L 13 SB 124/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 33 SB 2034/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 124/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Oktober 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers.

Der Kläger bezieht seit Anfang 2000 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Auf seinen Antrag von November 1999 erkannte das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin – Versorgungsamt – nach Einholung diverser Befund- und Entlassungsberichte mit Bescheid vom 27. Juli 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2001 bei ihm einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 an, dem er folgende (verwaltungsintern mit den sich aus den Klammerzusätzen ergebenden Einzel-GdB bewerteten) Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde legte:

a) chronisches Wurzelreizsyndrom nach Bandscheibenoperation und Stabilisierungsoperation L5/S1 (GdB von 30), b) depressives Syndrom (GdB von 20), c) Halswirbelsäulensyndrom (GdB von 10).

Mit seiner Klage vor dem Sozialgericht Berlin, der neben ärztlichen Attesten und Entlassungsberichten u.a. das sozialmedizinische Gutachten des Dr. M des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen Berlin vom 12. Juli 2000 und das neurochirurgisch-orthopädische Gutachten des Dr. T vom 12. Juli 2000 beigefügt waren, hat der Kläger die Anerkennung eines höheren Grades der Behinderung begehrt. Nach Einholung von Befundberichten hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 18. Oktober 2002 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Anerkennung eines höheren GdB als 40: Für das Wirbelsäulenleiden sei entsprechend den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz", herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Ausgabe 1996 (AHP 96) ein einheitlicher Einzel-GdB von 30 anzusetzen. Ein GdB von 40 käme nach Nr. 26.18 AHP erst in Betracht, wenn schwere funktionale Auswirkungen in zwei Abschnitten vorlägen. Derartige Auswirkungen beständen bei dem Kläger nur im Bereich der Lendenwirbelsäule, nicht aber im Bereich der Hauswirbelsäule. Das psychische Leiden des Klägers bedinge einen Einzel-GdB von 20, der den Gesamt-GdB lediglich auf 40 erhöhe, da sich die schlichte Addition der Einzel-GdB verbiete.

Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Er ist u.a. der Ansicht, dass die orthopädischen Behinderungen zusammengefasst mit einem GdB von 40 zu bemessen seien.

Es ist Beweis erhoben worden durch Einholung des fachorthopädischen Gutachtens des Dr. Z vom 26. September 2003. Der Sachverständige ist nach Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis gelangt, dass auf seinem Fachgebiet ein chronisches Wurzelreizsyndrom nach lumbaler Bandscheibenoperation und Stabilisierungsoperation L5/S1 und ein Halswirbelsäulensyndrom ohne hochgradige Funktionsminderung und ohne neurologische Auffälligkeiten vorliege. Für den Lendenwirbelsäulenbereich sei unter Berücksichtigung der hierin in erheblichem Maße beinhalteten Funktionsbehinderung ein GdB von 30 anzusetzen. Schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten lägen nicht vor. Eine höhergradige Funktionsminderung der Halswirbelsäule sei nicht festzustellen. Die in diesem Bereich bestehenden Nachteile seien mit dem zuerkannten GdB (von 10) hinreichend berücksichtigt. Neurologische Ausfallserscheinungen wie etwa motorische Schwächen, Lähmungen oder Störungen der Fuß- oder Großzehenhebung lägen nicht vor. Die Zusammenführung der verschiedenen Einzel-GdB (einschließlich des übernommenen GdB von 20 für das depressive Syndrom) zu einem Gesamt-GdB von 40 sei schlüssig.

Auf den Antrag des Klägers ist nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Arzt Dr. L gehört worden. In seinem chirurgisch-unfallchirurgischen Gutachten vom 6. Februar 2005, ergänzt durch Schreiben vom 15. August 2005, diagnostizierte er nach Untersuchung des Klägers Bandscheibendegenerationen der unteren Lendenwirbelsäule mit Ausbildung eines Prolaps im Segment L5/S1 mit Wurzelkompression S1 links, Zustände nach Nukleotomie L5/S1, nach Renukleotomie L5/S1, nach Spondylodiszitis postoperativ, nach dorsoventraler Spondylodese unter Einsatz des Fixateur interne L4/S1 und nach Materialentfernung des Fixateur interne L4/S1, den dringenden Verdacht auf entzündungsbedingte Kompression der Wurzel S1 links mit Ausbildung einer Wurzelneuritis, eine sensomotorische Störung im Segment S1 links, geringer auch rechts, ein chronisches Schmerzsyndrom im Innervationsgebiet des Nervus ischiadicus links, eine depressives Syndrom mit Schlafstörungen sowie ein geringgradiges Halswirbelsäulensyndrom. Hinsichtlich der körperlichen Schäden sei ein GdB von zumindest 40 angemessen: Zum einen seien neben den Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt bei dem Kläger anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit sensomotorischen Ausfallserscheinungen am linken Bein aufgetreten. Der Kläger weise eine Fuß- und Großzehenheberschwäche links auf. Diese Funktionseinschränkungen beträfen die Belastbarkeit sowie die vollständige Beweglichkeit des Beins. Zum anderen sei im vorliegenden Fall eine infektiologische Neuritis als Schmerzursache plausibel, die zwar keine der in Nr. 26.18 AHP genannten entzündlich-rheumatischen Krankheiten der Gelenke bzw. der Wirbelsäule (z.B. Bechterew-Krankheit) darstelle, mit diesen jedoch hinsichtlich der Auswirkungen ihrer Funktionsbeeinträchtigung im Wesentlichen vergleichbar sei. Fiele die Bewertung unter die entzündlich-rheumatischen Erkrankungen mit mittelgradigen Auswirkungen (dauernden erheblichen Funktionseinbußen und Beschwerden, therapeutisch schwer beeinflussbarer Krankheitsaktivität), wäre dem Kläger sogar ein GdB von 50 bis 70 zuzumessen. Insgesamt sei bei Berücksichtigung des GdB von 20 im psychiatrischen Bereich auf einen GdB von 50 zu erkennen.

Der Kläger macht sich diese Bewertung zu eigen und beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Oktober 2002 aufzuheben, den Bescheid vom 27. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2001 zu ändern sowie den Beklagten zu verurteilen, einen GdB von mindestens 50 anzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Insbesondere ist er unter Bezugnahme auf die von ihm vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahmen der Ansicht, dass die von dem Gutachter Dr. L beschriebenen Funktionseinschränkungen eine Erhöhung des GdB nicht rechtfertigten.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte, der Akte des sozialgerichtlichen Verfahrens und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Schwerbehinderter nach § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX), da bei ihm kein GdB von 50 vorliegt.

Nach § 69 Abs. 1 Sätze 4 und 5 SGB IX sind die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Funktionsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 Bundesversorgungsgesetz und der vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" in der Fassung des Jahres 2004 (AHP 2004), deren Vorgänger die AHP 1996 waren, zu bewerten, die als antizipierte Sachverständigengutachten normähnlichen Charakters gelten.

Der Senat ist nach dem Ergebnis der Ermittlungen davon überzeugt, dass das Gesamtausmaß der bei dem Kläger bestehenden Behinderungen keinen höheren als den von dem Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2001 zuerkannten GdB von 40 bedingt.

Die Funktionsstörungen auf orthopädischem Gebiet sind mit einem GdB von 30 zu bewerten. Nach den insoweit übereinstimmenden Feststellungen aller Gutachter leidet der Kläger nach mehrfachen Operationen an einer deutlichen Funktionsminderung im Bereich der Lendenwirbel mit nachfolgender entzündlicher Veränderung. Diese Funktionsstörungen entsprechen den in Nr. 26.18 (S. 116) AHP 2004 als vierten Fall genannten Wirbelsäulenschäden "mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome)", für die ein GdB von 30 anzusetzen ist.

Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei seinen körperlichen Leiden nicht um die in Nr. 26.18 (S. 116) AHP 2004 als fünften Fall genannten Wirbelsäulenschäden "mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten", für die ein GdB von 30 bis 40 vorgesehen ist. Bei dem Kläger liegt zwar – was unstreitig ist – in Gestalt seines Halswirbelsyndroms eine Funktionseinschränkung in einem zweiten Wirbelsäulenabschnitt vor. Wie der Gutachter Dr. Z sehr ausführlich und überzeugend dargelegt hat, rechtfertigen diese Leiden jedoch nicht die Annahme einer bereits mittelgradigen oder bereits schweren funktionellen Auswirkung, da weder zusätzliche Beeinträchtigungen, etwa im Sinne eines pseudoradikulären Halswirbelsyndroms, noch eine Cervicobrachialgie, etwa mit Sensibilitätsstörungen, bestehen. Dieser Bewertung hat sich der Sachverständige Dr. L in seinem Gutachten angeschlossen. Nichts anderes ergibt sich aus dem im Auftrag der Landesversicherungsanstalt Berlin erstatteten neuro-chirurgischen Gutachten des Dr. T. Im Gegenteil kam Dr. T nach Untersuchung des Klägers, die Schmerzen im Halswirbelsäulenbereich mit Ausstrahlung in die rechte Schulter und in den rechten Oberarm, leichte Klopf- und Druckschmerzen, eine regelrechte Lordose, keine Verbiegung und eine leichte Verspannung der zervikalen paravertebralen Muskulatur ergab, zu der Bewertung, dass sowohl die Beweglichkeit als auch die Belastbarkeit der Halswirbelsäule (nur) mäßig eingeschränkt sind.

