L 12 B 24/06 AL ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 58 AL 3203/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 B 24/06 AL ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 28. November 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Förderung beschäftigter Arbeitnehmer.

Der Antragsteller ist ein eingetragener Verein mit dem satzungsgemäßen Ziel, die in Berlin lebenden Bürger des islamischen Glaubens bei der Wahrnehmung ihrer religiösen, weltlichen und kulturellen Interessen zu unterstützen und ihnen dabei Hilfestellung zu gewähren. Seit September 2003 beschäftigte er die anerkannte Schwerbehinderte G S als Juristin. Dafür erhielt er von der Antragsgegnerin einen Eingliederungszuschuss für Schwerbehinderte in Höhe von 70 Prozent bis zum 21. September 2005. Am 9. August 2005 beantragte der Antragsteller einen Arbeitsentgeltzuschuss für Frau Sund trug dazu vor, dass die Rechtsanwaltskammer Berlin gegen Frau S Vorermittlungen wegen eines Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft aus gesundheitlichen Gründen führe. Deswegen habe er – der Antragsteller – das bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 8. August 2005 zum 31. Dezember 2005 gekündigt und Frau S gleichzeitig eine Stelle als Sozialmanagerin ab 1. Januar 2006 angeboten. Er habe Bedarf für eine solche Arbeitskraft, unabdingbare Voraussetzung sei aber, dass der zurzeit von Frau S absolvierte Fernstudienlehrgang Sozialmanagement "erfolgreich abgeschlossen werde". Frau S habe sich zu einem entsprechenden Lehrgang angemeldet, könne deswegen ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr in vollem Umfang ausüben.

Durch Bescheid vom 22. September 2005 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung des Zuschusses ab. Der Antragsteller habe im Vorfeld keine Beratung in Anspruch genommen, eine Inaussichtstellung der Förderung sei nicht erfolgt. Ebenso wenig sei der von Frau S beantragte Bildungsgutschein von der zuständigen Agentur für Arbeit befürwortet worden. Es sei nicht nachgewiesen, dass die Änderungskündigung rechtswirksam sei, die Zustimmung der Arbeitnehmerin liege nicht vor. Im Übrigen sei für die Wirksamkeit der Kündigung die vorherige Zustimmung durch das Integrationsamt erforderlich, die ebenfalls nicht nachgewiesen sei. Am 1. Juli 2005 könne Frau S auch noch nicht von Arbeitslosigkeit bedroht gewesen sein, weil die Änderungskündigung erst vom 8. August 2005 datiere.

Der Antragsteller legte dagegen am 23. September 2005 Widerspruch ein und hat am 11. Oktober 2005 bei dem Sozialgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er begehrt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, einen Arbeitsentgeltzuschuss in Höhe von 100 Prozent zu gewähren. Frau S habe der Änderungskündigung zugestimmt. Er - der Antragsteller - ermögliche ihr die Teilnahme an der beruflichen Weiterbildungsmaßnahme Sozialmanagement. Frau S sei im Sinne des § 17 des Sozialgesetzbuchs Drittes Buch (SGB III) von Arbeitslosigkeit bedroht, weil sie versicherungspflichtig beschäftigt sei, aufgrund der Änderungskündigung alsbald mit der Beendigung der Beschäftigung rechnen müsse und voraussichtlich nach Beendigung der Beschäftigung arbeitslos sein werde. Eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht sei nicht erhoben worden. Die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung sei entbehrlich, weil die ausdrückliche Zustimmung der Arbeitnehmerin dazu geführt habe, dass eine einvernehmliche Änderung des Arbeitsverhältnisses vorliege. Die durchgeführte berufliche Weiterbildungsmaßnahme sei im Rahmen der §§ 85, 84 SGB III als förderungsfähig anerkannt. Infolge einer Erkrankung habe Frau S die Maßnahme nicht wie ursprünglich geplant - zum 1. Juli 2005, sondern erst am 1. Oktober 2005 beginnen können. Der Anspruch auf Zuschuss bestehe in Höhe von 100 Prozent des Arbeitsentgelts, weil nur so das gesetzliche Ziel der Förderung erreicht werden könne, und der Antragsteller sich finanziell außer Stande sehe, das arbeitsvertraglich geschuldete Gehalt von 3.800 EUR monatlich aus eigenen Mitteln zu begleichen, ohne eine Gegenleistung zu erhalten. Daraus ergebe sich auch der Anordnungsgrund, zumal die Kosten der Weiterbildung in Höhe von 9.000 EUR zusätzlich von dem Antragsteller aufgebracht werden müssten, da sich die Antragsgegnerin insoweit ebenfalls verweigert habe.

Durch Beschluss vom 28. November 2005 hat das Sozialgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es sei schon zweifelhaft, ob überhaupt die Voraussetzungen für eine Änderungskündigung vorlägen. Nur bei einer dauerhaften Erkrankung könne die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft entzogen werden. Frau S sei aber offensichtlich weniger als fünf Monate krank gewesen. Ferner seien die Arbeitsmarktchancen der angestrebten Ausbildung ungünstig. Außerdem lasse sich den Broschüren des Lehrgangsanbieters entnehmen, dass die Fortbildung berufsbegleitend durchgeführt werde.

Gegen den ihm nach der Zustellungsurkunde am 1. Dezember 2005 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 11. Januar 2006. Er begeht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil der Beschluss nicht in seinen Machtbereich gelangt sei. Der in der Zustellungsurkunde als sein Beschäftigter angegebene Empfänger des Beschlusses sei nur Mieter in demselben Hause gewesen, in dem er - der Antragsteller - seinen Sitz gehabt habe. Da Frau S am 8. August 2005 eine Kündigung erhalten habe, habe sie mit der Beendigung der Beschäftigung und angesichts der angespannten Arbeitsmarktlage für Juristen auch mit dem Eintritt von Arbeitslosigkeit rechnen müssen. Auf die Rechtmäßigkeit der Kündigung komme es nicht an, weil keine Kündigungsschutzklage erhoben worden sei. Unerheblich sei das Vorliegen einer Dauererkrankung, weil allein der drohende Entzug der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft bedeute, dass Frau S ihren arbeitsvertraglichen Pflichten nicht mehr gerecht werden könne. Die Frage, ob die Ausbildung auch berufsbegleitend möglich sei, könne offen bleiben. Im vorliegenden Fall komme eine berufsbegleitende Weiterbildung schon deswegen nicht in Betracht, weil Frau S ihre arbeitsvertraglich geschuldete Anwaltstätigkeit nicht mehr ausüben könne. Von ungünstigen Arbeitsmarktchancen könne deswegen nicht die Rede sein, weil er – der Antragsteller – Frau S eine Stelle für den Fall der erfolgreichen Beendigung des Lehrgangs angeboten habe. Frau S erfülle auch die persönlichen Voraussetzungen für die Teilnahme an einem solchen Lehrgang.

Der Antragsteller beantragt (nach dem Sinn seines Vorbringens),

den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 28. November 2005 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den beantragten Arbeitsentgeltzuschuss in Höhe von 100 Prozent des an Frau S während der Teilnahme an dem Lehrgang Sozialmanagement ab 23. September 2005 (bzw. 1. Oktober 2005) zu zahlenden Arbeitsentgeltes zu bewilligen, ferner ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Anwalt nach Wahl beizuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend. Im Übrigen verweist sie auf ihren Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2006, in dem sie den Widerspruch gegen ihren Bescheid vom 22. September 2005 zurückgewiesen habe. Bei der Ausbildung zur Sozialmanagerin handele es sich um einen Fernlehrgang, der auch neben der eigentlichen Tätigkeit absolviert werden könne, und nicht um eine Vollzeitmaßnahme.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegen¬stand der Beratung gewesen sind.

II.

Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben. Angesichts der vom Antragsteller in Abrede gestellten wirksamen Zustellung des Beschlusses des Sozialgerichts am 1. Dezember 2005 lässt der Senat dahingestellt sein, ob die Beschwerde schon wegen Versäumung der in § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bestimmten Beschwerdefrist von einem Monat als unzulässig zu verwerfen ist. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet, weil der Beschluss des Sozialgerichts in der Sache zutreffend ist.

Nach § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache zur Regelung eines vorläufigen Zustandes eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, weil kein Anordnungsanspruch zugunsten des Antragstellers ersichtlich ist.

Gemäß § 417 Abs. 2 SGB III kann bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Zuschuss zum Arbeitsentgelt an den Arbeitgeber erbracht werden, wenn ein von Arbeitslosigkeit bedrohter Arbeitnehmer im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts an einer Maßnahme der Eignungsfeststellung, Trainingsmaßnahme oder an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme, die für die Weiterbildungsförderung anerkannt ist, teilnimmt und wenn die Maßnahme bis zum 31. Dezember 2005 begonnen hat. Zwar mögen die Voraussetzungen dieser Vorschrift hinsichtlich des Drohens von Arbeitslosigkeit aufgrund der vom Antragsteller ausgesprochenen Änderungskündigung erfüllt sein. Verbleibende Zweifel an der Wirksamkeit der Kündigung, die von Frau S nicht angegriffen worden ist, sondern mit der sie sich ausdrücklich einverstanden erklärt hat, können dahingestellt bleiben, weil allein das Drohen von Arbeitslosigkeit für den geltend gemachten Anspruch nicht ausreicht.

§ 417 Abs. 2 SGB III stellt die Förderung einer Weiterbildung durch Gewährung von Zuschüssen an den Arbeitgeber in das Ermessen der Agentur für Arbeit. Das ergibt sich aus der Formulierung des Gesetzes, dass gefördert werden kann. Die Förderung setzt dabei jedenfalls voraus, dass der Arbeitnehmer sich in einer für die Weiterbildungsförderung anerkannten Maßnahme befindet. Diese Voraussetzung ist vorliegend indessen nicht feststellbar. Nach der vom Antragsteller vorgelegten Trägerbescheinigung war der Fernlehrgang Sozialmanagement nur bis Ende Mai 2005 eine nach § 85 SGB III zugelassene Maßnahme, also nicht mehr in der Zeit, über die hier zu entscheiden ist. Eine positive Einzelfallentscheidung, die nach der Trägerbescheinigung über den Mai 2005 hinaus weiter möglich war, lag für Frau S ebenfalls nicht vor. Fehlt es demnach an der Teilnahme des Arbeitnehmers an einer für die Weiterbildungsförderung anerkannten Maßnahme, ist kein Raum für die Förderung des Arbeitgebers durch einen Zuschuss zum Arbeitsentgelt.

Im Übrigen wird die Einschätzung der Antragsgegnerin, dass die Maßnahme mangels entsprechender Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt ungeeignet ist, nicht durch das Angebot des Antragstellers widerlegt, Frau S auf einer entsprechenden Stelle weiterzubeschäftigen. Ein einzelner nachgewiesener Arbeitsplatz rechtfertigt nicht die Annahme, dass günstige Berufsaussichten bestehen, und belegt nicht die arbeitsmarktpolitische Zweckmäßigkeit einer Umschulung (BSG, Urt. v. 26. September 1990 - 9b/11 RAr 151/88 - = SozR 3-4100 § 36 Nr.1). Dass der Antragsteller Frau S schon in der Vergangenheit beschäftigt hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung, zumal die bisherige Beschäftigung unter Inanspruchnahme von Zuschüssen erfolgte, die nach Vorstellung des Antragstellers – wie gerade das vorliegende Verfahren zeigt – auch in der Zukunft weiter fließen sollen. Sie ist deswegen kein Beleg dafür, dass es nach Auslaufen von Zuschüssen zu einer dauerhaften Beschäftigung kommen wird.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, weil es aus den oben erörterten Gründen an der nach den §§ 73 a SGG, 114 der Zivilprozessordnung dafür erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht fehlt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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