Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 10 RJ 1604/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 R 337/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Januar 2006 (S 10 RJ 1604/99) aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Sozialgericht zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil des Sozialgerichts vorbehalten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Die 1947 geborene Klägerin beantragte am 24. November 1998 bei der Landesversicherungsanstalt Berlin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit. Nach Einholung von schriftlichen Gutachten (neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. C vom 23. Januar 1999, sozialmedizinisches Gutachten von Dr. H vom 07. Januar 1999) lehnte die Landesversicherungsanstalt Berlin mit Bescheid vom 10. Februar 1999 den Antrag ab, weil weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorliege. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 1999 zurückgewiesen.
Mit der am 27. Juli 1999 beim Sozialgericht (SG) Berlin eingegangenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren auf Zahlung einer Erwerbsunfähigkeitsrente hilfsweise Berufsunfähigkeitsrente weiterverfolgt. Zur Begründung wurde insbesondere auf eine nervenfachärztliche Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. KBezug genommen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Februar 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 1999 zu verurteilen, der Klägerin ab 01. November 1998 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit, hilfsweise wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Bevollmächtigte der Beklagten, die Rechtsnachfolgerin der Landesversicherungsanstalt Berlin ist, hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verteidigte ihre Entscheidungen.
Das SG hat Befundberichte behandelnder Ärzte und ein schriftliches Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. H eingeholt. Dieser erstattete am 19. Mai 2000 ein schriftliches Gutachten aufgrund ambulanter Untersuchung der Klägerin am 08. Mai 2000. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D erstattete aufgrund der Beweisanordnung vom 09.August 2000 am 10. September 2001 ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten aufgrund ambulanter Untersuchung der Klägerin am 13. August 2001. Auf nervenärztlichem Fachgebiet diagnostizierte er ein depressives Syndrom mit somatischen Symptomen und Erschöpfung. Er erachtete die Klägerin für leichte Tätigkeiten mit einer Arbeitszeit von 8 Stunden täglich für einsetzbar.
Mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2001 hat die Klägerin Dr. D wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung des Ablehnungsantrages wurde insbesondere vorgetragen, die Klägerin habe den Gutachter telefonisch gefragt, weshalb die Untersuchung und das Gutachten solange Zeit in Anspruch nähmen. Durch diesen Anruf habe sich der Gutachter belästigt gefühlt, und es zu einem Streit zwischen der Klägerin und dem Gutachter am Telefon gekommen. Zusätzlich wurde zum Inhalt des Gutachtens vorgetragen, das Gutachten weise medizinische Fehler und Mängel auf. Die Klägerin übermittelte eine nervenärztliche Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. vom 12. Oktober 2001mit der Beurteilung des Arztes, die Klägerin sei erwerbsunfähig. Die Klägerin überreichte desweiteren Ablichtungen von Befundberichten, psychiatrisch-neurologische Stellungnahme von Dr. W. vom 17.April 2002 jeweils aus dem Verfahren des Sozialgerichts Berlin - S 40 SB 1979/01 und Bescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales vom 07. Juni 2002.
Mit dem am 16. Januar 2006 verkündeten Urteil hat das SG den Antrag, den Sachverständigen Dr. D wegen Besorgnis der Befangenheit auszuschließen, zurückgewiesen und die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Ablehnung des Befangenheitsgesuchs hat das Gericht insbesondere ausgeführt, der Antrag sei zum einen unzulässig, verfristet, soweit er sich auf das vor Begutachtung geführte Telefonat und die Kürze der Begutachtung beziehe. Der Antrag sei insoweit unverzüglich, spätestens unter Berücksichtigung einer Überlegungsfrist von einem Monat nach Kenntnisnahme der die Befangenheit begründenden Umstände zu stellen gewesen. Lediglich soweit sich die Befangenheit des Gutachters aus der schriftlichen Fassung seines Gutachtens selbst ergeben solle, sei der Befangenheitsantrag zwar fristgemäß aber unbegründet. Zwar erscheine es grundsätzlich geboten, dass das Gericht den Beschluss zum Ablehnungsantrag vor der Sachentscheidung fasse, vorliegend befinde sich das Gericht aber in einem Zielkonflikt mit dem u. a. auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Gebot der Entscheidung in angemessener Zeit unter Vermeidung einer überlangen Verfahrensdauer. Insoweit nahm das Gericht Bezug auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) mit Beschluss vom 13. Dezember 2005 ( B 4 RA 220/04 B). Unter Berücksichtigung einer Folgenabwägung hinsichtlich seiner Verfahrensweise im Irrtumsfall gelange das Gericht zum Ergebnis, es sei angemessen, vorliegend mit dem Endurteil gleichzeitig über den Befangenheitsantrag zu entscheiden.
Die zulässige Klage sei unbegründet. Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie habe kein Recht auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit oder wegen Erwerbsminderung gegenüber der Beklagten. Die Klägerin, die in ihrem Berufsleben einfache Hilfs- und Reinigungstätigkeiten ausgeübt habe, genieße keinen Berufsschutz. Sie sei auf der untersten Stufe des vom Gericht dargestellten Mehrstufenschemas des BSG einzuordnen. Das Gericht sei in diagnostischer Hinsicht zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin an einem depressiven Syndrom mit somatischen Symptomen und Erschöpfung, einem Wirbelsäulensyndrom und degenerativen Veränderungen und Fehlstatik sowie einer geringen Gonarthrose leide. Hinzu komme eine Schilddrüsenunterfunktion und ein Tinnitus. Aufgrund dieser diagnostischen Lage sei die Klägerin noch in der Lage, täglich leichte körperliche Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten und unter Vermeidung einseitiger Belastungen und unter Vermeidung von Heben und Tragen von Lasten über 2 ½ kg zu verrichten. Größere Belastungen der Wirbelsäule sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sollten dabei vermieden werden. Dem Einfluss von Hitze, Staub und Feuchtigkeit sowie Zugluft und Lärm sollte sie nicht ausgesetzt werden. Tätigkeiten in Wechsel- und Nachtschicht sollten vermieden werden. Zu dieser Einschätzung gelangte das Gericht aufgrund der Gutachten von Dres. D und H sowie aufgrund ergänzender Würdigung der weiteren medizinischen Unterlagen und der von der Beklagten eingeholten Gutachten.
Das Gericht führte aus, die von der Klägerin eingereichten Unterlagen aus dem "SB-Verfahren" führten ebenfalls nicht zu einer anderen Bewertung des Leistungsvermögens der Klägerin. Auch aus diesen Unterlagen sei zu entnehmen, dass die organischen Erkrankungen der Klägerin eher geringwertiger Natur seien und im Vordergrund eine psychische Erkrankung stehe, welche das Ausmaß mindestens mittelgradiger sozialer Anpassungsschwierigkeiten aber noch nicht erreichten. Das Gericht zitierte dazu die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht. Aus dem aktuellen Befundbericht des Nervenarztes Dr. ergebe sich, dass die Klägerin in den vergangenen Jahren lediglich sporadisch die Praxis aufgesucht habe und weitergehende Untersuchungen nicht stattgefunden hätten. Es sei daher zumindest nicht von einer Verschlimmerung des psychiatrischen Leidens auszugehen. Das Gericht fühle sich zu weiteren Ermittlungen nicht veranlasst. Mangels Anhalts für etwaige Verschlimmerungen im Gesundheitszustand der Klägerin bestehe dazu keine Notwendigkeit.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 06. Februar 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 06.März 2006 beim Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Klägerin. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, das erstinstanzliche Gericht habe zu Unrecht den Befangenheitsantrag gegenüber dem Sachverständigen Dr. Dzurückgewiesen. Insbesondere habe die Klägerin aufgrund des Streits am Telefon noch nicht feststellen können, dass sie berechtigterweise Sorge haben müsse, dass der Sachverständige befangen sei. Erst als das Gutachten vorgelegen habe, habe sie feststellen müssen, dass der Gutachter sich von dem Streitgespräch am Telefon bei der Erstellung des Gutachtens habe leiten lassen. Der Befangenheitsantrag sei daher fristgerecht erfolgt. Zur weiteren Begründung wird Bezug genommen auf die erstinstanzliche Begründung des Antrags. Des Weiteren wurde insbesondere vorgetragen, die eingereichten ärztlichen Stellungnahmen zum Gutachten von Dr. D zeigten, dass dessen Beurteilung unzutreffend sei. Darüber hinaus sei die Klägerin der deutschen Sprache als türkische Staatsbürgerin nicht hinreichend mächtig, um einfache Tätigkeiten wie Botengänge etc. durchzuführen.
