Maßgeblich sei das Kriterium der persönlichen Abhängigkeit. Der äußere Rahmen werde hierbei von der Beigeladenen gesetzt, so dass die Klägerin in deren Arbeitsorganisation eingegliedert sei. Eine eigentliche Erhebung und Preiskalkulation finde nicht statt, weil sie keine eigene Abrechnung erteile. Sie habe auch keine eigenen Angestellten. Weder komme ihr unternehmerische Gestaltungsfreiheit zu, noch trage sie ein Unternehmerrisiko. Viel-mehr unterliege sie wegen ihrer Dokumentationspflicht der Kontrolle der Beigeladenen.

Die Klägerin hat deswegen am 08.07.2004 Klage zum Sozialgericht Leipzig erhoben. An-gebote der Beigeladenen würden ihr lediglich telefonisch unterbreitet, wobei sie die Mög-lichkeit habe, jederzeit selbstständig andere Aufträge anzunehmen. Sie sei deswegen nicht von der Beigeladenen abhängig. Im Übrigen werde der Gleichheitsgrundsatz verletzt, weil die Beklagte Personen, die die gleiche Tätigkeit ausübten, von der Versicherungspflicht befreit habe. Auf Anfrage des Gerichtes legte sie Rechnungen der Beigeladenen sowie weitere Belege vor.

Durch Beschluss vom 13.09.2004 hat das Gericht den privaten Pflegedienst, zu dem ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestanden haben soll, zum Verfahren notwendig bei-geladen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 19.12.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, festzustellen, dass sie ab 25.03.2002 als selbstständige Auftragnehmerin tätig geworden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene beantragt,

den Bescheid vom 19.12.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, festzustellen, dass ab 25.03.2002 kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu der Beigeladenen bestan-den hat.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Aktenin-halt, eine Gerichtsakte sowie ein Verwaltungsvorgang der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid vom 19.12.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2004 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten; denn die Beklagte hat zu Unrecht ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis der Klägerin zu der Beigela-denen festgestellt. Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V besteht Versicherungspflicht im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung für Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Gesetzlich rentenversichert sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Da eine gesetzgeberische Definition des Begriffs der "Beschäftigung" im Recht der Renten- wie auch der Krankenversicherung fehlt, ist auf § 7 SGB IV sowie zur Klärung der beitragspflichtigen Beschäftigung im Rahmen der Arbeitslosenversicherung auf §§ 24 f Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) zurückzugreifen (wie hier: Sächsi-sches LSG, Urteil vom 02.03.2000, Az: L 1 KR 1/99). Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist Be-schäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. An-haltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Einglie-derung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IV).

Das Merkmal der "Beschäftigung" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der durch die Ge-richte auszulegen ist (Seewald, in: Kass. Komm., Stand: 4/99, § 7 SGB IV Rdnr. 2). Hier-bei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber den unselbstständig Erwerbstätigen den Schutz der Sozialversicherung zwangsweise zugute kommen lassen will. Entscheidend ist die Abgrenzung zwischen den Merkmalen, die für eine Selbststän-digkeit sprechen, zu denen, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und damit für eine Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversi-cherung sprechen. Weist eine Tätigkeit sowohl Merkmale für eine Abhängigkeit als auch für eine Selbstständigkeit auf, ist festzustellen, welche Merkmale überwiegen. Dabei sind die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Hierbei ist maßgebend stets das Ge-samtbild der jeweiligen Arbeitsleistung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung (BSG, NJW 1994, 2974; E 45, 199 (200)).

Da das Gesamtbild entscheidend ist, kann nur eine Gesamtbetrachtung der vorliegenden Merkmale in Betracht kommen. Das heißt, es lässt - für sich betrachtet - nur ein einziges Merkmal keine sichere Abgrenzung zu. Entscheidend sind vielmehr die Umstände des Ein-zelfalles, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Vordergrund steht. Diese tritt allerdings zurück, wenn die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend davon abweichen (BSG, Urteil vom 30.01.1999, Az: 10 RAr 6/95). Denn nach dem Grundsatz der "Tatsächlichkeit" (Hes-sisches LSG, Urteil vom 30.11.20000, Az: L 14 KR 777/97) kommt es zur Beurteilung der Frage, ob sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten vorliegen, nicht auf den subjektiven Willen der Beteiligten an, sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall. Die einzelnen Merkmale sind somit im Rahmen einer vorzunehmenden Gesamtbetrachtung zusammenzutragen und zu gewichten (vgl. auch: BSG SozR 2200 § 1227 Nr. 4, 8; SG Leipzig, Urteil vom 05.07.2001, Az: S 8 KR 59/99).

