Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Bayreuth (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 8 KR 159/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Antragstellerin ein Beitrittsrecht zur freiwilligen Versicherung bei der An-tragsgegnerin nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V hat.
Die am 1955 geborene Antragstellerin bezog bis zum 31.12.2004 Sozialhilfe beim Landratsamt B. – Sozialhilfeverwaltung -. Nach der damaligen Einschätzung war sie unter den üblichen Bedingun-gen des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch für unter 3 Stunden täglich einsatzfähig. Die ARGE Landkreis B. bewilligte der Klä-gerin ab dem 01.01.2005 nach entsprechender Antragstellung so-dann Leistungen nach dem SGB II zur Sicherung des Lebensunter-haltes, nachdem am 08.02.2005 der Ärztliche Dienst der Agentur für Arbeit B. festgestellt hatte, dass die Antragstellerin vollschichtig arbeitsfähig für leichte Arbeiten in überwiegend sitzender Arbeitshaltung sei. Die Antragsgegnerin kam hingegen nach Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversi-cherung zum Ergebnis, dass eine Erwerbsfähigkeit der Antrag-stellerin nicht gegeben sei und teilte dies dem Landkreis B. unter Androhung der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen mit Schreiben vom 15.04.2005 mit. Nachdem sowohl das Land-ratsamt B. als auch die Agentur für Arbeit B. der Antragsgegne-rin nochmals bestätigten, dass an der Einschätzung der Erwerbs-fähigkeit der Antragstellerin festzuhalten sei, kam die An-tragsgegnerin nach nochmaliger medizinischer Überprüfung zu dem Ergebnis, dass vom Vorliegen der Erwerbsfähigkeit ausgegangen werden sollte (vgl. Blatt 10 der Verwaltungsakte). Dies wurde sowohl der ARGE als auch dem Landratsamt B. (Sozialhilfeverwal-tung) mit Schreiben jeweils vom 25.05.2005 mitgeteilt. Auf Grund neuer Befunde und unter Berücksichtigung des Krankheits-verlaufes kam die Agentur für Arbeit B. in ihrem Ärztlichen Dienst mit Gutachten vom 05.12.2005 zum Ergebnis, dass bei der Antragstellerin nunmehr lediglich ein Leistungsvermögen von un-ter 3 Stunden täglich für eine Zeit von voraussichtlich länger als 6 Monaten vorläge und somit Erwerbsunfähigkeit gegeben sei. Das ärztliche Gutachten vom 05.12.2005 wurde der Antragstelle-rin laut Schreiben der ARGE Landkreis B. vom 08.03.2006 (Blatt 23 der Verwaltungsakte) am 16.12.2005 bekannt gegeben. Nachdem der Antragstellerin mit Bescheid der ARGE Landkreis B. vom 25.08.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bis einschließlich 28.02.2006 bestandskräftig bewilligt worden waren, hob die ARGE Landkreis B. auf Grund des Ergebnisses der arbeitsamtsärztlichen Begutachtung mit Bescheid vom 10.01.2006 die Bewilligung von Arbeitslosengeld II mit Wir-kung ab dem 01.02.2006 ganz auf. Die Antragstellerin hatte be-reits zuvor beim zuständigen Sozialhilfeträger (Landratsamt B.) Sozialhilfe beantragt und hat mit Bescheid vom 24.02.2006 ab dem 01.02.2006 auch Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 27 ff SGB XII bewilligt bekommen.
Am 02.01.2006 beantragte die Antragstellerin bei der Antrags-gegnerin den Beitritt zur freiwilligen Versicherung, da sie vom 01.01.2005 bis 31.01.2006 gesetzlich bei der Antragsgegnerin versichert gewesen sei. Nachdem die Antragsgegnerin bereits mit Schreiben vom 01.02.2006 die Antragstellerin darauf hingewiesen hatte, dass sie eine Anmeldung zur freiwilligen Krankenversi-cherung nicht durchführen könne, weil die Antragstellerin auf Grund der Schwere ihrer Erkrankung nicht in der Lage gewesen sei, eine Beschäftigung auszuüben und das Arbeitslosengeld II somit zu Unrecht erhalten zu habe, stellte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 27.03.2006 fest, dass eine freiwillige Versi-cherung der Antragstellerin nicht erfolgen könne. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 31.03.2006 wurde bislang noch nicht entschieden.
Am 23.05.2006 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Antrag-stellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Zur Begrün-dung wurde darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig beitreten könne, nachdem sie unmittelbar vor dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung ununterbrochen mindes-tens 12 Monate pflichtversichert gewesen sei. Zeiten, in denen eine Versicherung deswegen bestanden habe, weil Arbeitslosen-geld II zu Unrecht bezogen worden sei, lägen gerade nicht vor, da Rechtsgrund für den Leistungsbezug der Antragstellerin bis zum 31.01.2006 die Bescheide der ARGE Landkreis B. seien, die gerade nicht rückwirkend aufgehoben worden seien. Es läge auch ein Anordnungsgrund vor, da die Antragstellerin regelmäßig me-dizinischer Versorgung bedürfe.
Die Antragstellerin beantragt deshalb,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, sie vorläufig bis zur Bestandskraft des Bescheides der Antragsgegnerin vom 27.03.2006 als freiwillig Versicherte in die gesetzliche Krankenversicherung aufzunehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt hingegen,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzu-weisen.