Für das Halswirbelsäulensyndrom des Klägers als Wirbelsäulenschaden "mit geringen funktionellen Auswirkungen" im Sinne des in Nr. 26.18 (S. 116) AHP 2004 genannten zweiten Falles hat der Beklagte im Verwaltungsverfahren zutreffend einen Einzel-GdB von 10 angesetzt. Hierbei befindet er sich in Einklang mit Nr. 19 Abs. 4 AHP 2004 (S. 26), wonach zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB/MdE-Grad von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, führen.

Eine Erhöhung des GdB für den Komplex der Wirbelsäulenschäden ist auch nicht aus anderen Gesichtspunkten gerechtfertigt.

Die von dem Gutachter Dr. L erwogene Heranziehung der in Nr. 26.18 AHP 2004 (S. 112) für "entzündlich-rheumatische Krankheiten der Gelenke bzw. der Wirbelsäule (z.B. Bechterew-Krankheit)" aufgestellten Bewertungsmaßstäbe ist schon deshalb nicht möglich, weil es sich bei den körperlichen Leiden des Klägers – was auch Dr. L erkennt – nicht um entzündlich-rheumatische Erkrankungen handelt. Ebensowenig führt der Umstand, dass sie nach der Einschätzung des Gutachters mit diesen im Wesentlichen vergleichbar seien, dazu, dass deren nach dem Schweregrad der mit ihnen verbundenen Funktionseinschränkungen gestaffelten Bewertungen des GdB zu übernehmen seien, da es sich hierbei um spezielle Bestimmungen handelt, die gerade auf entzündlich-rheumatische Erkrankungen abgestimmt sind. Im Übrigen schließen, worauf in Nr. 18 Abs. 8 AHP 2004 (S. 24) ausdrücklich hingewiesen wird, die in der GdB/MdE-Tabelle angegebenen Werte die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit ein und berücksichtigen auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände. Im Hinblick auf die mit den Leiden verbundenen Schmerzen ist es allein bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen nach Nr. 26.18 AHP 2004 (S. 116) zulässig, einen sich aus der erwähnten GdB/MdE-Tabelle ergebenden GdB von 30 anzuheben. Eine derartige Krankheit liegt jedoch nach den Feststellungen des Gutachters Dr. Z eindeutig nicht vor.

Schließlich kann der die körperlichen Leiden betreffende GdB von 30 nicht unter dem Aspekt erhöht werden, dass nach Nr. 26.18 AHP 2004 (S. 116) "anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallserscheinungen – oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose – sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (z.B. Atemfunktionsstörungen)" zusätzlich zu berücksichtigen sind. Die Einschätzung des Gutachters Dr. L, bei dem Kläger läge ein Wurzelkompressionsyndrom mit sensomotorischen Ausfällen am linken Bein vor, die hinsichtlich der Belastbarkeit und Beweglichkeit des Beines zu Funktionseinschränkungen führten, vermag nicht zu überzeugen. Sein Befund einer Fußheber- und Großzehenheberschwäche ist, worauf Dr. Sch in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme mit Recht hinweist, mit den eigenen Feststellungen des Sachverständigen hinsichtlich des Gehvermögens nicht zu vereinbaren. In seinem Gutachten führte Dr. L aus, dass der Kläger keine Hilfsmittel, insbesondere keine Gehstützen, und keine Schuheinlagen benutze. Das Gangbild in der Ebene weise keine Besonderheiten auf. Insbesondere bestünden keine Symmetrien, kein Hinweis auf eine Fußheberparese. Das Gangbild mit normalem Abrollen des Fußes rechts und links sei flüssig. Ausweichbewegungen fänden nicht statt, ebenso wenig ein Schongang. Auch hinke der Kläger nicht.

Diese Beschreibung des Gangbildes stimmt mit den Befunden des Gutachters Dr. Z überein, der hierzu ausführte: Der Gang sei sowohl barfuß als auch in Gebrauchsschuhen leicht verlangsamt, jedoch insgesamt gesehen ausreichend sicher. Die Füße würden vollständig aufgesetzt und gut belastet. Das Abrollen sei beiderseits nicht deutlich behindert. Der Zehenspitzenstand sei beidseits mit Unterstützung möglich, der Fersenstand sei beidseits noch sicher durchführbar. Es liege kein Steppergang oder ein Hängefuß vor. Insbesondere bestehe keine Fußheber- und Großzehenheberschwäche.