Für den Bereich der Arbeitslosenversicherung zur Abgrenzung von Arbeitnehmern und Selbstständigen hat das Bundessozialgericht auf die Vorschriften über die Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung verwendeten Merkmale Bezug genommen (BSG SozR 4100, § 141 b Nr. 41 S. 156). Danach ist Arbeitnehmer, wer als Arbeiter oder Angestellter gegen Entgelt beschäftigt ist (BSG, Urteil vom 30.01.1997, Az: 10 RAr 6/95). Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittel-bar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Steuerfreie Aufwandsentschädigungen und die in § 3 Nr. 26 des Einkommenssteuergesetzes genannten steuerfreien Einnahmen gelten nicht als Arbeitsentgelt.

Es muss sich danach um eine nichtselbstständige Beschäftigung, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, handeln (BSG SozR 3-4100, § 168 Nr. 18). Die Rechtsprechung hat hierzu als weitere Abgrenzungskriterien entwickelt: Die persönliche Abhängigkeit von einem Arbeitgeber, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Arbeitnehmer in den Betrieb eingegliedert ist und dem Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitstätigkeiten unterworfen ist (BSG SozR 3-2400, § 7 Nr. 4). Dieses Wei-sungsrecht kann indes - vor allem bei Diensten höherer Art - dergestalt eingeschränkt sein, dass es zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert ist (BSGE 16, 289 (294)). Selbstständige Tätigkeit wird demgegenüber durch das Unternehmerrisiko und das Recht und die Möglichkeit bestimmt, über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und über Arbeitszeit frei zu verfügen (BSGE 38, 53 ff (58); 51, 164 ff (167)). Nach der Rechtsprechung des BSG ist darauf abzustellen, welche Merkmale bei einer Gesamtbe-trachtung überwiegen (SozR 2200 § 1227 Nr. 4, 8), d. h. es müssen alle Umstände des Ein-zelfalles festgestellt, gegeneinander abgewogen und gewichtet werden.

Unter Beachtung dieser Grundsätze und in Abwägung der Umstände des Einzelfalles überwiegen hier die für eine Selbstständigkeit sprechenden Umstände. Die Klägerin war im Zeitraum ab 25.03.2002 bei der Beklagten nicht abhängig beschäftigt und unterlag da-mit nicht der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht, §§ 7 Abs. 1, 7a Abs. 7, 2. Alternati-ve Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV).

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, der ab 01.01.1999 gilt, ist Anhaltspunkt für eine abhän-gige Beschäftigung eine Beschäftigung nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Handelsgesetzbuch (HGB) gilt als selbstständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Wie aufgezeigt, gelten insbesondere als Kriterien die persön-liche Abhängigkeit und Eingliederung in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation, der Umfang der persönlichen Weisungsgebundenheit nach Inhalt, Durchführung, Ort, Zeit und Dauer der Tätigkeit sowie das persönliche Unternehmerrisiko.