Sie weist darauf hin, dass die erneute Prüfung der Erwerbsfä-higkeit der Antragstellerin am 05.12.2005 durch den Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit zur Feststellung der fehlenden Erwerbsfähigkeit für voraussichtlich länger als 6 Monate ge-führt habe. Ab dem 05.12.2005 sei deshalb Arbeitslosengeld II durch die Antragstellerin zu Unrecht bezogen worden. Diese Zeit könne nach der Neuregelung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 2. Hs. SGB V nicht als Vorversicherungszeit berücksichtigt werden. Dem Gericht lagen zur Entscheidung die beigezogenen Verwal-tungsakten der Antragsgegnerin vor. Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf diese Akten sowie auf die von den Be-teiligten im Verfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG eröffnet, das Sozialgericht Bayreuth ist das sachlich und örtlich zuständige Gericht der Haupt-sache (§§ 8, 57 Abs. 1 SGG). Die allgemeinen Sachentschei-dungsvoraussetzungen sind ebenfalls gegeben.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 23.05.2006 ist jedoch unbegründet, weil weder ein Anord-nungsanspruch glaubhaft gemacht ist noch ein Anordnungs-grund gegeben ist.
a. Gemäß § 86 b. Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsa-che eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers verei-telt oder wesentlich erschwert werden könnte oder wenn eine solche Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Rechtsverhältnisses zur Abwendung wesentlicher Nachtei-le des Antragstellers notwendig erscheint. In beiden Fällen setzt der Erlass einer einstweiligen Anordnung voraus, dass der Antragsteller den geltend gemachten Anspruch glaubhaft gemacht hat, d. h. dass der behaup-tete Anspruch im Sinne des materiellen Rechts überwie-gend wahrscheinlich ist, und die für die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes gesetzlich genannten Grün-de gegeben sind, also ein Anordnungsgrund besteht. An-ordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen dabei grundsätzlich nicht beziehungslos nebeneinander, son-dern bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System. Je höher bei summarischer Prü-fung des Anordnungsanspruchs die Erfolgsaussichten in der Hauptsacheklage einzuschätzen wären, desto geringe-re Anforderungen sind an das Vorliegen des Anordnungs-grundes zu stellen. Im Bereich der hier einschlägigen sog. Regelungsanordnung im Sinne des § 86 b. Abs. 2 2. Alt. SGG ist ein Anordnungsgrund dann zu verneinen, wenn die Hauptsacheklage offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist, da hier ein schützenswertes Recht des Antragstellers nicht gegeben sein kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens hat hingegen eine Ab-wägung zwischen den Folgen stattzufinden, die beim An-tragsteller entstehen, wenn das Gericht die einstweili-ge Anordnung nicht erlässt, und denen, die auf der an-deren Seite bei Erlass der einstweiligen Anordnung ent-stehen. Eine Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung darf durch die einstweilige Regelung hingegen nur aus-nahmsweise bei schweren, nicht wieder gut zu machenden Konsequenzen für den Antragsteller erfolgen (vgl. hier-zu Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 86 b., Rdnr. 27 ff.).
b. Die Voraussetzungen für den Erlass einer Regelungsan-ordnung im Sinne des § 86 b. Abs. 2 2. Hs. SGG sind vorliegend nicht gegeben, weil die Antragstellerin kei-nen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat.
aa. Die Antragstellerin hat am 02.01.2006 mit Wirkung zum 01.02.2006 einen Antrag auf Beitritt zur frei-willigen Versicherung bei der Antragsgegnerin im Sinne des § 9 SGB V gestellt. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in der hier anzuwendenden Fassung ab 31.12.2005 (Art. 2 a des Fünften Gesetzes zur Ände-rung des SGB III und anderer Gesetze vom 22.12.2005, BGBl I 3676) können Personen, die als Mitglieder aus der Versicherungspflicht ausgeschieden sind, der Versicherung beitreten, sofern sie in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens 24 Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens 12 Monate versichert waren. Die Antrag-stellerin war im Zeitpunkt der Antragstellung, d.h. am 02.01.2006, jedoch noch nicht aus der Versiche-rungspflicht als Arbeitslosengeld-II-Empfängerin ausgeschieden, vielmehr hat ihre Versicherung auf-grund des Leistungsbezuges gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 a. SGB V noch bis zum 31.01.2006 fortbestanden, und zwar unabhängig von der Frage, ob der Leistungsbezug zu Recht oder zu Unrecht erfolgte. Damit bestand am 02.01.2006 noch kein Beitrittsrecht der Antragstel-lerin. Nach dem 02.01.2006 wurde keine neue Bei-trittserklärung abgegeben.
bb. Selbst wenn ein Antragsrecht der Antragstellerin am 02.01.2006 bejaht würde oder zumindest in dem erho-benen Widerspruch gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom 27.03.2006 eine entsprechende Bei-trittserklärung gesehen werden könnte, besteht nach summarischer Prüfung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 2. Hs. SGB V kein Beitrittsrecht, da die Antragstellerin lediglich in der Zeit vom 01.01.2005 bis 16.12.2005 berücksichtigungsfähige Versicherungspflichtzeiten zurückgelegt hat, die im Rahmen der notwendigen Vor-versicherungszeiten nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V be-rücksichtigt werden können:
Die Antragstellerin war aufgrund des Leistungsbezu-ges nach dem SGB II bei der Antragsgegnerin gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 a. SGB V pflichtversichert, obwohl von Anfang an seitens der Antragsgegnerin erhebliche Bedenken hinsichtlich der Einstufung der Antragstel-lerin als erwerbsfähige Hilfebedürftige bestanden haben. Ob dies zu Recht oder zu Unrecht der Fall war, kann hier dahin gestellt bleiben, weil die An-tragsgegnerin selbst mit Schreiben vom 25.05.2005 von einer Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin aus-gegangen ist und ihr die Mitgliedschaft bestätigt hat. Erst aufgrund einer neuen Begutachtung durch den medizinischen Dienst der Agentur für Arbeit am 05.12.2005 ergab sich, dass die Antragstellerin (spätestens jetzt) mit einem verbliebenen Restleis-tungsvermögen von unter 3 Stunden täglich als er-werbsunfähig einzustufen war. Dieses Gutachten wurde der Antragstellerin am 16.12.2005 eröffnet, Bedenken gegen die Richtigkeit dieser medizinischen Einschät-zung wurden durch sie nicht geltend gemacht. Spätes-tens im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Gutachtens, d. h. ab dem 16.12.2005, lagen somit die materiell-rechtlichen Voraussetzungen nach den §§ 7, 8 SGB II für einen Leistungsbezug nach dem SGB II nicht mehr vor. Die bis dahin zuständige ARGE hätte somit un-verzüglich eine Aufhebung der Bewilligung von Ar-beitslosengeld II mit Wirkung für die Zukunft, d. h. ab Zugang des Aufhebungsbescheides verfügen müssen, der dann auch mit Zugang des Bescheides bei der An-tragstellerin wirksam geworden wäre. Der Antragstel-lerin dürfte aufgrund des vorhergehenden Streits zwischen dem Sozialhilfeträger, der ARGE und der An-tragsgegnerin über die Frage ihrer Erwerbsfähigkeit wohl auch klar gewesen sein, dass sie als Erwerbsun-fähige keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II mehr hatte, ohne ihr hierbei Bösgläubigkeit unterstellen zu wollen. Einer unverzüglichen Aufhebung der Bewil-ligungsentscheidung hätte dabei grundsätzlich auch nicht entgegen gestanden, dass die Anweisung des Ar-beitslosengeldes II für den Monat Januar 2006 angeb-lich bereits erfolgt war und die Auszahlung an die Antragstellerin aus rein verwaltungsinternen Gründen nicht mehr gestoppt werden konnte. Die ARGE hätte gleichwohl den Aufhebungsbescheid unverzüglich er-lassen können und gleichzeitig gegenüber dem nunmehr zuständigen Sozialhilfeträger einen Erstattungsan-spruch nach den §§ 102 ff. SGB X anmelden müssen, um aus wirtschaftlicher Sicht zumindest das Rangver-hältnis der Leistungsträger zueinander herzustellen, das der Gesetzgeber selbst vorgegeben hat. Einen ma-teriell-rechtlichen Grund, die Aufhebung der Bewil-ligung von Arbeitslosengeld II erst mit Wirkung ab dem 01.02.2006 vorzunehmen, gab es für die ARGE nicht.
Gleichwohl ist nach dem Recht des SGB II der Ar-beitslosengeld-II-Bezug bis zur Aufhebungsentschei-dung durch die ARGE formal zu Recht erfolgt, da eine rückwirkende Aufhebung der Entscheidung mangels Vor-liegen der Voraussetzungen der §§ 45 oder 48 SGB X, insbesondere mangels Bösgläubigkeit der Antragstel-lerin nicht mehr erfolgen kann. Der formell, d. h. aufgrund eines bestandskräftigen Bewilligungsbe-scheides bis zur Aufhebungsentscheidung erfolgte rechtmäßige Bezug führt im Recht des SGB II dazu, dass eine Rückforderung gewährter Leistungen durch die ARGE nicht in Frage kommt; gleichzeitig führt dies im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung dazu, dass die Pflichtversicherung aufgrund des tat-sächlichen Leistungsbezuges nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 a SGB V fortbesteht, und zwar vorliegend bis 31.01.2006. Insoweit hat die Antragstellerin auch keine Rückforderungen zu befürchten.
Hiervon zu unterscheiden ist jedoch die Regelung in-nerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung, die zwischen einer fortbestehenden formalen Versicherung nach § 5 SGB V und rechtmäßigen Vorversicherungs-pflichtzeiten nach § 9 SGB V differenziert. Nach der gesetzgeberischen Begründung zur Neufassung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 2. Hs. SGB V schließt die Neuregelung "die Berücksichtigung von Zeiten einer Versicherung aufgrund des rechtwidrigen Bezuges von Arbeitslosen-geld II als Vorversicherungszeit für den Zugang zur freiwilligen Mitgliedschaft aus. Damit wird insbe-sondere verhindert, dass ein wegen fehlender Er-werbsfähigkeit rechtswidriger Bezug von Arbeitslo-sengeld II dazu führt, dass nach Ende des unrechtmä-ßigen Leistungsbezugs eine dauerhafte freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversiche-rung begründet werden kann" (vgl. BT-Drcks. 16/245, S. 9). Da eine Bösgläubigkeit des Antragstellers im Hinblick auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Erwerbsfähigkeit in der Regel wohl kaum denkbar ist, kann im Regelfall wohl auch keine rückwirkende Auf-hebung der Leistungsbewilligung erfolgen – von kras-sen Einzelfällen wohl einmal abgesehen -. Ein rechtswidriger Leistungsbezug infolge des Fehlens von Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzgeberischen Begründung kann deshalb wohl nur dann vorliegen, wenn der Leistungsbezug, der aufgrund eines be-standskräftigen Bewilligungsbescheides erfolgte, bis zur Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides formell rechtmäßig erfolgt, gleichwohl aber materiell-rechtlich unrechtmäßig ist, weil aufgrund eines me-dizinischen Gutachtens nunmehr Erwerbsunfähigkeit festgestellt wurde und somit im Zeitpunkt der Be-kanntgabe des medizinischen Gutachtens die mate-riell-rechtlichen Voraussetzungen nach den §§ 7, 8 SGB II für einen Leistungsbezug nach dem SGB II nicht mehr gegeben sind. Allein die Dauer der ver-waltungstechnischen Abwicklung des Aufhebungsbe-scheides durch die ARGE als bisher zuständigem Leis-tungsträger vermag nach Auffassung des Gerichts kei-ne Vorversicherungszeit im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V begründen, die eine Berechtigung zur Begrün-dung der freiwilligen Mitgliedschaft auslösen. Die Frage der Beitrittsberechtigung würde dann von sach-fremden Umständen beeinflusst werden wie etwa Ar-beitsbelastung, Krankheitsstand, Urlaubsvertretungen bei den ARGEn oder ähnlichem. Der Gesetzgeber hatte im Hinblick auf die Belastungsfähigkeit der Solidar-gemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Neuregelung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 2. Hs. SGB V offensichtlich die Fälle im Blick, in denen Perso-nen, die vorher als erwerbsunfähig eingestuft worden waren und im Bezug von Sozialhilfe standen, vom So-zialhilfeträger aufgefordert wurden, einen Antrag auf Leistungsgewährung nach dem SGB II zu stellen und von dort Leistungen erhalten haben, ohne dass sie eigentlich aufgrund der fehlenden Erwerbsfähig-keit in dieses Leistungssystem gehörten. Derartige Systemverschiebungen waren weder bei der Einführung des SGB II gewünscht noch sollen sie durch Begrün-dung von freiwilligen Mitgliedschaften in der ge-setzlichen Krankenversicherung zu deren Lasten ze-mentiert werden.
cc. Die Antragstellerin hat deshalb lediglich in der Zeit vom 01.01.2005 bis 16.12.2005 (Zeitpunkt der Bekanntgabe des ärztlichen Gutachtens) berücksichti-gungsfähige Vorversicherungszeiten in der gesetzli-chen Krankenversicherung. Mangels ausreichender Vor-versicherungszeit kommt eine freiwillige Mitglied-schaft nicht in Betracht. Ein Anordnungsanspruch im Sinne des § 86 b. Abs. 2 SGG ist deshalb nicht über-wiegend wahrscheinlich. Dieses Ergebnis ist für die Antragstellerin auch nicht mit erheblichen Nachtei-len im Sinne des § 86 b. Abs. 2 2. Hs. SGG verbun-den, da sie aufgrund des Sozialhilfebezuges ab dem 01.02.2006 gegen den zuständigen Sozialhilfeträger einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen bei Krankheit nach den §§ 47 – 52 SGB XII hat. Dies be-deutet de facto eine Absicherung gegen den Risiko-fall der Krankheit entsprechend den Vorschriften nach dem SGB V, allerdings ist der Sozialhilfeträger der zuständige Leistungsträger.
c. Die Antragstellerin kann sich auch nicht auf das Vor-liegen eines Anordnungsgrundes berufen. Sie hat gegen den Träger der Sozialhilfe aufgrund des Leistungsbezu-ges einen Anspruch auf Absicherung für den Fall der Krankheit, den der Sozialhilfeträger zu erfüllen hat. Allein die Mitteilung durch den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 27.06.2006, dass der Sozialhilfeträger dies gegenüber der Antrag-stellerin mündlich abgelehnt hat, vermag den Erlass der gewünschten Anordnung gegen die Antragsgegnerin nicht zu rechtfertigen. Gegebenenfalls müsste gegen den Sozi-alhilfeträger einstweiliger Rechtsschutz beantragt wer-den. Sollte dieser die Sach- und Rechtslage anders be-urteilen, muss er dies durch die Anmeldung von Erstat-tungsansprüchen gegenüber der hiesigen Antragsgegnerin nach den §§ 102 ff SGB X zum Ausdruck bringen. Zur Leistungsverweigerung berechtigt es ihn – schon unter Berücksichtigung des Hilfegrundsatzes nach §§ 1 und 2 SGB XII – gerade nicht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss ist gemäß den §§ 172 Abs.1, 173 SGG Be- schwerde zum Bayer. Landessozialgericht statthaft. Die Be- schwerde ist binnen eines Monats nach Zustellung des Beschlus- ses beim Sozialgericht Bayreuth (Hausanschrift: Ludwig-Thoma- Straße 7, 95447 Bayreuth Postanschrift: Postfach 11 01 62, 95420 Bayreuth) schriftlich oder zur Niederschrift des Urkunds- beamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde in- nerhalb der Frist beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landesso- zialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäfts- stelle eingelegt wird.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Antragstellerin ein Beitrittsrecht zur freiwilligen Versicherung bei der An-tragsgegnerin nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V hat.
