L 1 SF 1070/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 SF 1070/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Gesuch des Klägers, die Richterin am Sozialgericht wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen die Vorsitzende der Kammer des Sozialgerichts Frankfurt (Oder), Richterin am Sozialgericht , ist unbegründet.

Gemäß § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 42 Abs. 1 und 2 Zivilprozess-ordnung findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei objektiver und vernünftiger Betrachtung davon ausgehen darf, dass der Richter das Rechtsschutzbegehren nicht unvoreingenommen bearbeiten und entscheiden werde. Die nur subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftiger Weise kein Grund ersichtlich ist, ist dagegen nicht Maßstab der Prüfung.

Der Kläger kann sein Ablehnungsgesuch zunächst nicht mit Erfolg darauf stützen, dass die abgelehnte Richterin die Einholung einer beantragten Stellungnahme durch Prof. B zum Gutachten von Prof. Dr. H verweigert und ihm in ihrem Schreiben vom 20. Oktober 2005 im Hinblick auf das von ihr favorisierte Gutachten von Prof. Dr. Hdie Klagerücknahme empfohlen habe. Ausweislich der Verhandlungsniederschrift vom 14. Dezember 2005 trifft es schon nicht zu, dass die abgelehnte Richterin den Antrag auf Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme durch Prof. B – endgültig – abgelehnt hat. Denn die Richterin hat den Kläger im Hinblick auf diesen Antrag darauf verwiesen, dass die Entscheidung darüber durch die Kammer nach einer Zwischenberatung erfolgen werde. Da wegen des anschließenden Ablehnungsgesuchs die Entscheidung nicht mehr getroffen werden konnte, ist offen, wie die Entscheidung ausgefallen wäre. Soweit Richterin nach Terminsanberaumung schriftsätzlich zum Ausdruck gebracht hat, das nicht beabsichtigt sei, einen weiteren Arzt von Amts wegen zu hören, lässt sich auch diesem – im Übrigen vorläufigen – Standpunkt keine Besorgnis der Befangenheit entnehmen. Die in einer bestimmten Verfahrenssituation getroffene Entscheidung des Richters, einem bestimmten Beweisantrag nicht zu folgen, kann verschiedene Gründe haben. Grundsätzlich lässt sich daraus nicht auf eine unsachliche Verfahrensweise und eine Voreingenommenheit gegenüber dem Antragsteller schließen. Denn das Gericht ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 103 Satz 2 SGG). Im vorliegenden Fall lässt sich auch nicht feststellen, dass sich die abgelehnte Richterin den Argumenten des Klägers gegenüber verschlossen gezeigt habe. Nachdem dieser erneut und mit neuen Argumenten auf seinen Beweisantrag, Prof. B gutachterlich zuhören, zurückgekommen war, hat die Richterin in den Akten vermerkt, der Kläger sei der Bitte um Rückruf nachgekommen. Man habe telefonisch vereinbart, den Termin zu belassen und ein Rechtsgespräch zu führen. Der Kläger sei darauf hingewiesen worden, dass in Absprache mit den ehrenamtlichen Richtern die mündliche Verhandlung auch noch vertagt werden könne.

Es trifft auch nicht zu, das Richterin dem Kläger empfohlen habe, die Klage im Hinblick auf das eingeholte negative Gutachten zurückzunehmen. Vielmehr hat die Richterin angefragt, ob die Klage im Hinblick auf das Gutachten zurückgenommen werde oder mit welcher Begründung der Rechtsstreit fortgesetzt werden solle. Das ist nicht zu beanstanden. Hier stellte sich auf erste Sicht zweifellos die Frage der Rücknahme. Die Richterin hat den Kläger aber mit ihrer Anfrage ersichtlich nicht in unsachlicher Weise zu einem bestimmten, ihm nachteiligen Prozessverhalten bewegen wollen, sondern ihm die volle Freiheit gelassen, ja ihn dazu aufgefordert, Gründe zu präsentieren, die eine Fortsetzung des Rechtsstreits sinnvoll erscheinen lassen.

