L 13 B 1053/05 SB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 5 SB 35/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 B 1053/05 SB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 2. September 2005 aufgehoben. Der Beklagte hat dem Kläger keine außergerichtlichen Kosten des Rechtstreits zu erstatten.

Gründe:

I.

Auf Antrag des Klägers stellte der Beklagte durch Bescheid vom 11. August 2000 einen Grad der Behinderung von 30 wegen folgender Funktionseinschränkungen, deren verwaltungsinterne Einzel-GdB –Bewertung sich aus dem Klammerzusatz ergibt, fest:

a. Funktionsminderung der Lunge und des Herzens, Bluthochdruck (20) b. Funktionsminderung der Wirbelsäule mit Nervenstörungen (20)

Dem lagen neben Arztbriefen zur Behandlung einer Fraktur des 2. Lendenwirbelkörpers ein Bericht des L-H-L vom 21. Januar 1999 zugrunde, in dem als Dia-gnose u.a. eine respiratorische Globalinsuffizienz mit Polyglobulie bei dekompensierter Herzinsuffizienz und chronisch-obstruktiver Lungenkrankheit (COLD) mit obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom angegeben war, sowie ein Arztbrief von Dr. B vom 4. Mai 1999, der bei der Überprüfung der Lungenfunktion keinen Anhalt für eine Ventilationsstörung und im Bereich der Bodyplethysmographie keine Widerstandserhöhung in den kleinen Atemwegen festgestellt hatte.

Im Widerspruchsverfahren teilte der Kläger mit, dass die angeratene Untersuchung im Schlaflabor nicht stattgefunden habe. Am 4. Januar 2002 stellte der Kläger ohne Angabe von Funktionseinschränkungen einen Änderungsantrag. Dem daraufhin von dem Beklagten eingeholten Befundbericht von Dr. Sch waren keine Befunde zu Krankheiten der Atmungsorgane beigefügt. Durch Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 2002 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Das dagegen angerufene Sozialgericht hat nach Beiziehung der im Rechtsstreit des Klägers gegen die Landesversicherungsanstalt eingeholten medizinischen Befundberichte und Gutachten ein Gutachten des Chirurgen Dr. B eingeholt, der aufgrund der Angabe des Klägers, in letzter Zeit eine Verschlechterung der Lungenfunktion bemerkt zu haben, ein lungenfachärztliches Sachverständigengutachten für erforderlich hielt. Der Facharzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. E hat eine mittlere kombinierte Ventilationsstörung mit mittlerer relativer Überblähung der Lunge festgestellt. Die obstruktive Komponente

beruhe auf einer chronisch-obstruktiven Lungenkrankheit. Die dauernde Einschränkung der Lungenfunktion sei mit einem Einzel-GdB von 40 zu bewerten, der Gesamt- GDB betrage 50.

Der Beklagte hat dem Kläger ab Januar 2005 einen GdB von 50 zuerkannt. Auf Antrag des Klägers hat das Sozialgericht am 2. September 2005 beschlossen, dass der Beklagte die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen habe. Der Kläger habe teilweise obsiegt. Soweit der Beklagte auf die Möglichkeit eines Verschlimmerungsantrages abstelle, könne dies für die Frage der Kostenlast nur von untergeordneter Bedeutung sein. Es sei nicht nur auf den Zeitraum bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides abzustellen, sondern auf das gesamte Verfahren bis zu dessen Abschluss vor dem Sozialgericht.

Mit der hiergegen eingelegten Beschwerde macht der Beklagte geltend, den im Vorverfahren beigezogenen Unterlagen sei kein Anhaltspunkt für Lungenfunktionseinschränkungen, die Einfluss auf die Höhe des GdB hätten, zu entnehmen. Der Kläger selbst habe darauf hingewiesen, dass er in letzter Zeit eine erhebliche Verschlechterung seiner Lungenfunktion bemerkt habe. Er, der Beklagte, habe also keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben.

Der Kläger macht geltend, der Beklagte habe schon im angefochtenen Bescheid vom 1. August 2000 eine Funktionsminderung der Lunge aufgeführt, so dass er aufgrund des Widerspruches verpflichtet gewesen sei, deren Umfang aufzuklären.

II.

Die nach § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde ist auch begründet.

Nach § 193 SGG entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen. Dabei ist nicht nur der tatsächliche oder mutmaßliche Verfahrensausgang von Bedeutung, sondern es sind auch die sonstigen Umstände des Einzelfalls heranzuziehen, wie zum Beispiel, ob der Beklagte Anlass zur Klageerhebung gegeben hat und ob er auf im Laufe des Rechtsstreits eingetretene Änderungen angemessen reagiert hat.

Unter Beachtung dieser Grundsätze entspricht es sachgemäßem Ermessen, den Beklagten nicht mit außergerichtlichen Kosten des Klägers zu belasten. Er hat hinsichtlich der Anerkennung der obstruktiven Lungenerkrankung als weiterer Funktionsbeeinträchtigung, die er mit einem

Einzel-GdB von 40 bewertet hat, keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben. Zwar war im Verwaltungsverfahren dem Bericht des L-H- L vom 21. Januar 1999 zufolge die Diagnose einer COLD gestellt worden, eine Überprüfung der Lungenfunktion durch Dr. B am 29. März 1999 hatte jedoch keine Einschränkung ergeben. Die Untersuchungen der B Klinik hatten dem Arztbrief vom 12. Februar 1999 zufolge ebenfalls Werte im Normbereich ergeben. Auch die Ermittlungen auf der Grundlage des Änderungsantrages des Klägers hatten keine Anhaltspunkte für eine Krankheit der Atmungsorgane ergeben, da der behandelnde Arzt weder Angaben zu den diesbezüglichen speziellen Fragen gemacht hatte, noch eine entsprechende Diagnose aufgeführt hatte. Etwas anderes folgt schließlich nicht daraus, dass in den im Verwaltungsverfahren zur Akte gelangten medizinischen Unterlagen der Verdacht eines Schlaf-Apnoe-Syndroms geäußert wurde. Denn eine derartige Funktionsstörung ist von Dr. E nicht festgestellt worden.

Auf der Grundlage der zur Akte gelangten umfangreichen Befunderhebungen und Ergebnisse der Begutachtung im Verfahren gegen die Landesversicherungsanstalt besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, dass schon während des Widerspruchsverfahrens eine Verschlechterung der Lungenfunktion eingetreten sein könnte. Zum Einen hat der Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger gegenüber Dr. B eine Verschlechterung "in letzter Zeit" angegeben hat. Dafür, dass dies zutreffend ist, spricht schon die Tatsache, dass noch im Befundbericht vom 7. Januar 2003 keine Diagnose aufgeführt ist, die auf eine Funktionseinschränkung der Lunge schließen ließe. Auch hat der Kläger gegenüber Dr. B erstmals die Einnahme von entsprechenden Medikamenten angegeben.

Ist im Laufe des Verfahrens eine Verschlimmerung eingetreten, findet der in § 93 der Zivilprozessordnung (ZPO) enthaltene Rechtsgedanke sinngemäß Anwendung. Erkennt der Beklagte den Anspruch sofort nach Kenntnisnahme von dessen Berechtigung an, hat er, soweit er keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben und auf die eingetretene Änderung angemessen reagiert hat, keine Kosten zu tragen. Das ist hier der Fall. Nach Vorlage des Gutachtens von Dr. E hat er auf die eingetretene Veränderung sachgemäß reagiert.

Dem kann nicht mit dem Argument begegnet werden, da es sich um eine Verpflichtungsklage handele, dürfe kostenrechtlich nicht auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abgestellt werden. Denn nach den allgemeinen Grundgedanken des Kostenrechts wird im Regelfall dann, wenn eine Änderung der Sachlage zur Erledigung des Rechtstreits führt, maßgeblich darauf abgestellt, wie ohne diese Änderung voraussichtlich entschieden worden wäre. Ohne eine Änderung der Lungenfunktion hätte die Klage keinen Erfolg gehabt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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