Die am 1955 geborene Antragstellerin bezog bis zum 31.12.2004 Sozialhilfe beim Landratsamt B. – Sozialhilfeverwaltung -. Nach der damaligen Einschätzung war sie unter den üblichen Bedingun-gen des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch für unter 3 Stunden täglich einsatzfähig. Die ARGE Landkreis B. bewilligte der Klä-gerin ab dem 01.01.2005 nach entsprechender Antragstellung so-dann Leistungen nach dem SGB II zur Sicherung des Lebensunter-haltes, nachdem am 08.02.2005 der Ärztliche Dienst der Agentur für Arbeit B. festgestellt hatte, dass die Antragstellerin vollschichtig arbeitsfähig für leichte Arbeiten in überwiegend sitzender Arbeitshaltung sei. Die Antragsgegnerin kam hingegen nach Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversi-cherung zum Ergebnis, dass eine Erwerbsfähigkeit der Antrag-stellerin nicht gegeben sei und teilte dies dem Landkreis B. unter Androhung der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen mit Schreiben vom 15.04.2005 mit. Nachdem sowohl das Land-ratsamt B. als auch die Agentur für Arbeit B. der Antragsgegne-rin nochmals bestätigten, dass an der Einschätzung der Erwerbs-fähigkeit der Antragstellerin festzuhalten sei, kam die An-tragsgegnerin nach nochmaliger medizinischer Überprüfung zu dem Ergebnis, dass vom Vorliegen der Erwerbsfähigkeit ausgegangen werden sollte (vgl. Blatt 10 der Verwaltungsakte). Dies wurde sowohl der ARGE als auch dem Landratsamt B. (Sozialhilfeverwal-tung) mit Schreiben jeweils vom 25.05.2005 mitgeteilt. Auf Grund neuer Befunde und unter Berücksichtigung des Krankheits-verlaufes kam die Agentur für Arbeit B. in ihrem Ärztlichen Dienst mit Gutachten vom 05.12.2005 zum Ergebnis, dass bei der Antragstellerin nunmehr lediglich ein Leistungsvermögen von un-ter 3 Stunden täglich für eine Zeit von voraussichtlich länger als 6 Monaten vorläge und somit Erwerbsunfähigkeit gegeben sei. Das ärztliche Gutachten vom 05.12.2005 wurde der Antragstelle-rin laut Schreiben der ARGE Landkreis B. vom 08.03.2006 (Blatt 23 der Verwaltungsakte) am 16.12.2005 bekannt gegeben. Nachdem der Antragstellerin mit Bescheid der ARGE Landkreis B. vom 25.08.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bis einschließlich 28.02.2006 bestandskräftig bewilligt worden waren, hob die ARGE Landkreis B. auf Grund des Ergebnisses der arbeitsamtsärztlichen Begutachtung mit Bescheid vom 10.01.2006 die Bewilligung von Arbeitslosengeld II mit Wir-kung ab dem 01.02.2006 ganz auf. Die Antragstellerin hatte be-reits zuvor beim zuständigen Sozialhilfeträger (Landratsamt B.) Sozialhilfe beantragt und hat mit Bescheid vom 24.02.2006 ab dem 01.02.2006 auch Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 27 ff SGB XII bewilligt bekommen.
Am 02.01.2006 beantragte die Antragstellerin bei der Antrags-gegnerin den Beitritt zur freiwilligen Versicherung, da sie vom 01.01.2005 bis 31.01.2006 gesetzlich bei der Antragsgegnerin versichert gewesen sei. Nachdem die Antragsgegnerin bereits mit Schreiben vom 01.02.2006 die Antragstellerin darauf hingewiesen hatte, dass sie eine Anmeldung zur freiwilligen Krankenversi-cherung nicht durchführen könne, weil die Antragstellerin auf Grund der Schwere ihrer Erkrankung nicht in der Lage gewesen sei, eine Beschäftigung auszuüben und das Arbeitslosengeld II somit zu Unrecht erhalten zu habe, stellte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 27.03.2006 fest, dass eine freiwillige Versi-cherung der Antragstellerin nicht erfolgen könne. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 31.03.2006 wurde bislang noch nicht entschieden.
Am 23.05.2006 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Antrag-stellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Zur Begrün-dung wurde darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig beitreten könne, nachdem sie unmittelbar vor dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung ununterbrochen mindes-tens 12 Monate pflichtversichert gewesen sei. Zeiten, in denen eine Versicherung deswegen bestanden habe, weil Arbeitslosen-geld II zu Unrecht bezogen worden sei, lägen gerade nicht vor, da Rechtsgrund für den Leistungsbezug der Antragstellerin bis zum 31.01.2006 die Bescheide der ARGE Landkreis B. seien, die gerade nicht rückwirkend aufgehoben worden seien. Es läge auch ein Anordnungsgrund vor, da die Antragstellerin regelmäßig me-dizinischer Versorgung bedürfe.
Die Antragstellerin beantragt deshalb,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, sie vorläufig bis zur Bestandskraft des Bescheides der Antragsgegnerin vom 27.03.2006 als freiwillig Versicherte in die gesetzliche Krankenversicherung aufzunehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt hingegen,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzu-weisen.