Stellt man auf die vertraglichen Vereinbarungen ab, haben Klägerin und Beigeladene kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vereinbart. Vielmehr war das vertragliche Verhältnis zwischen Klägerin und Beigeladener derart gestaltet, dass die Klägerin entweder auf eige-ne Initiative oder auf Initiative der Beigeladenen Aufträge angenommen oder abgelehnt hat. Demzufolge haben die Beteiligten – ausweislich der beigefügten Rechnungen – bei Auftragsannahme ein "Honorar" und keinen Arbeitslohn vereinbart. Dies lässt auf den ü-bereinstimmenden vertraglichen Willen beider schließen, die Klägerin nicht als abhängig Beschäftigte einzustellen. Es statuiert in hinreichender Weise den Vertragswillen der Par-teien, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu begründen. Auf Nachfrage des Vorsitzenden im Termin zur mündlichen Verhandlung führte die Klägerin diesbezüglich aus, dass sie noch während ihrer Ausbildung an der Akademie die Adresse der Beigeladenen erfahren habe. Mit dieser war sie dann zur Gewinnung von Aufträgen in Kontakt getreten.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht nach dem Grundsatz der "Tatsächlichkeit" (Hessi-sches LSG, a.a.O.). Vielmehr stimmen vertragliche Vereinbarungen und die Verhältnisse des Einzelfalles überein. Der Einsatz von Betriebsmitteln der Beigeladenen, wie beispiels-weise die Nutzung eines Firmen-Personenkraftwagens, war mit der Auftragsannahme nicht verbunden. Anders als Arbeitnehmer war sie insoweit weder in dessen sächliche Be-triebsorganisation eingebunden, noch wegen dessen wirtschaftlicher Macht und Überle-genheit von ihm wirtschaftlich abhängig. Die Klägerin hat indes außer der eigenen Ar-beitskraft auch keine nennenswert eigenen Sachmittel angeboten (vgl. dazu: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.01.2004, Az: L 4 KR 3083/02 zu einem als Aushilfe beschäf-tigten Busfahrer). Dies steht der Begründung von Selbstständigkeit jedoch nicht entgegen; denn bei derartigen Dienstleistungen in der Hauswirtschaft ist grundsätzlich kein nennens-werter eigener Einsatz von Sachmitteln erforderlich. Die Beigeladene weist zu Recht dar-auf hin, dass – wenn generell für eine Tätigkeit kein erheblicher Kapitaleinsatz erforderlich ist - auf diesen auch nicht als Unterscheidungskriterium abgestellt werden kann. Im Übri-gen ist das Unternehmerrisiko nicht zu verstehen als bloßes Kapitalrisiko; anderenfalls würde man vielen freiberuflichen Tätigkeiten nicht gerecht. Vielmehr genügt es, dass auf eigene Rechnung und Gefahr gearbeitet wird, und die Höhe der Einnahmen im Wesentli-chen durch die Steigerung der eigenen Arbeitsleistung beeinflusst wird. Die Vergütung erfolgt hier vorrangig nach Tagessätzen, ohne feststehendes Grundgehalt, zuzüglich Aus-lagenpauschale und evtl. Zulagen. Die Klägerin kann somit selbst bestimmen, wie viel sie arbeitet und verdient. Sie unterliegt dem Risiko, im Krankheitsfall nicht bezahlt zu werden. Des Weiteren muss sie das wirtschaftliche Risiko tragen, wenn bei mangelnder Nachfrage Pflegeleistungen und damit Einnahmemöglichkeiten entfallen.

Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Klägerin hinsichtlich Zeit, Ort und äußerem Rahmen der Tätigkeit Bindungen der Beigeladenen unterliege. Denn die hauswirtschaftliche Versorgung ist nur dann reibungslos durchführbar, unabhän-gig davon, ob unternehmerisches Handeln oder abhängige Beschäftigung vorliegt, wenn die Vielfalt der Aktivitäten der Beigeladenen, die quasi als "Vermittlungsstelle" für Betreuungsleistungen tätig ist, gesamtplanerisch in räumlicher und zeitlicher Hinsicht bei den zu erbringenden Pflegeleistungen aufeinander abgestimmt sind. Diese Organisations-gewalt der Beigeladenen ist somit nicht zu verstehen im Sinne der Ausübung eines Wei-sungsrechts, zumal die potenziellen Auftragnehmer frei sind in ihrer Entscheidung, ob sie den Auftrag annehmen. Nach den unbestrittenen und glaubhaften Ausführungen des Herrn B ... von der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung werden im Gespräch mit den potenziellen Auftragnehmern Einzelheiten der zu Betreuenden bekannt gegeben. Manche Hauwirtschafterinnen lehnen Aufträge auch ab, weil sie keine dementen Personen betreuen wollen. Stellt sich nach Annahme des Auftrages heraus, dass die Pflegeleistung aufwändi-ger ist, als zuvor zwischen Auftragnehmer und Beigeladener vereinbart, kommt es gegebe-nenfalls zu Preis-Nachverhandlungen. Im Übrigen profitiert die Klägerin insoweit von der Organisation der Beigeladenen; denn erst die Verschaffung von Informationen über den Kunden erlaubt es ihr, ihren Auftrag ordnungsgemäß zu erfüllen.

Für eine Arbeitnehmereigenschaft spricht auch nicht, dass die Klägerin ihre Tätigkeit do-kumentieren muss. Die Dokumentationspflicht stellt keinen Eingriff in die Berufsaus-übung der Klägerin dar, weil hierdurch nicht in Form konkreter Weisungen der Inhalt der Tätigkeit vorgeschrieben wird. So hat der Herr B ...nachvollziehbar ausgeführt, dass sein Unternehmen nicht als einzige Pflegestelle zuständig ist. Mithin besteht die Notwendigkeit, andere Sozialdienste von den Tätigkeiten ihrer Auftragnehmer zu unterrichten, beispiels-weise über die Tabletteneinnahme der betreuten Person. Die aus der Dokumentations-pflicht resultierende mögliche Kontrollbefugnis dient deshalb nicht der Überwachung der Tätigkeit der Auftragnehmer, sondern der Sicherstellung des Erfolges, ohne dass dieses "Kontrollrecht" eine Bewertung der Tätigkeit oder gar eine Anweisung beinhaltet.

Zu Recht weist die Beigeladene darauf hin, dass die Klägerin auch nach außen hin nicht als deren Mitarbeiterin auftritt. Sie tritt vielmehr im eigenen Namen am Markt auf und über-nimmt – wie gerichtlich nachgewiesen – auch anderweitige Pflegeaufträge, unabhängig von der Beigeladenen. Sie ist nach eigenen Angaben im Termin zur mündlichen Verhand-lung nicht ausschließlich von der Vermittlung von Pflegeaufträgen durch die Beigeladene abhängig. Wichtiges Indiz hierfür ist, dass sie nicht nur auf eigene Initiative, sondern auch von verschiedenen Unternehmen, die in diesem Dienstleistungssektor tätig sind, Aufträge entgegennimmt. Das Fehlen einer Ausschließlichkeitsvereinbarung versetzt sie damit in die Lage, auch für andere Auftraggeber in selbstständiger Weise tätig zu werden. Von dieser Möglichkeit hat sie offensichtlich Gebrauch gemacht, weil ihr unternehmerisches Konzept die Zusammenarbeit mit mehren Auftraggebern beinhaltet. Auch dies spricht für die An-nahme einer selbstständigen Tätigkeit (wie hier: SG Frankfurt, NZS 2005, 379 ff.), zumal sie steuerrechtlich als Selbstständige behandelt wird. Anders als bei Arbeitnehmern üblich, hat die Klägerin keinerlei Anspruch auf Urlaub, geschweige denn Urlaubsgeld.

Dem steht auch nicht § 32 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) entgegen. Danach sind privatrechtliche Vereinbarungen, die zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten von Vorschriften dieses Gesetzbuchs abweichen, nichtig. Ein derartiger Nachteil ist hier jedoch nicht ersichtlich. Ein Missbrauch läge nur dann vor, wenn sie durch keinen sachlichen Grund gerechtfertigt wäre. Hier gibt es indes sowohl betriebliche als auch ökonomische Gründe für beide Vertragsparteien, sich nicht langfristig arbeitsvertraglich zu binden. Es besteht ein berechtigtes ökonomisches (betriebswirtschaftliches) Interesse der Klägerin, neben der Beigeladenen auch von anderen Unternehmen oder Privatpersonen Aufträge entgegenzunehmen. Wenn andererseits die Klägerin tatsächlich im Arbeitsumfang auf das von der Beigeladenen angebotene Arbeitspensum beschränkt sein sollte, begründet dies ein allgemeines Risiko, das jeder Selbstständige auf dem freien Arbeitsmarkt auch zu tragen hat, zumal es ihr nicht verwehrt bleibt, gegebenenfalls weitere Aufträge anzunehmen und dadurch ihre Einnahme-Basis zu verbreitern. Ferner ist ein wirtschaftliches Interesse von Klägerin und Beigeladener, sich arbeitsvertraglich langfristig zu binden, weder dargetan, noch erkennbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) genannten Personen, werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sind entsprechend anzuwenden (§ 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG). Nach § 183 Satz 1 SGG ist das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für Versicherte, Leis-tungsempfänger, einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolgern nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) kosten-frei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Dies ist hier nicht der Fall, weil die Klägerin nicht als Versicherte oder Leistungsempfän-gerin, sondern als zu Unrecht in Anspruch genommene Arbeitgeberin gegen eine status-rechtliche Feststellung vorgegangen ist. Gemäß § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG ist eine Kos-tenerhebung nach den Vorschriften des GKG geboten, ohne dass die §§ 184 bis 195 SGG Anwendung finden. Nach der entsprechend anzuwendenden Bestimmung des § 154 Abs. 1 VwGO trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens. Da die Klägerin obsiegt hat, hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Streitwert war auf 5000,00 EUR festzusetzen. Steht ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis ("Statusfrage") im Streit, bestimmt sich der Gegenstandswert nicht nach den gegebenenfalls zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträgen, sondern grundsätzlich nach dem sogenannten "Auffangstreitwert" (SG Leipzig, Beschluss vom 03.08.2005, Az: S 8 KR 106/02, unter Bezugnahme auf LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.11.2003, Az: L 11 KR 3659/03 W-B).
Rechtskraft
Aus
Saved