L 1 RA 24/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 29 RA 91/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 RA 24/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1927 geborene Kläger war vom 1. November 1958 an beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS) bzw. beim Amt für Nationale Sicherheit (AfNS) beschäftigt, und zwar vom 1. November 1958 bis zum 31. Dezember 1978 in der Hauptverwaltung Aufklärung Abteilung IV (Militärische Aufklärung in der Bundesrepublik Deutschland) und vom 1. Januar 1979 bis zum 31. 3. 1990 in der Hauptverwaltung Aufklärung AGL (Arbeitsgruppe des Leiters), zuletzt im Rang eines Oberstleutnants. Seine Tätigkeit hat er von der DDR aus ausgeübt. Während der gesamten Dienstzeit bestand Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem des Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit (Sonderversorgungssystem der Anlage 2 Nr. 4 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz [AAÜG]). Seit dem 1. Mai 1992 bezieht er eine Regelaltersrente von der Deutschen Rentenversicherung Bund.

Mit Bescheid vom 26. September 1995 stellte das beklagte Bundesverwaltungsamt die Zeit vom 1. November 1958 bis zum 31. März 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem des MfS fest. Für diese Zeiten seien die tatsächlichen Voraussetzungen der Anwendung von § 7 iVm § 6 AAÜG gegeben. In der Anlage 1 zu diesem Bescheid stellte es weiter die in dieser Zeit vom Kläger tatsächlich erzielten Entgelte (bestehend aus Besoldung, Treuegeld, Zulagen, Zuschlägen sowie Wohnungsgeld) fest. Ferner sind in dieser Anlage für die jeweiligen Jahre die sich aus der Anlage 6 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) ergebenden Höchstwerte ("Entgelt nach AAÜG") aufgeführt. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und erklärte zugleich sein Einverständnis mit dem Ruhen des Verfahrens. Mit Änderungsbescheid vom 23. Februar 2000 änderte die Beklagte den Bescheid vom 26. September 1995 dahingehend ab, dass "das während der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nunmehr bis zur Höhe des jeweiligen Durchschnittseinkommens im Beitrittsgebiet" berücksichtigt werde. Mit diesem Änderungsbescheid werde infolge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28. April 1999 im Vorgriff auf die zu erwartende gesetzliche Regelung das vom Kläger erzielte Arbeitsentgelt auf 100 v.H. statt auf 70 v.H. des Durchschnittsentgelts im Beitrittsgebiet festgesetzt. Der Kläger hielt seinen Widerspruch aufrecht, den er nicht begründete. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2001 zurück.

Mit seiner Klage zum Sozialgericht (SG) Berlin hat der Kläger zuletzt geltend gemacht, dass er auch nach der Entscheidung des BVerfG gleichheitswidrig benachteiligt werde. Die Hauptverwaltung Aufklärung habe mit der typischen Aufgabenstellung des MfS nichts zu tun gehabt, sie habe im Bundesnachrichtendienst ihre Entsprechung gehabt. Er hat sich dazu auf die Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 92, 277-365) zur Frage der Strafbarkeit und Verfolgbarkeit früherer Mitarbeiter und Agenten des MfS nach der Vereinigung Deutschlands wegen ihrer zuvor von der DDR aus gegen die Bundesrepublik Deutschland oder deren NATO-Partner gerichteten Spionagetätigkeit bezogen.

Das SG hat die Klage nach Hinweis an die Beteiligten mit Urteil vom 18. September 2003 als unzulässig abgewiesen und dabei auf die entsprechende Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen bisherigen Vortrag wiederholt und rügt, das SG habe die Besonderheiten einer Tätigkeit für die Hauptverwaltung Aufklärung nicht berücksichtigt. Insbesondere liege ein Gleichheitsverstoß gegenüber den Mitarbeitern des militärischen Nachrichtendienstes der NVA vor, die gleichartig gearbeitet hätten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. September 2003 und den Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Entgelte bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das SG hat die Klage mit zutreffender Begründung als unzulässig abgewiesen. Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Klage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes beschwert zu sein. Hierfür muss nach dem vom Kläger behaupteten Sachverhalt zumindest die Möglichkeit bestehen, dass er in einem subjektiv-öffentlichen Recht, das es in der Rechtsordnung wirklich gibt und das ihm möglicherweise zusteht, durch den Verwaltungsakt verletzt worden ist (vgl. BSG SozR 3-8570 § 8 Nr. 2). Eine solche Möglichkeit der Rechtsverletzung des Klägers durch die angegriffenen Bescheide ergibt sich vorliegend nicht.

Der Versorgungsträger hat nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG (vgl. insbesondere BSG SozR 3-8570 § 8 Nrn. 2 und 7), der sich der Senat anschließt, lediglich - neben den Tatbeständen an Zeiten der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem MfS/AfNS und der tatsächlich gezahlten Entgelte - die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung der Beitragsbemessungsgrenze festzustellen. Der beklagte Versorgungsträger hat aber keine Entscheidungen darüber getroffen, welche Beitragsbemessungsgrenzen der Rentenversicherungsträger bei der Rentenwertfestsetzung anzuwenden habe; die von ihm - ausschließlich - getroffenen Feststellungen von nach § 5 AAÜG gleichgestellten Pflichtbeitragszeiten und des darin tatsächlich erzielten Arbeitsverdienstes sind - unstreitig - ebenso zutreffend wie diejenigen der tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung der besonderen Beitragsbemessungsgrenzen des § 7 Abs. 1 AAÜG. Die "Mitteilungen" in dem sog. Entgeltbescheid über die gesetzlich bestimmten kalenderjährlichen Beitragsbemessungsgrenzen waren schon ihrer Rechtsnatur nach keine Verwaltungsakte, die also unter diesem Gesichtspunkt nicht zulässigerweise angegriffen werden können. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zur weiteren Begründung dieser mittlerweile einhellig vertretenen Auffassung Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des SG (§ 153 Abs. 2 SGG).

Mit seiner Auffassung, Verfassungsrecht sei vorliegend deshalb verletzt, weil die Regelungen des Gesetzgebers im Hinblick auf die tatsächlich von ihm ausgeübte Tätigkeit beim MfS nicht ausreichend differenziert seien und daher gegen Art. 3 Grundgesetz verstießen, kann der Kläger zulässigerweise daher (erst) im Verfahren um die Feststellung der Rente durch den Rentenversicherungsträger gehört werden. Das SG hat auch insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass die Gewährung effektiven und zeitnahen Rechtsschutzes nicht in Frage gestellt wird, wenn der rechtsuchende Bürger mit seinem Rechtsschutzanliegen nicht ausgeschlossen, sondern lediglich auf eine spätere Stufe des Verwaltungsverfahrens verwiesen wird (BVerfG SozR 3-8570 § 8 Nr. 5).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved