L 10 B 6/06 AS PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 59 AS 722/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 B 6/06 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. November 2005 aufgehoben. Der Klägerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin A D, Astraße , B beigeordnet.

Gründe:

I.

Streitig ist ein Anspruch auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar bis 11. Juli 2005.

Die Klägerin, die zuletzt Arbeitslosenhilfe bezogen hatte, beantragte am 29. September 2004 für sich und ihre beiden 1989 und 1999 geborenen Kinder sowie für ihren Partner in eheähnlicher Gemeinschaft und dessen 1986 geborenen Tochter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Dabei gab sie an, Eigentümerin eines 2225 qm großen Grundstückes in der B Str. in D zu sein, welches mit einem nicht selbst genutzten Haus mit einer Wohnfläche von 150 qm bebaut sei. Der Verkehrswert betrage cirka 90.000,00 Euro. Die Belastungen würden monatlich cirka 700,00 Euro betragen. Ausweislich des im Verwaltungsverfahren eingereichten Grundstückskaufvertrages hatte die Klägerin das Grundstück im Jahr 1999 für 95.000,00 DM erworben. Zur Finanzierung schloss die Klägerin einen Darlehensvertrag über 144.000,00 DM ab gegen dingliche Absicherung durch eine erstrangige Buchgrundschuld. Außerdem gewährte ihr die N Lbank Girozentrale ein Darlehen aus nichtöffentlichen Mitteln in Höhe von 12.000,00 DM für die Instandsetzung und Modernisierung von Wohngebäuden.

Mit Bescheid vom 15. Dezember 2004 lehnte der Beklagte den Antrag mangels Hilfebedürftigkeit ab. Mit Schreiben vom 4. Januar 2005 legte die Klägerin Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 10. Februar 2005 teilte sie mit, das der Partner wegen Trennung seit 1. Januar 2005 nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft gehöre. Der Darlehensgeber habe den Darlehensvertrag gekündigt. Mit Schreiben vom 26. Juli 2004 sei die Gesamtforderung mit 77.084,94 Euro beziffert worden. Nachdem die Klägerin bei einer persönlichen Vorsprache am 22. Februar 2005 eine Leistung auf Darlehensbasis ablehnte, wies die Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 23. Februar 2005 wegen fehlender Hilfebedürftigkeit zurück. Die Klägerin besitze eine Immobilie mit einem Kaufwert von 108.000,00 Euro. Ein Verkehrswertgutachten könne nicht vorgelegt werden, der Kaufvertrag sei älter als 3 Jahre. Somit sei die Kaufpreisangabe der Klägerin maßgeblich. An Belastungen sei eine Grundschuld in Höhe von 73.626,03 Euro und eine brieflose Grundschuld von 6.135,50 Euro belegt. Danach sei ein Vermögen von 108.000,00 Euro abzüglich der Verbindlichkeiten von 79.761,53 Euro somit 28.238,47 Euro verwertbar. Nach Abzug des gesetzlichen Freibetrages von 6.800,00 Euro und 750,00 Euro bleibe ein Vermögen von 20.688,47 Euro.

Hiergegen richtet sich die am 15. März 2005 erhobene Klage vor dem Sozialgericht (SG) Berlin. Der Verkehrswert der Immobilie betrage gegenwärtig höchstens 50.000,00 Euro. Es handele sich um ein 1929 errichtetes Gebäude. Erneuert sei bisher lediglich die Fassade des Hauses. Weder Dach noch Fenster seien modernisiert. Ein Anschluss an die Kanalisation sei nicht vorhanden. Eine moderne Heizung sei nicht vorhanden. Der Innenausbau sei nicht vollständig abgeschlossen. Außerdem stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Ab dem 1. April 2005 hat die Beklagte der Klägerin auf ihren Antrag vom 8. April 2005 Leistungen gemäß § 9 Abs. 4 SGB II als Darlehen gewährt. Die Klägerin ist inzwischen nach D verzogen und bezieht seit 12. Juli 2005 von der Arbeitsgemeinschaft des Landkreises D und der Agentur für Arbeit zur Grundsicherung für Arbeitssuchende Leistungen nach dem SGB II für sich und ihre beiden Kinder.

Den Antrag der Klägerin, ihr für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren, hat das Sozialgericht Berlin (SG) durch Beschluss vom 14. November 2005 abgelehnt. Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe in gerichtskostenfreien Verfahren komme nur in Betracht, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt auch erforderlich erscheine. Erforderlich sei die Beiordnung eines Rechtsanwaltes, wenn es in dem Rechtsstreit um nicht einfach überschaubare Tat- und Rechtsfragen gehe. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben. Es handele sich um einen rechtlich und tatsächlich überschaubaren Sachverhalt. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe habe auch keinen Erfolg, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Bei überschlägiger Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs erscheine die Klägerin im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 11. Juli 2005 nicht hilfebedürftig. Die Klägerin bemesse ausweislich ihrer Verkaufsbemühungen im Internet den Wert des Grundstückes mit 100.000,00 Euro bei gleichzeitigen Belastungen in Höhe von 77.000,00 Euro.

Der Beschwerde der Klägerin hat das SG nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Das Aktivruburm war für die Belange des vorliegenden Prozeßkostenhilfeverfahrens nicht zu berichtigen. Ausgehend von dem Umstand, dass Ansprüche auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch nicht der Bedarfsgemeinschaft, sondern jedem einzelnen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zustehen und daher im Klageverfahren auch von jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft geltend zu machen sind (vgl. Urteil des Senats vom 9. Mai 2006, L 10 AS 1093/05) wird im Klageverfahren sodann aufzuklären und anhand der Klageanträge auszulegen sein, ob die Klägerin nur eigene Ansprüche oder darüber hinaus Ansprüche anderer Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft geltend macht.

Das Passivrubrum war von Amts wegen zu berichtigen, da die Arbeitsgemeinschaft des Landes Berlin und der Bundesagentur für Arbeit für den örtlichen Bereich des Verwaltungsbezirks Steglitz-Zehlendorf, bezeichnet als JobCenter Steglitz-Zehlendorf, vertreten durch den Geschäftsführer, nach Auffassung des Senats im Sinne des § 70 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beteiligtenfähig ist (für die Arbeitsgemeinschaft für den örtlichen Bereich des Verwaltungsbezirks Lichtenberg-Hohenschönhausen, Beschluss des Senats vom 14. Juni 2005, als vormals 10. Senat des Landessozialgerichts Berlin, L 10 B 44/05 AS ER).

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Klägerin ist Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten zu gewähren. Sie ist nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung auch nur teilweise oder in Raten aufzubringen (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114, 115 Zivilprozessordnung (ZPO)). Insbesondere verfügt die Klägerin nicht über Vermögen i.S.d. § 115 Abs. 3 ZPO, welches sie einzusetzen hat.

Die Klägerin hat im Rahmen der Verwertung ihres Vermögens für die Kosten des Prozesses nicht das von ihr nunmehr selbst genutzte Haus in D einzusetzen. Nach § 115 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 1 Nr. 8 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch darf die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines selbst genutzten Hausgrundstückes abhängig gemacht werden.

Der beabsichtigten Rechtsverfolgen kann eine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO) nicht abgesprochen werden. Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg ist gegeben, wenn bei summarischer Prüfung des Sach- und Streitstandes eine "reale Chance zum Obsiegen" besteht, während sie bei einer nur "entfernten Erfolgschance" abzulehnen ist. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Arbeitslosengeld II nach §§ 7, 9, 12, 20 SGB II ist nur gegeben, wenn sie ihr Vermögen in Form des im Zeitpunkt der Antragstellung bei der Beklagten nicht selbstgenutzten Grundstückes in D nicht vorrangig zum Bestreiten ihres Lebensunterhaltes einzusetzen hat. Dies setzt voraus, dass das Grundstück nach Abzug der darauf lastenden Verbindlichkeiten und der zu erwartenden Kosten der weiteren Beleihung oder Veräußerungen, verwertet werden kann und dies der Klägerin auch zugemutet werden kann.

Als erstes muss der Verkehrswert der Immobilie im Zeitpunkt der Antragstellung ermittelt wird. Auf den Kaufvertrag aus dem Jahr 1999 kann nicht ohne weiteres zurückgegriffen werden, da dieser zu lange zurückliegt und zudem nach den Angaben der Klägerin Investitionen in das Haus getätigt worden sind. Die von der Klägerin im Internet eingestellte Kaufpreisforderung spiegelt auf der anderen Seite deren Erwartung, nicht aber den aktuellen Verkehrswert der Immobilie wieder. Nach der nun vorliegenden Auskunft des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Landkreises D vom 13. Juli 2006 betrugen die Verkaufspreise von Einzel stehenden Einfamilienhäusern in den Städten bis Baujahr 1949 zwischen 5.000,00 Euro und 57.000,00 Euro (Durchschnitt 33.000,00 Euro).

Der Verkehrswert des Hauses dürfte sich daher in der Spannbreite von 95.000,00 DM (48.572,73 DM) und der Kaufpreisforderung der Klägerin i.H.v. 108.000,00 Euro eher am unteren Ende bewegen. Dem Verkehrswert ist in einem nächsten Schritt die auf dem Grundstück lastenden Verbindlichkeiten in Höhe von rund 77.000,00 Euro gegenüber zu stellen. Weiter in Abzug zu bringen sind noch künftige Kosten der Belastung oder Veräußerung (vgl. § 6 AlhiVO). Vor diesem Hintergrund besteht für die Klägerin eine reale Chance des Obsiegens.

Im Hinblick auf die sich hier stellenden Rechtsfragen und dem konkreten Ermittlungsbedarf ist keine Sachlage gegeben, die auch nur Zweifel an der Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwaltes im Sinne von § 121 Abs. 2 ZPO wecken könnte.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved