Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 36 AL 444/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 150/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 19. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf Leistungen der Entgeltsicherung.
Der 1946 geborene Kläger erhielt seit 1997 Leistungen der Beklagten. Die Zahlung von Arbeitslosengeld wurde im Februar 2003 bei einem Restanspruch von rund 600 Tagen eingestellt, weil der Kläger mitteilte, ab 01.03.2003 bei der Standortverwaltung in D. beschäftigt zu sein.
Den am 15.01.2004 (Eingang bei der Beklagten) gestellten Antrag auf Entgeltsicherung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.01.2004/Widerspruchsbescheid vom 16.02.2004 ab, da er nicht vor Eintritt des begründenden Ereignisses gestellt worden sei. Eine unbillige Härte läge nicht vor.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und diese damit begründet, dass es für die Beklagte angesichts seiner bekannten Lebensverhältnisse, dem Wohnen in einem teuren Großstadtbereich und dem Wissen um die niedrigen tariflichen Löhne im Bewachungsgewerbe, ohne weiteres erkennbar gewesen sei, dass beim ihm Leistungen zur Entgeltsicherung in Betracht gekommen wären. Eine Aufforderung zur Antragstellung hätte sich der Agentur für Arbeit M. aufdrängen müssen. Er selbst habe von der neu eingeführten gesetzlichen Leistung der Entgeltsicherung erst durch eine Presseveröffentlichung im November 2003 Kenntnis erlangt.
Durch Urteil vom 19.12.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Zutreffend habe die Beklagte einen Anspruch verneint, weil zum Zeitpunkt des leistungsbegründenden Ereignisses, der am 01.03.2003 aufgenommenen Arbeit als Kasernenwärter, kein Antrag gestellt worden sei. Dieser sei auch nicht durch einen sozial-rechtlichen Herstellungsanspruch zu ersetzen. Dazu fehle es am Vorliegen eines konkreten Anlasses zur Beratung. Aus Sicht der Beklagten habe es sich um keine klar zu Tage liegende Gestaltungsmöglichkeit gehandelt. Die Schreiben des Klägers an die Beklagte vom 17.09.2002 und 03.03.2003 hätten insoweit keine zwingenden Rückschlüsse zugelassen, da sie nicht erkennen haben lassen, dass der Kläger Leistungen der Entgeltsicherung begehre. Bei letzterem Schreiben habe es sich im Wesentlichen darum gehandelt, ein Meldeversäumnisses zu entschuldigen.
Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Darüber hinaus hat er vorgetragen, dass ihm diese Leistungen zumindest ab der später erfolgten Antragstellung zu erbringen seien. Jedenfalls aber habe sich für die Beklagte durch die Schilderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse im Schreiben vom 17.09.2002 Veranlassung geboten, ihn für spätere Leistungen der Entgeltsicherung vorzumerken.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 19.12.2005 sowie des Bescheides vom 05.01.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2004 zu verurteilen, ihm ab 01.03.2003 dem Grunde nach Leistungen der Entgeltsicherung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat schon im Klageverfahren vorgebracht, dass die Annahme einer unbilligen Härte voraussetze, dass durch die Ablehnung des Antrags eine Sozialhilfebedürftigkeit des Antragstellers eintritt. Das sei beim Kläger, der seit 01.03.2003 Arbeitsentgelt beziehe, nicht der Fall. Weiter vertritt die Beklagte die Ansicht, dass angesichts des ab 01.01.2003 durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 eingeführten Anspruchs auf Entgeltsicherung eine dahingehende Aufforderung zur Antragstellung anlässlich der letzten persönlichen Vorsprache des Klägers beim Amt am 07.09.2002 nicht habe erwartet werden können. Auf Wunsch des Klägers vom 05.02.2003 nach einem Termin beim Arbeitsberater sei er zwar am 17.02.2003 zum 26.02.2003 und 03.03.2003 eingeladen worden. Dem habe der Kläger aber nicht Folge geleistet, sondern lediglich mitgeteilt, ab März in Arbeit zu stehen. Aus dieser Mitteilung habe sich in keiner Weise ersehen lassen, zu welchem Entgelt der Kläger eingestellt worden sei. Anlass zu einer Spontanberatung habe weder zum Zeitpunkt des letzten persönlichen Kontaktes am 07.09.2002 noch im Zusammenhang mit der bloßen Abmeldung aus dem Leistungsbezug bestanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten beider Instanzen und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet. Insbesondere ergibt sich bei der Restanspruchsdauer auf Arbeitslosengeld in Verbindung mit dem behaupten Anspruch auf Entgeltsicherung ein Beschwerdegegenstand mit einem Wert von über 500,00 Euro (vgl. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG).
