L 11 B 510/06 SO ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 SO 45/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 510/06 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 01.06.2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist die Höhe der von der Antragsgegnerin zu bewilligenden Kosten für die Unterkunft gemäß dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Der 1958 geborene ledige Antragsteller bezieht seit 01.01.2005 befristet Rente wegen voller Erwerbsminderung von der LVA Unterfranken. Er bewohnt allein eine 58 qm große Zweizimmerwohnung, für die er 367,55 EUR Miete inkl. Nebenkosten sowie 20,45 EUR Heizkostenvorschuss zahlt.

Auf Antrag bewilligte ihm die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 15.06.2006 ab 10.06.2006 Hilfe zum Lebensunterhalt unter Berücksichtigung der vollen Unterkunfts- und Heizkosten (abzüglich 1/6 für die Warmwassererwärmung) bis November 2005. Ab Dezember 2005 erhalte der Antragssteller allerdings nur noch die angemessenen Unterkunftskosten in Höhe von 272,00 EUR zuzüglich Heizungskosten, es sei denn, er lege der Antragsgegnerin bis 01.12.2005 Nachweise darüber vor, dass er sich um eine kostengünstigere Wohnung oder eine Untervermietung bemüht habe.

Am 20.10.2005 erklärte der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin, es sei ihm nicht möglich die Mietkosten zu senken, da er aus gesundheitlichen Gründen einen Umzug nicht bewältigen könne. Es nehme starke Medikamente und könne sich nicht um einen Umzug kümmern bzw diesen organisieren. Eine Untervermietung einer Zweizimmerwohnung sei nicht möglich. Er legte hierzu ein Attest der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie S. vor, wonach er aufgrund seiner zugrunde liegenden Erkrankung nicht in der Lage sei, einen Umzug in eine günstigere Wohnung zu bewältigen. Einen Termin zur Begutachtung am 10.11.2005 um 9.00 Uhr lehnte der Antragsteller ebenso ab wie einen angebotenen Hausbesuch. Unter Hinweis auf seine Mitwirkungspflicht nach § 62 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) bot die Antragsgegnerin einen weiteren Termin am 01.12.2005 um 11.00 Uhr an, bei dessen Nichtwahrnehmung die Unterkunftskosten ab 01.01.2006 nur noch in der angemessenen Höhe erfolgen würde (Schreiben vom 21.11.2005). Der Antragsteller erschien zu diesem Termin nicht, sondern erklärte, er habe sowohl mitgeteilt, dass er aufgrund seiner Erkrankung Vormittagstermine nicht wahrnehmen und auch nicht umziehen könne.

Mit Bescheid vom 17.01.2006 bewilligte die Antragsgegnerin Hilfe zum Lebensunterhalt unter Berücksichtigung anderweitiger Änderungen ab 01.10.2005 bis 30.06.2006. Unterkunftskosten berücksichtigte sie dabei bis 31.12.2005 in voller Höhe, ab 01.01.2006 seien nur die angemessenen Unterkunftskosten zu übernehmen. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein. Die tatsächlichen Mietkosten seien zu übernehmen. Den Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.2006 zurück.

Hiergegen hat der Antragsteller Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend gestellt, die Antragsgegnerin zur Nachzahlung der tatsächlichen Unterkunftskosten für die Monate Januar bis April 2006 und zur Zahlung bis auf weiteres zu verurteilen. Das SG hat mit Beschluss vom 01.06.2006 diesen Antrag abgelehnt. Der Kläger habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Es sei nicht davon auszugehen, dass er einen Termin am späten Vormittag nicht wahrnehmen bzw einen Hausbesuch nicht zulassen könne. Die vorgelegten Atteste seien diesbezüglich nicht aussagekräftig. Er habe seine Mitwirkungspflicht nicht erfüllt.

Hiergegen hat der Antragsteller Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und zur Begründung auf seine gesundheitlichen Einschränkungen hingewiesen, die sowohl eine Begutachtung am Vormittag als auch einen Umzug als nicht möglich erklären.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Antragsgegnerin sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig. Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Das Rechtsmittel erweist sich jedoch nicht als begründet.

Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtstreit § 86b Abs 2 Satz 2 SGG dar.

Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Ast ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74, vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Aufl., RdNr 643).

Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den er sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der Ast glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8.Aufl, § 86b RdNr 41).

Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Ast zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 aaO und vom 22.11.2002 aaO).

Dem Antragsteller fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund, denn die von ihm begehrte Entscheidung über den hier allein streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum (01.10.2005 bis 30.06.2006) ist nicht (mehr) eilbedürftig. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass Leistungen der Sozialhilfe für abgelaufene Bewilligungszeiträume durch einstweilige Anordnung regelmäßig nicht zugesprochen werden können. Nachdem der Ast auch erst am 30.06.2006 Beschwerde eingelegt hat, war dem Senat auch keine frühere Entscheidung möglich gewesen.

Im Rahmen des Hauptsacheverfahrens wird der Ast angemessenen und ausreichenden Rechtsschutz erhalten. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob die Regelungen der §§ 62, 66 SGB I, auf die das Sozialgericht in seinem hier angegriffenen Beschluss eingeht, vorliegend eingreifen, und ob deren Voraussetzungen erfüllt sind. So ist eventuell zu prüfen, ob nicht - gegebenenfalls nach Einholung einer Einverständniserklärung des Antragstellers - die Beiziehung der ärztlichen Unterlagen der LVA Unterfranken eventuell als ausreichend angesehen werden können und somit eine Begutachtung nach Untersuchung nicht mehr erforderlich sein könnte. Zu berücksichtigen wird aber auch sein, dass bisher der Antragsteller die Unzumutbarkeit einer Untervermietung nur behauptet hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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