Die Annahme anhaltender Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallserscheinungen in einem den GdB erhöhenden Ausmaß wird auch nicht durch die ergänzende Stellungnahme des Gutachters Dr. L vom 15. August 2005 gestützt. Dort hat er ausgeführt, dass einer Fußheber- bzw. Zehenheberschwäche nicht automatisch im Sinne eines Alles-oder-nichts-Prinzips ein vollständiger, sondern ein graduierter Funktionsausfall folge, der durch andere Muskelgruppen kompensiert bzw. teilweise kompensiert werden könne. Vorliegend habe der Kläger angegeben, zunächst eine Einlaufphase zu benötigen. Angesichts des Umstandes, dass der Kläger sich bereits unterwegs befunden habe, als er den Sachverständigen aufgesucht habe, sei ein holpriges oder asymmetrisches bzw. ataktisches Gehen auch nicht zu erwarten gewesen. Da das Gehen die Beinmuskulatur wesentlich schwächer als beispielsweise das Aufrichten aus der Hocke beanspruche, sei es bei einer partiellen Parese im Bereich der Zehen und Fußheber überhaupt kein Widerspruch, dass kein Hinken oder eine andere sichtbare Störung des Gehens zu beobachten gewesen sei. Beim Aufrichten aus kniender Position, bei dem sich der Kläger sich an der Untersuchungsliege habe abstützen müssen, sei die Behinderung deutlich geworden. Gegen die Schilderung des Dr. L, dass die Fußheber- und Großzehenheberschwäche sich bei dem Kläger nur in der Anfangsphase des Gehens bemerkbar mache und dann durch das "Einlaufen" verschwände, spricht, worauf Dr. B in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 26. September 2005 hinweist, dass es eher wahrscheinlich sei, dass durch die Schwäche der betroffenen Nerven diese sich gerade bei längerem Laufen mehr bemerkbar mache als zu Beginn des Gehens, da zu diesem Zeitpunkt die entsprechende Muskulatur noch keine Ermüdung zeigen dürfte. Dies kann jedoch dahin stehen. Denn eine von Dr. L angenommene Schwäche der Beinmuskulatur, die in keinem der vorangegangenen Gutachten festgestellt worden war, ist auch nicht durch eine Umfangverminderung der Beinmuskulatur links nachweisbar. Die von Dr. Z erhobenen Umfangmaße der unteren Extremitäten sind auf beiden Seiten identisch. Demgegenüber hat Dr. L eine Umfangmessung nicht durchgeführt. Jedenfalls lässt ein lediglich gradueller Funktionsausfall, der durch andere Muskelgruppen vollständig oder teilweise kompensiert werden kann, eine Erhöhung des GdB über 30 hinaus für den orthopädischen Bereich nicht zu.

Die Höhe des GdB von 20 für den psychiatrischen Bereich steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Sie wird auch von den Gutachtern nicht in Zweifel gezogen. Bei der Bildung der Gesamt-GdB hat der Beklagte das depressive Syndrom dahingehend berücksichtigt, dass er den Einzel-GdB für das Wirbelsäulenleiden von 30 auf 40 erhöht hat. Durch diese äußerst großzügige Wertung ist der Kläger jedenfalls nicht in seinen Rechten verletzt. Denn es ist nach Nr. 19 Abs. 4 AHP 2004 (S. 26) bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB/MdE-Grad von 20 vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Der den Kläger behandelnde Nervenarzt Dr. R hat in seinem Befundbericht vom 21. November 2001 ausgeführt, dass der Kläger an einer reaktiven Depression im Sinne sonstiger depressiver Episoden (nach F 32.8 der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision) leide, die er nervenärztlicherseits auf das Lendenwirbelsäulensyndrom und den Zustand nach den Operationen an der Wirbelsäule zurückführe. Nach Nr. 18 Abs. 8 der AHP 2004 (S. 23f.) berücksichtigen jedoch die in der GdB/MdE-Tabelle niedergelegten Sätze bereits die üblichen seelischen Begleiterscheinungen. Eine höhere GdB/MdE-Bewertung ist nur berechtigt, wenn seelische Begleiterscheinungen erheblich über die dem Ausmaß der organischen Veränderungen entsprechenden üblichen seelischen Begleiterscheinungen hinausgehen. Außergewöhnliche seelische Begleiterscheinungen sind danach anzunehmen, wenn anhaltende psychoreaktive Störungen in einer solchen Ausprägung vorliegen, dass eine spezielle ärztliche Behandlung dieser Störungen – z.B. eine Psychotherapie – erforderlich ist. Derartige spezifische Therapien sind ausweislich des genannten Befundberichts bei dem Kläger nicht durchgeführt worden.

Die nach § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG zu treffende Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Berufung keinen Erfolg hat.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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