Der Senat kann gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG) und haben keine Einwände erhoben.
Gegenstand des Verfahrens ist die Aufhebung der versagenden Entscheidung der Beklagten mit Bescheid vom 05.01.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2004 sowie die Verurteilung der Beklagten im Sinne von § 54 Abs. 4 SGG (kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage) zur Zahlung von Leistungen der Entgeltsicherung ab Aufnahme der Beschäftigung am 01.03.2003.
Der Kläger ist durch die Versagung dieser Leistung nicht in seinen Rechten verletzt.
Gemäß § 421j SGB III mit Geltung ab 01.01.2003 (eingeführt durch Gesetz vom 23.12.2002, so genanntes Hartz I Gesetz) haben Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung, wenn sie 1. einen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben und bei Aufnahme der Beschäftigung noch über einen Restanspruch von mindestens 180 Tagen verfügen oder einen Anspruch auf Arbeitslosengeld über mindestens die gleiche Dauer hätten, 2. ein Arbeitsentgelt beanspruchen können, das den tariflichen oder, wenn eine tarifliche Regelung nicht besteht, ortsüblichen Bedingungen entspricht. Ein Anspruch ergibt sich dabei, soweit sich ein Zuschuss errechnet, der aus der Nettoentgeltdifferenz des Unterschiedsbetrags zwischen dem pauschalierten Nettoentgelt, das sich aus dem der Bemessung des Arbeitslosengeldes zu Grunde liegenden Arbeitsentgelt ergibt, und dem pauschalierten Nettoentgelt der aufgenommenen Beschäftigung errechnet (vgl. § 421j Abs. 2 Satz 3 SGB III). Die Entgeltsicherung wird für die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld, der vor Aufnahme der Beschäfti-gung bestanden hat oder bestanden hätte, gewährt (vgl. § 421j Abs. 4 Satz 1 SGB III).
Ohne dass der Senat hieran Zweifel hat, steht fest, dass der Kläger den vor Aufnahme der Beschäftigung erforderlichen Antrag nicht gestellt hat. Dieses Erfordernis ergibt sich mangels der aufgrund von § 421j Abs. 8 SGB III erlassenen Anordnung der Bundesagentur aus der allgemeinen Regel, wonach Leistungen der Arbeitsförderung nur erbracht werden, wenn sie vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses beantragt worden sind (§ 324 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Daran scheitert letztlich der behauptete Anspruch. Eine Bewilligung ab dem späteren Zeitpunkt der vorgenommenen Antragstellung ist nicht möglich, da dadurch das zwingend erforderliche Tatbestandsmerkmal einer Antragstellung vor Eintritt des die Leistung begründenden Ereignisses nicht erfüllt ist.
Das Vorliegen einer unbilligen Härte ist von der Beklagten zu Recht verneint worden. Gemäß § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III kann die Agentur für Arbeit zur Vermeidung unbilliger Härten eine verspätete Antragstellung zulassen. Eine unbillige Härte ist, wie die Beklagte zurecht ausführt, in der Regel nur anzunehmen, wenn die Ablehnung des Antrags den Antragsteller sozialhilfebedürftig machen oder einen höheren Anspruch auf Sozialhilfe auslösen würde. Das ist hier nach dem Vortrag des Klägers und dem Akteninhalt zur Überzeugung des Senats nicht der Fall. Die bloße Unkenntnis darüber, dass ein Anspruch auf eine Leistung bestanden hätte, wenn der Antrag gestellt worden wäre, reicht nicht aus.