Das erstinstanzliche Urteil lese sich, als wenn das erstinstanzliche Gericht meine, eigenen hinreichenden medizinischen Sachverstand - hier auf psychiatrischem Gebiet - zu haben. Das Gericht begründe nicht, woher es diesen haben wolle. Aufgrund der massiven Kritik des Sachverständigen Dr. hätte das Gericht ein weiteres Gutachten einholen müssen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Januar 2006 (S 10 RJ 1604/99) zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 1999 zu verurteilen, der Klägerin ab 1. November 1998 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit, hilfsweise wegen Erwerbsminderung zu gewähren;
hilfsweise,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Januar 2006 (S 10 RJ 1604/99) aufzuheben und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Berlin zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist mit dem Hilfsantrag der Klägerin im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das SG zur erneuten Entscheidung begründet.
Das erstinstanzliche Verfahren leidet an wesentlichen Mängeln, § 159 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz, SGG. Es entspricht pflichtgemäßem Ermessen des Senats, die Sache zur Fortführung des Rechtsstreits an das SG zurückzuverweisen. Bei Abwägung der Interessen der Beteiligten an einer Sachentscheidung und des Grundsatzes der Prozessökonomie einerseits und dem Verlust einer Instanz andererseits mit dem Erfordernis weiterer Ermittlungen erscheint es auch unter Berücksichtigung der Dauer und des Sachstands des Berufungsverfahrens angemessen, die Sache zurückzuverweisen.
Ein wesentlicher Verfahrensmangel liegt bereits darin, dass das Urteil unter Verstoß gegen den im Sozialgerichtsverfahren herrschenden Amtsermittlungsgrundsatz zustande gekommen ist. Nach § 103 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Es müssen alle Tatsachen ermittelt werden, die für die Entscheidung in prozessualer und materieller Hinsicht wesentlich, entscheidungserheblich sind. Das erstinstanzliche Gericht hat für entscheidungserheblich erachtet, dass von einer Verschlimmerung des psychiatrischen Leidens nicht auszugehen sei. Auf der Grundlage der erstinstanzlichen Auffassung, bei der Klägerin liege unter anderem ein depressives Syndrom mit somatischen Symptomen und Erschöpfung vor, die Unterlagen aus dem SB-Verfahren seien in diesem Rahmen zu würdigen, hätte sich das Gericht zu weiteren Ermittlungen gedrängt sehen müssen.
Hingegen hat sich das Gericht eigene medizinische Sachkunde angemaßt. Das Gericht hat eigenständig ohne Unterstützung durch sachverständige medizinische Sachkunde die von der Klägerin eingereichten Unterlagen im SB-Klageverfahren ausgewertet. Das Gericht verfügt jedoch selbst jedoch nicht über ausreichende medizinische Sachkunde, um die erfolgte Beurteilung kompetent vornehmen zu können. Jedenfalls hat es gegenüber den Beteiligten diese nicht offen gelegt. Hingegen lag dem Gericht die psychiatrisch-neurologische Stellungnahme im SB-Klageverfahren des Facharztes für Psychiatrie Dr. W vom 17. April 2002 vor, der aufgrund der von der Klägerin auch zu dem vorliegenden Verfahren von Dr. mitgeteilten Befunden die Empfehlung abgegeben hatte, das seelische Leiden der Klägerin umzuformulieren und neu zu bewerten, was von dem Versorgungsamt durch Bescheid vom 07. Juni 2002 umgesetzt worden ist. Daraus wird deutlich, dass der Befundbericht von Dr. v. H. vom 13.September 2001 auf Empfehlung des beratenden Arztes des Versorgungsamts Grundlage einer Verwaltungsentscheidung geworden war. Dr. v. H. hatte die Klägerin nach der im August 2001 erfolgten Untersuchung durch den gerichtlich bestellten Gutachter D. im September 2001 zuletzt untersucht.
