L 3 AL 3206/03

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 1719/99
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 3206/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt derzeit beim erkennenden Senat in insgesamt sechs Verfahren - L 3 AL 566/00, L 3 AL 278/01, L 3 AL 3178/03, L 3 AL 3205/03, L 3 AL 3206/03 sowie L 3 AL 4390/05 - sozialgerichtlichen Rechtsschutz gegen die Beklagte. Im vorliegenden Rechtsstreit erstrebt er die behördliche Aufhebung eines seinen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe ablehnenden unanfechtbaren Bescheides sowie die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 11.04.1992 bis zum 18.12.1992.

Der im Jahre 1961 geborene Kläger war nach Abschluss einer Ausbildung zum Diplom-Betriebswirt (FH) vom 01.11.1988 bis zum 31.12.1989 als Vertragsassistent bei der Firma L. GmbH in Freiburg mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von rund DM 4.200,00 beschäftigt. Anschließend übte er bis zum 31.03.1991 eine Tätigkeit als Projektkaufmann bei der Firma A. GmbH in Konstanz aus und erzielte dabei ein monatliches Bruttoeinkommen von DM 5.933,00.

Ab dem 01.04.1991 bezog der Kläger zunächst Arbeitslosengeld. Seinen nach Erschöpfung dieses Anspruchs gestellten Antrag auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe lehnte die Beklagte mit bestandskräftigen Bescheid vom 15.04.1993 wegen zu berücksichtigenden Vermögens für die Zeit vom 11.04.1992 bis zum 18.12.1992 ab. Anschließend wurde ihm Arbeitslosenhilfe gewährt.

Mit am Folgetage bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 12.11.1998 machte der Kläger geltend, die Beklagte sei verpflichtet, die Zeit seiner Arbeitslosigkeit im Jahre 1992, in der er wegen erfolgter Vermögensanrechnung keine Leistungen erhalten habe, dem Rentenversicherungsträger als Anrechnungszeit mitzuteilen. Unter dem 18.05.1999, Eingang bei der Beklagten am 21.05.1999, beantragte er die Erstattung des von der Beklagten für die Zeit vom 11.04.1992 bis zum 18.12.1992 angerechneten Vermögens in Höhe von DM 52.302,00 nebst Zinsen in Höhe von vier Prozent. Zur Begründung trug er vor, das Bundessozialgericht habe die Anrechnung von Vermögen auf den Arbeitslosenhilfeanspruch insoweit für rechtswidrig erklärt, als das Vermögen für eine angemessene Altersvorsorge bestimmt sei. Dies treffe bei ihm zu.

Durch Bescheid vom 10.06.1999 lehnte die Beklagte den Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 15.04.1993 gem. § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 20.08.1999 zurück.

Am 20.09.1999 hat der Kläger beim Sozialgericht Konstanz Klage erhoben und sein Begehren weiter verfolgt.

Mit Urteil vom 21.03.2002 hat das Sozialgericht die gegen den Bescheid vom 10.06.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.08.1999 sowie auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 11.04.1992 bis zum 18.12.1992 nebst Zinsen in Höhe von vier Prozent gerichtete Klage abgewiesen. Diese Entscheidung ist dem Kläger am 14.07.2003 zugestellt worden.

Am 14.08.2003 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, die mit Bescheid der Beklagten vom 15.04.1993 erfolgte Vermögensanrechnung sei rechtswidrig, da sein Vermögen zur Alterssicherung bestimmt gewesen sei. Danach müsse eine Ausnahme von § 44 SGB X gemacht und der genannte Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Dies ergebe sich auch in Anwendung der Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Im übrigen liege ein Wiederaufgreifensgrund vor.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 21.03.2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10.06.1999 und deren Widerspruchsbescheid vom 20.08.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Rücknahme des Bescheides vom 15.04.1993 Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 11.04.1992 bis zum 18.12.1992 zu gewähren zuzüglich 4% Zinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des vorliegenden sowie der eingangs angeführten weiteren beim Senat anhängigen Verfahren, die beigezogenen Leistungsakten der Beklagten und die gleichfalls beigezogenen Akten des Sozialgerichts Konstanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht entscheidet im erklärten Einverständnis der Beteiligten sowie in Anwendung des ihm danach gesetzlich eingeräumten Ermessens ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) durch den Berichterstatter allein (§ 155 Abs. 3 und 4 SGG).