Auch im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist der Kläger nicht so zu stellen, wie wenn er rechtzeitig seinen Antrag gestellt hätte. Die Voraussetzungen dieses Rechtsinstituts liegen nicht vor. Es fehlt bereits an einer Pflichtverletzung der Beklagten (vgl. zu den Voraussetzungen im einzelnen Meyer-Ladewig, SGG, Rdnr. 48 zu § 131).
Dieses richterrechtlich entwickelte Rechtsinstitut begründet sekundäre Einstandspflichten von Sozialleistungsträgern, wenn wegen Verletzung behördlicher Pflichten primäre Ansprüche nicht mehr zu verwirklichen sind. Denn die Beteiligten in einem Versicherungspflichtverhältnisses (vgl. § 24 SGB III des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung vom 24. März 1997 - Arbeitsförderungsreformgesetz - AFRG) stehen in einem besonderen Rechtsverhältnis, das weit über ein einfaches Schuldverhältnis hinausgeht. Die Beteiligten eines Sozialversicherungsverhältnisses haben sich gegenseitig vor vermeidbaren, das Versicherungsverhältnis betreffenden Schäden zu bewahren (vgl. zuletzt Urteil des BSG vom 08.02.2001, Az.: B 11 AL 21/00R, Rndnr. 25 m.w.N.). Hinzu kommt die vom Gesetzgeber seit Erlass des Sozialgesetzbuchs (SGB, allgemeiner Teil vom 11.12.1975) für alle Leistungsträger normierte Pflicht zur Beratung (§ 14 SGB I).
Bei einer solchen Beratung sind auch Hinweise auf absehbare Rechtsänderungen zu geben, wenn diese konkret absehbar sind. Das ist z. B. dann nicht der Fall, wenn die Beratungen der Bundestagsausschüsse im Zeitpunkt der Beratung noch nicht abgeschlossen waren und eine zweite Beratung des Gesetzesentwurfs im Bundestag noch nicht stattgefunden hat (Urteil des BSG vom 06.05.1992; Az.: 12 BK 1/92).
Von den Regierungsfraktionen wurden am 05.11.2002 die Entwürfe eines "Ersten und Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" ("Hartz I" und "Hartz II") in den Bundestag eingebracht. Nachdem beide Gesetzentwürfe als Ergebnis der ersten Lesung im Bundestag am 07.11.2002 in die zuständigen Ausschüsse verwiesen worden waren, erhielten sie in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit am 15.11.2002 im Bundestag die Zustimmung. In der ersten Beratung der Hartz-Gesetze im Bundesrat am 29.11.2002 rief die Mehrheit der unionsgeführten Länder den Vermittlungsausschuss an. Schließlich stimmte der Bundesrat in seiner Sitzung am 20.12.2002 zwar dem "Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" zu, verweigerte jedoch dem aus seiner Sicht zustimmungspflichtigen "Ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" die Zustimmung (vgl. dazu Heller und Stosberg, DAngVers 3/03).
Schon aus diesem Zeitablauf heraus wird ersichtlich, dass von der Beklagten anlässlich des Behördenkontakts des Klägers vom 07.09.2002 keine Beratung im Hinblick auf einen noch nicht einmal eingebrachten Gesetzentwurf erwartet werden konnte. Hinzu kommt, dass es sich am 05.09.2002 darum handelte, wie weit der Kläger eine Nebentätigkeit ausüben durfte bzw. anzuzeigen hatte. Denn unter diesem Datum findet sich seine Erklärung, seit Antragstellung keinerlei Nebentätigkeiten ausgeübt zu haben und darüber informiert worden zu sein, dass eine Mitteilungsverpflichtung über jegliche Ausübung bzw. Aufnahme einer Tätigkeit besteht. Aus dieser Gelegenheit heraus bestand keine Veranlassung, rein abstrakt über die Förderung der Arbeitsaufnahme in der Zukunft zu beraten.
Was den Zeitraum einer Beratung nach Aufnahme der Tätigkeit bei der Standortverwaltung betrifft, setzt eine solche Obliegenheit zur Beratung voraus, dass ein persönlicher oder insoweit ein-schlägiger schriftlicher Kontakt vom Kläger mit dem Arbeitsamt vorgelegen hätte.
