Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 19 SO 233/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 489/06 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.
Gründe:
I.
Mit Bescheid vom 07.03.2006 nahm der Antragsgegner (Ag) den Bewilligungsbescheid vom 19.09.2005 über Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zurück und forderte die Erstattung überzahlter Leistungen. Zudem stellte er die Weiterbewilligung mit Bescheid vom 07.03.2006 ab 01.04.2006 ein. Gegen beide Bescheide legte die Antragstellerin (ASt) Widerspruch ein. Mit Abhilfebescheid vom 07.06.2006 nahm der Ag den Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 07.03.2006 zurück und erklärte den Widerspruch gegen den Einstellungsbescheid vom 07.03.2006 für erledigt, nachdem für die Zeit ab 01.04.2006 bereits Leistungen erbracht worden waren.
Am 05.05.2006 hat die ASt Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht München (SG) mit dem Begehren gestellt, die mit Bescheid vom 19.09.2005 bewilligte Leistung über März 2006 hinaus auszuzahlen und ihr Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen.
Mit Beschluss vom 01.06.2006 lehnte das SG beide Anträge mangels glaubhaft gemachten Anordnungsanspruches und mangels Erfolgsaussicht ab.
Sowohl gegen die Ablehnung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als auch gegen die Ablehnung der Bewilligung von PKH hat die ASt mit Schreiben vom 20.06.2006 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und nach Erhalt des Abhilfebescheides vom 07.06.2006 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für erledigt erklärt sowie eine Entscheidung über die Kostentragung begehrt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die außergerichtlichen Kosten hat die ASt zu tragen.
Gemäß § 193 Abs 1 Satz 1 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG), der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens entsprechend anzuwenden ist, hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren anders beendet wird.
Vorliegend ist das Verfahren durch Erledigterklärung beendet worden.
Bei Erledigung des Rechtsstreites u.a. durch übereinstimmende Erledigterklärung entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Maßgebend für die Entscheidung sind insbesondere die Erfolgsaussichten der Klage (hier des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens). Weiter sind die Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung zu prüfen (vgl zum Ganzen: Meyer-Ladewig/Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl, § 193 RdNr 13). Wie sich bereits aus dem von dem Ag erlassenen Abhilfebescheid vom 07.06.2006 ergibt, hat die ASt mit ihren Widersprüchen Erfolg gehabt. Im Rahmen der beantragten einstweiligen Anordnung ist somit vom Vorliegen eines Anordnungsanspruches auszugehen. An das Vorliegen eines Anordnungsgrundes sind daher nur sehr geringe Anforderungen zu stellen.
Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtsstreit § 86 b Abs 2 Satz 2 SGG dar.
Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Ast ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74, vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2002, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Aufl. RdNr 643).
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den er sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der Ast glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8.Aufl, § 86 b RdNr 41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist gegebenenfalls auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Ast zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 und vom 22.11.2002 aaO).
Nach alledem lagen hier die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vor. Der Ag hat somit die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Mit Bescheid vom 07.03.2006 nahm der Antragsgegner (Ag) den Bewilligungsbescheid vom 19.09.2005 über Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zurück und forderte die Erstattung überzahlter Leistungen. Zudem stellte er die Weiterbewilligung mit Bescheid vom 07.03.2006 ab 01.04.2006 ein. Gegen beide Bescheide legte die Antragstellerin (ASt) Widerspruch ein. Mit Abhilfebescheid vom 07.06.2006 nahm der Ag den Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 07.03.2006 zurück und erklärte den Widerspruch gegen den Einstellungsbescheid vom 07.03.2006 für erledigt, nachdem für die Zeit ab 01.04.2006 bereits Leistungen erbracht worden waren.
Am 05.05.2006 hat die ASt Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht München (SG) mit dem Begehren gestellt, die mit Bescheid vom 19.09.2005 bewilligte Leistung über März 2006 hinaus auszuzahlen und ihr Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen.
Mit Beschluss vom 01.06.2006 lehnte das SG beide Anträge mangels glaubhaft gemachten Anordnungsanspruches und mangels Erfolgsaussicht ab.
Sowohl gegen die Ablehnung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als auch gegen die Ablehnung der Bewilligung von PKH hat die ASt mit Schreiben vom 20.06.2006 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und nach Erhalt des Abhilfebescheides vom 07.06.2006 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für erledigt erklärt sowie eine Entscheidung über die Kostentragung begehrt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die außergerichtlichen Kosten hat die ASt zu tragen.
Gemäß § 193 Abs 1 Satz 1 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG), der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens entsprechend anzuwenden ist, hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren anders beendet wird.
Vorliegend ist das Verfahren durch Erledigterklärung beendet worden.
Bei Erledigung des Rechtsstreites u.a. durch übereinstimmende Erledigterklärung entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Maßgebend für die Entscheidung sind insbesondere die Erfolgsaussichten der Klage (hier des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens). Weiter sind die Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung zu prüfen (vgl zum Ganzen: Meyer-Ladewig/Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl, § 193 RdNr 13). Wie sich bereits aus dem von dem Ag erlassenen Abhilfebescheid vom 07.06.2006 ergibt, hat die ASt mit ihren Widersprüchen Erfolg gehabt. Im Rahmen der beantragten einstweiligen Anordnung ist somit vom Vorliegen eines Anordnungsanspruches auszugehen. An das Vorliegen eines Anordnungsgrundes sind daher nur sehr geringe Anforderungen zu stellen.
Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtsstreit § 86 b Abs 2 Satz 2 SGG dar.
Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Ast ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74, vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2002, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Aufl. RdNr 643).
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den er sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der Ast glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8.Aufl, § 86 b RdNr 41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist gegebenenfalls auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Ast zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 und vom 22.11.2002 aaO).
Nach alledem lagen hier die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vor. Der Ag hat somit die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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