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das klagabweisende Urteil des Sozialgerichts sowie der Bescheid der Beklagten vom 10.06.1999 und deren Widerspruchsbescheid vom 20.08.1999 sind im Ergebnis nicht zu beanstanden. Denn dem Kläger steht kein Anspruch auf behördliche Aufhebung des seinen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe ablehnenden unanfechtbaren Bescheides vom 15.04.1993 nebst im Wege der Stufenklage erstrebter Bewilligung von Arbeitslosenhilfe einschließlich Zinsen für die Zeit vom 11.04.1992 bis zum 18.12.1992 zu.

Soweit der Kläger eine Überprüfungsanspruch nach § 44 SGB X geltend macht, steht ihm ein solcher schon deshalb nicht zu, weil die Aufhebung des Bescheides vom 15.04.1993 wegen des Ablaufs der Vier-Jahres-Frist des § 44 Abs. 4 SGB X keine Auswirkungen mehr haben kann (vgl. hierzu Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Rdnr. 6 zu § 44 SGB X; von Wulffen, SGB X, 5. Aufl. 2005, Rdnr. 19 zu § 44; Niesel, SGB III, 3. Aufl. 2005, Rdnr. 6 zu § 330, jeweils m. w. N.). Selbst wenn man nämlich eine auf Rücknahme gem. § 44 SGB X gerichtete Antragstellung am 13.11.1998 zu Grunde legt, käme nach § 44 Abs. 4 SGB X eine rückwirkende Leistungsgewährung allenfalls für die Zeit ab dem 01.01.1994 in Betracht, während der Kläger Leistungen aus dem Jahre 1992 begehrt.

Nichts anderes gilt im Ergebnis mit Blick auf den vom Kläger für sein Begehren in Anspruch genommenen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Zum einen geht nämlich § 44 als gesetzlich getroffene Sonderregelung dem allgemeinen Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs dann vor, wenn das behördliche Fehlverhalten - wie hier die vom Kläger geltend gemachte Fehlerhaftigkeit des Bescheides vom 15.04.1993 - bereits durch § 44 SGB X erfasst ist (vgl. von Wulffen, a. a. O., Rdnr. 21 zu § 44). Denn der Herstellungsanspruch beruht auf dem Gedanken der Lückenfüllung im System der Korrekturen sozialrechtlicher Entscheidungen und ist daher beschränkt auf Fälle, in denen der Bürger durch objektiv unrichtiges Verwaltungshandeln zu seinem Nachteil mit dem Ergebnis eines fehlerhaften Verhaltens in seinen Entscheidungen beeinflusst worden ist (vgl. Gagel, Der Herstellungsanspruch - seine Bedeutung im Konzept der Korrekturinstrumente nach neuerer Rechtsprechung - SGb 2000, 517 ff.). Darüber hinaus ist die Vier-Jahres-Frist des § 44 Abs. 4 SGB X auch im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs anzuwenden (vgl. BSG, Urteil vom 14.02.2001 - B 9 V 9/00 R - BSGE 87, 280 ff. = SozR 3-1200 § 14 Nr. 31 = Breith 2001, 544 ff. = FEVS 52, 484 ff. = NZS 2001, 599 ff. = SGb 2002, 52 ff. m. w. N.; vgl. auch Kasseler Kommentar, a. a. O., Rdnr. 51 vor §§ 38 bis 47 SGB I; von Wulffen, a. a. O., Rdnr. 21 zu § 44). Die teilweise abweichende Auffassung (vgl. Gagel, a. a. O.) steht dem jedenfalls für den vorliegenden Fall schon deshalb nicht entgegen, weil diese den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auf nicht bereits durch § 44 SGB X erfasste Sachverhalte beschränkt.

Schließlich bestand für die Beklagte angesichts der - die Rücknahme für die Vergangenheit infolge einer Rechtsprechungsänderung in den Fällen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ausschließenden - Regelung des § 152 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung bzw. der inhaltsgleichen Nachfolgeregelung des § 330 Abs. 1 SGB III auch kein Anlass das bestandskräftig abgeschlossene Verwaltungsverfahren mit Blick auf nachträglich ergangene Entscheidungen des Bundessozialgerichts von Amts wegen wieder aufzugreifen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 09.04.2002 - B 4 RA 58/01 R - SozR 3-2600 § 89 Nr. 2).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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