Eine persönliche Vorsprache zum fraglichen Zeitraum ist gerade nicht erfolgt, denn der Kläger hat (ungeachtet von den hieran anknüpfenden Sanktionen im Leistungsbezug) einer Meldeaufforderung zum Beginn des März 2003 nicht Folge geleistet. Aber auch seine Äußerungen vom 03.03.2003 hinsichtlich seiner Arbeitsaufnahme und seiner Entschuldigung wegen des Meldeversäumnisses haben aus objektiver Sicht die Beklagte nicht veranlassen müssen, von sich aus eine Beratung zur Antragstellung auf einen Entgeltsicherungsanspruch vorzunehmen. Beratungen ohne direkte Nachfrage oder Darlegungen eines vollständigen Sachverhalts drängen sich als Spontanberatung nur auf, wenn eine nahe liegende Gestaltung offensichtlich vorzunehmen ist. So war aber die Situation im März 2003 nicht. Der Beklagten war nur ein insoweit unzureichender Sachverhalt bekannt. Es ist nicht ersichtlich, woher die Beklagte hätte wissen sollen, zu welchem pauschalierten Nettoentgelt der Kläger seine Beschäftigung aufgenommen hat. Angesichts des eingestellten Leistungsbezugs bestand hierzu auch keine Befugnis dies zu ermitteln (vgl. §§ 18 SGB X, 19 SGB IV, 323 SGB III). Eine Verpflichtung ab Januar 2003, dem Beginn der neuen Leistung auf Entgeltsicherung, allgemein Leistungsempfänger von Arbeitslosengeld anzuschreiben, existiert nicht. Dem SGB III ist eine Vorschrift wie § 115 Abs. 6 SGB VI nicht bekannt. Selbst nach dortigen Maßgaben wäre aber wohl eine derartige Beratungsverpflichtung nicht gegeben.
Ein Anspruch des Klägers ist demnach nicht gegeben. Die Entscheidung des SG erging zurecht. Die Berufung ist zurückzuweisen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 183 SGG). Der Kläger ist im Rechtsstreit unterlegen.
Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 Nnrn. 2 und 3 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf Leistungen der Entgeltsicherung.
Der 1946 geborene Kläger erhielt seit 1997 Leistungen der Beklagten. Die Zahlung von Arbeitslosengeld wurde im Februar 2003 bei einem Restanspruch von rund 600 Tagen eingestellt, weil der Kläger mitteilte, ab 01.03.2003 bei der Standortverwaltung in D. beschäftigt zu sein.
Den am 15.01.2004 (Eingang bei der Beklagten) gestellten Antrag auf Entgeltsicherung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.01.2004/Widerspruchsbescheid vom 16.02.2004 ab, da er nicht vor Eintritt des begründenden Ereignisses gestellt worden sei. Eine unbillige Härte läge nicht vor.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und diese damit begründet, dass es für die Beklagte angesichts seiner bekannten Lebensverhältnisse, dem Wohnen in einem teuren Großstadtbereich und dem Wissen um die niedrigen tariflichen Löhne im Bewachungsgewerbe, ohne weiteres erkennbar gewesen sei, dass beim ihm Leistungen zur Entgeltsicherung in Betracht gekommen wären. Eine Aufforderung zur Antragstellung hätte sich der Agentur für Arbeit M. aufdrängen müssen. Er selbst habe von der neu eingeführten gesetzlichen Leistung der Entgeltsicherung erst durch eine Presseveröffentlichung im November 2003 Kenntnis erlangt.
Durch Urteil vom 19.12.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Zutreffend habe die Beklagte einen Anspruch verneint, weil zum Zeitpunkt des leistungsbegründenden Ereignisses, der am 01.03.2003 aufgenommenen Arbeit als Kasernenwärter, kein Antrag gestellt worden sei. Dieser sei auch nicht durch einen sozial-rechtlichen Herstellungsanspruch zu ersetzen. Dazu fehle es am Vorliegen eines konkreten Anlasses zur Beratung. Aus Sicht der Beklagten habe es sich um keine klar zu Tage liegende Gestaltungsmöglichkeit gehandelt. Die Schreiben des Klägers an die Beklagte vom 17.09.2002 und 03.03.2003 hätten insoweit keine zwingenden Rückschlüsse zugelassen, da sie nicht erkennen haben lassen, dass der Kläger Leistungen der Entgeltsicherung begehre. Bei letzterem Schreiben habe es sich im Wesentlichen darum gehandelt, ein Meldeversäumnisses zu entschuldigen.
Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Darüber hinaus hat er vorgetragen, dass ihm diese Leistungen zumindest ab der später erfolgten Antragstellung zu erbringen seien. Jedenfalls aber habe sich für die Beklagte durch die Schilderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse im Schreiben vom 17.09.2002 Veranlassung geboten, ihn für spätere Leistungen der Entgeltsicherung vorzumerken.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 19.12.2005 sowie des Bescheides vom 05.01.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2004 zu verurteilen, ihm ab 01.03.2003 dem Grunde nach Leistungen der Entgeltsicherung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat schon im Klageverfahren vorgebracht, dass die Annahme einer unbilligen Härte voraussetze, dass durch die Ablehnung des Antrags eine Sozialhilfebedürftigkeit des Antragstellers eintritt. Das sei beim Kläger, der seit 01.03.2003 Arbeitsentgelt beziehe, nicht der Fall. Weiter vertritt die Beklagte die Ansicht, dass angesichts des ab 01.01.2003 durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 eingeführten Anspruchs auf Entgeltsicherung eine dahingehende Aufforderung zur Antragstellung anlässlich der letzten persönlichen Vorsprache des Klägers beim Amt am 07.09.2002 nicht habe erwartet werden können. Auf Wunsch des Klägers vom 05.02.2003 nach einem Termin beim Arbeitsberater sei er zwar am 17.02.2003 zum 26.02.2003 und 03.03.2003 eingeladen worden. Dem habe der Kläger aber nicht Folge geleistet, sondern lediglich mitgeteilt, ab März in Arbeit zu stehen. Aus dieser Mitteilung habe sich in keiner Weise ersehen lassen, zu welchem Entgelt der Kläger eingestellt worden sei. Anlass zu einer Spontanberatung habe weder zum Zeitpunkt des letzten persönlichen Kontaktes am 07.09.2002 noch im Zusammenhang mit der bloßen Abmeldung aus dem Leistungsbezug bestanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten beider Instanzen und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet. Insbesondere ergibt sich bei der Restanspruchsdauer auf Arbeitslosengeld in Verbindung mit dem behaupten Anspruch auf Entgeltsicherung ein Beschwerdegegenstand mit einem Wert von über 500,00 Euro (vgl. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG).
Der Senat kann gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG) und haben keine Einwände erhoben.
Gegenstand des Verfahrens ist die Aufhebung der versagenden Entscheidung der Beklagten mit Bescheid vom 05.01.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2004 sowie die Verurteilung der Beklagten im Sinne von § 54 Abs. 4 SGG (kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage) zur Zahlung von Leistungen der Entgeltsicherung ab Aufnahme der Beschäftigung am 01.03.2003.
Der Kläger ist durch die Versagung dieser Leistung nicht in seinen Rechten verletzt.
Gemäß § 421j SGB III mit Geltung ab 01.01.2003 (eingeführt durch Gesetz vom 23.12.2002, so genanntes Hartz I Gesetz) haben Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung, wenn sie 1. einen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben und bei Aufnahme der Beschäftigung noch über einen Restanspruch von mindestens 180 Tagen verfügen oder einen Anspruch auf Arbeitslosengeld über mindestens die gleiche Dauer hätten, 2. ein Arbeitsentgelt beanspruchen können, das den tariflichen oder, wenn eine tarifliche Regelung nicht besteht, ortsüblichen Bedingungen entspricht. Ein Anspruch ergibt sich dabei, soweit sich ein Zuschuss errechnet, der aus der Nettoentgeltdifferenz des Unterschiedsbetrags zwischen dem pauschalierten Nettoentgelt, das sich aus dem der Bemessung des Arbeitslosengeldes zu Grunde liegenden Arbeitsentgelt ergibt, und dem pauschalierten Nettoentgelt der aufgenommenen Beschäftigung errechnet (vgl. § 421j Abs. 2 Satz 3 SGB III). Die Entgeltsicherung wird für die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld, der vor Aufnahme der Beschäfti-gung bestanden hat oder bestanden hätte, gewährt (vgl. § 421j Abs. 4 Satz 1 SGB III).