Ein Ablehnungsgrund ergibt sich ferner nicht aus dem Vorbringen des Klägers, Richterin habe ihm keine angemessene Frist zur Stellungnahme zum Gutachten des Prof. Dr. H gewährt; die Zweimonatsfrist habe keines Falls ausgereicht, um Dispositionen "gegenüber der relevanten medizinischen Stelle zu treffen". Wenn die Richterin sich diesbezüglich im Schriftwechsel vor dem Termin dahin äußerte, es sei nicht erkennbar, dass diese Frist zwischen der Übersendung des Gutachtens und dem anberaumten Termin nicht angemessen sei, nach ihrer Überzeugung sei dem Anspruch auf rechtliches Gehör damit mehr als genüge getan, lässt diese verfahrensrechtliche Beurteilung jedenfalls nicht auf Parteilichkeit zu Lasten des Klägers schließen, zumal die Richterin auch die Möglichkeit der Vertagung der mündlichen Verhandlung im Telefongespräch mit dem Kläger ausdrücklich angesprochen hat.

Des Weiteren lässt sich eine Besorgnis der Befangenheit auch nicht aus dem Vorwurf des Klägers herleiten, die abgelehnte Richterin habe das Verfahren verschleppt. Richtig ist zwar, dass zwischen der Verfügung der Sache ins Beweisanordnungsfach und der Beweisanordnung (Beauftragung von Prof. H zur Gutachtenerstattung) annähernd zwei Jahre vergangen sind. Dies ist zwar bedauerlich, bietet aber angesichts der bekannten Überlastung gerade der erstinstanzlichen Richter keinen hinreichenden Anhalt für die Annahme, die Richterin habe aus Voreingenommenheit gegenüber dem Kläger gerade seine Sache unverhältnismäßig lange im Beweisanordnungsfach liegen lassen. Wenn diesbezüglich überhaupt eine Vermutung erlaubt ist, dann dürfte sie dahin anzustellen sein, dass die lange Zwischenlagerung der Sache im Beweisanordnungsfach die Richterin im Hinblick auf den Rechtsgewährungsanspruch des Klägers eher belastet haben wird.

Soweit der Kläger der abgelehnten Richterin darüber hinaus Prozessverschleppung vorwirft (Bezugnahme auf sein Schreiben vom 25. Februar 2003) lässt sich schon objektiv keine Verfahrensverzögerung feststellen bzw. geht es darum, dass der Kläger der Richterin den Vorwurf macht, sie bestreite die von ihm gerügte Verschleppungstaktik der Beklagten. Was Letzteres betrifft, handelt es sich um eine andere Beurteilung der Verfahrensweise der Beklagten, die als solche nicht geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Richterin zu rechtfertigen.

Kein Ablehnungsgrund ist auch die Meinung des Klägers, die abgelehnte Richterin habe einen Sachverhalt verkannt (Schreiben vom 25. Februar 2003 zu III.). Die Verkennung eines Sachverhalts kann grundsätzlich keine Befangenheit besorgen lassen, es sei denn, dieser Umstand lässt auf eine unsachliche Einstellung gegenüber dem Kläger schließen, wofür indes nichts spricht.

Der Vorwurf, Richterin habe dem Kläger Zeugenaussagen, die die Beklagte herbeigeführt habe, vorenthalten (Schreiben vom 25. Februar 2003 zu IV.), ist unberechtigt. Die Notizen über die fernmündlichen Zeugenbefragungen sind allein Gegenstand der Verwaltungsakte der Beklagten. Die abgelehnte Richterin war nicht verpflichtet, dem Kläger von Amts wegen Teile der Verwaltungsakte der Beklagten zur Kenntnis zu bringen.

Auch der Umstand schließlich, dass Richterin den zweimal nicht erschienenen Zeugen Rechtsanwalt B nicht erneut zum Vernehmungstermin geladen hat, erlaubt keinen Rückschluss auf eine Voreingenommenheit der Richterin dem Kläger gegenüber. Der Zeuge hat sich im Anschluss an sein Nichterscheinen wiederholt schriftlich geäußert. Wenn die Richterin im Hinblick darauf von einem weiteren Versuch einer gerichtlichen Vernehmung absieht, setzt sie sich nicht dem Verdacht der Parteilichkeit aus, zumal der Kläger selbst in Frage gestellt hat, "ob solch ein Mensch zur Aufklärung des Sachverhaltes beitragen kann". Ob die Verfahrensweise der Richterin strengen verfahrensrechtlichen Anforderungen genügt, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht zu entscheiden.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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