Sie weist darauf hin, dass die erneute Prüfung der Erwerbsfä-higkeit der Antragstellerin am 05.12.2005 durch den Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit zur Feststellung der fehlenden Erwerbsfähigkeit für voraussichtlich länger als 6 Monate ge-führt habe. Ab dem 05.12.2005 sei deshalb Arbeitslosengeld II durch die Antragstellerin zu Unrecht bezogen worden. Diese Zeit könne nach der Neuregelung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 2. Hs. SGB V nicht als Vorversicherungszeit berücksichtigt werden. Dem Gericht lagen zur Entscheidung die beigezogenen Verwal-tungsakten der Antragsgegnerin vor. Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf diese Akten sowie auf die von den Be-teiligten im Verfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG eröffnet, das Sozialgericht Bayreuth ist das sachlich und örtlich zuständige Gericht der Haupt-sache (§§ 8, 57 Abs. 1 SGG). Die allgemeinen Sachentschei-dungsvoraussetzungen sind ebenfalls gegeben.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 23.05.2006 ist jedoch unbegründet, weil weder ein Anord-nungsanspruch glaubhaft gemacht ist noch ein Anordnungs-grund gegeben ist.
a. Gemäß § 86 b. Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsa-che eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers verei-telt oder wesentlich erschwert werden könnte oder wenn eine solche Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Rechtsverhältnisses zur Abwendung wesentlicher Nachtei-le des Antragstellers notwendig erscheint. In beiden Fällen setzt der Erlass einer einstweiligen Anordnung voraus, dass der Antragsteller den geltend gemachten Anspruch glaubhaft gemacht hat, d. h. dass der behaup-tete Anspruch im Sinne des materiellen Rechts überwie-gend wahrscheinlich ist, und die für die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes gesetzlich genannten Grün-de gegeben sind, also ein Anordnungsgrund besteht. An-ordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen dabei grundsätzlich nicht beziehungslos nebeneinander, son-dern bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System. Je höher bei summarischer Prü-fung des Anordnungsanspruchs die Erfolgsaussichten in der Hauptsacheklage einzuschätzen wären, desto geringe-re Anforderungen sind an das Vorliegen des Anordnungs-grundes zu stellen. Im Bereich der hier einschlägigen sog. Regelungsanordnung im Sinne des § 86 b. Abs. 2 2. Alt. SGG ist ein Anordnungsgrund dann zu verneinen, wenn die Hauptsacheklage offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist, da hier ein schützenswertes Recht des Antragstellers nicht gegeben sein kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens hat hingegen eine Ab-wägung zwischen den Folgen stattzufinden, die beim An-tragsteller entstehen, wenn das Gericht die einstweili-ge Anordnung nicht erlässt, und denen, die auf der an-deren Seite bei Erlass der einstweiligen Anordnung ent-stehen. Eine Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung darf durch die einstweilige Regelung hingegen nur aus-nahmsweise bei schweren, nicht wieder gut zu machenden Konsequenzen für den Antragsteller erfolgen (vgl. hier-zu Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 86 b., Rdnr. 27 ff.).
b. Die Voraussetzungen für den Erlass einer Regelungsan-ordnung im Sinne des § 86 b. Abs. 2 2. Hs. SGG sind vorliegend nicht gegeben, weil die Antragstellerin kei-nen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat.
aa. Die Antragstellerin hat am 02.01.2006 mit Wirkung zum 01.02.2006 einen Antrag auf Beitritt zur frei-willigen Versicherung bei der Antragsgegnerin im Sinne des § 9 SGB V gestellt. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in der hier anzuwendenden Fassung ab 31.12.2005 (Art. 2 a des Fünften Gesetzes zur Ände-rung des SGB III und anderer Gesetze vom 22.12.2005, BGBl I 3676) können Personen, die als Mitglieder aus der Versicherungspflicht ausgeschieden sind, der Versicherung beitreten, sofern sie in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens 24 Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens 12 Monate versichert waren. Die Antrag-stellerin war im Zeitpunkt der Antragstellung, d.h. am 02.01.2006, jedoch noch nicht aus der Versiche-rungspflicht als Arbeitslosengeld-II-Empfängerin ausgeschieden, vielmehr hat ihre Versicherung auf-grund des Leistungsbezuges gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 a. SGB V noch bis zum 31.01.2006 fortbestanden, und zwar unabhängig von der Frage, ob der Leistungsbezug zu Recht oder zu Unrecht erfolgte. Damit bestand am 02.01.2006 noch kein Beitrittsrecht der Antragstel-lerin. Nach dem 02.01.2006 wurde keine neue Bei-trittserklärung abgegeben.