Ein weiterer wesentlicher Verfahrensfehler liegt darin, dass das Gericht über den Ablehnungsantrag vom 26.Oktober 2001 mit dem angefochtenen Urteil und nicht vor der Sachentscheidung durch Beschluss entschieden hat. Die Klägerin hat jedoch ein Recht auf Feststellung der (Un-)Parteilichkeit der gerichtlich bestellten Sachverständigen bereits vor der Sachentscheidung des Gerichts. Dieses Recht ist mit der im Urteil vom 16. Januar 2006 erfolgten Entscheidung verletzt worden. Unerheblich ist insoweit der Hinweis in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils, am 01. Dezember 2005 habe die 10. Kammer des Gerichts die Bearbeitung der Klage übernommen. Auch die 10. Kammer hätte Gelegenheit gehabt, vor der Sachentscheidung über den Ablehnungsantrag zu entscheiden.
Die Entscheidung über ein Gesuch auf Ablehnung eines vom Gericht bestellten Sachverständigen hat in einem von der Endentscheidung getrennten Beschluss zu ergehen. Es handelt sich um einen Mangel im Verfahren, soweit im Urteil und nicht mit gesondertem Beschluss über das Ablehnungsgesuch entschieden wurde (BSG, Breithaupt 1976, 160, 161; Breithaupt 82, 1014). Geschieht dies nicht, sondern wird die Ablehnung erst in der Endentscheidung für unbegründet erklärt, so liegt darin in der Regel ein Verfahrensverstoß, weil der Beschwerdeweg abgeschnitten wird (BSG, Breithaupt, 82, 1014).
Der Gesetzgeber hat die Frage, ob ein Ablehnungsgrund gegen einen Sachverständigen vorliegt, rasch und endgültig bereinigt sehen wollen und hat zu diesem Zweck ein besonderes Verfahren eingerichtet. Der Gesetzeszweck würde vereitelt und die Bedeutung dieses Verfahrens würde verloren gehen, wenn die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch nicht vor der Sachentscheidung erfolgte.
Der Senat verkennt nicht das Bemühen des erstinstanzlichen Gerichts, eine Sachentscheidung binnen angemessener Frist herbei zu führen. Jedenfalls kann nach Auffassung des Senats allein zur Vermeidung einer noch längeren Dauer des Verfahrens nicht hingenommen werden, diese mit dem vorliegenden Verfahrensmangel zu bewirken.
Von daher kann dahinstehen, ob im vorliegenden Fall überhaupt ein Verstoß gegen das Gebot eines zügigen Verfahrens gemäß Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gegebenenfalls damit begründbar wäre, dass das Gericht eine Entscheidung über das Ablehnungsgesuch vor der Sachentscheidung getroffen haben würde. Auch das BSG, auf dessen Entscheidung vom 13. Dezember 2005 - B 4 RA 220/04 B - das erstinstanzliche Gericht Bezug nimmt, hat darauf hingewiesen, dass sich eine absolute Zeitgrenze aus Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht ergebe, dass selbst eine langjährige Verfahrensdauer nicht automatisch zu einem Konventionsverstoß führe. Allerdings begründe ein extrem langer Zeitraum die Vermutung der Verletzung der Konvention (Seite 13 des Urteils des BSG). Soweit das BSG in dieser Entscheidung von "Grenzwerten" ausgeht, wonach bei einer Verfahrensdauer von mehr als drei Jahren in der ersten wie auch in der zweiten Instanz die Grenze des Tolerablen überschritten würde, lässt das BSG selbst gewöhnliche Gründe zu, die ein solches Überschreiten rechtfertigen können.
