L 11 B 188/06 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AS 325/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 188/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 20.02.2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Bewilligungszeitraum vom 01.07.2005 bis zum 31.12.2005.

Mit Bescheid vom 05.07.2005 bewilligte der Antragsgegner (Ag) als Leistungsträger gemäß § 6a Abs 2, § 6b Abs 1 SGB II dem Antragsteller (ASt) auf dessen Antrag vom 13.06.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum vom 01.07.2005 bis 31.12.2005 in Höhe von 266,75 EUR. Hiergegen erhob der Kläger unter dem 14.07.2005 Widerspruch, mit Schreiben vom 04.08.2005 Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht und am 20.10.2005 "ER"-Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG). Seine "ER"-Klage, mit der die Überprüfung auf "Diskontinuität jeglicher Form", die Überprüfung, ob Voraussetzungen für SGB II erfüllt sind bzw. SGB XII zutrifft, die Klärung der Leistungshöhe und die "Überprüfung auf Zulässigkeit SG und auf Verfahrensführung in einem gemeinsamen bzw. in getrennten Verfahren" anstrebt, behandelte das SG als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, den es mit Beschluss vom 20.02.2006 ablehnte.

Hiergegen wendet sich der ASt mit seiner zum Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) erhobenen Beschwerde vom 20.10.2005, mit der er dieselben Antragsbegehren weiter verfolgt.

Sein Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden der 7. Kammer des SG hatte keinen Erfolg (vgl. dazu BayLSG vom 02.01.2006, Az: L 5 AR 159/05 AS).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG).

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Rechtsgrundlage für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtstreit § 86b Abs 2 Satz 2 SGG dar.

Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74; vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Aufl, RdNr 643).

Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der ASt sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der ASt glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Sätze 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung -ZPO-; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl, § 86b RdNr 41).

Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des ASt zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236).

Soweit der ASt die Überprüfung auf "Diskontinuität jeglicher Form" im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erstreiten will, fehlt es an der Eilbedürftigkeit im o.a. Sinn. Auch bei Durchsicht der umfangreichen Schriftsätze des ASt kann nicht festgestellt werden, dass eine Entscheidung über diese allgemein gehaltene Frage zur Abwendung erheblicher Gefahren für den ASt bzw. zur Aufrechterhaltung seines Existenzminimums aktuell erforderlich sein sollte.

Soweit der ASt die Voraussetzungen für die Bewilligung der Leistungen nach dem SGB XII bzw. die Höhe dieser Leistungen zum Gegenstand eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens machen will, fehlt es ebenfalls an der Eilbedürftigkeit und mithin an einem Anordnungsgrund. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf den jeweiligen Bewilligungszeitraum (§ 41 Abs 1 Satz 4 SGB II), also auf den Zeitraum, über den der Ag hinsichtlich der Leistungsgewährung entschieden hat, abzustellen ist. Der durch die Antragstellung in Gang gesetzte und durch § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II bestimmte ("soll") Bewilligungszeitraum wird durch das Einlegen von Rechtsbehelfen bzw. durch das Ersuchen auf einstweiligen Rechtsschutz weder unterbrochen noch geändert. Er ist auch im Rahmen der Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes zu berücksichtigen. Demzufolge beschränkt sich der Antrag des ASt vorliegend auf die Leistungsbewilligungen für den Zeitraum vom 01.07.2005 bis zum 31.12.2005. Für diesen Zeitraum hat der Ag den vom ASt angefochtenen Leistungsbescheid erlassen. Nachdem dieser Bewilligungszeitraum in der Vergangenheit liegt, konnte der ASt auch hierfür keinen Anordnungsgrund mehr glaubhaft machen. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dient dazu, eine etwaige gegenwärtige Notlage vom ASt abzuwenden, nicht aber dazu, allgemein Rechtsfragen zu klären, die für abgelaufene Bewilligungszeiträume ggf. von Bedeutung sein können. Der ASt ist hierwegen zumutbarerweise auf ein etwaiges Hauptsacheverfahren zu verweisen.

Die vom ASt zudem angeregte "Überprüfung auf Zulässigkeit SG und auf Verfahrensführung in einem gemeinsamen bzw. in getrennten Verfahren" hat insoweit keinerlei Rechtsfehler aufgezeigt.

Nach alledem ist die Beschwerde des ASt insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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