Ohne dass der Senat hieran Zweifel hat, steht fest, dass der Kläger den vor Aufnahme der Beschäftigung erforderlichen Antrag nicht gestellt hat. Dieses Erfordernis ergibt sich mangels der aufgrund von § 421j Abs. 8 SGB III erlassenen Anordnung der Bundesagentur aus der allgemeinen Regel, wonach Leistungen der Arbeitsförderung nur erbracht werden, wenn sie vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses beantragt worden sind (§ 324 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Daran scheitert letztlich der behauptete Anspruch. Eine Bewilligung ab dem späteren Zeitpunkt der vorgenommenen Antragstellung ist nicht möglich, da dadurch das zwingend erforderliche Tatbestandsmerkmal einer Antragstellung vor Eintritt des die Leistung begründenden Ereignisses nicht erfüllt ist.
Das Vorliegen einer unbilligen Härte ist von der Beklagten zu Recht verneint worden. Gemäß § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III kann die Agentur für Arbeit zur Vermeidung unbilliger Härten eine verspätete Antragstellung zulassen. Eine unbillige Härte ist, wie die Beklagte zurecht ausführt, in der Regel nur anzunehmen, wenn die Ablehnung des Antrags den Antragsteller sozialhilfebedürftig machen oder einen höheren Anspruch auf Sozialhilfe auslösen würde. Das ist hier nach dem Vortrag des Klägers und dem Akteninhalt zur Überzeugung des Senats nicht der Fall. Die bloße Unkenntnis darüber, dass ein Anspruch auf eine Leistung bestanden hätte, wenn der Antrag gestellt worden wäre, reicht nicht aus.
Auch im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist der Kläger nicht so zu stellen, wie wenn er rechtzeitig seinen Antrag gestellt hätte. Die Voraussetzungen dieses Rechtsinstituts liegen nicht vor. Es fehlt bereits an einer Pflichtverletzung der Beklagten (vgl. zu den Voraussetzungen im einzelnen Meyer-Ladewig, SGG, Rdnr. 48 zu § 131).
Dieses richterrechtlich entwickelte Rechtsinstitut begründet sekundäre Einstandspflichten von Sozialleistungsträgern, wenn wegen Verletzung behördlicher Pflichten primäre Ansprüche nicht mehr zu verwirklichen sind. Denn die Beteiligten in einem Versicherungspflichtverhältnisses (vgl. § 24 SGB III des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung vom 24. März 1997 - Arbeitsförderungsreformgesetz - AFRG) stehen in einem besonderen Rechtsverhältnis, das weit über ein einfaches Schuldverhältnis hinausgeht. Die Beteiligten eines Sozialversicherungsverhältnisses haben sich gegenseitig vor vermeidbaren, das Versicherungsverhältnis betreffenden Schäden zu bewahren (vgl. zuletzt Urteil des BSG vom 08.02.2001, Az.: B 11 AL 21/00R, Rndnr. 25 m.w.N.). Hinzu kommt die vom Gesetzgeber seit Erlass des Sozialgesetzbuchs (SGB, allgemeiner Teil vom 11.12.1975) für alle Leistungsträger normierte Pflicht zur Beratung (§ 14 SGB I).
Bei einer solchen Beratung sind auch Hinweise auf absehbare Rechtsänderungen zu geben, wenn diese konkret absehbar sind. Das ist z. B. dann nicht der Fall, wenn die Beratungen der Bundestagsausschüsse im Zeitpunkt der Beratung noch nicht abgeschlossen waren und eine zweite Beratung des Gesetzesentwurfs im Bundestag noch nicht stattgefunden hat (Urteil des BSG vom 06.05.1992; Az.: 12 BK 1/92).