Eine gesonderte Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren hat nicht zu ergehen. Diese bleibt dem fortzusetzenden erstinstanzlichen Verfahren vorbehalten.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Die 1947 geborene Klägerin beantragte am 24. November 1998 bei der Landesversicherungsanstalt Berlin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit. Nach Einholung von schriftlichen Gutachten (neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. C vom 23. Januar 1999, sozialmedizinisches Gutachten von Dr. H vom 07. Januar 1999) lehnte die Landesversicherungsanstalt Berlin mit Bescheid vom 10. Februar 1999 den Antrag ab, weil weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorliege. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 1999 zurückgewiesen.
Mit der am 27. Juli 1999 beim Sozialgericht (SG) Berlin eingegangenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren auf Zahlung einer Erwerbsunfähigkeitsrente hilfsweise Berufsunfähigkeitsrente weiterverfolgt. Zur Begründung wurde insbesondere auf eine nervenfachärztliche Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. KBezug genommen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Februar 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 1999 zu verurteilen, der Klägerin ab 01. November 1998 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit, hilfsweise wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Bevollmächtigte der Beklagten, die Rechtsnachfolgerin der Landesversicherungsanstalt Berlin ist, hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verteidigte ihre Entscheidungen.
Das SG hat Befundberichte behandelnder Ärzte und ein schriftliches Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. H eingeholt. Dieser erstattete am 19. Mai 2000 ein schriftliches Gutachten aufgrund ambulanter Untersuchung der Klägerin am 08. Mai 2000. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D erstattete aufgrund der Beweisanordnung vom 09.August 2000 am 10. September 2001 ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten aufgrund ambulanter Untersuchung der Klägerin am 13. August 2001. Auf nervenärztlichem Fachgebiet diagnostizierte er ein depressives Syndrom mit somatischen Symptomen und Erschöpfung. Er erachtete die Klägerin für leichte Tätigkeiten mit einer Arbeitszeit von 8 Stunden täglich für einsetzbar.
Mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2001 hat die Klägerin Dr. D wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung des Ablehnungsantrages wurde insbesondere vorgetragen, die Klägerin habe den Gutachter telefonisch gefragt, weshalb die Untersuchung und das Gutachten solange Zeit in Anspruch nähmen. Durch diesen Anruf habe sich der Gutachter belästigt gefühlt, und es zu einem Streit zwischen der Klägerin und dem Gutachter am Telefon gekommen. Zusätzlich wurde zum Inhalt des Gutachtens vorgetragen, das Gutachten weise medizinische Fehler und Mängel auf. Die Klägerin übermittelte eine nervenärztliche Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. vom 12. Oktober 2001mit der Beurteilung des Arztes, die Klägerin sei erwerbsunfähig. Die Klägerin überreichte desweiteren Ablichtungen von Befundberichten, psychiatrisch-neurologische Stellungnahme von Dr. W. vom 17.April 2002 jeweils aus dem Verfahren des Sozialgerichts Berlin - S 40 SB 1979/01 und Bescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales vom 07. Juni 2002.
Mit dem am 16. Januar 2006 verkündeten Urteil hat das SG den Antrag, den Sachverständigen Dr. D wegen Besorgnis der Befangenheit auszuschließen, zurückgewiesen und die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Ablehnung des Befangenheitsgesuchs hat das Gericht insbesondere ausgeführt, der Antrag sei zum einen unzulässig, verfristet, soweit er sich auf das vor Begutachtung geführte Telefonat und die Kürze der Begutachtung beziehe. Der Antrag sei insoweit unverzüglich, spätestens unter Berücksichtigung einer Überlegungsfrist von einem Monat nach Kenntnisnahme der die Befangenheit begründenden Umstände zu stellen gewesen. Lediglich soweit sich die Befangenheit des Gutachters aus der schriftlichen Fassung seines Gutachtens selbst ergeben solle, sei der Befangenheitsantrag zwar fristgemäß aber unbegründet. Zwar erscheine es grundsätzlich geboten, dass das Gericht den Beschluss zum Ablehnungsantrag vor der Sachentscheidung fasse, vorliegend befinde sich das Gericht aber in einem Zielkonflikt mit dem u. a. auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Gebot der Entscheidung in angemessener Zeit unter Vermeidung einer überlangen Verfahrensdauer. Insoweit nahm das Gericht Bezug auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) mit Beschluss vom 13. Dezember 2005 ( B 4 RA 220/04 B). Unter Berücksichtigung einer Folgenabwägung hinsichtlich seiner Verfahrensweise im Irrtumsfall gelange das Gericht zum Ergebnis, es sei angemessen, vorliegend mit dem Endurteil gleichzeitig über den Befangenheitsantrag zu entscheiden.