bb. Selbst wenn ein Antragsrecht der Antragstellerin am 02.01.2006 bejaht würde oder zumindest in dem erho-benen Widerspruch gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom 27.03.2006 eine entsprechende Bei-trittserklärung gesehen werden könnte, besteht nach summarischer Prüfung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 2. Hs. SGB V kein Beitrittsrecht, da die Antragstellerin lediglich in der Zeit vom 01.01.2005 bis 16.12.2005 berücksichtigungsfähige Versicherungspflichtzeiten zurückgelegt hat, die im Rahmen der notwendigen Vor-versicherungszeiten nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V be-rücksichtigt werden können:
Die Antragstellerin war aufgrund des Leistungsbezu-ges nach dem SGB II bei der Antragsgegnerin gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 a. SGB V pflichtversichert, obwohl von Anfang an seitens der Antragsgegnerin erhebliche Bedenken hinsichtlich der Einstufung der Antragstel-lerin als erwerbsfähige Hilfebedürftige bestanden haben. Ob dies zu Recht oder zu Unrecht der Fall war, kann hier dahin gestellt bleiben, weil die An-tragsgegnerin selbst mit Schreiben vom 25.05.2005 von einer Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin aus-gegangen ist und ihr die Mitgliedschaft bestätigt hat. Erst aufgrund einer neuen Begutachtung durch den medizinischen Dienst der Agentur für Arbeit am 05.12.2005 ergab sich, dass die Antragstellerin (spätestens jetzt) mit einem verbliebenen Restleis-tungsvermögen von unter 3 Stunden täglich als er-werbsunfähig einzustufen war. Dieses Gutachten wurde der Antragstellerin am 16.12.2005 eröffnet, Bedenken gegen die Richtigkeit dieser medizinischen Einschät-zung wurden durch sie nicht geltend gemacht. Spätes-tens im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Gutachtens, d. h. ab dem 16.12.2005, lagen somit die materiell-rechtlichen Voraussetzungen nach den §§ 7, 8 SGB II für einen Leistungsbezug nach dem SGB II nicht mehr vor. Die bis dahin zuständige ARGE hätte somit un-verzüglich eine Aufhebung der Bewilligung von Ar-beitslosengeld II mit Wirkung für die Zukunft, d. h. ab Zugang des Aufhebungsbescheides verfügen müssen, der dann auch mit Zugang des Bescheides bei der An-tragstellerin wirksam geworden wäre. Der Antragstel-lerin dürfte aufgrund des vorhergehenden Streits zwischen dem Sozialhilfeträger, der ARGE und der An-tragsgegnerin über die Frage ihrer Erwerbsfähigkeit wohl auch klar gewesen sein, dass sie als Erwerbsun-fähige keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II mehr hatte, ohne ihr hierbei Bösgläubigkeit unterstellen zu wollen. Einer unverzüglichen Aufhebung der Bewil-ligungsentscheidung hätte dabei grundsätzlich auch nicht entgegen gestanden, dass die Anweisung des Ar-beitslosengeldes II für den Monat Januar 2006 angeb-lich bereits erfolgt war und die Auszahlung an die Antragstellerin aus rein verwaltungsinternen Gründen nicht mehr gestoppt werden konnte. Die ARGE hätte gleichwohl den Aufhebungsbescheid unverzüglich er-lassen können und gleichzeitig gegenüber dem nunmehr zuständigen Sozialhilfeträger einen Erstattungsan-spruch nach den §§ 102 ff. SGB X anmelden müssen, um aus wirtschaftlicher Sicht zumindest das Rangver-hältnis der Leistungsträger zueinander herzustellen, das der Gesetzgeber selbst vorgegeben hat. Einen ma-teriell-rechtlichen Grund, die Aufhebung der Bewil-ligung von Arbeitslosengeld II erst mit Wirkung ab dem 01.02.2006 vorzunehmen, gab es für die ARGE nicht.
Gleichwohl ist nach dem Recht des SGB II der Ar-beitslosengeld-II-Bezug bis zur Aufhebungsentschei-dung durch die ARGE formal zu Recht erfolgt, da eine rückwirkende Aufhebung der Entscheidung mangels Vor-liegen der Voraussetzungen der §§ 45 oder 48 SGB X, insbesondere mangels Bösgläubigkeit der Antragstel-lerin nicht mehr erfolgen kann. Der formell, d. h. aufgrund eines bestandskräftigen Bewilligungsbe-scheides bis zur Aufhebungsentscheidung erfolgte rechtmäßige Bezug führt im Recht des SGB II dazu, dass eine Rückforderung gewährter Leistungen durch die ARGE nicht in Frage kommt; gleichzeitig führt dies im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung dazu, dass die Pflichtversicherung aufgrund des tat-sächlichen Leistungsbezuges nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 a SGB V fortbesteht, und zwar vorliegend bis 31.01.2006. Insoweit hat die Antragstellerin auch keine Rückforderungen zu befürchten.