Von den Regierungsfraktionen wurden am 05.11.2002 die Entwürfe eines "Ersten und Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" ("Hartz I" und "Hartz II") in den Bundestag eingebracht. Nachdem beide Gesetzentwürfe als Ergebnis der ersten Lesung im Bundestag am 07.11.2002 in die zuständigen Ausschüsse verwiesen worden waren, erhielten sie in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit am 15.11.2002 im Bundestag die Zustimmung. In der ersten Beratung der Hartz-Gesetze im Bundesrat am 29.11.2002 rief die Mehrheit der unionsgeführten Länder den Vermittlungsausschuss an. Schließlich stimmte der Bundesrat in seiner Sitzung am 20.12.2002 zwar dem "Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" zu, verweigerte jedoch dem aus seiner Sicht zustimmungspflichtigen "Ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" die Zustimmung (vgl. dazu Heller und Stosberg, DAngVers 3/03).
Schon aus diesem Zeitablauf heraus wird ersichtlich, dass von der Beklagten anlässlich des Behördenkontakts des Klägers vom 07.09.2002 keine Beratung im Hinblick auf einen noch nicht einmal eingebrachten Gesetzentwurf erwartet werden konnte. Hinzu kommt, dass es sich am 05.09.2002 darum handelte, wie weit der Kläger eine Nebentätigkeit ausüben durfte bzw. anzuzeigen hatte. Denn unter diesem Datum findet sich seine Erklärung, seit Antragstellung keinerlei Nebentätigkeiten ausgeübt zu haben und darüber informiert worden zu sein, dass eine Mitteilungsverpflichtung über jegliche Ausübung bzw. Aufnahme einer Tätigkeit besteht. Aus dieser Gelegenheit heraus bestand keine Veranlassung, rein abstrakt über die Förderung der Arbeitsaufnahme in der Zukunft zu beraten.
Was den Zeitraum einer Beratung nach Aufnahme der Tätigkeit bei der Standortverwaltung betrifft, setzt eine solche Obliegenheit zur Beratung voraus, dass ein persönlicher oder insoweit ein-schlägiger schriftlicher Kontakt vom Kläger mit dem Arbeitsamt vorgelegen hätte.
Eine persönliche Vorsprache zum fraglichen Zeitraum ist gerade nicht erfolgt, denn der Kläger hat (ungeachtet von den hieran anknüpfenden Sanktionen im Leistungsbezug) einer Meldeaufforderung zum Beginn des März 2003 nicht Folge geleistet. Aber auch seine Äußerungen vom 03.03.2003 hinsichtlich seiner Arbeitsaufnahme und seiner Entschuldigung wegen des Meldeversäumnisses haben aus objektiver Sicht die Beklagte nicht veranlassen müssen, von sich aus eine Beratung zur Antragstellung auf einen Entgeltsicherungsanspruch vorzunehmen. Beratungen ohne direkte Nachfrage oder Darlegungen eines vollständigen Sachverhalts drängen sich als Spontanberatung nur auf, wenn eine nahe liegende Gestaltung offensichtlich vorzunehmen ist. So war aber die Situation im März 2003 nicht. Der Beklagten war nur ein insoweit unzureichender Sachverhalt bekannt. Es ist nicht ersichtlich, woher die Beklagte hätte wissen sollen, zu welchem pauschalierten Nettoentgelt der Kläger seine Beschäftigung aufgenommen hat. Angesichts des eingestellten Leistungsbezugs bestand hierzu auch keine Befugnis dies zu ermitteln (vgl. §§ 18 SGB X, 19 SGB IV, 323 SGB III). Eine Verpflichtung ab Januar 2003, dem Beginn der neuen Leistung auf Entgeltsicherung, allgemein Leistungsempfänger von Arbeitslosengeld anzuschreiben, existiert nicht. Dem SGB III ist eine Vorschrift wie § 115 Abs. 6 SGB VI nicht bekannt. Selbst nach dortigen Maßgaben wäre aber wohl eine derartige Beratungsverpflichtung nicht gegeben.
Ein Anspruch des Klägers ist demnach nicht gegeben. Die Entscheidung des SG erging zurecht. Die Berufung ist zurückzuweisen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 183 SGG). Der Kläger ist im Rechtsstreit unterlegen.
Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 Nnrn. 2 und 3 SGG).
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