Die zulässige Klage sei unbegründet. Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie habe kein Recht auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit oder wegen Erwerbsminderung gegenüber der Beklagten. Die Klägerin, die in ihrem Berufsleben einfache Hilfs- und Reinigungstätigkeiten ausgeübt habe, genieße keinen Berufsschutz. Sie sei auf der untersten Stufe des vom Gericht dargestellten Mehrstufenschemas des BSG einzuordnen. Das Gericht sei in diagnostischer Hinsicht zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin an einem depressiven Syndrom mit somatischen Symptomen und Erschöpfung, einem Wirbelsäulensyndrom und degenerativen Veränderungen und Fehlstatik sowie einer geringen Gonarthrose leide. Hinzu komme eine Schilddrüsenunterfunktion und ein Tinnitus. Aufgrund dieser diagnostischen Lage sei die Klägerin noch in der Lage, täglich leichte körperliche Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten und unter Vermeidung einseitiger Belastungen und unter Vermeidung von Heben und Tragen von Lasten über 2 ½ kg zu verrichten. Größere Belastungen der Wirbelsäule sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sollten dabei vermieden werden. Dem Einfluss von Hitze, Staub und Feuchtigkeit sowie Zugluft und Lärm sollte sie nicht ausgesetzt werden. Tätigkeiten in Wechsel- und Nachtschicht sollten vermieden werden. Zu dieser Einschätzung gelangte das Gericht aufgrund der Gutachten von Dres. D und H sowie aufgrund ergänzender Würdigung der weiteren medizinischen Unterlagen und der von der Beklagten eingeholten Gutachten.
Das Gericht führte aus, die von der Klägerin eingereichten Unterlagen aus dem "SB-Verfahren" führten ebenfalls nicht zu einer anderen Bewertung des Leistungsvermögens der Klägerin. Auch aus diesen Unterlagen sei zu entnehmen, dass die organischen Erkrankungen der Klägerin eher geringwertiger Natur seien und im Vordergrund eine psychische Erkrankung stehe, welche das Ausmaß mindestens mittelgradiger sozialer Anpassungsschwierigkeiten aber noch nicht erreichten. Das Gericht zitierte dazu die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht. Aus dem aktuellen Befundbericht des Nervenarztes Dr. ergebe sich, dass die Klägerin in den vergangenen Jahren lediglich sporadisch die Praxis aufgesucht habe und weitergehende Untersuchungen nicht stattgefunden hätten. Es sei daher zumindest nicht von einer Verschlimmerung des psychiatrischen Leidens auszugehen. Das Gericht fühle sich zu weiteren Ermittlungen nicht veranlasst. Mangels Anhalts für etwaige Verschlimmerungen im Gesundheitszustand der Klägerin bestehe dazu keine Notwendigkeit.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 06. Februar 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 06.März 2006 beim Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Klägerin. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, das erstinstanzliche Gericht habe zu Unrecht den Befangenheitsantrag gegenüber dem Sachverständigen Dr. Dzurückgewiesen. Insbesondere habe die Klägerin aufgrund des Streits am Telefon noch nicht feststellen können, dass sie berechtigterweise Sorge haben müsse, dass der Sachverständige befangen sei. Erst als das Gutachten vorgelegen habe, habe sie feststellen müssen, dass der Gutachter sich von dem Streitgespräch am Telefon bei der Erstellung des Gutachtens habe leiten lassen. Der Befangenheitsantrag sei daher fristgerecht erfolgt. Zur weiteren Begründung wird Bezug genommen auf die erstinstanzliche Begründung des Antrags. Des Weiteren wurde insbesondere vorgetragen, die eingereichten ärztlichen Stellungnahmen zum Gutachten von Dr. D zeigten, dass dessen Beurteilung unzutreffend sei. Darüber hinaus sei die Klägerin der deutschen Sprache als türkische Staatsbürgerin nicht hinreichend mächtig, um einfache Tätigkeiten wie Botengänge etc. durchzuführen.