Hiervon zu unterscheiden ist jedoch die Regelung in-nerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung, die zwischen einer fortbestehenden formalen Versicherung nach § 5 SGB V und rechtmäßigen Vorversicherungs-pflichtzeiten nach § 9 SGB V differenziert. Nach der gesetzgeberischen Begründung zur Neufassung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 2. Hs. SGB V schließt die Neuregelung "die Berücksichtigung von Zeiten einer Versicherung aufgrund des rechtwidrigen Bezuges von Arbeitslosen-geld II als Vorversicherungszeit für den Zugang zur freiwilligen Mitgliedschaft aus. Damit wird insbe-sondere verhindert, dass ein wegen fehlender Er-werbsfähigkeit rechtswidriger Bezug von Arbeitslo-sengeld II dazu führt, dass nach Ende des unrechtmä-ßigen Leistungsbezugs eine dauerhafte freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversiche-rung begründet werden kann" (vgl. BT-Drcks. 16/245, S. 9). Da eine Bösgläubigkeit des Antragstellers im Hinblick auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Erwerbsfähigkeit in der Regel wohl kaum denkbar ist, kann im Regelfall wohl auch keine rückwirkende Auf-hebung der Leistungsbewilligung erfolgen – von kras-sen Einzelfällen wohl einmal abgesehen -. Ein rechtswidriger Leistungsbezug infolge des Fehlens von Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzgeberischen Begründung kann deshalb wohl nur dann vorliegen, wenn der Leistungsbezug, der aufgrund eines be-standskräftigen Bewilligungsbescheides erfolgte, bis zur Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides formell rechtmäßig erfolgt, gleichwohl aber materiell-rechtlich unrechtmäßig ist, weil aufgrund eines me-dizinischen Gutachtens nunmehr Erwerbsunfähigkeit festgestellt wurde und somit im Zeitpunkt der Be-kanntgabe des medizinischen Gutachtens die mate-riell-rechtlichen Voraussetzungen nach den §§ 7, 8 SGB II für einen Leistungsbezug nach dem SGB II nicht mehr gegeben sind. Allein die Dauer der ver-waltungstechnischen Abwicklung des Aufhebungsbe-scheides durch die ARGE als bisher zuständigem Leis-tungsträger vermag nach Auffassung des Gerichts kei-ne Vorversicherungszeit im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V begründen, die eine Berechtigung zur Begrün-dung der freiwilligen Mitgliedschaft auslösen. Die Frage der Beitrittsberechtigung würde dann von sach-fremden Umständen beeinflusst werden wie etwa Ar-beitsbelastung, Krankheitsstand, Urlaubsvertretungen bei den ARGEn oder ähnlichem. Der Gesetzgeber hatte im Hinblick auf die Belastungsfähigkeit der Solidar-gemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Neuregelung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 2. Hs. SGB V offensichtlich die Fälle im Blick, in denen Perso-nen, die vorher als erwerbsunfähig eingestuft worden waren und im Bezug von Sozialhilfe standen, vom So-zialhilfeträger aufgefordert wurden, einen Antrag auf Leistungsgewährung nach dem SGB II zu stellen und von dort Leistungen erhalten haben, ohne dass sie eigentlich aufgrund der fehlenden Erwerbsfähig-keit in dieses Leistungssystem gehörten. Derartige Systemverschiebungen waren weder bei der Einführung des SGB II gewünscht noch sollen sie durch Begrün-dung von freiwilligen Mitgliedschaften in der ge-setzlichen Krankenversicherung zu deren Lasten ze-mentiert werden.
cc. Die Antragstellerin hat deshalb lediglich in der Zeit vom 01.01.2005 bis 16.12.2005 (Zeitpunkt der Bekanntgabe des ärztlichen Gutachtens) berücksichti-gungsfähige Vorversicherungszeiten in der gesetzli-chen Krankenversicherung. Mangels ausreichender Vor-versicherungszeit kommt eine freiwillige Mitglied-schaft nicht in Betracht. Ein Anordnungsanspruch im Sinne des § 86 b. Abs. 2 SGG ist deshalb nicht über-wiegend wahrscheinlich. Dieses Ergebnis ist für die Antragstellerin auch nicht mit erheblichen Nachtei-len im Sinne des § 86 b. Abs. 2 2. Hs. SGG verbun-den, da sie aufgrund des Sozialhilfebezuges ab dem 01.02.2006 gegen den zuständigen Sozialhilfeträger einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen bei Krankheit nach den §§ 47 – 52 SGB XII hat. Dies be-deutet de facto eine Absicherung gegen den Risiko-fall der Krankheit entsprechend den Vorschriften nach dem SGB V, allerdings ist der Sozialhilfeträger der zuständige Leistungsträger.
c. Die Antragstellerin kann sich auch nicht auf das Vor-liegen eines Anordnungsgrundes berufen. Sie hat gegen den Träger der Sozialhilfe aufgrund des Leistungsbezu-ges einen Anspruch auf Absicherung für den Fall der Krankheit, den der Sozialhilfeträger zu erfüllen hat. Allein die Mitteilung durch den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 27.06.2006, dass der Sozialhilfeträger dies gegenüber der Antrag-stellerin mündlich abgelehnt hat, vermag den Erlass der gewünschten Anordnung gegen die Antragsgegnerin nicht zu rechtfertigen. Gegebenenfalls müsste gegen den Sozi-alhilfeträger einstweiliger Rechtsschutz beantragt wer-den. Sollte dieser die Sach- und Rechtslage anders be-urteilen, muss er dies durch die Anmeldung von Erstat-tungsansprüchen gegenüber der hiesigen Antragsgegnerin nach den §§ 102 ff SGB X zum Ausdruck bringen. Zur Leistungsverweigerung berechtigt es ihn – schon unter Berücksichtigung des Hilfegrundsatzes nach §§ 1 und 2 SGB XII – gerade nicht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss ist gemäß den §§ 172 Abs.1, 173 SGG Be- schwerde zum Bayer. Landessozialgericht statthaft. Die Be- schwerde ist binnen eines Monats nach Zustellung des Beschlus- ses beim Sozialgericht Bayreuth (Hausanschrift: Ludwig-Thoma- Straße 7, 95447 Bayreuth Postanschrift: Postfach 11 01 62, 95420 Bayreuth) schriftlich oder zur Niederschrift des Urkunds- beamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde in- nerhalb der Frist beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landesso- zialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäfts- stelle eingelegt wird.
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