Das erstinstanzliche Urteil lese sich, als wenn das erstinstanzliche Gericht meine, eigenen hinreichenden medizinischen Sachverstand - hier auf psychiatrischem Gebiet - zu haben. Das Gericht begründe nicht, woher es diesen haben wolle. Aufgrund der massiven Kritik des Sachverständigen Dr. hätte das Gericht ein weiteres Gutachten einholen müssen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Januar 2006 (S 10 RJ 1604/99) zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 1999 zu verurteilen, der Klägerin ab 1. November 1998 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit, hilfsweise wegen Erwerbsminderung zu gewähren;
hilfsweise,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Januar 2006 (S 10 RJ 1604/99) aufzuheben und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Berlin zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist mit dem Hilfsantrag der Klägerin im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das SG zur erneuten Entscheidung begründet.
Das erstinstanzliche Verfahren leidet an wesentlichen Mängeln, § 159 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz, SGG. Es entspricht pflichtgemäßem Ermessen des Senats, die Sache zur Fortführung des Rechtsstreits an das SG zurückzuverweisen. Bei Abwägung der Interessen der Beteiligten an einer Sachentscheidung und des Grundsatzes der Prozessökonomie einerseits und dem Verlust einer Instanz andererseits mit dem Erfordernis weiterer Ermittlungen erscheint es auch unter Berücksichtigung der Dauer und des Sachstands des Berufungsverfahrens angemessen, die Sache zurückzuverweisen.
Ein wesentlicher Verfahrensmangel liegt bereits darin, dass das Urteil unter Verstoß gegen den im Sozialgerichtsverfahren herrschenden Amtsermittlungsgrundsatz zustande gekommen ist. Nach § 103 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Es müssen alle Tatsachen ermittelt werden, die für die Entscheidung in prozessualer und materieller Hinsicht wesentlich, entscheidungserheblich sind. Das erstinstanzliche Gericht hat für entscheidungserheblich erachtet, dass von einer Verschlimmerung des psychiatrischen Leidens nicht auszugehen sei. Auf der Grundlage der erstinstanzlichen Auffassung, bei der Klägerin liege unter anderem ein depressives Syndrom mit somatischen Symptomen und Erschöpfung vor, die Unterlagen aus dem SB-Verfahren seien in diesem Rahmen zu würdigen, hätte sich das Gericht zu weiteren Ermittlungen gedrängt sehen müssen.
Hingegen hat sich das Gericht eigene medizinische Sachkunde angemaßt. Das Gericht hat eigenständig ohne Unterstützung durch sachverständige medizinische Sachkunde die von der Klägerin eingereichten Unterlagen im SB-Klageverfahren ausgewertet. Das Gericht verfügt jedoch selbst jedoch nicht über ausreichende medizinische Sachkunde, um die erfolgte Beurteilung kompetent vornehmen zu können. Jedenfalls hat es gegenüber den Beteiligten diese nicht offen gelegt. Hingegen lag dem Gericht die psychiatrisch-neurologische Stellungnahme im SB-Klageverfahren des Facharztes für Psychiatrie Dr. W vom 17. April 2002 vor, der aufgrund der von der Klägerin auch zu dem vorliegenden Verfahren von Dr. mitgeteilten Befunden die Empfehlung abgegeben hatte, das seelische Leiden der Klägerin umzuformulieren und neu zu bewerten, was von dem Versorgungsamt durch Bescheid vom 07. Juni 2002 umgesetzt worden ist. Daraus wird deutlich, dass der Befundbericht von Dr. v. H. vom 13.September 2001 auf Empfehlung des beratenden Arztes des Versorgungsamts Grundlage einer Verwaltungsentscheidung geworden war. Dr. v. H. hatte die Klägerin nach der im August 2001 erfolgten Untersuchung durch den gerichtlich bestellten Gutachter D. im September 2001 zuletzt untersucht.
Ein weiterer wesentlicher Verfahrensfehler liegt darin, dass das Gericht über den Ablehnungsantrag vom 26.Oktober 2001 mit dem angefochtenen Urteil und nicht vor der Sachentscheidung durch Beschluss entschieden hat. Die Klägerin hat jedoch ein Recht auf Feststellung der (Un-)Parteilichkeit der gerichtlich bestellten Sachverständigen bereits vor der Sachentscheidung des Gerichts. Dieses Recht ist mit der im Urteil vom 16. Januar 2006 erfolgten Entscheidung verletzt worden. Unerheblich ist insoweit der Hinweis in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils, am 01. Dezember 2005 habe die 10. Kammer des Gerichts die Bearbeitung der Klage übernommen. Auch die 10. Kammer hätte Gelegenheit gehabt, vor der Sachentscheidung über den Ablehnungsantrag zu entscheiden.
Die Entscheidung über ein Gesuch auf Ablehnung eines vom Gericht bestellten Sachverständigen hat in einem von der Endentscheidung getrennten Beschluss zu ergehen. Es handelt sich um einen Mangel im Verfahren, soweit im Urteil und nicht mit gesondertem Beschluss über das Ablehnungsgesuch entschieden wurde (BSG, Breithaupt 1976, 160, 161; Breithaupt 82, 1014). Geschieht dies nicht, sondern wird die Ablehnung erst in der Endentscheidung für unbegründet erklärt, so liegt darin in der Regel ein Verfahrensverstoß, weil der Beschwerdeweg abgeschnitten wird (BSG, Breithaupt, 82, 1014).
Der Gesetzgeber hat die Frage, ob ein Ablehnungsgrund gegen einen Sachverständigen vorliegt, rasch und endgültig bereinigt sehen wollen und hat zu diesem Zweck ein besonderes Verfahren eingerichtet. Der Gesetzeszweck würde vereitelt und die Bedeutung dieses Verfahrens würde verloren gehen, wenn die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch nicht vor der Sachentscheidung erfolgte.
Der Senat verkennt nicht das Bemühen des erstinstanzlichen Gerichts, eine Sachentscheidung binnen angemessener Frist herbei zu führen. Jedenfalls kann nach Auffassung des Senats allein zur Vermeidung einer noch längeren Dauer des Verfahrens nicht hingenommen werden, diese mit dem vorliegenden Verfahrensmangel zu bewirken.
Von daher kann dahinstehen, ob im vorliegenden Fall überhaupt ein Verstoß gegen das Gebot eines zügigen Verfahrens gemäß Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gegebenenfalls damit begründbar wäre, dass das Gericht eine Entscheidung über das Ablehnungsgesuch vor der Sachentscheidung getroffen haben würde. Auch das BSG, auf dessen Entscheidung vom 13. Dezember 2005 - B 4 RA 220/04 B - das erstinstanzliche Gericht Bezug nimmt, hat darauf hingewiesen, dass sich eine absolute Zeitgrenze aus Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht ergebe, dass selbst eine langjährige Verfahrensdauer nicht automatisch zu einem Konventionsverstoß führe. Allerdings begründe ein extrem langer Zeitraum die Vermutung der Verletzung der Konvention (Seite 13 des Urteils des BSG). Soweit das BSG in dieser Entscheidung von "Grenzwerten" ausgeht, wonach bei einer Verfahrensdauer von mehr als drei Jahren in der ersten wie auch in der zweiten Instanz die Grenze des Tolerablen überschritten würde, lässt das BSG selbst gewöhnliche Gründe zu, die ein solches Überschreiten rechtfertigen können.
Eine gesonderte Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren hat nicht zu ergehen. Diese bleibt dem fortzusetzenden erstinstanzlichen Verfahren vorbehalten.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved